Ordnung in der Nacht


Gegen 21 Uhr hatten wir den Hämoglobinwert von Herrn Blauguhl nochmals kontrolliert. Nicht zufriedenstellend war das gewesen und so beschloss ich zur Sicherheit über die Nacht noch zwei Blutkonserven anzuhängen.

Gegen 22.30 Uhr war ich dann auch im Besitz genannter Konserven, füllte einen Haufen Formulare aus und machte mich auf den Weg zu Herrn Blauguhls Zimmer. Herr Bauguhl und seine Zimmernachbarn waren Verfechter des Mottos „Der frühe Vogel fangt den Wurm“ und hatten sich deshalb rechtzeitig zur Ruhe gelegt. Nicht gewillt die unbeteiligten Bettnachbarn unnötig mit grellem Licht aus dem Tief- oder vielleicht auch nur REM-Schlaf zu reißen, flüsterte ich in Herrn Blauguhls Richtung:

„Herr Blauguhl, können sie mal das kleine Licht an ihrem Bett anmachen?“

„WAS?! Ich soll mein Bett machen?“

„Nein, nein können sie das Bettlicht anmachen?“

„ICH SOLL MEIN BETT MACHEN??!“

„NEIN! Ich brauche nur etwas Licht um …“

„ICH SOLL MEIN BETT NICHT MACHEN?!“

Während dieser Diskussion stand ich nun schon viel zu lange im stockdunklen Zimmer herum. Herrn Blauguhl Nachbarn schliefen auch nicht mehr und begannen ihrem Zimmernachbarn Tipps zu geben, wie man besagtes kleines Licht am Bett anmachen könne. Hier gab ich dann auf und schaltete das große Zimmerlicht an.

Schon wieder so eine Kanülendiskussion


Frau Globboz war edel und auch etwas eigen.

Gerade befand ich mich in einer langen und zähen Diskussion über die Notwendigkeit so eine Kanüle. Glücklicherweise konnte ich mir einen Stuhl besorgen, sonst hätte ich inzwischen schon 20 min neben dem Bett rumgestanden.

Also jetzt saß ich eben daneben rum und sagte Dinge wie: „Das mit dem Antibiotikum machen wir ja nicht aus Spaß und Freude an der Sache.“ oder auch „Wollen sie sterben?!“ und „Sie gehen mir so langsam etwas auf die Nerven.“ Nein das sagte ich nicht. Ich hatte echt viele unglaublich tolle Argumente und mit meiner unendlichen und ärztlichen Klugheit schien sich die 20 min Diskussion doch auszuzahlen.

ABER:

„Also, hm naja, ich weiß auch nicht, sie sind ja auch nur so ein Assistenzarzt.“

„Und?“

„Von Ihnen lasse ich mir keine Kanüle legen!“

„OK? Und wer darf das dann?“

„Jaaaa, wenn das unbedingt sein muss, der Oberarzt.“

„Ah.“
„Aber nur, wenn er gut aussieht, der Oberarzt!!“
„Oh, ähm, ja selbstverständlich. Öh, sehr gutaussehend ist er unser Oberarzt. Schicke ich ihnen gleich nachher vorbei.“

Der Oberarzt fand das zwar nicht so lustig wie ich, schien aber trotzdem den Ansprüchen der Frau Globboz zu genügen und legte erfolgreich die blöde Kanüle.

Prolongiert und postoperativ

Frau Wimpelstein wäre sonst eigentlich ganz normal. Ziemlich alt (so 90 oder so), aber normal. Und unauffällig. Seminett. Sagten die Angehörigen. Nachdem sie jetzt aber erst von den Chirurgen ein neues Hüftgelenk bekommen hatte und im Anschluss aber kein Diuretikum, landete Frau Wimpelstein auf einer internistischen Station mit Wassereinlagerungen und prolongierter, postoperativer Verwirrtheit. Außerdem irgendwie Bauchschmerzen.

Ich setzte mich neben Frau Wimpelstein und versuchte ein sinnvolles Gespräch.

„Aufhängen sollte man die Alle!“, schimpfte die Dame missmutig.

„Oh wie bitte?“

„Na gut, sie nicht Frau Doktor. Aber die anderen.“

„Hmhm, ähm sprechen wir doch über was Anderes. Vielleicht machen wir wegen der Bauchschmerzen nachher mal einen Ultraschall.“

„WAS wollen sie machen?!“

„Einen Ultraschall! Um nach dem Bauch zu schauen!“

„WAAAAS?!!?! Glauben sie etwa ich bin schwanger?!!?“


Das Versterben von Frau Giordano

Um 10 Uhr und 25 Minuten erlag Frau Giordano ihren schweren Grunderkrankungen, welche unter anderem einen Tumor der Niere, Diabetes, eine schwere Herzinsuffizienz, ein Glaukom des rechten Auges und 20 weitere nicht weiter aufgeführte Punkte beinhalteten. Kombiniert mit einer großzügigen Lungenentzündung hatten diese nun zu ihrem Tode geführt. Frau Giordano war außerdem ungefähr 90 Jahre alt, ihr Versterben nicht völlig unerwartet und fand zudem im Beisein ihres Sohns und der Tochter statt, so dass alles halb so dramatisch war. Dachte ich.

Dies trug sich zu auf meiner Station, während ich Visite machte und meinen Visitenwagen hin und herschob. Ich bestätigte den Tod von Frau Giordano und versprach den Schwestern in zwei, drei Stunden die zweite Leichenschau zu vollbringen. Frau Giordano würden wir solange auf der Station lassen, damit sich die Familie noch etwas verabschieden könne. Ein unglaublich guter Plan. So wie alle meine Pläne.

Drei Stunden später eilte die Schwester panikartig herbei, ob ich denn nicht bald meine endgültige und finale Leichenschau vollbringen könne, die Situation laufe gerade nun so langsam etwas aus dem Ruder und man wolle Frau Giordano möglichst schnell in die Pathologie im Keller verfrachten.

„Huä, wieso? Siehst du nicht, ich analysiere gerade dieses äußert wichtige aber völlig verwackelte Belastungs-EKG, Schwester?! Hier könnte sich zum Beispiel eine neu aufgetretene ST-Streckenhebung verbergen. Oder aber der Patient ist hier vom Ergometer gefallen.“

Die Schwester war aber sehr persistent und in Kürze schlossen sich ihr ein Haufen weiterer Schwestern an, deswegen legte ich dann das Belastung-EKG weg, das außerdem zu viele Zacken an falsche Stelle  enthielt und ging hin, das Begehr der Schwestern zu erfüllen. Im Flur traf ich auf vier aufgelöste vermutlich Enkel Frau Giordanos und dann betrat ich das Zimmer, wo mich eine Wand an Menschen erwartungsvoll anstarrte. Nicht gewillt eine öffentliche Leichenschau vor großem Publikum zu performen, erklärte ich, ich bräuchte, den Raum jetzt für mich alleine. Die Menge nickte respektvoll und defilierte langsam an mir nach außen: Frau Giordanos Geschwister, Töchter und Söhne , Leute, die Familie Giordano einfach so Beistand wünschten, fünf kleine Kinder, drei Babys, zwei Kinderwagen, noch mehr Leute, Enkel und Enkelinnen, Nichten und Neffen, weitere Leute.

Ich vollbrachte, was ich vollbringen wollte, ging wieder raus, vorbei an vermutlich 100, naja vielleicht auch 60 Leuten, die alle ratlos im Flur rumstanden und fragte freundlich ob es ok, wäre, wenn wir Frau Giordano nun nach unten brächten. Das war es zum Glück und so verhinderten wir anscheinend die Ankunft weiterer 60 Verwandter, wie mir danach ein Sohn anvertraute.

Im Anschluss mussten wir nur noch anderer Patienten Angehöriger Verwirrung beruhigen, ob der vielen südländisch aussehender Menschen in unserem Flur: Nein! Nein, das wären keine Asylbewerber gewesen, die gerade eine öffentliche Führung durch das Krankenhaus erhalten hätten. Ernsthaft.


Die entscheidende Pfeilrichtung


Der Tag war schon so viel zu lange gewesen und nachdem ich immer noch nicht heimgehen  konnte, sondern stattdessen in den 3. Stock musste, schleppt ich mich lieber gleich zum Aufzug anstatt meine Fitness mit einer großen Anzahl an Treppen zu malträtieren.

Ich drückte dann auch auf die Anforderungs-Pfeiltaste nach oben, denn da wollte ich ja hin und nicht in den Keller oder so.

Es stellte sich nun aber eine junge Mutter mit ihrem Kind dazu und starrte ärgerlich auf die leuchtende Pfeil-nach-oben-Taste und auf die Anzeige über dem Aufzug, die vor sich hinanzeigte, dass der Aufzug gerade noch im vierten Stock verweilte. „Na super!“ rief sie ärgerlich, „wer hat denn gerade auf die nach-oben-Taste gedrückt?! Der soll doch runter zu uns kommen der Aufzug! Den darf man doch nicht nach oben schicken!“ Dann drückte sie noch auf die Anforderungstaste mit dem Pfeil nach unten, damit der Aufzug auch runter zu käme und uns im Anschluss nach oben transportieren würde und ich fühlte mich sehr verwirrt.

Kanüleninfusion und kein Blutgefäß

Es war mittlerer Nachmittag und mein verzweifelter Kollege kam von der Nachbarstation vorbei: „Du, Frau Zorgcooperations, ich hab‘ so einen Patienten. Der wiegt 150 kg und hat Arme so dick wie eine Python, die gerade ein mittelgroßes Krokodil gefressen hat. Der braucht unbedingt Antibiose, aber ich schaffe es nicht eine Kanüle zu legen. Kannst du vielleicht mal…?“
Das hört sich nicht sehr vielversprechend an, aber ich beschloss die Arbeit an diesem spannenden Entlassbrief zu unterbrechen. Das Kanülentablett stockte ich vorsichtshalber noch mit einer größeren Reserve an Kanülen aller Farben auf und sagte „Hallo“ zu Herrn Klimpkelstein. Herr Klimpkelsteins riesige Arme waren schon mit Pflastern bedeckt, die Stellen anzeigten, an denen man wohl keine Kanüle legen konnte.
Zum Glück war Herr Klimpkelstein geduldig. Ich zog, drehte und klopfte prüfend an beiden Armen herum, fand schließlich ein winziges Venenetwas am Handrücken und: Boomya, haha, die passende Kanüle war drin. Etwas schief und halb über den Fingerknöcheln hängend, aber egal. DRIN! Ich bastelte einen Superklebeverband, hängte das intravenöse Antibiotikum gleich an und  ging.
Kurze Zeit später, ich glaube, ich lief durch einen Flur oder so, eilte der Nachbarpatient von Herrn Klimpkelstein heran. „Sie! Sie haben doch gerade die Kanüle bei meinem Zimmernachbarn gelegt?“ „Hm ja?“ „Die ist kaputt, die Infusion läuft nicht!“
Missmutig über das Zunichtemachen meines großartigen Erfolges von vorhin, besuchte ich Herrn Klimpkelstein erneut.
„Hier“, sagte der, „schauen sie! Die Infusion läuft gar nicht mehr.“
„Oh ja“, sagte ich schauend und lachte erfreut, „machen sie sich keine Sorgen, die kann gar nicht mehr laufen, die ist schon leer, ihre Infusionflasche.“

„ALLE“ Probleme des Patienten


„Also“, sagte die Krankenschwester, „und gleich wird noch der Herr Braun-Stöckel von der Chirurgie zu uns verlegt.“

Dies war mir neu, überhaupt hatte ich bis dahin nichts von Herrn Braun-Stöckels Existenz geahnt. Daher fragte ich meine Schwester: „Oh und warum kommt er zu uns?“

„Das hat der chirurgische Oberarzt Gebhart so gewollt.“

„Ah hmhm und was ist der Grund warum der Patient von nun in unsere internistische Obhut soll?“

„Das hat Dr. Gebhart so gesagt!“ Jop, dieser Satz kommt mir bekannt vor.

„Und WESHALB möchte Dr. Gebhart das?“

„Ja, weil der Patient wäre internistisch besser aufgehoben!“ Ha. Nimm‘ das, Arzt. Supergrund!

Verzweifelt nach einem weiteren Synonym für „warum“ suchend, versuchte ich es mit: „Ok und aufgrund welchen Anlass denkt Oberarzt Gebhard, dass der Patient internistisch besser betreut wäre?“
Die Schwester rang nach Worten: „Na hm da, ha, ja genau, kann er besser überwacht werden!“

Hmhm.

Meine Unzufriedenheit spürend winkte die Schwester nun ihre Kollegin herbei, die mir feierlich die chirurgische Kurve mit der Diagnosenliste von Herrn Braun-Stöckel reichte. Hier ständen ALLE Probleme des Patienten drin, die meine lästigen Arztfragen beantworten würden! Es gab nur zwei Einträge: 1. Fraktur eines wichtigen Knochens und 2. Nachfolgende Operation unter Einsatz größerer Metallteile.

Ich beschloss dann Dr. Gebhart suchen zu gehen.

Ein sicheres Geleit


Herr Rahimi lebte in einem Land, in dem es echt nicht mehr schön war. Er hatte daher seine Familie genommen und beschlossen nach Deutschland einzuwandern. Endlich dort angelangt, landete Herr Rahimi in einem Erstaufnahmelager. „Woah moment“, sagte das medizinische Personal der Einrichtung, „Sie husten und haben früher schon mal Tuberkulose gehabt, die nie behandelt wurde?! Da müssen sie gleich in eine Klinik. Äh, da gehen sie mal ins Klinikum in Beteigeuze City. Und ihre Frau, die hustet ja auch. Die nehmen sie gleich mit.“

Bäm. Da saßen Herr und Frau Rahimi in unserer Aufnahme. Zum Glück hatte die Erstaufnahmeeinrichtung schon richtig gedacht, dass keiner von uns interessanten, aber nicht sehr verbreiteten Lokaldialekt der Rahimis sprach, einen Dolmetscher aufgetrieben und mitgeschickt.

Wir sandten die Rahimis durchs Röntgen, nahmen ihr Blut und Sputum an uns und beschlossen: „Jop, Herr Rahimi sie sehen sehr tuberkulose-befallen aus, ihre Frau zum Glück nicht so.“ Das Gesundheitsamt erklärte dann, Herr Rahimi müsse nun auch sofort ins Tuberkulosezentrum keine Ahnung wo, auf jeden Fall nicht in Beteigeuze, Frau Rahimi dürfe aber wieder heim.

Ich organisierte einen Krankentransport für Herrn Rahmini und die Erstaufnahmemenschen  waren sehr nett und sagten, man könne ein Taxi nach Hause für seine Frau und den Dolmetscher organisieren.

„Äh nein“, sagte Herr Rahimi. „Das ginge nicht.“

„Aber warum denn?“

„Na da wäre die Frau ja alleine im Taxi mit dem Dolmetscher!“

Der Dolmetscher, ein freundlicher, älterer Mann, übersetzte auch dies sehr professionell und wir erklärten schließlich seufzend, wir würden fragen, ob wir auch zwei getrennte Autos bekommen könnten, eins für die Ehefrau und eins für den Dolmetscher.

„Woah, nein!“ sagte Herr Rahimi, da wäre die Ehefrau ja GANZ ALLEINE im Taxi. Das gehe auch nicht.

Ah super dachte ich. Mit ins Tuberkulosezentrum kann er sie auch nicht nehmen. Mit Tuberkulose kann ich Herrn Rahimi jetzt aber auch nicht erbost rauswerfen, auf dass er seine Ehefrau persönlich heim begleitet.

Der Dolmetscher blieb zum Glück ruhig, obwohl ihm Herr Rahimi nun ein gesteigertes sexuelles Interesse an der Ehefrau bescheinigte und fand nun heraus: Herr Rahimi hätte noch einen Bruder, der mit ihm nach Deutschland gekommen sei und ebenfalls im Erstaufnahmelager verweilte. Vielleicht könne der kommen und die Ehefrau abholen? Dummerweise besaßen nun beide Rahimis kein Handy und naja, wie schwer kann es schon sein, den Bruder im Lager zu finden, dachten wir und riefen dort nochmal an. Haha, schwer, sehr schwer ist so ein Findungsvorgang  und zum Glück hatte der Krankentransport für Herr Rahimi große Verspätung, denn bevor wir kein sicheres Geleit für die Ehefrau zusichern konnten, wäre das nichts geworden.

Nach einer Stunde fand das Erstaufnahmelager zu unserer aller Freude den Bruder. „Und? Kommt er der Bruder?“ „Joah, wir haben ihm den Weg beschrieben, eine Karte von Beteigeuze gegeben und ein Kärtchen auf dem steht, dass er Frau Rahimi abholen möchte. Der ist jetzt mit dem Fahrrad losgefahren.“ Ah.

Wir waren dann in großer Furcht, dass Herr Rahimis Bruder, der auch nur interessanten, aber nicht sehr verbreiteten Lokaldialekt sprach (deswegen das Abhol-Kärtchen), nicht herfinden würde, aber zum Glück kam er und nahm Frau Rahimi und den Dolmetscher mit. Frau Rahimi hat zu all dem überhaupt nichts gesagt.

Der Chefarzt persönlich


Frau von und zu Gerdin, eine süße, alte Dame mit grauen Löckchen, war mit Magenschmerzen in unserer Notaufnahme aufgeschlagen und von dort auf meine Station verschoben worden. Der Chefarzt war auch schon da gewesen, DENN Frau von und zu Gerdin war hochprivat. Nur war unsere exklusive Privatstation schon voller mindestens so privater Privatpatienten und deshalb war Frau von und zu Gerdin nun sozusagen meine Privatpatientin. „Da machen wir morgen eine Magenspiegelung!“ hatte der Chefarzt während seines 10-Sekunden-Aufenthalts auf der Station befohlen und ich nahm also eine Aufklärung und erklärte Frau von und zu Gerdin alles Mögliche über so eine Magenspiegelung, was auch gut ging, bis ich zu dem Teil kam, in dem der Arzt die möglichen Komplikationen der Untersuchung auflistet.

Frau von und zu Gerdin schaute mich grimmig an und rief: „Also wenn das passiert… dann“, etwas ratlos schaute sie im Raum umher, „dann reiße ich ihnen ihr schönen Haarspangen raus!“ (Erfreut über das Kompliment für meinen Haarklemmer, dachte ich ebenso erfreut daran, dass meine Patientin bei der Magenspiegelung schlafen würde.) Ich versicherte, dass Komplikationen selten wären und Frau von und zu Gerdin war hier aber trotz der zuvor versuchten Einschüchterungsversuchs immer noch nicht zufrieden. „Wenn hier etwas schief geht, dann … hm … dann sind sie zu mindestens 200 weiteren Untersuchungen für mich verpflichtet. Gratis! Da verliert das Krankenhaus Geld!“ „Hmhm“, sagte ich und dachte daran, dass zum Glück nicht ich diese Untersuchung durchführen würde. Frau von und zu Gerdin unterschrieb schließlich zufrieden mit den geäußerten Drohungen den Bogen und fragte dann: „Wann macht der Chefarzt morgen dann die Untersuchung?“

„Ähm MOMENT“ rief ich. „Der Chefarzt macht nicht alle Untersuchungen hier im Krankenhaus persönlich. Auch nicht bei Privatpatienten. Der Chefarzt ist außerdem überhaupt kein Gastroenterologe. Vermutlich hat er noch nie in seinem Leben eine Magenspiegelung gemacht. Da wird einer unserer kompetenten Oberärzte vom Fach ihre Untersuchung durchführen.“ „Hm“, sagte meine Patientin sehr missmutig über diesen schlechten Service.

Im Anschluss pries ich noch ausführlich die Kompetenz unserer gastroenterologischen Oberärzte an, Frau von und zu Gerdin überstand die Magenspiegelung unbeschadet, hätte aber trotzdem lieber den Chefarzt persönlich dabei gehabt.

Eine Verlegung. Eine WICHTIGE Verlegung.


Einmal da war ich der Wochenenddienst und musste auf Intensivstation mithelfen.

„Und dann veranlassen sie noch Frau Ampzell’s Verlegung in die Uniklinik rechts von Beteigeuze“ sagte mein Oberarzt mit sonorer Stimme, „Frau Ampzell ist da schon angemeldet. Station DoppelZ, Gebäude 4. Ergänzen sie den Verlegungsbrief ihrer Kollegin und organisieren sie die Fahrt!“ Zack, ließ er mich alleine der Oberarzt.

Als Anfängerarzt hängt man nun nicht so oft auf der Intensivstation ab und ist da auch nur so mittelprofessionell, aber die Verlegung würde ich schon hinkriegen. Ich kritzelte noch etwas im Verlegungsbrief herum und rief dann motiviert die Leitstelle an: ich wolle heute eine Patientin mit Intensivtransport und Notarzt in die Uniklinik rechts von Beteigeuze verlegen lassen, Station DoppelZ, Gebäude 4.

„Hmhm“, sagte die Leitstelle, „mit Notarzt?!“

„Jop!“

„Also sie wissen ja es ist Wochenende…“

„ Jaaaa?“

„ Es gibt gerade nur einen Notarzt in der Gegend. Wenn wir den nun mitschicken, dann gibt es hier keinen Notarzt mehr.“

 „Ernsthaft?!“

 „Aber“; sagte der Leitstellenmensch nun erfreut, „warum verlegen sie ihre Patientin nicht einfach mit dem Hubschrauber?!“

 „Ja neee, das ist zwar eine Notfallverlegung, aber keine Notfall-Notfall-Verlegung.“

 „Aber der einzige Notarzt hier ist beschäftigt!“

Unsicher ob ich jetzt tatsächlich einen Hubschrauber herbeiordern oder doch lieber die Notfallversorgung der Region für einige Stunden lahmlegen sollte, fragte ich bei meinem Oberarzt nach. „NEIN! DAS IST VIEL ZU TEUER!“ rief der Oberarzt in sein Telefon.

„Gar nicht wahr“, sagte die Leitstelle, „nur ein bisschen teurer. Und denken sie an den einzigen Notarzt!“
„Jaaaa, ok“, sagte mein Oberarzt.

„Juhu!“; erklärte die Leitstelle, „also wie heißt die Patientin? Wo soll sie hin? Wie schwer ist sie?“

„Keine Ahnung wie schwer sie ist“, sagte ich und blätterte mich durch alle Akten. Dort wurde das Gewicht der Patientin konsequent verschwiegen. Dann ging ich nochmal rein zur Patientin und schaute ungutes ahnend auf deren Körper, der sich berggleich unter der Decke wölbte.

Dann fragte ich die Schwester ob wir die Patientin wiegen könnten. „Spinnst du?!“ sagte die Schwester. Ich stimmte ihr zu. Die Patientin befand sich aktuell in einem kartoffelsackähnlichen, bewusstlosen Zustand.

Wir beschlossen zu schätzen: “Hm was meinst du Schwester, eher so mehr oder weniger als 120 kg?“

 „Mehr, definitiv mehr.“

„Naja“, sagte da die Leitstelle enttäuscht. Das wäre dann definitiv zu schwer für den Hubschrauber. Dann besorgte sie mir resigniert einen weiteren Notarzt, so dass meine Patientin verlegt werden konnte, sogar ohne die restliche Notfallversorgung in Beteigeuze lahmzulegen.