Sonder-Link: ENLS-Course

Wären die Fachdisziplinen bei uns doch schon mal so weit…

 

Auf der Seite http://enlscourse.org/welcome/ zeigt sich was möglich ist, wenn die Widerstände der einzelnen, „etablierten“
Fachgesellschaften gegen die Notfallmedizin endlich einmal überwunden werden.

 

In einer kongenialen Zusammenarbeit aus Neuro-Intensivmedizin und Notfallmedizin wird auf dieser Beta-Versionsseite ein neues, cleveres Kurssystem zu neurologischen Notfällen und der
Versorgung in den ersten Stunden etabliert. Dieses reiht sich in die lange Serie der existierenden Kurse von ATLS über ACLS bis PHTLS usw. ein.

 

Mittels Log-In auf der derzeit kostenfreien Website bekommt der User Zugriff auf die in Flussdiagrammen demonstrierten Algorithmen für unterschiedliche Symptomkomplexe. Ich bin gespannt was
sich hieraus entwickeln wird, allein der Name Scott Weingart, der den Emergency Medicine- Teil des Kurskonzeptes kuratiert, spricht für ein ausgereiftes Konzept, Notfallmedizin- Interessierten
ist er als Kopf hinter EmCrit (www.emcrit.org/) bekannt.


Ein Problem der Notaufnahmearbeit- fehlende Selbstkontrolle

Was ist eigentlich aus dem Mann mit dem Bein geworden? Welches Bein, welcher Mann, wann war denn das? Keine Ahnung was du meinst!

 

Diese Art von Gesprächen sind ein Problem der Notaufnahmearbeit, denn mit dem Verlassen der Ambulanz verlässt ein Patient unsere Einflusssphäre, worüber wir zumeist erfreut, seltener aber
auch etwas enttäuscht sind, vor allem dann, wenn die vermutete Erkrankung/ Verletzung entweder spektakulär oder noch unklar ist, oder wir uns bereits in der Notaufnahme mit dem Patienten
„angefreundet“ haben.

 

Nur mit einem gewissen Feedback von den aufnehmenden Abteilungen kann zudem eine Verbesserung der Erstversorgung ermöglicht werden, dies ist umso schwerer, als dass ein reiner Neglect noch
eine der freundlicheren Umgangsformen ist, mit der die meisten ZNAs zu kämpfen haben. Der Vorteil den eine derartige eigengeleitete Abteilung für das gesamte Krankenhaus mit sich bringt, wird
halt noch nicht von allen erkannt, aber das wird schon noch kommen. Schliesslich haben alle grossen Weltverbesserer ein paar Tage gebraucht, bis ihnen die ersten Jünger folgten, oder?

 

Wie auch immer, dies löst natürlich nicht die gegenwärtige Situation, in der der weitere klinische Verlauf unserer Notfallpatienten häufig eine „Black Box“ ist. Wie also kann diese
Situation geändert werden?

 

Bei den gegenwärtig verwendeten Dokumentationsarten gibt es die analoge und die digitale Fraktion, ich habe zunächst mit der analogen begonnen und bin mittlerweile in die digitale
übergewechselt. Insgesamt muss man sagen, dass auch diese noch nicht das Gelbe vom Ei ist, aber zunächst zur analogen Dokumentation. Zu dieser gibt es nicht viel zu sagen, entweder man benutzt
täglich einen Zettel auf den man die weiterzuverfolgenden Patienten klebt, oder man besitzt ein kleines Notizbüchlein in das man Namen hineinschreibt oder Patientenetiketten
einklebt. 

 

 

Die digitale Alternative ist die Verwendung eines Smartphones, hier ergeben sich auf Basis der zahlreichen verwendbaren Applikationen ebenso viele Dokumentationsmöglichkeiten. 

Nach mehreren Versuchen mit insgesamt 4 Apps (ApelloTracker, PatientTracker, WardsLite, ScutsheetLite) habe ich festgestellt dass diese Apps alle wesentlich mehr Infos enthalten als das was
man eigentlich eingeben möchte. Sie sind alle ureigentlich für die Stationen gedacht, viel zu komplex und erfordern grosse Mengen redundanter Eingaben. Überdies muss man sich bei einigen auch
noch anmelden. Letztlich benötigen wir jedoch nur Namen, Geburtsdatum und wenige individuelle Eintragungsfelder.

Nimmt man als Alternative eine reine Textverarbeitung zum Beispiel Pages oder auch einfach eine der zahlreichen Notizapps, fällt hierdurch die Möglichkeit der Sortierung der Patienten
weg. 

Schlussendlich bin ich dazu übergegangen für die Patientenverlaufsdoku Bento zu verwenden. Bento ist ein Datenbankprogramm sowohl für iPad als auch iPhone welches (gegenwärtig für 3,99€) im
iTunes Shop erhältlich ist, es lässt einen nahezu unlimitiert eigene Datenbanken öffnen, die man zuvor konfigurieren kann, mit genau so vielen Infos, wie man bereit ist einzugeben. Müssig zu
sagen, dass man ein derartig gerüstetes Gerät zumindest per PIN vor Fremdzugriffen schützen sollte. Wie diese Datenbank aussehen kann habe ich anhand zweier Bilder dargestellt. 

Nun bleibt die Frage wie man denn nun schlussendlich an die Infos über den Verlauf der Patienten kommt. Hier gibt es nun die Möglichkeit persönlich auf den Stationen nachzuhören oder
nachzusehen oder aber der Zugriff auf die Entlassungsbriefe (wenngleich diese gelegentlich den Verlauf nicht im entferntesten wiedergeben, denn hier gibt es gigantische
Qualitätsunterschiede). 

Günstig wäre es, wenn das Computerprogramm selbständig den aufnehmenden Arzt identifizieren und diesem eine Kopie des Entlassungsbriefes intern zusenden würde. Dies wäre sicherlich
technisch einfach zu bewerkstelligen, habe ich aber so noch nicht gesehen. 

Habt ihr noch andere Ideen, wie können wir uns selbst und unsere Tätigkeiten mehr hinterfragen?


 

Rezension Notfallstandards

Aufgefallen war mir die Applikation nachdem sie auf der MedArt Basel 2011, einer wie ich finde
exzellenten allgemeinmedizinischen Fortbildung vorgestellt wurde. Freundlicherweise wurde mir von den Machern der medstandards eine Promoversion für diese Rezension zur Verfügung gestellt.

 

Zunächst etwas zur Herkunft der Applikation: Unter der Leitung von Prof. Bingisser vom Unispital Basel zusammengestellt, wird das
Prinzip der Notfallstandards nach Websitenangaben von derzeit 8 deutschen und 21 schweizerischen Krankenhäusern verwendet und trägt so zur dringend notwendigen Standardisierung von
Notfallabläufen in den teilnehmenden Kliniken bei. 

Logische Folge dieser zunächst lediglich als Webapplikation in Spitallizenz erhältlichen Software ist in Zeiten der iPads und
Smartphones eine Version für Einzelnutzer mit auf den Weg zu bringen, die allerdings nur 70% der Gesamtinhalte umfasst und mit einem Preis von 23,99€ sicher nicht zu den Schnäppchen
zählt. 

Zur Verteidigung des Preises muss man allerdings sagen, dass die App von Aufbau und  Umfang eher einem traditionellen Fachnachschlagewerk als einer primären Mobilapplikation
ähnelt.

 

Nach Installation der App öffnet sich ein Bildschirm auf dem der User im Wesentlichen die Geschäftsbedingungen der Herausgebers und einen Haftungsausschluss für Fehldosierungen und
Ähnliches akzeptiert.

 

In der Folge öffnet sich ein Startbildschirm, zweigeteilt zwischen Symptomen und Fachunterteilungen, von diesem ausgehend sind die unterschiedlichen Algorithmen verlinkt, zumeist bis in
eine zweite, gelegentlich dritte Ebene. Insgesamt dürften sich etwa 180 primäre Artikel im System befinden, zusätzlich findet sich eine Vielzahl von externen Verlinkungen, teils zu frei
einsehbaren Inhalten von Drittanbietern, teils lediglich zu den Abstracts der verlinkten Artikel. 

Inhaltlich sind alle Artikel sicher über alle Zweifel erhaben, es gibt viele Checklisten von zu beachtenden Symptomen, Medikamentenempfehlungen und auch Hinweise zu notfallmedizinischen
Prozeduren, dies alles in ansprechender Optik, ohne die Folien überladen wirken zu lassen. Einzig der Homebildschirm unterschreitet auf dem iPhone die Grenze des guten Handlings, hier gelingt
Nutzern mit grösseren Händen aufgrund der Vielzahl der Buttons nicht immer sicher der Zugriff auf das gewünschte Thema.

 

Insgesamt bekommt der Benutzer für 23,99€ Zugriff auf etwa 180 Themen im Rahmen der Notfallstandards, dies entspricht nach Eigenangabe 70% der gesamten Folien, ab einer gewissen
Informationstiefe werden manche Inhalte nur noch dem Nutzer mit Spitallizenz zur Verfügung gestellt. Dieses Vorgehen ist aus Vertreibersicht zwar verständlich, da ausgemachtes Ziel der App ist
User zum Erwerb einer Spitallizenz zu ermutigen, trotzdem empfinde ich die Tatsache als grösstes Manko der Applikation. Dies benachteiligt die Interessenten, die nicht den Vorteil einer
investitionsbereiten Klinikleitung haben systematisch und ist meines Erachtens nicht zeitgemäss. Die nicht erhältlichen Inhalte beschränken sich jedoch zumeist auf die informationen der zweiten
oder sogar dritten Folienebene. Bei insgesamt doch übersichtlichem Datenvolumen wundert ebenso die Tatsache dass alle Inhalte nur online verfügbar sind (worauf aber in der Beschreibung
hingewiesen wird), eine Offline Verfügbarkeit mit regelmässigen Updates wäre hier sicher die benutzerfreundlichere Alternative gewesen, hierauf wurde aus Kostengründen jedoch verzichtet. Dies
macht die Applikation in bestimmten Räumlichkeiten (so der Notaufnahme in der Autor arbeitet) allerdings komplett unbenutzbar.

 

Genug jedoch der Systemkritik, sehr positiv fällt die hohe Evidenzorientierung der Applikation aus, viele externe Links führen zudem zu frei erhältlichen deutschsprachigen Artikeln, die
allerdings ebenso nur online verfügbar sind. Gerade in Deutschland ist die Arbeit in den Notaufnahmen derzeit noch wenig evidenzbasiert, der hier verfolgte wegweisende Ansatz kann uns allen
diesbezüglich noch viel positiven Input geben. Für die mobile Einzellizenz sollten meines Erachtens nach jedoch noch die lokalen Besonderheiten der Folien (z.B. Telefonnummern) entfernt werden
und durchgängig Wirkstoffe statt Freinamen verwendet werden, bislang wurde aus Kostengründen auf ein separates Folienset ebenfalls verzichtet

Der Aufbau der App fällt bei den heutigen Möglichkeiten ebenfalls etwas spartanisch aus, neben den einzelnen hierarchisch angeordneten Folien findet sich im Wesentlichen keine weitere
Funktionalität, eine Suchfunktion ist lediglich für Krankenhauslizenzen integriert.

 

 

Fazit:

 

In der Summe erscheint mir die Applikation von Idee und Inhalt her exzellent, die Folien überzeugen durch strukturelle Übersichtlichkeit und mit zahlreichen wertvollen Verlinkungen. Die
Ausführung bietet hingegen noch einiges an Optimierungsbedarf,an einigen Stellen wirkt das Produkt schlicht wie eine nicht ganz ausgereifte Version der Website ohne die Möglichkeiten des Mediums
iPad/iPhone dabei ausreichend zu nutzen.

Hier ist zuvorderst die  fehlende Offlinefunktion und die Limitierung auf 70% der Inhalte für Einzelnutzer zu nennen, ersteres Manko wird die Nutzung für zahlreiche Teilnehmer
erheblich erschwere. Nicht jeder Interessierte hat als Backup schliesslich eine investitionswillige Klinik und freies WLAN am Arbeitsplatz! 

 

positiv

 

sehr übersichtliche Folien und gute Entscheidungsbäume

erste evidenzbasierte Notfallmedizin-Ressource

viele gute Links mit vielfach frei verfügbaren Inhalten 

 

negativ

 

fehlende Offline Funktion

Inhaltsbeschränkung ab höheren Ebenen und fehlende Suchfunktion in Einzellizenz 

häufiger Wechsel zwischen Wirkstoffen und Freinamen

 

Demnächst neue App-Rezension: NotfallStandards (Uni Basel)

Freundlicherweise wurde mir von den Machern der medstandards/ Notfallstandards eine Promoversion für diese Rezension zur Verfügung gestellt, die ihr in den nächsten Tagen hier finden werdet. Die
App enthält Notfallalgorithmen zu vielen Leitsymptomen in deutscher Sprache und ist seit 3/11 im iTues Store erhältlich. Ich bin gespannt wie sich die App schlägt, ihr könnt eine ausführliche
Besprechung erwarten…