MRT – Connections


Kreuzschmerzen, erklärte die Patientin. Sie habe seit Jahren schon Kreuzschmerzen. Unser Patientenverwaltungsprogramm bestätigte dies. Vor mir tat sich eine beeindruckende Liste an Röntgenbildern der Lendenwirbelsäule auf, welche man in den letzten Jahren angefertigt hatte, ebenso eine Computertomographie. „EIN MRT!“ sagte die Patientin, sie brauche nun ein MRT. Und zwar jetzt.

„Hm Frau Gonzel, es ist jetzt Sonntagmorgens und so ein MRT bekommt man leider nicht so schnell. Selbst für unsere stationären Patienten müssen wir in der Regel eine Woche drauf warten.“ Aber Frau Gonzel war hartnäckig. Diese Schmerzen habe sie nun schon seit 10 Jahren. Das könne doch nicht so weitergehen. Sie bräuchte jetzt ein MRT. Ich versucht noch zu erklären, dass ein MRT eine diagnostische Untersuchung war und keinen akut heilenden Effekt hätte, dass die Behandlung von Rückenschmerzen sehr langwierig sein könne und man bei ihr ja auch schon einen Unfall vor 10 Jahren als Ursache der Beschwerden kenne, ein MRT also höchstwahrscheinlich keinen Neugewinn an Informationen bringe und wie gesagt zur Behandlung eher nichts beitragen würde. Egal. Frau Gonzel wollte weiter ein MRT. Wir versprachen schließlich zumindest zu versuchen eines zu bekommen (Mindestens eine Woche Wartezeit Frau Gonzel!) und nahmen die Patientin aufgrund eines weiteren internistischen Problems stationär auf.

Vier Tage später, ich bastelte gerade einen langwierigen Arztbrief, rief mich die Sekretärin des ärztlichen Direktors an, ich solle heute Nachmittag ganz dringend den Direktor anrufen. „Huä?“, dachte ich, „was habe ich getan?!“

Mit etwas Herzklopfen rief ich also gegen Mittag an und der ärztliche Direktor erkannte mich auch sofort. „Ah Frau Zorgcooperations!“, rief er sichtlich erleichtert, „Gut das sie anrufen. Es tut mir Leid sie hier zu belästigen. Wissen sie, ich war früher mal in einem Tennisclub zusammen mit einem Herrn Gonzel. Und nun ruft mich dieser Mann täglich an. Täglich! Seine Frau läge hier und bräuchte dringend ein MRT!  Was ist denn da los? Können wir da was tun?“ Der Direktor hörte sich hier etwas verzweifelt an. „Äh ja“, sagte ich und versicherte der MRT-Termin wäre schon geplant, wenn auch erst in drei Tagen, aber definitiv im Kalender stehend.

Gemüse oder die Kunst des Turfens


Auch im Klinikum Beteiguze wird das System des Turfens* praktiziert, bei dem man versucht unfreundliche, schwer therapierbare Patienten in eine andere Abteilung des Hauses zu verlegen und hiervon handelt auch diese Geschichte.

Ich stand also in der Notaufnahme rum und interpretierte ein EKG, als der Rettungsdienst einen laut schreienden Patienten brachte. Dieser versuchte alle Personen im Sichtbereich anzuspucken und rief dabei: „Verpiss‘ dich! Verpiss‘ dich!“

Ich freute mich, dass das ein Patient für die Psychiatrie war und maß mit meinem EKG-Lineal den zu groß erscheinenden PQ-Abstand des EKGs aus.

Kurze Zeit später eilte dann auch schon die Psychiaterin herbei, welche auch nicht erfreut über ihren neuen Patienten war, welcher außerdem aktuell von der Polizei festgehalten wurde.

„He, er erbricht Blut!“ rief sie dann plötzlich. Alarmiert sahen mein internistischer Kollege und ich auf. Bluterbrechen ist ein akutes, internistisches Problem und die Psychiatrie nimmt grundsätzlich keine Patientin, die zu ihrem psychiatrischen Problem noch ein akut internistisches haben. In diesem Fall muss erst das internistische Problem gelöst werden. Von Internisten, versteht sich.

Mein Kollege stürmte nun auch zum Patient: „Das ist Rote Beete!“

„Blut!“ sagte die Psychiaterin.

„Rote Beete! Frau Zorgcooperations, komm‘ und schau!“

„Jop, definitiv Rote Beete.“

Da Rote-Beete-Erbrechen keiner spezifischen, internistischen Behandlung bedarf, nahm die Psychiaterin den Patienten schließlich doch grummelnd auf und wir schätzen uns glücklich diesen „Turf“ abgewehrt zu haben.

AV-Block I° schrieb ich auf das EKG.
* siehe „House of God“ von Samuel Shem

Vielleicht sollten wir ein günstiges Hotel eröffnen…


 „Hier Frau Zorgcooperations“, sagte die Aufnahmeschwester, „dieser Patient ist erst vor 4 Tagen entlassen worden. Geh‘ hin und schau‘ warum er jetzt schon wieder da ist!“
Ich nahm den alten (naja alt, 4 Tage neuen) Entlassbrief und ging hin: „Soooo Herr Friedrich, sie waren ja bis Montag bei uns wegen des Schwindels, was führt sie denn nun zu uns?“ „Also, der Schwindel, der ist immer noch nicht weg UND manchmal flimmert es nun vor meinen Augen!“ „Ähm ok. Und habe sie, wie wir empfohlen haben schon beim Augen- und HNO-Arzt vorbeigeschaut?“ „Nein.“ „Hmhm..“
Ich untersuchte Herrn Friedrich nochmal gründlich, überredete die etwas genervten Neurologen (da waren wir doch schon vor 4 Tagen und haben nichts gefunden!) auch noch einen Blick darauf zu werfen und erklärte Herrn Friedrich schließlich nochmals, man habe beim Aufenthalt letzte Woche ja keine internistische und keine neurologische Schwindelursache gefunden, jetzt auch nicht und er solle sich wirklich beim HNO- und Augenarzt vorstellen.    
Dann wollte ich Herrn Friedrich wieder heimschicken. 
„Das geht nicht!“ rief Herr Friedrich, der schon mit zwei großen Rollkoffern angereist war.
„Aber wir können ihnen schwindelmäßig nicht weiterhelfen. Ihr Aufenthalt hier wäre sinnlos!“
„Und wie soll ich jetzt heimkommen?!“
„Naja, wie sind sie denn gekommen?“
„Mit dem Rettungsdienst!“ (Echt jetzt?)
„Ok, dann rufen wir ihnen ein Taxi!“
„Aber ich habe gar kein Geld dabei!“
„Wir hätten einen Bankautomaten im Foyer.“
„Auch keine EC-Karte!“

„Das Krankenhaus kann ihnen die Rückfahrt leider nicht zahlen. Sie sind auch sehr fit und laufen ja trotz Schwindel ohne Probleme herum. Da können wir keinen Krankentransport anordnen. Die Taxifahrer können sie auch bis vor ihr Haus fahren und sie holen dort kurz etwas Geld.“

„Ich habe aber keinen Schlüssel!“ (Echt jetzt?)
„Ist denn noch jemand zuhause?“
„Nein! Ich wohne alleine.“
„Und sie haben keinen Schlüssel?! Wie kommen sie denn sonst in ihre Wohnung?“
„Mein Sohn, der hat einen Schlüssel.“
„Ok, können wir sie da vielleicht per Taxi erst zu ihrem Sohn schicken?“
„Weiß ich nicht, ob der da ist.“
„Haben sie denn eine Telefonnummer vom Sohn?“
„Nein.“
AAAAHHHHHAAAAAHHHHHHHHH!!
„Wie heißt der Sohn denn und wo wohnt er?“
„Hans-Jörg Friedrich aus Rigel.“
„Gut, wir schauen mal ob wir ihren Sohn im Telefonbuch finden und anrufen können.“
Der Sohn stand tatsächlich im Telefonbuch, ging ans Telefon und erklärte sich sogar freundlich bereit den Vater abzuholen. Puh.

Ein Gronolum


„Mein Vater hat eine Gronolum ähm Matosum-Dings. Ein Morbus hm weiss ich nicht so genau. Da ist er auch in Behandlung beim Professor Wimpelhz im Universitätsklinikum rechts von Beteigeuze!“
„Hmhm“, sagte ich und starrte auf Vater und Sohn von Schmitt. Vater von Schmitt litt wohl an einem komplizierten Gronolum (WTF?), das laut Sohn sehr kompliziert zu behandeln war und nun auf jeden Fall war starkes Nasenbluten aufgetreten (möglicherweise in Zusammenhang mit dem Gronolum?). Da Vater von Schmitt eigentlich in Beteigeuze wohnte, hatte man ihn aufgrund des starken Nasenblutens in unsere Klinik gebracht und nicht zum weit entfernten Professor Wimpelhz. Nur hatte ich jetzt das Problem, dass Gronolum keine mir oder dem Internet bekannte Erkrankung ist und bei einer komplizierten Behandlung, da hätte ich nun doch gerne gewusst WAS IN ALLER WELT der Patient da eigentlich für eine Vorerkrankung hatte und wie diese wohl komplizierte Behandlung des Patienten aussah, so dass wir mit unserer weiteren Behandlung nichts falsch machten.
Freitagnachmittag war der Hausarzt natürlich nicht erreichbar und so suchte ich in Google die Telefonnummer der Information des Universitätsklinikum rechts von Beteigeuze und rief frohgemut an.
„Hallo“, sagte die Informationsdame, „alte Befund von Herrn von Schmitt? Ja ich verbinde sie mit der Ambulanz des Professors.“
Dideldö – ihre Verbindung wird aufgebaut … 
„Ui“, sagte die Informationsdame, „da geht niemand hin, ich verbinde sie nochmals.“
Dideldö – ihre Verbindung wird aufgebaut …
„Hm“, schon wieder die Informationsdame, „das klappt wohl nicht, ich verbinde sie mal ins Professorensekreatiat.“
Dideldö – ihre Verbindung wird aufgebaut …
„Herzlich Willkommen beim Anrufbeantworter des Sekretariats von Professor Wimpelhz persönlich. Wir sind gerade nicht da. Bitte hinterlassen sie eine Nachricht und ihre Nummer nach dem Piepgeräusch. Wir rufen umgehend zurück. PIEEEEP!“. Noch bevor ich auch nur Luft geholt hatte, leitete mich das umfangreiche und komische Telefonsystem der Universitätsklinik zurück in die Warteschleife: Dideldö – ihre Verbindung wird aufgebaut … Ich überlegte, ob ich nun trotzdem sprechen sollte oder ob man mich nun zum tatsächlichen Aufenthaltsort der Professorensekretärin weiterleitete und begann den Aufnahmebogen von Herrn von Schmitt auszufüllen. Nachdem ich dies beendet hatte, war ich immer noch nicht vermittelt.
Missmutig legte ich also auf und rief die Information erneut an. Ohne die Vorbefunde des Patienten hatte ich nämlich ein wirkliches Problem.
„Oh“, sagte die Informationsdame etwas hilflos, „ich könnte ihnen die Faxnummer der Professorenambulanz geben und dann schicken sie eine schriftliche Anfrage?“ Noch während ich überlegte ob dies ein gutes Angebot wäre, rief die Informationsdamenkollegin aus dem Hintergrund: „Die Ambulanz hat jetzt zu!!“
„Ich könnte sie noch mit dem Dienstarzt verbinden“, sagte die Dame nun. „Ok super.“
Dideldö – ihre Verbindung wird aufgebaut …
„Hm“, erneut die Information, „Keiner da. Ich verbinde sie mit dem Ersatzdienstarzt“:
Dideldö – ihre Verbindung wird aufgebaut …
„Oh, also der Ersatzdienstarzt geht auch nicht ran. Ich verbinde sie mal mit einem random-Arzt aus der Notaufnahme“
Dideldö – ihre Verbindung wird aufgebaut …
Verzweifelt fragte ich mich, warum man denn nicht einfach die Informationsdamen damit befähigt hatte Befunde zu verschicken und dann haha ging tatsächlich ein Arzt mit entsprechender PC-Zugangsberechtigung ans Telefon, der obwohl hierfür eigentlich nicht zuständig, Mitleid hatte und alles faxte was ich wollte.

Seltsame Anrufe in der Nacht



Dann war es also Nacht. Oder zumindest später Abend. So 22.30 Uhr. Ich lief zügig durch irgendeinen dunklen Stationsflur um nach einem Bauchschmerzpatienten zu schauen, da stellte die Pforte einen Anruf zu mir durch. „Klinikum Beteigeuze, Frau Zorgcooperations ihr Dienstarzt am Apparat“
„Ja“ rief eine aufgeregte Männerstimme, „meine Verwandte, die hat Krebs!“ Es folgte eine anschließende Stille in der weder ich noch er etwas sagten und nach eine längeren Pause erklärte er schließlich: „Da wollte ich wissen in welche Klinik sie kommt!“
„Huä?“, dachte ich, „ist das ein Notfall? Möchte der unbekannte Mann, welcher sich bis jetzt nicht weiter vorgestellt hatte, vielleicht voranmelden, dass er gleich kommt?“
„Wo ist sie denn nun ihre Verwandte“, fragte ich benommen. „Äh in Kleinbunzendorf.“ Ah hm nie gehört. Der Mann sprach weiter: „Und kommt sie jetzt zu ihnen nach Beteigeuze oder in die Universitätsklinik nebenan?“ 
 
„Ist das denn ein Notfall? Hat sie denn akute Beschwerden, ihre Verwandte?“
„Nein, nein. Aber sie hat Krebs und da wollte ich nur wissen, in welche Klinik, die Leute mit Krebs kommen!“
„Äh ja genau“, dachte ich mir, „nachts um halb elf.“ Dann erklärte ich diffus, das Leute mit einer Krebserkrankung sowohl in Beteigeuze selbst als auch den Unikliniken rechts und links von Beteigeuze behandelt werden könnten und ob er sich nicht vorstellen könne, die Verwandte persönlich zu fragen, welches Klinikum sie sich da vorstelle. Anschließend beendeten wir beide irgendwie unbefriedigt das Telefonat und ich weckte den Bauchschmerzpatienten auf, der inzwischen überhaupt keine Bauchschmerzen mehr hatte und eingeschlafen war, aber das merkte ich erst als ich schon im Zimmer rumstand und alle Zimmerbewohner aufgewacht waren.

Halt die Hand …


Da war ich also der Arzt vom Dienst oder auch mit dem Dienst und dachte „Oh da ruft die Intensivstation an. Hm geh‘ ich kurz ran!“ Das war ein dummer Gedanke, denn ersten war ich gar nicht für die Intensivstation zuständig und zweites war ich soeben dabei eine Kanüle zu legen. Diese hatte ich auch gerade erfolgreich im Handrücken des dementen Patienten versenkt und äh Festkleben, wäre nun eine tolle Idee gewesen, aber ich wollte ja kurz diesen Telefonanruf beantworten. Ich würde einfach sagen: „Ahhh, Intensivstation, da bin ich gar nicht zuständig, rufen sie den Intensivarzt an!“. So saß ich da, hielt mit einer Hand die nun mit einer wackligen Kanüle bestückten Hand des Patienten, welcher nicht verstand, WARUM da eine Kanüle sein sollte, daher konsequent versucht die Hand erst mal weg zu ziehen und an einem ausgeprägten Zittern litt der Mann außerdem. Loslassen hätte den sicheren Tod der Kanüle bedeutet. Mit der anderen Hand umklammerte ich das Telefon. 

Es sagte die Intensivstation: „Blabla, und hier verbinde ich sie mit Dr. Bränig aus der angrenzenden, schönheitschirurgischen Privatklinik!“ Ich wollte dann zwar noch wie geplant rufen: „NEEEINN! Ich bin gar nicht der Intensivarzt und muss diese Kanüle endlich festkleben und huä was wollen die Schönheitschirurgen von uns?“ Aber die Intensivfachkraft hatte schon auf „Verbinden“ gedrückt und Dr. Bränig war am Apparat. „Also mit dem Intensivarzt habe er doch schon gesprochen und der sagte, ICH wäre zuständig.“ „Dann kann gar nicht sein!“ sagte ich, gab aber nach kurzer Diskussion auf, da ich das mit Telefon zwischen Kopf und Schulter klemmen nicht hinbekam und mir mit dem Patienten, dessen Hand ich weiter mit eisernem Griff umklammerte, ein grimmiges Blickduell lieferte. „Aaaaalso“, erklärte Dr. Bränig, „wir haben hier einen Patienten mit Herzinfarkt und den verlegen wir jetzt auf eure Intensivstation!“ „Ah“, dachte ich und dass eine Frage ob wir überhaupt Platz hätten schon nett gewesen wäre. „Braucht der denn eine Herzkatheteruntersuchung, ihr Patient? Hat der infarkttypische EKG-Veränderungen? Oder einen Anstieg der entsprechenden Herzenzyme?“ „Nö“, sagte Dr. Bränig, „keine positiven Herzenzyme. Und nur so unspezifische EKG-Veränderungen.“ „Na dann muss der Patient doch nicht gleich auf eine Intensivstation! Aber gut, jetzt schicken sie ihn mal vorbei.“ Dr. Bränig war hoch erfreut und ich auch; ebenso der Patient, dessen Kanüle ich nun festklebte, um endlich seine Hand loszulassen. Diverse Angestellte der Privatklinik und der Rettungsdienst riefen dann noch mehreremals verschiedene Ärzte in unserer Klinik an um endlich ihren Patienten loszuwerden. Wir waren dann am Ende alle sehr verwirrt, der neue Patient hatte aber tatsächlich einen Herzinfarkt.

Mehr Sauerstoff!


Da wollten wir Herrn Beissfuß also entlassen. Herr Beissfuß hatte Bluthochdruck und  außerdem dauernd Atemnot oder zumindest behauptete er das. Darum benutzte er auch extensiv unseren Kliniksauerstoffvorrat. Irgendwann hatten wir alle Probleme von Herrn Beissfuß behandelt. Bis auf das Sauerstoffproblem. Um ihn also entlassen zu können, beantragten wir ein Sauerstoffgerät für zuhause. Ich schrieb einen schicken Entlassbrief und da ergab sich ein Problem: Herr Beissfuß war erst vor wenigen Tagen ins Hoheitsgebiet von Beteigeuze gezogen. Das Gerät musste nun gemäß Vorschrift aber im ursprünglichen Herkunftsort von einem Arzt verschrieben werden. Dort trafen wir auf den renitenten Herrn Dr. Glober. Und nachdem Herr Dr. Glober alle unsere netten Krankenschwestern und Sozialdienstdamen zur Sau gemacht hatte, was uns da denn für eine dumme Idee eingefallen wäre, von wegen Sauerstoffgerät und so, sind wir hier etwas die Astronautenbetreuung der NASA oder was, ja da durfte ich als nächstes bei Herrn Dr. Glober anrufen.
„Glober!“; rief Herr Dr. Glober auch sofort in den Apparat.
„Äh, Klinikum Beteigeuze hier Zorgcooperations, es scheint hier ja einige Probleme mit diesem Sauerstoffgerät für Herrn Beissfuß zu geben.“
„JA!“ rief Herr Dr. Glober, „das ist gegen die Leitlinien!“ und führte eine längere angeregte Diskussion mit mir, an deren Ende ich mit meinem Oberarzt drohte und Herr Glober sagte, er warte dann auf den Rückruf.

Also traf ich am Nachmittag auf den Oberarzt. „Gnö blöd.“ sagte der. „Naja und was machen wir jetzt?“ fragte ich. „Pö, da habe ich keine Lust den Herrn Dr. Glober anzurufen!“ sagte der Oberarzt. „Naja ich auch nicht“; meinte ich und wiederholte meine erste Frage, „und was machen wir jetzt?“ „Joa, weiß auch nicht“ der Oberarzt dachte vermutlich schon an seine glorreich Zweitkarriere bei der NASA und dass er es sich hier mir Dr. Glober nicht verscherzen wollte. „Überlegen sie sich doch was Frau Zorgcooperations. Ich sage doch den ganzen Tag irgendwelche Sachen. Freuen sie sich doch das sie jetzt auch mal was entscheiden dürfen!“ „Haha“, dachte ich und hielt den Visitenwagen fest. Nachdem ich noch eine Weile herumgenörgelt hatte, beschlossen wir nun Herrn Beissfuß eben experimentell ohne Sauerstoffgerät heimzuschicken. Denn laut Leitlinien brauchte er schließlich kein Gerät und Herr Dr. Glober, der es als einziger verschreiben konnte, wollte das ja nicht.

Ich setzte mich also wieder ins Arztzimmer, dachte darüber nach wie ich mich hier vermutlich mal wieder bei meinem Oberarzt unbeliebt gemacht hatte und ob es jetzt wirklich nötig wäre Herrn Dr. Glober nochmals anzurufen um ihm den aktuellen Stand der Dinge nahezubringen. Hm nein, entschied ich mich hier und begann den wichtigen Arztbrief für Herrn Beissfuß umzubauen.

Da klingelte das Telefon und haha Dr. Glober war dran, was denn nun los wäre. Wie der Patient ging jetzt ohne Sauerstoffgerät heim?! Hm da müsse er unbedingt mit meinem Oberarzt sprechen. Tatsächlich war Dr. Glober dann sogar richtig nett zu mir, weshalb ich die Oberarztnummer rausrückte und irgendwie hat Herr Beissfuß das Sauerstoffgerät dann doch bekommen.

Wie man in einer Nacht die halbe Notaufnahme sperrt.


Naja und dann war es nachts und diese besorgte Ehefrau brachte ihren Mann in die Aufnahme. Erbrochen habe er sich und erkältet wäre er auch. Prinzipiell hörte sich das alles jetzt nicht so schlimm an. Der Ehemann war aber sehr leidend, während er sich über meine Untersuchungsliege drapierte und mich anhustete. Ich schickte ihn zum Röntgen und vollbrachte einen Ultraschall, was aber beides sehr unauffällig war. Dann fiel mir ein, dass jetzt ja die Grippe grassierte und besorgte mir einen Influenzaschnelltest. Meine Aufnahmeschwester erklärte sie hoffe für mich, dieser Test würde negativ ausfallen, nachdem ich den Patienten ja vorher einmal durch Aufnahmekabine, Röntgen, eine weitere Aufnahmekabine (in die der Patient aus Versehen wanderte) und Sonographieraum gezerrt hatte! Die müssten wir sonst wegen der Infektionsgefahr alle sperren bis am Morgen eine Putzfrau zur Grundreinigung käme!

Hier teilte uns das Labor nach einer halben Stunde mit, hätten wir haha einen exklusiven Fall von Influenza A. Da wir keine Zimmer auf Station mehr hatten und ich unmöglich einen Influenzapatienten im Flur zwischenparken konnte, wo er das passierende Patienten- und Personalvolk anhustetet, beschloss ich, dass es dem Ehemann nicht sooo schlecht ging und schickte ihn wieder heim. Influenza kann man auch zuhause haben. Wir warfen also Ehemann und –frau wieder raus. Die Frau dabei aus einer weiteren Untersuchungskabine in der sie sich entsetzt ob der Influenzanachricht niedergelassen hatte. Sie hätte nämlich auch Husten und sich BESTIMMT angesteckt.

Meine Aufnahmeschwester sperrte mit grimmigem Gesichtsausdruck alle betroffenen Aufnahmekabinen und den Sonoraum für die Ent-Influenza-Desinfektion am nächsten Morgen. Außerdem zog sie sich einen FFP3-hilft-auch-gegen-Ebola-Mundschutz an, welchen sie für die restliche Nacht nicht mehr ablegen würde. Dies war eine schlaue Entscheidung, denn der nächste hustend fiebernde Patient erschien nur Sekunden später. Diesmal veranstaltet ich den Schnelltest sofort bei Eintreffen und haha natürlich hatte auch dieser Patient Influenza. Leider ging es ihm so schlecht, dass nach Hause schicken keine Option war und ich verbrachte die nächsten zwei Stunden damit verzweifelt ein Zimmer im überbesetzten Krankenhaus zu suchen.

„Sie wissen schon, dass sie hier auf der Chirurgie anrufen!!“
„Jaaaa.“ „Also, hm… ich glaube auf der Nachbarstation ist gerade einer verstorben… aber ob sie das Zimmer haben können weiß ich nicht. Wir sind hier die Chirurgie! Da können sie doch nicht einfach ihre infektiösen Patienten hintun!“

Irgendwann fand ich dann aber doch ein verstecktes Zimmer. Die Aufnahmeschwester verklebte ein weiteres „GESPERRT“ Schild in der Aufnahme und so habe ich in einer Nacht die halbe Notaufnahme gesperrt.

"Aufnahmezimmer"

Und dann drückte mir die Aufnahmeschwester einen Aufnahmebogen für den nächsten Patienten in die Hand und ich fragte: „Ah, warum kommt er zu uns, der Herr Mayerbaum?“ „Weiß ich auch nicht“, sagte die gestresste Aufnahmeschwester. 
Also ging ich hin Herrn Mayerbaum suchen. Der saß freundlich im Aufnahmezimmer. Rechts und links standen kleine Antennen horizontal aus seinen Gehörgängen ab, ich vermute ein fancy Hörgerät, und verwirrt die Antennen anstarrend fragte ich: „Hallo Herr Mayerbaum, warum kommen sie zu uns?“
„Na um die Fotos zu machen!“ erklärte mir der ältere Herr heiter. Das verwirrte mich noch mehr als die Antennen und ich wiederholte die Frage, woraufhin Herr Mayerbaum mich geduldig nochmals auf die Fotos hinwies. „Hä“, dachte ich mir, „ob er wohl Röntgenbilder meint?“ 
Ich versuchte das Gespräch dann auf Atemwegserkrankungen hin zu lenken, ob er denn Husten oder Luftnot oder sonstige Beschwerden hätte. Dem war aber nicht so und nachdem mir das alles komisch vorkam, fragte ich Herr Mayerbaum freundlich ob er denn wisse wo er hier gelandet wäre.
„Na im Studio!“ rief dieser sogleich und da gab ich es auf mit der Anamnese, zog mich aus dem Fotostudio äh Aufnahmezimmer (das hört sich in diesem Zusammenhang nicht besser an) zurück, fand einen Sohn und der wusste schließlich den Grund für den Krankenhausbesuch (zunehmende Verwirrtheit oder so).

Hutzelmann-Sympathieskala

Und dann war da dieser verhutzelte alte Mann, den sie aus dem Altenheim in unsere Notaufnahme brachten. Ich starrte auf den nichtssagenden Einweisungsschein,, auf dem „Anämie“ stand und überlegte, wie man bitte darauf gekommen war, dem Mann überhaupt Blut abzunehmen und sich dann zu überlegen ihn um 20 Uhr ins Krankenhaus zu schicken. Mit Rettungsdienst. Der Rettungsdienst wusste auch nicht mehr und der einweisende Hausarzt war selbstverständlich nicht mehr erreichbar.

Der Mann krümmte sich derweil in eine komfortable Hutzelposition und erwies sich als besonders schwerhörig. Ich schrie also mehrere Dinge an ihn heran wie: „GUTEN TAG ICH BIN FRAU ZORGCOOPERATIONS UND WERDE SIE AUFNEHMEN!

WIE KÖNNEN WIR IHNEN HELFEN?

WAS SIND IHRE BESCHWERDEN?

WARUM SIND SIE HIER?

SIE WOLLEN AUCH NICHT MIT MIR REDEN, ODER?!!“ 

Der Mann schaute mich sehr fragend an und ich wiederholte die Frage mit den Beschwerden mehrere Male, da mir weiter unklar war, was den Hausarzt dazu trieb 90 Jahre alte Hutzelmänner mit etwas Blutarmut notfallmäßig ins Krankenhaus einzuweisen.

Naja der Patient schien dann irgendwann die Frage zu verstehen und rief ärgerlich zurück: „BESCHWERDEN? SIE FRAGEN MICH, WAS FÜR BESCHWERDEN ICH HABE? DIESE FRAGE MACHT DOCH ÜERHAUPT KEINEN SINN!!!“ Anschließend erklärte der Patient triumphierend, dass er mich sowieso nicht verstände da ich nicht im landesüblichen Dialekt kommunizierte; nur um später in hysterisches Lachen auszubrechen, nachdem ich mit dem folgenden Satz bewies jenen Dialekt sehr wohl zu beherrschen. Trotz des dadurch großen Sprunges nach oben auf der Hutzelmannsympathieskala, waren mögliche Beschwerden jedoch nicht weiter aus ihm herauszubekommen. Wir nahmen ihn dann glorreich auf eine Station auf.

(„Beschwerden?! Sie fragen mich was für Beschwerden ich habe? Diese Frage macht doch überhaupt keinen Sinn!“ Bestes Patientenzitat ever.)