Beteigeuze – Live: Sternenexplosionen vertont


Da machte ich also meine Visite und stand mit Visitenwagen, Krankenschwester und einem mir unbekannten Krankenpflegepraktianten prominent im Patientenzimmer.

Vor uns lagen drei Patienten. Herr Gahnzaff mit kardialer Dekompensation, Herr Grunzahf mit kardialer Dekompensation und Herr Müller mit hochgradiger Demenz, deren Grad so hoch war, dass keiner so recht wusste WARUM Herr Müller überhaupt hier war. Herr Müller am wenigsten.

Der Lärmpegel des Zimmers überschritt den gesetzlich vorgeschriebenen Immisionsrichtwert für Krankenhäuser um ungefähr das doppelte, wovon sich vor allem die Herren Gahnzaff und Grunzahf beteiligten, indem sie sich in hoher Lautstärke am lokalen Radioprogramm erfreuten. Radioprogramm unterschiedlicher lokaler Sender. (Beteigeuze Oldies und Beteigeuze – Live: Sternenexplosionen vertont).

Betäubt durch diesen Stereo-Lärm versuchte ich irgendetwas zu fragen, wie zum Beispiel: „Wie geht es Ihnen Herr Gahnzaff?“ Und „KÖNNTEN SIE DAS RADIO MAL AUSMACHEN?“

Irgendwie war es dann leiser und wir diskutierten nun den persistierenden Durchfall von Herrn Gahnzafff. „Tee“, sagte ich, „solange sie Durchfall haben, versuchen wir es mal mit Zwieback und Tee.“

„Kaffee?“ fragte Herr Gahnzaff verwirrt.

„Nein, nein Tee!“

Herr Ganzhaff verwickelte mich nun in eine Diskussion über die verschiedenen, verfügbaren Teesorten und welche bei Stuhlgangsproblemen zu empfehlen seien.

„BIER!“ rief hierauf plötzlich Herr Müller am Fenster. Bier, das sei optimal bei Durchfall.

Ich schrieb dann irgendwas in die Patientenkurve und floh aus dem Zimmer.

Ha. Das sagen sie jetzt!


Eines der wichtigsten Telefone in der Klinik ist das Dienstarzttelefon. Das war jetzt aber kaputt und ich nahm frohgemut Kontakt mit der Krankenhaustechnik auf. Die Techniker waren auch echt supernett, konnten das Problem aber nicht beheben und verwiesen mich schließlich an den Telefonbeauftragten:

Z: „Das Dienstarzttelefon geht dauernd von alleine aus, teils mitten im Gespräch und das trotz geladenem und mehrfach getauschtem Akku.“

T: „Der Akku ist trotzdem leer/Sie laden das Telefon falsch./Sie gehen mit dem Telefon nicht sorgfältig genug um.“

Z: „Nein.“

T: „Laut Dienstanweisung müssen sie einen Piepser mit sich tragen. Da sind sie doch erreichbar!“

Z: „Und wenn jetzt der Notarzt oder ein Hausarzt von außerhalb anruft?“

T: „Dann geben sie dem eben eine andere Nummer auf der er anrufen soll. Am besten einen Festnetzanschluss.“

Z: „Wir laufen im Haus auch rum. Da wäre die Erreichbarkeit wichtig.“

T: „Wenn der Notarzt anruft und sie telefonieren, dann ist es für den Notarzt auch besetzt. Dann sind sie auch nicht erreichbar!“

Z: „Wir brauchen ein funktionierendes Telefon.“

T: „Wir haben jetzt ja schon einmal alles bis auf die Simkarte getauscht. Sagen sie mir was ich jetzt noch reparieren soll!“

[….]

T: „Gut und hier extra für sie ein anderes Modell, wenn sie das unbedingt wollen. Aber das ist nicht so gut, das sage ich ihnen gleich. Da lösen sich mit der Zeit die Tasten auf.“

Z: „Ja sofern es sich beim Telefonieren nicht abschaltet, wäre mir das egal.“

T: „Ha. Das sagen sie jetzt!!“

Das Licherlampenknopfsystem



Wie in vermutlich allen Krankenhäusern, gibt es auch in unserem im Innern der Zimmer diverse Anwesenheits-Knöpfe. Diese lösen eine unterschiedlich farbcodierte Lampe vor der Tür aus, je nach dem welches Fachpersonal drinnen gerade sein Unwesen treibt.

Natürlich hat jeder Patient zudem einen Anforderungs- und Notfallknopf, mit dem man eine Schwester herbeirufen kann. Was aktuell zudem in vielen Kliniken und unserer natürlich auch gerade hip ist: drückt der Patient den Anforderungs- und Notfallknopf wird er erst mit einer Klinikskommunikationszentrale verbunden. Eine freundliche Dame schaltet sich dann über eine Lautsprecheranlage zu und fragt was das Begehr ist. Der Patient kann dann sagen, dass er auf’s Klo muss, die Butterschachtel des Frühstücks nicht aufbekommt oder der Zimmernachbar gerade aus dem Bett gefallen ist. Diese Information wird dann an die Stationsschwestern weitergegeben, die je nach Priorität alles abarbeiten. Der Haken dieses Systems ist, dass alte Leute a) meistens Schwerhörig sind und b) das komplette System allgemein nicht durchschauen.

Naja, ich ging also in dieses Zimmer und drückte tugendhaft den gelben Knopf, worauf die Außenlampe auch gelb leuchtete und ein wohliges „Hier arbeitet ein wichtiger Arzt drin“-Gefühl verbreitete. Ich begann nun eine wichtige Kanüle zu legen und unterhielt nebenbei die so malträtierte Frau nett.   

Nun ist es aber so: Hat ein Krankenhauspersonal den Anwesenheitsknopf in einem Zimmer gedrückt UND man drückt nun zusätzlich den Anforderungs- und Notfallknopf eines Patienten, dann ist dies das allgemeine Signal dafür, dass in diesem Zimmer ein schrecklicher Notfall ist und mindestens einer der Beteiligten gerade stirbt. Die Kommunikationszentrale veranlasst eine Alarmierungskaskade in Folge derer eine größere Anzahl an Ärzten und Krankenschwestern quer durch die Klinik rennt, diverses Notallequiment hinter sich her ziehend, nur um in kürzester Zeit im Notfallzimmer lebenrettend durch die Tür zu brechen.

Also ich war immer noch in dem Zimmer. Mit Anwesenheitsknopf. Da drückte die Tochter der Nachbarpatientin einfach mal den Anforderungs- und Notfallknopf. Panikartig schaltete sich die Kommunikationszentale ein. Was denn los wäre. „Nichts?“ Zum Glück sah ich nun die Nebenantocher mit dem Knopf in der Hand und rief in Richtung des Lautsprechers, „Nein, nein wir haben keinen Notfall!“

„DOCH!“ rief nun die Tochter empört, „doch das ist ein Notfall!“

Huä? Ich war einen prüfenden Blick auf die Mutter – noch sehr lebendig – und dann die Tochter: „Meine Mutter muss auf die Toilette!“ zischte diese nun. Die Kommunikationsdame war inzwischen kurz vor dem durchdrehen, während ich händeringend zu verhindern versuchte, dass sich gleich die Kaskade an Notfallpersonal inklusive eines Hightechbeatmungsgerätes, eines Defibrillators und eines Anästhesisten durch die Tür ergießen würde. „ja, nein, das ist kein richtiger Notfall!!“ rief ich nun also und um die Tochter zu beruhigen fügte ich noch an, dass das Anliegen zwar wichtig aber nicht todeswichtig wäre und dann rannten mehrere Schwestern ins Zimmer, die von der Kommunikationsdame ob der konfusen Situation bedrängt worden waren und die Zimmernachbarin konnte dann feierlich auf die Toilette und die Kanüle war dann auch vollendet.

Urgh.

  

Probleme, die ich als Disney-Prinzessin nicht hätte


Dann machte ich also Visite, klopfte, öffnete die Patiententür und stand direkt vor meiner Patientin Frau Scholz, die mich vorwurfsvoll anstarrte. Ich schaute etwas verwirrt zurück und Frau Scholz wedelte etwas wild mit einer Fliegenklatsche herum. Dann starrten wir beide auf den Boden, wo die Fliege lag, die Frau Scholz gerade erlegt hatte. Mit einem anerkennenden Nicken betrat ich nun das Zimmer und nach einem freundlichen Gespräch mit Frau Scholz wanderte ich weiter zur Bettnachbarin: „Hallo Frau Hahn, und wie geht es Ihnen?“ In der Mitte der Unterhaltung fragte ich Frau Hahn schließlich, ob sie nicht eigentlich mal ihre Kopfhörer abziehen könne? Ich würde mich da jetzt etwas ignoriert vorkommen. Frau Hahn, die in einer Ansammlung verschiedenster MP3Player und portabler CD-Spieler lag, schien das Bitte erstaunlich zu finden, tat aber wie geheißen und wir vollendeten die Restvisite professionell und äh freundlich. 

(Wir hätten spontan in Gesang und Tanz ausbrechen sollen. Wie in einem Disneyfilm. Das hätte sie bestimmt beeindruckt. (Ich kann glaube, ich kann nicht gleichzeitig tanzen und singen.))

Tief in der Nacht


Es war also Nacht. Supertiefe Nacht. So vier Uhr. Nachdem freundliche Herren in seriöser Uniform noch einen nicht ganz so seriösen Patienten angeschleppt hatten: „Ich bin voll und du nicht!“ (Jop! Gut erkannt.) – 3 Promille – hatte ich auch diesen in ein Bett im Flur gelegt, auf das er dort und nicht auf einer frei gewählten Straße der Umgebung die restliche Nacht verschlafen konnte. Dann wollte ich auch schlafen und ich legte mich hin und schlief. So 10 Minuten. Dann klingelte mein Dienstarzttelefon und ich wachte wieder auf in der Erwartung mindestens 2 Stunden geschlafen zu haben, aber dem war nicht so, was nicht zu meiner Freude war. Eine unbekannte Nummer von außerhalb. Hm: „Klinikum Beteigeuze, Frau Zorgcooperations, hallo?“

„Ich hab‘ Bauchschmerzen“, sagte eine Stimme am anderen Telefon, die sich nicht so anhörte, als habe sie wirklich Bauchschmerzen, aber gut, das ist so natürlich schwer zu beurteilen.

„Ah, hm sie haben also gerade starke Bauchschmerzen“, fragte ich verwirrt und versuchte noch weiter aufzuwachen.

„Äh nein, nicht so.“

„Ok.“ Ich war immer noch zu müde um hier ein sinnvolles Gespräch weiter zu  führen, „aber jetzt hatten sie so starke Schmerzen, dass sie sich entschlossen haben im Krankenhaus anzurufen?“

„Hm nein. Also ich habe seit so 20 Minuten Bauchweh. Aber nicht so stark. Nur das geht jetzt nicht mehr weg. Da wollte ich fragen, was ich denn jetzt tun soll?“

„Und haben sie sonst noch andere Beschwerden? Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, Fieber…“

„Nein, nein. Nur das ist jetzt seit 20 min und da wusste ich nicht was ich tun soll.“

Das wusste ich jetzt auch nicht so recht und ich schlug dann vor, es in diesem Fall doch erst mal mit Abwarten oder einer Wärmeflasche oder dem kassenärztlichen Notdienst zu versuchen und sollte es dann schlimmer werden, könne man ja immer noch einen Besuch im Krankenhaus anhängen.

Dies war wohl die richtige Antwort und es kam die restliche Nacht auch niemand mit Bauchschmerzen vorbei.

WER?!


Wie ich feststellte, dass mein Oberarzt mindestens genauso verplant war, wie ich.

Ich saß also da und machte einen professionellen Ultraschall des Pleuraspalts von Herrn Luorpp, da unterbrach mich eben jener Oberarzt und winkte mich zur Tür.

OA: „Frau Zorgcooperations, da hat mich so ein Hausarzt angerufen. Wegen der Patientin mit Dyspnoe*, sie wissen schon.“

Z: „Ahm WER?“ (Zur näheren Information: Ungefähr alle Patienten auf dieser Station hatten irgendein Luftnotproblem.)

OA: „Na, die Frau mit der Dyspnoe!“

Z: „???“

OA: „Die, die wir gestern entlassen haben!“

Z: „Wir haben gestern zwei Patientinnen entlassen. (Und dann vollbrachte ich das Glanzstück mich unmittelbar, sofort und ohne nachzuschauen an BEIDE Namen zu erinnern, womit ich, wie ich mir so vorstelle, den Oberarzt sehr beeindruckte.) Äh also Frau Müller oder Frau Hubermüller?“
OA: „Haha, Frau Hubermüller…. Also … blabla… oh sie haben noch eine Frage zu Herrn Luorpp? Huä wer soll das denn bitte sein?!
Hier deutete ich diskret hinter mich, wo Herr Luorpp, der seit ungefähr drei Wochen auf unserer Station herumhing, in guter Oberarztsicht herumsaß.  

Ich hoffe mal Herr Luorpp war schwerhörig. Ich kann mich nicht mehr erinnern.


*Dyspnoe = Luftnot

Nächster Tag, nächster Tag.


„Nachdem sie jetzt zwei Mal Blut erbrochen haben, planen wir sie dann morgen für eine Magenspiegelung ein Frau Werner“, ich erklärte ausführlich wie die Untersuchung ablief und kritzelte passend dazu in einem Aufklärungsbogen herum. „Haben sie da noch Fragen? – Nein? – Da müssten sie mir diesen Bogen unterschreiben.“

Frau Werner erklärte nun sie wolle das vorher lieber noch mit ihrer Tochter besprechen, die sei Arzthelferin. „Ok kein Problem, ich lasse ihnen die Unterlagen da. Sie melden sich wenn sie noch Fragen haben.“

Nächster Tag: „Frau Zorgcooperations Frau Werner möchte keine Magenspiegelung!“ „Huä warum?“ „Sie hat noch nicht ihrer Tochter gesprochen!“

Na super. Ich sprach stattdessen mit Frau Werner, dass die Untersuchung in ihrem Fall sehr wichtig wäre, mein Oberarzt schimpfte und sprach ebenfalls mit Frau Werner, und wir verschoben alles auf den nächsten Tag.

Nächster Tag: „Frau Zorgcooperations Frau Werner möchte keine Magenspiegelung!“ „Huä warum jetzt?“ „Sie hat immer noch nicht ihrer Tochter gesprochen!“ „Ok, ich schaue schnell ob ich die Tochter nicht mal anrufen an. Lasst Frau Werner solange noch nicht frühstücken!“
„Zu spät sie hat schon das Brötchen der Bettnachbarin gegessen!“ (Ernsthaft?!)

Nichts war es mit der Magenspiegelung an diesem Tag. 

„Frau Werner“, sagte ich also, „so geht das nicht weiter. Morgen ist Freitag und dann Wochenende. Wir kommen so ja zu nichts. Wir verschieben jetzt alles nochmal. Hier ist meine Telefonnummer. Sagen sie der Tochter, sie soll mich mal anrufen.“
Nächster Tag. Niemand hatte mich angerufen und Frau Werner hatte auch weiterhin nicht mit der Tochter gesprochen. „Geben sie mir doch einfach die Nummer der Tochter. Dann rufe ich mal an“, erklärte ich hoffnungsvoll. „Na die habe ich aber nicht.“ Oh. „Was ist mit ihrem Ehemann?“ „Ja, der hat vielleicht die Nummer.“ „Ok und was ist die Nummer des Mannes?“ „0384…“ Wir riefen also da an, landeten aber bei einem Faxgerät.

„Frau Werner, wir haben jetzt diese Nummer versucht, aber es geht nur ein Fax ran?“

„Jaja, das machen wir immer so. Wenn wir nicht da sind, leiten wir das Telefon ans Fax um!“ (WTF?!)

Wir haben dann alles auf Montag verschoben.

So ein Verlegungsbrief


Und da war ich der Dienstarzt vom Dienst und die Universitätsklinik rechts von Beteigeuze rief an.

„Ja, wir wollten nur sagen, wir verlegen Frau Krüger jetzt zurück und außerdem wollten wir noch wissen: Sollen wir ihr jetzt noch Ciprofloxacin geben oder nicht?“

„Huä, WEN verlegt ihr und WOHIN?“  

„Na Frau Krüger. Zurück zu euch. Und was ist jetzt mit dem Ciprofloxacin?“

Als Dienstarzt hatte ich bis jetzt noch nicht einmal etwas von der Existenz Frau Krügers gewusst, noch weniger wusste ich auf welche Station Frau Krüger zurück sollte und oder was in aller Welt mit Frau Krügers Antibiotikum passieren sollte. Den Pflegekräften der Aufnahme war Frau Krüger ebenso unbekannt und laut Computer hatte sich die Dame zuletzt vor zwei Jahren aufgrund eines Bandscheibenvorfalls in unserer Klinik befunden.

„Sag‘ mal Uniklinik, wenn ihr die Patientin wieder zurückverlegt, dann muss es doch auch einen Hinverlegungsbrief geben.“

So ein Hinverlegungsbrief würde mein Gehirn sicher weithin erleuchten, was hier überhaupt los war.

„Nö“; sagte der Unikliniksarzt. Es gäbe keinen Verlegungsbrief. „Das kann gar nicht sein!“ sagte ich, „wir geben immer Verlegungsbriefe mit.“ „Naaahaaain! Wir haben keinen Brief!“, erklärte der Unikliniksarzt entrüstet, „und wie sollen wir das jetzt noch mit dem Antibiotikum, dem Ciprofloxacin machen?“

Das wusste ich auch nicht, da ich weiterhin keine Ahnung hatte wer Frau Krüger war oder was sie in der Uniklinik tat. Der Arzt am anderen Ende der Leitung erklärte schließlich er würde nochmal nach dem ursprünglichen Hin-Verlegungsbrief suchen und meine Pflegekräfte begannen alle Stationen der Klinik reihum anzurufen, ob sie denn eine Frau Krüger erwarten würden.

Dann rief der Uniklinksarzt zurück und erklärte er habe den ursprünglichen Verlegungsbrief gefunden. Es handelte sich hierbei um den Brief der Frau Krügers Aufenthalt aufgrund des Bandscheibenvorfalls vor zwei Jahren bei uns beschrieb und den der Unikliniksarzt irgendwie aus den Akten ausgegraben hatte. Das war zwar ganz sicher nicht der Verlegungsbrief, aber am Ende erklärte die Privatstation, doch, doch sie würden Frau Krüger zurückerwarten, hätten nur vergessen uns das zu sagen und man sollte die Patientin gleich vorbeischicken. Grm. 

Die ganz normale Aufnahme


„Gnom, du schreibst ja nur über ganz komische Patienten oder inkompetentes Personal!“

Hier also die Geschichte wie ich eine Patientin standardmäßig aufnahm, umgeben von kompetentem Personal.
Ich schaute mir nun erst die Patientenunterlagen an, welche der Hausarzt mitgegeben hatte: gelb, die Patientin sei seit kurzem gelb geworden.
Ich wanderte weiter ins Aufnahmezimmer.
Frau Böhm, eine nette, gepflegte Dame um die 60 Jahre alt, warte seit ungefähr vier Stunden. Ich entschuldigte mich für die lange Wartezeit und Frau Böhm lächelte nett, sie habe schon gesehen, dass heute viel los wäre. Zum Glück hätte ihr Mann ihr erst vor kurzem den neuen Band von T.C. Boyle geschenkt und das hätte sie bist jetzt gut unterhalten.
Wir sprachen nochmals über ihre Beschwerden: gelb, sie sei gelb geworden, müsse immer wieder erbrechen, habe krampfartige Schmerzen im Oberbauch und die Blutwerte beim Hausarztes wären auffällig gewesen wären. Auch unser abgenommenes Blut zeigte verschiedene erhöhte Leberenzyme und zu viel Bilirubin.
Ich erklärte Frau Böhm, diese Konstellation deute darauf hin, dass möglicherweise ein Gallenstein den Abfluss der Galle behindere, und wir hier kurz noch einen Ultraschall machen würden. Frau Böhm nickte verständig, ja das habe der Hausarzt auch vermutet.
Wir wechselten in ein Zimmer mit Ultraschallgerät und während ich das Gerät hochfuhr rannte Frau Böhm kurz zu ihrem Mann im Wartezimmer, um ihm den neuesten Band von T.C.Boyle abzugeben und erfreut zu erzählen, dass sie jetzt endlich dran wäre.
Ultraschall: Die Gallenblase von Frau Böhm war etwas groß, was wie vermutet auf eine Abflussbehinderung hindeutete. Einen Stein konnte ich leider nicht sehen, aber dann war dies auch eines der schlechteren Sonographiegeräte im Hause. Vielleicht hing er ja auch irgendwo im Hauptgallengang fest und entging meinen mittelmäßigen Ultraschallskills. Einer meiner Kollegen schaute auch noch kurz vorbei, bestätigte den Befund und wir erklärten Frau Böhm, dass hier eine stationäre Aufnahme nötig wäre. Wir würden in ihrem Fall eine ERCP planen. Bei dieser Untersuchung kann man mit einem speziellen Endoskop die Gallengänge mit einem Kontrastmittel darstellen und dann Steine, die sich verstopfend festgesetzt haben, mit einem Körbchen herausziehen.
Frau Böhm nickte, ließ sich die Untersuchung nochmals genau erklären und sagte seufzend, da müsse sie wohl oder übel dableiben. Eine kleine Tasche mit ihren Übernachtungssachen habe sie zum Glück ja gleich mitgenommen.
Ich füllte noch ein paar Formulare aus, die Aufnahmeschwestern hatten schon ein freies Bett organisiert, Herr Böhm trug die Tasche, Frau Böhm die Formulare. Fertig war die Aufnahme.
Am nächsten Tag hatte ich kurz Zeit und klickte mich durch das Super-Alles-Verwaltende-PC-System um heraus zu finden, wie die ERCP von Frau Böhm gelaufen war. ERCP – Doppelklick – blabla – Darstellung der Gallengänge – keine Gallenstein – starke Verengung des Hauptgallengangs mit hoher Wahrscheinlichkeit durch einen bösartigen Tumor – …

"Herz"


Und dann war ich der Dienstarzt und das Dienstarzthandy lag in meiner Hand als auch schon die Arzthelferin eines entfernt arbeitenden Hausarzt anrief und erklärte man wolle bei uns einen Notfall anmelden. Sie würden den Patienten, einen Herrn Ernst Bach, nun schicken. Dann wollte sie auflegen und ich rief schnell: „Moment! Was hat er der Herr Bach!“ „Herz!“ sagte die Helferin kurz angebunden. Das war sehr informativ (und das meinte ich nun ironisch) und ich sagte erst mal nichts  in der Annahme die Arzthelferin würde die Aussage „Herz“ noch genauer spezifizieren. Diese schien aber nichts weiter zu wissen. „Und Herr Bach kommt dann mit dem Notarzt?“ fragte ich nach. „Nein, nein. Der fährt mit seinem eigenen Auto“, sagte die medizinische Fachangestellte fröhlich und legte auf.

Na super, dachte ich, Notfall und eigenes Auto. Das ist hört sich nach einer guten Kombination an.

Herr Bach schaffte es dann aber trotz hässlicher Herzrhythmusstörungen unbeschadet in die Notaufnahme.