Standardinternistengebiet oder so ähnlich


Und da war nun mein alleiniger Trost, die Übersetzerin, welche genauso verwirrt erschien wie ich. Der Patient, dessen Stärken auch nicht unbedingt im kohärenten Erzählen logischer Zusammenhänge lag, schaute uns hilflos an.
Nach einer gefühlt halbstündigen Anamnese waren wir etwa soweit:
A) Herr Gozolowsko sprach eher nicht so viel deutsch.
B) Herr Gozolowsko schien keinen Hausarzt zu haben und war daher ins allseits beliebte Klinikum Beteigeuze gekommen.
C) Das eigentliche Problem war immer noch unklar. Immerhin hatte Herr Gozolowsko aber sehr ausführlich dargestellt, warum er keinen Hausarzt habe.
Es beständen Schmerzen. So überall, zum Beispiel in Bauch und Rücken. 10 Jahre lang. Oder 5. Man habe auch mal operieren wollen. Was wüsste er nicht. Wäre er etwa Arzt? Nein. Also. Dann wäre alles besser gewesen und jetzt aber auch nicht mehr. Deswegen wäre er ja auch hier! So!
Da die Befragung nun schon viel zu lange chaotisch zwischen den Gründen warum der Patient keinen Hausarzt habe, der mysteriöse Operation und den nicht weniger unspezifischen Schmerzen hin und her driftete, beschloss ich mich nochmals auf den Bauch als äh Standardinternistengebiet zu konzentrieren. Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Besonderheiten bei Wasserlassen oder Stuhlgang? In zähen Verhandlungen kamen wir auf 5 Mal Nein. Vielleicht Blut im Stuhlgang? Nach einer weiteren längeren Diskussion mit der Übersetzerin meinte diese schließlich hilflos: „Der Stuhlgang wäre ohne Blut, aber es kam mal Blut aus dem Rücken.“ „Aus dem Rücken?!“ „Öh, ja.“ „Eine Verletzung?“ „Ich weiß es auch nicht!“ sagte die Übersetzerin und warf die Arme in die Luft.
Ich beschloss den Patienten einfach mal ausführlich zu untersuchen.
Die Aufnahmeschwester reichte mir schon mal den Bogen voller unauffälliger Laborwerte durch die Tür. Immerhin etwas.
Also los. Der Bauch war weich und Herr Gozolowsko deutete an, dass er im Augenblick auch gar keine Bauchschmerzen hätte. Hm.
Auf zum Rücken aus welchem Blut käme. Vielleicht ein aufgeplatzter Pickel? Der Rücken war Pickel-, Verletzungs- und Narbenfrei. Zumindest die genaue Schmerzlokalisation am Rücken wollte ich nun wissen: „Herrn Gozolowsko WO tut es denn sonst immer weh?“ – „Weiter unten.“ –„ Hier?“ – „Nein noch weiter unten.“ – „Da?“- „Noch weiter unten.“ – „Hm also jetzt müssen sie doch gerade mal die Hose ausziehen.“
Und da wo dann schon kein Rücken mehr war, lugte ein hässliches pickelartiges Gebilde hervor, welches der Grund für Herrn Gozolowskos allgemeines Unwohlsein, die Schmerzen und das Blut war. Pilonidalsinus nennt man das. Sehr unangenehm in der Tat.
Kein Plan ob Herrn Gozolowsko das alles einfach zu peinlich gewesen war oder ob aufgrund der Sprachschwierigkeit Rücken eine kreative Umschreibung für Gesäß gewesen war. Wir stellten den Patienten den Allgemeinchirurgen vor, die solche Dinge professionell und diskret behandeln.

Morgenmensch


Der Morgen graute so vor sich hin. Die Nacht war dunkel und stürmisch gewesen. Im Krankenhaus hatte man davon nicht mitbekommen, weil die Flurbeleuchtung die ganze Nacht brennt und so dem Dienstarzt leuchtet, der nicht schlafen kann, weil er arbeitet.
Das hatte ich tugendhaft die bis dahin vor sich hin triefende Nacht getan und jetzt hätte ich gerne geschlafen, denn mein Körper signalisierte ganz deutlich, dass nun ein Schlafzyklus an der Reihe wäre.
Naja.
Kennt ihr das? Ihr habt so einen Magen-Darm-Infekt. Erbrechen, Durchfall… nach zwei Tagen ist es vorbei. Fertig. Super.
Frau Genesch-Müller war besorgt, nachdem dieser Infekt am Nachmittag begonnen hatte und nun am Morgen gegen 4 immer noch nicht vorbei war.
Jetzt hatte sie sich insgesamt drei Mal Erbrochen und der Bauch grummle auch etwas.
„Hmhm“, sagte ich mit etwas monotoner Stimme und ließ mich auf einen Hocker fallen, „erzählen sie mehr.“ (Ja ok, das sagte ich nicht. Ich sagte nur „hmhm“.)
Frau Genesche-Müller erklärte nun, dass sie eigentlich geschlafen habe und nun wieder aufgewacht wäre, woraufhin sie sich erbrochen habe.
„Und dann sind sie hier hergekommen“, sagte ich, das offensichtliche bestätigend. Ich schob mich samt Hocker zum Schrank und besorgte mir ein paar Handschuhe.
„Ja!“ sagte Frau Genesche-Müller.
Ich drückte sehr langsam auf ihrem Bauch herum und sagte ebenso langsam nach einer längeren Pause: „Der Bauch tut aber nicht weh?“
„Nein, also nur ein bisschen.“
„Hmhm     können sie zeigen wo?“ ich versuchte etwas Empathie in meine Stimme zu legen.
„Hier.“
„Ah…, aber wenn man feste drückt, macht ihnen das nichts aus?“
„Nein.“
„Hm.“
Hier zeigte sich dann, dass mein empathischer Plan irgendwie nicht aufging.
Frau Genesche-Müller runzelte die Stirn: „Sind sie immer so schlecht gelaunt am Morgen?! Oder sind sie einfach kein Morgenmensch?“
„Äh ja, genau, kein Morgenmensch“ sagte ich hier.
Frau Genesche-Müller, ein energisch-fröhlicher Morgenmensch, wie es schien, sprang dann kurz darauf wie ein junges Reh (oder so ähnlich) aus der Aufnahme. Eine stationäre Aufnahme wäre vorerst nicht nötig, hatte ich ihr versichert.

Falsche Lautstärke


Da wollte ich noch schnell diese Blutkonserven anhängen. Die Konnektionsstelle des Beutels hatte einen Materialfehler. Dies stellte sich beim Anbringen des Infusionssystems heraus. Blöd.

Ich ergoss Blut über mich, den Boden, umgebende Schränke und Schubladen. Nachdem Verlust des ganzen Transfusionsblutes (naja ca. einem Viertel) gelang es mir das Leck provisorisch abzudichten und ich hoffte inständig es würde halten, bis der Patient fertig transfundiert wäre.

Während ich noch versuchte die mit Blut be-äh-netzten Oberflächen und meine Schuhe zu reinigen, reichte man mir das Dienstschwesterntelefon. Ich hätte doch versprochen mit den Angehörigen von Herr Glaum zu sprechen. Weil ich jetzt aber so lange nicht gekommen wäre (Besser wenn Familie Glaum nicht erfährt warum)., wären sie schon heimgegangen.

„Ja hallo hier Zorgcooperations…“ ich erzählte, dass es Herrn Glaum gerade sehr schlecht ginge, außer der schweren Lungenentzündung habe er vermutlich auch zu wenig getrunken und wir erhofften uns der Patient würde wieder wacher werden, nach unserer professionellen Antibiotika- und Flüssigkeitstherapie. Aber wie gesagt es ginge ihm wirklich schlecht.“

„Ach was!“, sagte Frau Glaum hier, „sie müssen einfach lauter sprechen! Dann reagiert er auch.“

Ah. Irgendwie hatte ich das Gefühl dieses Telefonat war nicht so optimal gelaufen. Resigniert besorgte ich mir einen neuen Satz Arztkleidung und vermerkte zu Sicherheit in Herrn Glaums Akte man solle laut sprechen.

 

Statik vs eine Magenblutung


Es war dunkel, als Frau Binichim-Bi eine große Menge Blut ausspuckte. Das Problem hierbei war: Frau Binichim-Bi nahm außerdem gerinnungshemmende Medikamente und äh in den letzten Tagen vielleicht auch etwas viel davon. Nachdem Frau Binichim-Bi gar nicht mehr aufhörte Blut heraufzuwürgen, beschloss man sie in so ein Krankenhaus zu bringen. Der Rettungsdienst steuerte panikartig das nächstbeste an: Beteigeuze City Klinik.

Die Krankenhausnotaufnahme verfiel unverzüglich in rege Betriebsamkeit. Infusionslösungen, Blutkonserven, Gerinnungsfaktoren und ein Oberarzt wurden herbeigeordert. Das Labor rief aufgeregt an, die Patientin hätte einen Hb-Wert von ungefähr 3 g/dl.  Ich rannte wild hin und her, Blutkonserven an die Patientin anschließend, ein Bett auf der Intensivstation musste her, eine Magenspiegelung wurde performt und die Blutungsquelle verschlossen. Nach zwei Stunden hatte sich Frau Binichim-Bis Zustand halbwegs stabilisiert. Ich setzte mich zum Ehemann, erklärte alles sehr ausführlich, beantwortete alle Fragen und ging dann zur Sicherheit noch mehr Blutkonserven an Frau Binichim-Bi anzuhängen.

Eine halbe Stunde später rief Herr Binichim-Bi nochmals an. Es gäbe da doch einige Fragen mehr. Ah. Ok kein Problem. Hierauf begann Herr Binichim-Bi nochmals genau die Fragen zu stellen, die er einer halben Stunde schon einmal gefragt hatte und die wir eigentlich ausführlich besprochen hatten. Verwirrt sagte ich also nach einer Weile so etwas wie: „Ja, in der Magenspiegelung konnte die Blutung gestoppt werden. Wie ich vorhin ja schon erklärt hatte.“

„Ich weiß, ich weiß“, rief Herr Binichim-Bi, „aber meine Tochter und die Schwester meiner Frau hören gerade mit und wissen es noch nicht. Deswegen frage ich alles nochmal.“

Ah. Super-Strategie. Nun ja, vermutlich müsste man mir die Berechnung der Statik eines mittelgroßen Einfamilienhauses auch mehrere Male erklären ohne dass ich es verstehen würde.

Ich erzählte also alles nochmals, worauf hin die Tochter ihrem Vater mittendrin ungeduldig das Telefon entwandt: „Also Frau Doktor Zorgcooperations, normalerweise ist meine Mutter ja sonst immer in Betreuung von Professor Blorgh in der Uniklinik rechts von Beteigeuze. Da fühlt sie sich immer sehr gut betreut. Können sie meine Mutter nicht dorthin verlegen?“

„Öh, wenn das ihre Krankenkasse zahlt, kann man das später schon tun.“

„Wir sind immer sehr zufrieden mit Professor Blorgh und möchten dass sie auch von ihm wieder betreut wird.“

„Wie gesagt das können wir später …“

„Ach so, jetzt würde das nicht gehen?“

„JETZT?!“

„JA!!“

„Urgh, öh, also jetzt ist halb vier in der Nacht und ihre Mutter ist weiterhin in einem nicht sonderlich stabilen Zustand. Da verlegen wir nicht ohne Not.“

„Oh schade.“

„Ja. Schade. Hm. So sind wir.“

 

Gefühlt


Ein schlechtes Herzgefühl wäre das.  Als ob es gleich aus der Brust falle. So könne er auf keinen Fall die Nacht noch aushalten. Nein, nein keine Schmerzen. Ein schlechtes Herzgefühl! So.
Herr Gisami krümmte sich missmutig vor der Notaufnahme zusammen und zur Vorsicht ließen ihn die Schwestern rein und holten gleich so einen Arzt.
„Hm hm komisch“, sagte ich und versuchte das Chaos zu ordnen. Wir besorgten uns Proben von Herrn Gisamis Blut und testeten auf Hinweise für Lungenembolien, Herzinfarkte oder vielleicht auch einen 08/15 Infekt. Wir machten ein cooles Röntgenbild und selbstverständlich auch ein EKG. An einen Überwachungsmonitor tat ich Herr Gisami um eine mögliche Herzrhythmusstörung sofort erkennen zu können. Ich fragte viele und komplizierte Fragen. Ich klopfte, hörte und zog ausführlich an Herrn Gisami herum.
Einen Ultraschall machte ich.
Herr Gisami schimpfte ununterbrochen, dass Gefühl wäre überhaupt nicht besser und er fühle sich gar nicht gut fühle.
Hm.
Nachdem ich nun aber nichts fand, zog ich nun meinen hocherfreuten Oberarzt dazu. Der Oberarzt machte nochmal einen Ultraschall, fragte Herrn Gisami ein weiteres Mal und ordnete noch mehr Blutwerte an.
Wir beschlossen Herrn Gisami aufzunehmen. Am nächsten Tag würden wir eine Magenspiegelung machen. Mehr Blut abnehmen, vielleicht auch ein CT tun. Ich schrieb einen langen Anweisungsplan für die Station, auf dass auch alles gut klappen würde und außerdem Herr Gisami die Nacht ordentlich überstehen würde.
Dann ging ich hin und sagte: „Wie besprochen nehmen wir sie jetzt auf die Station 12 auf und werden morgen noch mehr Untersuchungen machen. Bis dahin werden wir…“
„Oh“, sagte Herr Gisami, „Ich möchte doch nicht hierbleiben. Ich gehe jetzt heim.“
„Bis vor einer Minute hatten sie noch ein sehr unangenehmes Gefühl im Brustkorb?“
„Jaja, das ist immer noch da“, Herr Gisami stand auf und sammelte seine Jacke und Ehefrau ein, „aber ich gehe jetzt heim. Vielleicht komme ich später nochmal.“
In der Tür drehte sich die Ehefrau um und fragte noch beiläufig: „Moment! Was ist eigentlich bei ihren ganzen Untersuchungen herausgekommen?“ Herr Gisami war da schon draußen.

Flüssiger Stickstoff?


Und da schickte unser Arbeitgeber uns auf so eine Fortbildung: „Reanimation für alle möglichen Leute, vermutlich auch Ärzte“ hieß die.
Man knallte uns eine lebensgroße Puppe hin. Reanimiert sollte die werden. Kennt man ja. Prä-Führerscheinkurs. Als Arzt auch vom Studium. Hoffentlich. Lebendig wird sie nie die Puppe. Zum Glück. Das wäre ja schön gruselig. Dinge die man Nachts nicht treffen möchte und so ähnlich.
Naja. Es nahte die Fortbildungspause und auch wenn meine Freude an der Puppenreanimation jetzt nicht überaus groß war, wollte ich halt auch mal. Fortbildung und so. Doch bevor es nun so weit war, hatte der Übungsteilnehmer vor mir noch eine Frage:
„Sag mal Übungsanleiter, wie ist das mit der Defibrillation, wenn die Person nass ist?“
„Öh da wischt du sie halt trocken.“
„Und wenn sie in einer Pfütze liegt?“
„Da ziehst du sie raus.“
„Aha und moment, was ist wenn die Person ihr Bier umgeworfen hat und in Alkohol getränkt wurde?“
„Gute Frage Teilnehmer. Da wischst du sie trocken.“
„Hmhm ja, was ist aber wenn die Person voller Wandfarbe ist?“
„Jaja, ein kluger Gedankengang. Du entfernst die Farbe so gut es geht und defibrillierst dann.“
„Ahh, was tue ich nun aber bei Klebstoff?“
Wir besprachen nun das weitere individuelle Vorgehen für jeweils Desinfektionsmittel, Maschinenöl, und normales Salatöl. (Abwischen vor einer Defibrillation bietet sich jeweils an.)
Dann war die Übungszeit um und ich überlegte frustriert ob ich nicht noch die Frage nach Kerosin, Quecksilber und örgh flüssigem Stickstoff anbringen hätte sollte.

Aspirin-Ausstattung


Eines Tags fühlte sich Frau Gorbardi sehr schlecht und besuchte daher den Hausarzt ihrer Wahl.
„Sie sind aber blass“, sagte der Hausarzt der Wahl und diagnostizierte eine Blutarmut.
Zur Abklärung woher das denn in aller Welt käme, schickte er Frau Gorbardi in ein etabliertes Krankenhaus der Region. Das Klinikum Beteigeuze City.
Schnell hatten die Gastroenterologen auch einen plausiblen Grund gefunden. Ein größeres Magengeschwür sickerte kontinuierlich Blut hervor.
Nun war es aber so: Jedes Mal wenn Frau Gorbardi Kopfschmerzen hatte, nahm sie so ein Aspirin. Also alle 2 Tage. Das wollte sie auch gerne haben, während sie so in diesem Krankenhaus rumlag.
„Nein, nein!“ rief der Stationsarzt. (Das war ich). „Das ist ganz schlecht für die Magenblutung und das Magengeschwür. Das viele Aspirin ist vermutlich die Ursache für beides. Aspirin hat das leider als Nebenwirkung. Sie dürfen das nicht mehr nehmen.“
Frau Gorbardi nickte verständig und zusammen mit unseren Neurologen entwickelten wir ein extra neues Anti-Kopfschmerz-Konzept ohne Aspirin. Alles war gut oder so dachten wir und weil Frau Gorbardi so sehr blutarm war, planten wir sie noch zwei, drei Tage eine stationäre Überwachung.
Am Abend hielt mich Herr Gorbardi im Flur auf.
Er habe da eine Frage, das sei ihm nun etwas peinlich, aber naja, was wolle man machen. Ich schaute etwas verwirrt.
Ja, erzählte Herr Gorbardi, seine Frau habe ihn gerade angerufen, sie habe wieder die Kopfschmerzen. Ob er da nicht Aspirin mitbringen könne? Das Krankenhaus hier habe das nicht. Da würde kein Aspirin vorgehalten.
„Oh“, sagte ich und erklärte hier läge ein Missverständnis vor. Außerdem fühlte ich mich verpflichtet zu erwähnen, dass das Klinikum Beteigeuze selbstverständlich Großvorräte an Aspirin besäße, mit der man ganz Beteigeuze für Monate versorgen könne.

Therapie-Kühe im Sternenglühen

Herr Gun-Wenk litt am Endstadium eines miesen Tumors. Und an einem schweren Herzinfarkt. Gleichzeitig. Die Kardiologen der Uniklinik links von Beteigeuze bauten daraufhin motiviert 2 große Stents in ausgewählte Herzkranzgefäße ein. Nachdem sich Herr Gun-Wenk irgendwie nicht so schnell erholte wie geplant (großer Tumor und so), der Patient sowieso nicht links von Beteigeuze wohnte und es außerdem niemals so schön wie in seinem Heimatort Beteigeuze selbst war, ließ sich Herr Gun-Wenk nun heimatnah ins kompetente Klinikum Beteigeuze verlegen.

Zing. Herr Gun-Wenk ging es also nun nicht mehr im Uniklinikum links von Beteigeuze schlecht, sondern im Klinikum Beteigeuze City.

„Und hier Frau Doktor“, sagte Herr Gun-Wenk und zeigte mir einen Stapel offizieller Briefe, „da haben sie für mich so eine Reha betragt, die Ärzte in der Uniklinik. Aber ich weiß nicht ob ich das kann.“

„Hmhm“ sagte ich und starrte auf ein Formular, dass Herr Gun-Wenk zur Teilnahme an einer idyllischen Reha in Bad Polarstern gratulierte. Beginn: Übermorgen.

„Uh, also übermorgen wird das nichts. Ihnen geht es sehr schlecht. Und das mit dem Tumor wird vermutlich auch nicht besser. Ich bin mir nicht sicher ob sie überhaupt jemals fähig wären in so eine Reha zu gehen.“

Herr Gun-Wenk nickte erschöpft und meinte das habe er sich auch schon gedacht.

Ich holte mir sicherheitshalber die Zweit-Meinung des klugen Oberarztes ein, der da rief: „Eine Reha?! Das ist ja hirnrissig. Sagen sie die Reha sofort ab Frau Zorgcooperations!“

„Jep, zu Befehl. Reha absagen. Sofort.“

Kann ja nicht so schwer sein.

Herr Gun-Wenk lieh mir seinen Stapel an „Yay-Reha“-Briefen und ich sortierte mich durch buntes Briefpapier auf dem Reha-Klinikum Bad Polarstern im Sternenlicht erglühte, während öh Therapie-Kühe das Gras der Umgebung mähten: – Ihr Ansprechpartner: Frau Glühn – Aha.

„Ja hallo ich möchte diese Reha absagen.“ – „Oh ach so…. jaja… gut… also… habe ich notiert Frau Zorgcooperations. Aber bevor wir ihre Absage offiziell prozessieren können, müssen sie die Reha bei der Rentenversicherung des Herrn abmelden.“

Ah.

Fünf Minuten später fand ich Herrn Gun-Wenks Reha-Bewilligung durch die Deutsche Rentenversicherung.

„„Ja hallo ich möchte diese Reha absagen.“ – „Oh … aha … soso. Da müssen sie mir erst mal die Rentenversicherungsnummer des Patienten geben!“
„Die WAS?“
„Ohne die Rentenversicherungsnummer geht das nicht!“
Ich begann nun in der Vielzahl an Blättern nach besagter Nummer zu suchen, während die Versicherungsdame genervt über so viel Inkompetenz schimpfte, ohne Nummer ginge das nicht. Nachdem ein baldiges Finden der Nummer aber nicht erreichbar war, schaffte sie es schließlich Herrn Gun-Wenk anhand seines Namens in der Datenbank aufzutreiben. (Haha, ohne Nummer geht das nicht…)

Dann sagte sie noch: „Also Frau Zorgcooperations, wir haben ihre Absage jetzt vorgemerkt, ABER: bevor wir das weiterprozessieren können, müssen sie uns erst mal eine schriftliche Absage schicken. Mit genauer Angabe der Absagegründe.“

Wer ist diese Frau?!


Eigentlich war es in den letzten Tagen sehr ruhig gewesen. Das Wetter war schön, Vögel flogen umher und zong schon war es wieder vorbei:
Station 12 näherte sich rapide der Vollbelegung. Frau Quirkem erhielt den vorletzten Platz und kurz darauf hielt mich Herr Quirkem Junior im Flur auf, ob ich nicht mal kurz kommen könne, mit der Bettnachbarin sei irgendetwas nicht in Ordnung. Leider sprächen sie alle nicht so gut Deutsch und wenn vielleicht einer von uns …?
Kein Problem.
Ich traf auf besagte Bettnachbarin: Frau Gahnznaf. Missmutig schaut sie mich an und sagte dann: „Wer ist diese Frau?“ Verwirrt glaubet ich, Frau Gahnznaf würde hier ebenso einen Anfall akuter Verwirrtheit erleiden und sagte: „Öh, ich bin ihre Stationsärztin. Wir haben uns erst vorhin bei der Visite getroffen!“
„Ich weiß wer sie sind!“ sagte Frau Gahnznaf empört, „und wer ist diese Frau?!“
„Oh ach, so das ist ihre neue Zimmernachbarin.“
„???“
„Eine Mitpatientin.“
„Die ist vorhin einfach so in mein Zimmer gekommen!“ erklärte Frau Gahnznaf verärgert, „und die Schwester haben lauter Sachen in die Schränke geräumt.“
„Öh, wissen sie Frau Gahnznaf, bis jetzt hatten sie ein Zimmer für sich alleine, weil nicht so viele Patienten da waren, aber nun geht das nicht mehr. Wir können nicht einfach Leute im Flur unterbringen, wenn in den Zimmern noch Platz ist. Sie haben nun einen Mitpatientin im Zimmer.“
„Hrmp! Jaja, ich möchte natürlich nicht, dass jemand im Flur liegt. Aber schauen sie: Die belegen alle Stühle! Was ist, wenn ICH Besuch bekomme.“
„Aktuell haben sie ja gar keinen Besuch und benötigen keinen Stuhl. Ich bin mir sicher man wird im Fall der Fälle die Stühle fair aufteilen können.“
Frau Gahnznaf empfand dies alles als Mist und ich hoffte inständig, dass Familie Quirkem möglichst wenig von dieser Konversation mitbekommen hatte.

Dramatische Nebenwirkungen


Es war mitten in der Nacht. Punkt zwei Uhr schleppte sich Herr Mendy gestützt auf seine Freundin in die örtliche Notaufnahme. Ein mitgebrachter Notfallschein bescheinigte Herrn Mendy starke Bauchschmerzen.
Schwester Margarita starrte missmutig auf den Schein und rief dann erst mal den Dienstarzt an.
„Nein, nein“, sagte der Dienstarzt, welcher in dieser Nacht von mir impersoniert wurde. Aktuell auf Station 12 rumstehend, wo ein Patient soeben das ganze Bett voller Blut gehustet hatte, wollte ich dann nämlich gleich weiter auf Station 13 wo wohl ein weiterer Patient eine mindestens 2 Quadratmeter große Lache voller Blut auf den Boden erbrochen hatte.
Ich einigte mich mit Schwester Margarita darauf, dass Herrn Mendy, sofern keine Allergie vorlag, erst mal ein mildes Schmerzmittel bekommen sollte und sie mich wieder anrufen solle, wenn dessen Schmerzen weiter schlimm wären oder sonst ein Problem aufträte.
Ich eilte sodann auf Station 13 verteilte großzügig Kanülen und Infusionen, schickte Blutproben meiner Blut spuckenden und hustenden Patienten ins Labor, bestellte zur Sicherheit mehrere Blutkonserven und dann, dann eilte ich in die Notaufnahme.
Dort traf ich auch gleich auf Herrn Mendy, welcher durch das Schmerzmittel völlig genesen war und eine erfreulicher Unterhaltung mit seiner Freundin öh unterhielt. Eigentlich wollte er auch gleich wieder gehen, aber da ich irgendwas in unsere Aufnahme- und Dokumentationsbögen schreiben musste, zwang ich ihn mir vorher mir die Geschichte seines Problems zu erzählen.
Das ging ungefähr so: Herr Mendy war vor wenigen Tagen nach Deutschland eingewandert. Dort hatte man ihn gänzlich unvorbereitet geimpft. Kein Plan wogegen. Aber auf jeden Fall hatte ihn jemand in seinen rechten Arm gestochen. Naja. Nun tat der Arm danach halt weh und er fühlte sich irgendwie unwohl. Hierauf stresste Herr Mendy die Einwanderungslagerkrankenschwester so sehr, dass diese ihn mit einem „Starke-Bauchschmerzen“ Notfallschein in die örtliche Klinik schickte.
Ich sagte dann verzweifelt irgendetwas genderfeindliches wie, dass Herr Mendy versuchen sollte als äh harter männlicher Mann einen gewissen Grad an Impf-Armschmerzen auszuhalten Zur Sicherheit schrieb ich der Einwanderungslagerkrankenschwester noch besagtes Schmerzmittel auf, dass Herrn Mendy bei uns schon exzellent geholfen hatte.
Jop. Dann verließ Herr Mendy zusammen mit seiner Freundin fröhlich die Aufnahme.