Handschriftlich – Professionelle Hieroglypie


Vor langer Zeit in der Grundschule, da fand der Grundschullehrer, die Schülerin Zorgcooperations solle sich mal mehr Mühe geben. Ein sehr hässliches Schriftbild wäre das. Als mittelbraver Schüler gab ich mir natürlich Mühe. Hey, ich besaß sogar einen fancy Schönschreibfüller, der eine extrabreite Feder für besonders elegante Schwünge hatte. Dieser machte mein Schriftbild noch viel hässlicher.
Arzt werden war dem Schönschreiben auch nicht förderlicher. Erst versuchte ich als tugendhaft motivierter Student den rasend schnellen Ausführungen der Professoren mit detaillierten Notizen zu folgen, welche ich später nie wieder betrachten würde. Dann war ich tatsächlich so ein Arzt und sollte in hoher Geschwindigkeit alles Mögliche von Hand dokumentieren. Das zügige Schreibtempo verkrumpelte die Wörter dann weiter zu wellenförmigen Hieroglyphen, bezüglich derer die Schwestern fragen würden: „WAS hast du da wieder geschrieben?! Gibst du dir mal mehr Mühe bitte.“
Ich würde dann beleidigt tun, alles persönlich vorlesen und behaupten, das wäre doch klar: das hieße „Bitte noch 2 Blutkonserven kreuzen“ und ganz sicher nicht „Bitte noch 2 Blutkonserven und Sex.“ (Ernsthaft. Das macht doch gar keinen Sinn! WARUM sollte ich „und Sex“ schreiben?!)
Auf jeden Fall rief die Pforte an und erklärte ein Hausarzt wolle mich sprechen, zing, hier würde sie den Mal zu mir umleiten. Noch während ich „Uhoh“ und „Was habe ich jetzt getan?!“ dachte, sprach auch schon der Hausarzt zu mir.
„Ja, schön, dass ich sie erreiche. Ich rufe an wegen des Patienten Herr Mim-Dümpre.“ Während mir der Name Mim-Dümpre noch irgendwie bekannt vorkam, konnte ich mich irgendwie nicht mehr so richtig an meine Behandlung dessen erinnern.  „Erst mal möchte ich hier lobend erwähnen“, fuhr der Hausarzt wohlwollend fort“, dass sie dem Patienten ja diesen sehr schönen handschriftlichen, vorläufigen Brief mitgegeben haben. Sehr ordentlich haben sie das geschrieben. Das finde ich sehr gut. Sehr gut lesbar.“ Hm komisch dachte ich misstrauisch. Da ich mich außerdem wirklich nur noch dumpf an Herrn Mim-Dümpre erinnerte, sicherte ich dem Hausarzt zu, ich würde seiner Frage zur Medikation nachgehen und später zurückrufen.
Dann freute ich mich, dass endlich jemand meine Schrift lobte, aber immerhin bemühte ich mich bei meinen seltenen handschriftlichen Briefen auch sehr um eine gute Lesbarkeit.
Nun denn, ich suchte Herrn Mim-Dümpre im Alles-Wissenden Patientenverwaltungsprogramm. Ja tatsächlich, ich hatte den Patienten betreut. So ungefähr zwei Tage. Dann war ich in den Urlaub gegangen. Meine Kollegin Frau Dr. Bo hatte übernommen und nach einer Woche die Entlassung verlasst. Frau Dr. Bo mit der Schrift eines professionellen Kalligraphen. Frau Dr. Bo, deren Visitendokumentation ein Kunstwerk symmetrischer Wortgebilde waren, Frau Dr. Bo, der vor Freunde weinende Grundschüler zu Füßen lagen.
Hmhm.

Rot und Blau


Herr Schmids-Blau war drei Stunden lang mit seinem Auto im Stau gestanden. Nun fühlte sich sein Bein irgendwie seltsam an.
„Hmhm, bestimmt eine Thrombose!“, dachte sich der Hausarzt und „zing“ lag Herrrr Schmids-Blau an einem schönen Freitagabend auf so einer unbequemen Ultraschallliege in irgendsoeinem Krankenhaus.
„Hallo“ sagte der Dienstarzt, welchen Herr Schmids-Blau fast mit einer Schwester verwechselt hätte.
„Ich bin der Dienstarzt“, sagte der Dienstarzt, „Zorgcooperations ist mein Name.“
Herr Schmids-Blau wusste auch nicht so recht, ob er diesem Dienstarzt vertrauen sollte, traute sich aber nicht wegzulaufen.
Jop.
Ich klickte mich nun denn durch diverse, fancy Ultraschallprogramme (wollen sie ein rechtes oder doch lieber linkes Bein ultraschallen?) und tränkte Herrn Schmids-Blaus Bein in Ultraschallgel für ein besseres Bild.
Einen teuren Highend Ultraschallkopf in der Hand, begann ich nun nach der vermuteten Thrombose zu suchen. Blaue und rote Farben flammten in schwarzen Punkten am Bildschirm auf, alles wurde glibberig und klebrig. Ich drückte sehr lange und gründlich an Herrn Schmids-Blau Bein herum. Trotz exzellenter Sicht, das Bein sei durch gründliches Rennraddahren gestählt, erzählte Herr Schmids-Blau, war aber keine Thrombose zu sehen.
Erfreut erklärte ich also: „Hier ist wirklich keine Thrombose zu sehen. Alles ist in Ordnung.“
„Äh Moment“, sagte Herr Schmids-Blau an dieser Stelle, „sie lügen doch!“
„Öh, warum? Was meinen sie?“
„Ich habe sie genau beobachtet und alles am Bildschirm gesehen!“
„Ah hm und was genau meinen sie, stimmt nicht?“ An dieser Stelle war ich nun ordentlich verwirrt.
„Da ist doch dauernd die rote Warnfarbe im Bild angegangen!“
„Ah, oh. Nein, nein, die Farben zeigen den Blutfluss an und sind richtungskodiert. Die eine Flussrichtung ist halt rot und die andere blau. Es ist wirklich keine Thrombose bei ihnen zu sehen.“
„Grm ok.“ Herr Schmids-Blau freundete sich dann aber doch schnell damit an thromboselos zu sein und verließ uns sehr erfreut.

Gizimbö-Hyde


Tagsüber war Herr Gizimbö ein netter, älterer Herr, der gerne ein Stück Kuchen zu seinem Kaffee verzehrte und bei der Visite jeweils steif und fest behauptete es ginge ihm exzellent.
Bei Einbruch der Dunkelheit übermannte Herrn Gizimbö dann plötzlich die Mr Hyde Seite seiner Persönlichkeit oder aber die Mondeinstrahlung erwies sich als schädlich.
Auf jeden Fall tobte Herr Gizimbö wild durch das Zimmer und terrorisierte die Schwestern.
Der Dienstarzt muss her, beschloss die Nachtschwester. Nachdem laut der verzweifelten Schwesterndokumentation in den Nächten zuvor weder Dipiperon, Melneurin, freundliche Gespräche oder Tavor Herrn Gizimbö-Hyde hatten bremsen können, ordnete ich 25 mg Atosil an und hoffte auf das Beste.
Das Beste blieb mir jedoch versagt und 2h später sagte die missmutige Schwester am Telefon: „DEIN ATOSIL FUNKTIONIERT NICHT! Gerade hat er sein Nachttischschränkchen umgeworfen!“
„Oh äh blöd.“ Ich schlug vor es mit weiteren 25 mg Atosil zu versuchen, immerhin bestände da ja noch Raum zur Tages-naja Nachthöchstdosis.
Die Nachtschwester seufzte tief, glaubte sie doch nicht an meinen Superplan, ich aber schon und zur Sicherheit ging ich eine halbe Stunde später auf die entsprechende Station um mich von der Wirksamkeit dieser klugen Anordnung zu überzeugen.
Die Tür zu Herrn Gizimbös Zimmer war leicht geöffnet, so dass die Schwestern einen guten Blick auf gefährliche Aktivitäten hatten. Vorsichtig und sehr leise lugte ich also in Zimmer.
Die Wand, der Boden, Herr Gizimbös Bett, sowie Herr Gizimbö selbst stellten sich mir in graphischen Farben blutverschmiert da. Mein Patient hatte sich gerade die Kanüle selbst entfernt und suchte nun den Ausgang. Ja. Nichts gewesen war mein Plan.
Ich weiß auch nicht mehr was ich dann getan habe. 

Kolik-Schnaps


Frau Sibald litt unter einer schweren Gallenkolik. Oder so etwas Ähnlichem. Frau Sibald war außerdem sehr hart im Nehmen und hatte sich die letzten zwei Tage oder so gedacht: „Naja, das wird schon wieder weggehen.“
Dies war aber nicht der Fall, deswegen fuhr sie mit dem Fahrrad zu ihrem Hausarzt. „Um Himmels Willen!“ rief der Hausarzt, „Gehen Sie sofort in Krankenhaus.“ Der Hausarzt wollte dann eigentlich den Rettungsdienst rufen, aber Frau Sibald erklärte, das wäre nicht nötig. Sie würde ihren Sohn Willibald den Ersten anrufen, der hätte sowieso gerade Urlaub und könne sie fahren. „Aber nur wenn er gleich kommt!“ sagte der Hausarzt und drehte Frau Sibald den Rücken zu.
Frau Sibald nutzte die Gelegenheit, setzte sich auf ihr Fahrrad und fuhr schon mal los in Richtung Krankenhaus. Dahin ging es schließlich bergab.
Zeitgleich trafen Frau Sibald und ihr Sohn in der Notaufnahme ein. Als höfliche Personen überreichte man der Aufnahmeschwester den Einweisungszettel des Hausarztes und die beiden setzten sich in den Wartebereich der Aufnahme. Da das mit den Schmerzen nun doch etwas viel war und auch die Fahrradfahrt nicht unbedingt zur Verbesserung der Situation beigetragen hatte, kollabierte Frau Sibald dort.
„Entschuldigung, könnten wir vielleicht etwas eher drankommen?“
„Um Himmels Willen!“ rief die Notaufnahmeschwester, „nein, nein sie müssen ihre Mutter nicht in die Aufnahme tragen, hier legen sie sie auf diese Liege, ich hole sofort einen Arzt.“
„Hallo Frau Sibald“, sagte ich. „Wir legen ihnen jetzt eine Kanüle und dann bekommen sie gleich ein Schmerzmittel. Haben sie eine Allergie auf ein bestimmtes?“
Frau Sibald, die sich im Liegen schon wieder etwas erholt hatte, schaute mich verwirrt an: „Was wollen sie mir geben? Ein SCHNAPS-MITTEL?!“
(Ungelogen: Ich weiß schon wessen Team ich mich in Falle einer Zombieapokalypse vertrauensvoll anschließen werden…)

Psychischer Ausnahmezustand


So war es nun wieder ein ereignisreiches Wochenende gewesen, das sich in einen ereignisreichen Sonntagabend neigte.
Die Zahl der Internisten hatte sich auf eins reduziert und eins das war ich.
Alle Kabinen der Notaufnahme waren voller erwartungsvoller Patienten, die Pflegefachkräfte (ein genderneutrales Wort) rannten hin und her und ich stand irgendwo dazwischen und tat, was Ärzte halt so tun.
„Nun“, sagte Schwester Margarita, „Schau‘ im Flur, da liegt Herr Lokodakof. Mit Bauchschmerzen. Er muss sicher noch lange warten, aber kannst du schon mal einen Vorabblick herauf werfen?“
Ich ging, Herr Lokodakof lag aufgrund Kabinenmangel auf einer Liege in einer Flurnische und hatte dort Bauchschmerzen. Nicht allzu schlimm, vermutlich ein Magen-Darm-Infekt. Wir würden etwas Blut abnehmen, ihm schon mal ein Schmerzmittel geben und später noch einen Ultraschall machen.
Zwei Stunden später und mehrere echt dringende Notfälle auch später, lag Herr Lokodakof weiter im Flur und beschwerte sich lautstark über die Wartezeit und dass das Schmerzmittel nicht geholfen hätte.
Aufgrund Herrn Lokodakofs Lokalisation im Flur war ich in genannten zwei Stunden nun aber in hoher Frequenz an ihm vorbeigependelt. So hatte ich ihn unter anderem dabei beobachtet, wie er ein von seinem Bruder herbeigeschafftes Mahl verzehrt und recht unbeeinträchtigt ein Spiel auf seinem Tablet vollbracht hatte. Daher hatte ich auch angenommen, die Schmerzen wären gut behandelt und äh vielleicht auch das Problem an sich nicht ganz so schlimm.
Nun denn, wer weiß, ich sicherte dem Patienten ein anderes Schmerzmittel zu und erklärte es wäre viel los und er müsse noch etwas warten, die Blutwerte hätte ich schon gesehen. Diese wären in Ordnung.
Etwas mehr Zeit verging, draußen wurde es nun dunkel. Es kam die Polizei. Mit sich brachten sie einen Herren, der sich im Dunkeln sehr aufgeregt  und mit Hilfe erhöhten Alkoholskonsums an einer Schlägerei teilgenommen hatte. Im Rahmen dessen wäre er auch aus Versehen gegen eine Wand gelaufen, welche dadurch beschädigt wurde. Ob man den Herren denn so in Haft nehmen könne, wollte die Polizei wissen.
Der Herr an sich schien selbst nicht weiter beschädigt zu sein, wenn auch deutlich betrunken und recht unglücklich über die Anwesenheit der Polizei und deren Anmaßung ihn einfach so mitzunehmen. Daher schrie er auch sehr laut ausgesuchte Beleidigungen in Richtung aller Beteiligten und versuchte eine erneute Schlägerei mit den Anwesenden zu beginnen.
Aufgrund der sehr präzisen Beleidigungen und der auch sonst recht zielgerichteten Schläge, erschien mir der Mann nun nicht allzu sehr beeinträchtigt und ich hätte ihn liebend gerne für haftfähig erklärt. Neben mir erschien nun aber auch der Psychiater und rief aufgeregt: „Dieser Mann ist in einem psychischen Ausnahmezustand! Sie müssen ihn aufnehmen.“ „Wäre das nicht ein psychiatrisches Problem?“ wandte ich ein, während der Herr einen der Polizisten als „Dumme Fotze“ bezeichnete und auf die Nase schlug. „Psychischer Ausnahmezustand“ rief der Psychiater wieder und spritzte dem Patienten Haldol. Dann ging er wieder weg, der Psychiater, denn jetzt war der Patient ja ruhiger und außerdem war er betrunken, das war auf jeden Fall ein internistisches Problem. Oder so ähnlich.
Unter Haldol konnte ich den Mann nun auch sicher nicht der Polizei wieder mitgeben, wir gaben ihm also ein nettes Krankenhausbett und stellten ihn damit in den Sonographieraum, damit wir ihn nochmals ordentlich untersuchen konnte und außerdem war ja sonst kein Platz mehr da. Hier erbrach sich der Patient in einem 2 Meter 50 langem Bogen und traf zielgerichtet unser 50 000 Euro Sonographiegerät.
Schwester Margarita befand sich nun auch in einem psychischen Ausnahmezustand und ich ging aus dem Raum heraus, da ich nicht sicher war, ich mich nicht auch gleich erbrechen sollte.
Es traf ich nun sogleich auf Herr Lokodakof, welcher mich unerfreut aufhielt. Das andere Schmerzmittel habe auch nicht geholfen, keiner kümmere sich um ihn und nun auch das! Er habe ganz genau gesehen dieser Patient im Sonoraum, der sei gerade erst gekommen und SOFORT an die Reihe gekommen. Und er müsse nun schon so lange warten.
Ich versucht nun eine vernünftige Erklärung zustande zubringen, von wegen, dass er ja gesehen hätte, dass man diesen anderen Patienten aus offensichtlichen Gründen nicht alleine lassen habe können.
Herr Lokodakof  ignorierte diese Argumentation. Er werde nun in ein anderes Krankenhaus gehen. Und uns, uns würde er anzeigen.
An dieser Stelle stürmte Schwester Margarita aus dem Zimmer. „Ja,“ rief sie erbost, „hier sehen sie ist ja schon die Polizei, da könne sie gleich ihre Anzeige aufgeben!“ Sie wedelte mit ihrem Arm in Richtung des Polizisten, den unser Patient auf die Nase geschlagen hatte und beide Polizisten schauten Herrn Lokodakof  missmutig an.
An dieser Stelle verließ Herr Lokodakof das Klinikum Beteigeuze und ich rannte ihm hinterher um ihm seine Blutwerte mitzugeben.

Schlechte Röntgenbilder


Und dann kam Frau Holderbüch von der Aufnahme auf meine Station. Auf dem Aufnahmebogen stand doppelt unterstrichen: „Röntgenbild unbedingt kontrollieren!!!“

Man hätte wohl im Röntgen des Brustkorbes eine tumorverdächtige Formation gesehen.

„Komischer Tumor“, sagte mein Oberarzt, während er mit mir zusammen auf das Röntgenbild starrte.

„Vielleicht ist es eine atypische Tuberkulose oder ein komisches Piercing?“, schlug ich nur mittelmäßig hilfreich vor.

Wir beschlossen die Dame persönlich aufzusuchen.

Einer Eingebung folgend fragte der erfahrene Oberarzt: „Frau Holderbüch, beim Röntgen, hatten sie da auch dieses Hemd an?“

„Ja, ja.“

„Und in der linken Brusttasche haben sie da zufälligerweise was drin?“

„Ich glaube nicht“, Frau Holderbüch fischte etwas in besagte Tasche herum, um dann aber doch triumphierend ein angeknittertes Hustenbonbon hervorzuziehen, „Ah ja. Das hier! Das wollte ich nachher noch essen. Warum? War das ein Problem?“

Öh, schon irgendwie…

(Röntgendichte Bonbons, meine Fresse, ein weiterer Grund, warum man Brustkörbe eigentlich ohne Hemd röntgt.)

Arztgeheimnisse?


Herr Dimmsel hatte einen großen Gallenstein. Groß und klumpig saß dieser im Hauptgallengang fest. „Hier, sehen sie?“ sagte ich und deutete diffus auf den Ultraschallbildschirm.
 „Gnim“, sagte Herr Dimmsel, welcher auf Grund zahlreich verwendeter Schmerzmedikamente nicht mehr so ganz klar denken konnte.
„Da müssen sie leider bei uns bleiben“, fuhr ich, „morgen werden wir in einer endoskopischen Untersuchung versuchen den Stein zu entfernen. Die Aufnahmeschwester wird Ihnen gleich ein gutes Bett organisieren.“
„Gnim“, stimmte Herr Dimmsel zu.
„Aber Frau Zorgcooperations“, sagte Aufnahmeschwester Margarita, „Was verspricht du mal wieder für einen Mist. Wir haben kein Bett mehr frei.“
„Herrn Dimmsel könnten wir unmöglich wieder heimschicken.“
„Tja Frau Zorgcooperations, du hast schon die drei vorherigen Patienten aufgenommen, jetzt sind wir voll!“
„Meh, kannst du nicht nochmal suchen, ob wir ihn irgendwo unterbringen können?“
Schwester Margarita seufzte tief, telefonierte sich ein weiteres Mal durch alles Stationen und verkündete schließlich: „Na gut. Das ist zwar eigentlich nicht so gedacht, aber Herr Dimmsel bleibt ja hoffentlich nur kurz: Auf unserer Palliativstation, da wäre noch ein ganzes Zimmer frei. Das dürften wir ausleihen.“
Hocherfreut brachten wir Herrn Dimmsel auf diese Station, der Stein konnte schon am nächsten Morgen erfolgreich entfernt werden und am Nachmittag erschien der Stationsarzt Dr. Minzbi um den weiteren Verlauf des Aufenthaltes zu besprechen.
„Sagen sie mal“, sagte Herr Dimmsel, „sie verschweigen mir doch etwas!!“
„Wie meinen sie das?“
„Na ich sehe doch auf was für eine Station sie mich gelegt haben! Hier sind alle todkrank! Sagen sie mir was ich wirklich habe!“
„Oh“, sagte Dr. Minzbi und führte ein längeres beruhigendes Gespräch.

Minzbikalium


Dr. Minzbi war sehr gewissenhaft. Eher so supergewissenhaft. Alles soll perfekt sein. Superperfekt. So.
Sonntagnacht nahm Dr Minzbi Frau Gräupfe auf, die einen komischen Infekt hatte. Dr Minzbi konnte auch nicht wirklich sagen, woher der kam, dieser Infekt, und das trotz sorgfältiger Untersuchungen, womit er einen längeren Zeitraum (ca. die ganze Nacht) ausgefüllt hatte. Deshalb fühlte sich Dr. Minzbi auch nicht sonderlich gut. Zu all dem hatte Frau Gräupfe auch noch eine transplantierte Niere, was jetzt nicht zur Unkompliziertheit der Angelegenheit beitrug. Aber Dr. Minzbi hatte sorgfältig ein Antibiotikum ausgewählt und für den nächsten Tag (Montag war das) nochmal einen Haufen Blutuntersuchungen angeordnet.
„Hallo Frau Gräupfe“, sagte ich, „hier brauchen wir nochmal Blut, an diesem schönen Montagmorgen und der Blutabnahmedienst hat ja nichts abnehmen können von ihnen, deswegen treffen sie jetzt mich, ihren Stationsarzt!“
Frau Gräupfe lag schlaff und schwach im Bett und sagte sie hätte keine anstechbaren Venen mehr und sie wünsche mir viel Spaß. Nach diesen ermutigenden Worten piekte ich dann irgendwie winzige Vene an und bekam tatsächlich das gewünschte Blut für zwei Abnahmeröhrchen. Als ich das letzte und dritte Röhrchen anschloss, verweigerte das Venchen aber die weitere Kooperation. Ein winziger Tropfen Blut rollte in die Monovette, das war’s. „Naja“, dachte ich mir, „auch egal, das war ja nur noch für das Kalium das in der Nacht  vor ca. 4 Stunden im niedrig-normalen Bereich gewesen war. Da brauchen wir jetzt nicht unbedingt eine Kontrolle. Das ändert sich nicht so schnell in den 4 Stunden. Hier liebe Schwester. Nimm‘ diese Röhrchen. Das für’s Kalium kannst du getrost wegwerfen. Da ist zu wenig Blut drin.“
Die Schwester war hiervon verwirrt und schickte einfach alles ins Labor. Das Labor dachte: Was ankommt muss auch analysiert werden! Sie schafften es auch tatsächlich einen Kaliumwert aus dem Blutströpfchen zu ziehen, der Wert befand sich aber jenseits von gut und böse. Damit hätte die Patientin mindestens tot sein müssen. Naja, wir wussten alle WARUM der Wert so war und das Labor schrieb nett zum Kalium-Befund dazu, dass dieser wegen eines „unterfüllten“ Abnahmeröhrchens nicht zu verwenden war.
Ich verlegte Frau Gräupfe dann noch am selben Tag in eine andere Klinik, in der sie mit ihrer Nierentransplantation besser versorgt war.
Es folgte der nächste Tag und Dr. Minzbi war frisch erholt vom Dienst wieder da. Entsetzt stellte er fest, dass seine Patientin Frau Gräupfe verlegt worden war. Ob er da Sonntag wohl eine Fehlentscheidung getroffen hatte? Hätte er sich vielleicht schon in der Nacht verlegen sollen? Sofort rief er seine Kollegin, die Frau Zorgcooperations an, die diese Verlegung veranstaltet hatte.
„Jaja, keine Panik“, sagte ich, „der Frau Gräupfe ging es halt im Laufe des Tages immer schlechter, das konntest du ja nicht wissen und da dachten wir jetzt verlegen wir sie ins Uniklinik rechts von Beteigeuze. Die haben auch die Nierentransplantation gemacht.“
Dr. Minzbi war nicht zu beruhigen und begann mir nun von den Untersuchungen der Nacht zu erzählen, wo er NICHT herausbekommen konnte, WAS das für ein Infekt war. „Hmhm“, sagte ich“, der Oberarzt hat mit mir auch alles nochmal angeschaut. Wir wissen auch nicht was genau sie hat. Mach‘ dir keine Gedanken. Ich muss jetzt aber schnell aufhören zu telefonieren, ich mache gerade Visite!“
Minzbi ignorierte meine Anmerkung über die Visite und rief nun verzweifelt: „Und habt ihr die Kaliumwertkontrolle von gestern morgen gesehen!“
„Jop. Die stimmt nicht.“ Die Begleitschwester der Visite rüttelte ungeduldig an meinem Visitenwagen.
„WIE KANNST DU SAGEN DAS STIMMT NICHT!?“ Dr. Minzbi schien der nicht mit dem Leben vereinbare Kaliumwert den Rest zu geben.
„Das ist eine Fehlabnahme.“ erklärte ich nun beruhigend.
„WOHER KANNST DU WISSEN DASS DAS EINE FEHLABNAHME IST?!!“
„WEIL ICH ES SELBER ABGENOMMEN HABE! Ich muss jetzt wirklich die Visite weiter machen!“
Dr. Minzbi grummelte dann noch etwas, warum wir den Kaliumwert nicht nochmal abgenommen hätten und hätte Frau Gräupfe schönere Venen gehabt, dann hätten wir das vielleicht sogar getan.

Ich weiß von nichts.


Und  da hatte ich den Obersten der Kardiologen zu meinem gastroenterologischen Patienten gezogen, der außer  gastroenterologischen Beschwerden auch einen Haufen weitere Probleme hatte. Zum Beispiel ein schwaches Herz. Der Kardiologe analysierte dies nochmals eingehend und sagte dann: „Dieser Patient, der braucht ganz eindeutig Medikament-das-toll-für-so-ein-Herz-ist-aber-nicht-ganz-so-für-die-Niere! Das hätte er schon längst haben müssen!“
„Hmhm, der Patient hat auf beiden Seiten eine Schrumpfniere“, erklärte ich die Abwesenheit jenes Medikaments.
„Ja egal, er braucht das trotzdem!“
„Er hat auch eine ziemliche Niereninsuffizienz deswegen“, wandte ich nun ein und wedelte zum Beweis mit den Laborwerten des Vortages umher, „da wäre das Medikament eigentlich kontraindiziert!“
„Haha, nein. Wollen sie etwa, dass er an den kardiologischen Beschwerden verstirbt? Sie müssen hier eindeutig dem Herzen den Vorrang geben!“
Wir schrieben also alles so auf wie vom Obersten der Kardiologen angeordnet.
Am Tag darauf nun trafen sich genannter Kardiologe, der zuständige gastroenterologische Oberarzt und auch ich stand daneben. Man besprach dies und jenes und kam auch nochmals auf die Therapie des beschriebenen Patienten zu besprechen.
„Jaja“, sagte der Gastroenterologe, „dieser Patient hat ja eine ziemliche Niereninsuffizienz!“
„WAS?!“ rief der Kardiologe und schien aus allen Wolken zu fallen, „WIE? Eine Niereninsuffizienz?!“
Genau, hat ihm ja auch nie jemand gesagt… 

Seitenverkehrtes Gehirn?


Herr Brozom war bewusstlos. Daher hatte man ihn auf eine Intensivstation gebracht und an ein laut piepsendes Beatmungsgerät angeschlossen. Außerdem sollte Herr Bozon einen zentralen Venenzugang am Hals erhalten um Medikamente zu bekommen, die kleine Venen in zerbröselnde Paketschnur oder so etwas ähnlich verwandeln. Also musste ein großer Zugang in ein noch größeres Gefäß her. Weil sonst gerade niemand übrig war und der Venenzugang dringend war, wurde ich abgeordnet das zu tun. Bewaffnet mit einem mickrigen Ultraschallgerät, welches überaus grisselige Bilder produzierte, legte ich also einen 15 cm langen Zugangsschlauch in eine große Halsvene links (nennen wir diesen Schlauch mal professionell ZVK) und dann machten wir ein Röntgenbild um zu sehen wie Herr Brozoms Lunge überhaupt aussah und ob mein Super-ZVK gut im Gefäß lag und zum Beispiel nicht zu weit vorgeschoben das Herz ärgerte.

Die Röntgendame kam und *zing* erhielten wir so ein Röntgenbild.

Ich ging also hin und schaute es an. Das Bild. Ziemlich verdreht war es, eine Lungenentzündung hatte er bestimmt auch der Patient und moment, hatte ich den ZVK nicht auf der linken Seite angelegt? Ich ging zum Patienten zurück. Oh ja LINKS.

„Sag‘ mal Anästhesist, schau‘ das Bild, denkst du das ist Seitenverkehrt?“

„Hm nein Frau Zorgcooperations.“
„Aber warum ist mein ZVK dann rechts?!!“

„Naja, das könnte ein EKG-Kabel sein.“
„Und wo ist dann mein ZVK?!!!“

Hier mischte sich der vorbeilaufende Chirurg ein: „Du hast ihn ins Gehirn geschoben!“

„Das kann gar nicht sein!“
„DOCH, DOCH, ICH SAGE DIR: DU HAST DEN ZVK INS GEHIRN GESCHOBEN!“

Hier rief ich einen Radiologen an, der sagte die Röntgenaufnahme sei sehr verdreht und außerdem seitenverkehrt. Der ZVK liege richtig und auf der linken Seite. Nein, nicht im Gehirn.