Akute Dyspnoe bei Tumorpatienten Teil 2

Also ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte Mal einen klinisch so schlecht oxygenierenden Patienten mit einem so blanden Röntgen-Thorax gesehen habe…

 

In jedem Fall ergab sich trotz Lysetherapie keine Verbesserung der klinischen Situation, der Patient wurde mittlerweile mit einem PEEP von 10 und einer FiO2 von 1,0 beatmet, hierunter SO2 von
knapp 95% und gerade noch akzeptable Dyspnoe.

 

Was nun? Formal war hier schon längst eine Intubation indiziert, meine Vorgesetzten taten sich jedoch aufgrund der Grunderkrankung und -prognose sehr schwer damit, als nächstes kam das Gespräch
auf eine mechanische Katheterfragmentierung, eine invasive Angelegenheit, die letzte Chance bei fulminanter LAE nach Lyseversagen.

 

Nach Rücksprache mit den Interventionalisten und dem Patienten Entscheid genau dies zu tun, zuvor sollte aber noch ein CT-Thorax Angio gemacht werden, um die Diagnose zu sichern…

 

Hier das Bild der Pulmonalishauptstammregion:

Tja, war wohl nix mit fulminanter Lungenembolie. Der Rest des Thorax in der Schnellbefundung auch ohne grössere Pathologien, keine zentrale oder periphere LAE, kein Emphysem, kein Infiltrat.
Einzig das riesige rechte Herz fällt auf.

Die bisherigen Antworten waren schon übrigens schon sehr nah dran…

 

Natürlich kam der Patient nun nicht mehr auf den Angiotisch, denn was sollte man hier noch fragmentieren?

Leider verstarb er wenige Stunden später intubiert, aber mit weiter nicht gelöster Oxygenierungssituation. Erfreulicherweise konnte sich der Sohn zur Genehmigung der Obduktion überwinden.

 

Hier fand sich eine diffuseste hepatische Metastasierung und in nahezu allen peripheren Lungensegmenten kleinste Tumoremboli. Laut Pathologen, der dies auch mikroskopisch bestätigen konnte neigen
gewisse Adeno-CA´s zu Mutationen, die den Verlust von Adhäsionsmolekülen mit sich bringen, dies kann zu einer fulminaten Tumorembolie führen, die kleinsten Emboli sind nur wenige mm gross und
damit unterhalb der CT-Auflösung.

 

Also, die Diagnose:

Terminale respiratorische Partialinsuffizienz durch fulminante diffuse pulmonale Tumorembolisierung.

 

P.S.: 

Sehr gut der Hinweis auf einen Rechtsherzinfarkt, die entsprechenden Ableitungen waren unauffällig, auch eine akute chemoinduzierte Pneumopathie wurde diskutiert, jedoch bei normalem Rö-/CT-Thx
als nicht wahrscheinlich empfunden.

 

Nun nochmal zur Diskussion: Hätte man was anders machen können? Wäre der Patient zu retten gewesen? Was wäre noch eine letzte Möglichkeit bei einem jüngeren und fitteren Patienten
gewesen?

Akute Dyspnoe bei Tumorpatienten – klare Kiste,oder?

Kürzlich habe ich einen sehr interessanten Patienten aus der ZNA zur weiteren Diagnsotik auf der Intensivstation betreut und viel dabei gelernt, weshalb ich den Fall hier einmal kurz präsentieren
möchte.

 

Leitsymptom Akute Dyspnoe


72-jähriger Mann, mit seit dem Morgen akut aufgetretener maximaler Ruhedysnoe, keine AP, keine Palpitationen, keine weiteren relevanten Symptome

 

Untersuchungsbefund

Patient in akut reduziertem, chronisch allenfalls leicht reduziertem AZ und normalem EZ, Pulmo mit normalem AG, keine RG´s, tachykard um 130/min, rhythmisch, Abdomen unauffällig, keine relevanten
US-Ödeme, leicht prominente Jugularvenen, neurologischer befund unauffällig, Pat spricht kurze Sätze

Vitalwerte: HF 130/min, rhythmisch, RR 90/65, SO2 unter Raumluft 82%!!, Temp 37.3°C, GCS 15/15

 

Klar, erste Therapie: O2 mittels Maske: 15l O2 via Maske mit Reservoir: Resultat ist SO2 von 89%

 

Erste Diagnostik: Rö-Thx:

 

 

Dieser Thorax haut einen nicht vom Hocker, oder?

Mal systematisch: Knöchern soweit nix relevantes zu sehen, pulmonal keine Riesenergüsse, keine Infiltrate, Herzgrösse mit Vorsicht zu geniessen, da Liegendaufnahme…

gut, einzig das rechte Herz wirkt etwas prominent.

 

Nun weitere Anamnese mit Patient und Sohn des Patienten:

Vor 5 Monaten Erstdiagnose eines Harnblasen-CA in lokal fortgeschrittenem Stadium, Harnblasenentfernung und Ileumconduit, zuletzt vor 1 Monat V.a. hepatische Metastasierung. Pat bis vor 10 d noch
fit, fahrradfahrend und ohne Dyspnoe, seit 10 d dann minimale Dyspnoe, seit dem Morgen fulminant. Ansonsten kardial und pulmonal keine Vorgeschichte, keine Medikamente.

 

Mit dieser Anamnese und dem folgenden Echo sollte das Ganze nun klarer werden: ein massiv dilatierter rechter Ventrikel bei schmalem hyperkontraktilem LV, kein Perikarderguss und
keine Pleuraergüsse, keine regionalen Wandbewegungsstörungen. Es finden sich keine EKG-Auffälligkeiten bis auf die Sinustachykardie um 130/min, der Trop beträgt 250 ng/ml (also deutlich
erhöht, aber nicht fulminant), Hb und pCO2 sind normal, es passt alles zu:

 

Richtig, einer LUNGENEMBOLIE. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein, ist sie aber nicht.

 

Mittlerweile hat sich der Patient etwas von der BGA stabilisiert,zeigt klinisch aber zunehmend Zeichen der respiratorischen Erschöpfung. Da uns von den behandelnden Onkologen zu diesem Zeitpunkt
eine Lebenserwartung von 4-5 Monaten bei der Grunderkrankung alleine in Aussicht gestellt wurde, sind wir mit einer invasiven Beatmung zurückhaltend.

 

Da der Patient als nicht transportfähig eingeschätzt wird, erfolgt nach ausführlicher Beratung mit Patient und Angehörigen eine Lysetherapie mit 100 mg r-TPA über 2 h mit akzelerierter Bolusgabe
unter dem Verdacht einer tumorassoziierten fulminanten Lungenembolie (ohne weitere Bildgebung bei radiologisch unauffällig befundetem RöThx).

 

Leider zeigt sich in den folgenden Stunden klinisch überhaupt keinerlei Besserung, im Gegenteil: Mittlerweile ist eine NIV mit einem FiO2 von 1,0 und einem PEEP von 8 notwendig um eine adäquate
Oxygenierung zu erreichen…

 

Fortsetzung folgt, habt ihr eine Idee?

Link 24: PHARM – Prehospital and Retrieval Medicine

Der heutige Linktip ist auch etwas für diejenigen, die eher aus der präklinischen Notfallmedizin kommen. Der Macher des Podcasts ist denen, die wie ich grosse EmCrit-Fans sind sicher bereits
bekannt – Minh Le Cong aus Australien. Sein Podcast mit Präklinikthemen ist aus den Folgen mit Scott Weingart von EmCrit entstanden, mittlerweile findet man
ihn auf der eigenen Website http://prehospitalmed.com/ mit bereits 6 Folgen. Die bisherigen Themen kreisen um Airway, Simulation
und Lufttransport, nofame4u ist gespannt wie es hier weitergeht…

KV-Notdienst in der Diskussion

Wer gestern Report Mainz schaute, konnte sich mit einem kleinen Hinweis auf die aktuelle Telefonnummernumstellung auf Zustände des KV-Notdienstes informieren, mit langen Wartezeiten, Zusammenlegungen und Privatärztliche Notdienste. Video (Falls das Video nicht mehr verfügbar sein sollte, findet es sich eventuell noch in der iTunes-Podcast Videothek zum herunterladen) Wie sind die Zustände bei euch? Wird auch […]

Rezension: Notfallversorgung in Deutschland

Mit diesem Text möchte ich bei den Rezensionen etwas Neuland betreten, handelt es sich doch nicht nur um das erste bei nofame4u rezensierte Printmedium, sondern zudem auch noch um eine
wissenschaftliche (Promotions-)Arbeit.

Weder jetzt noch in Zukunft plane ich, die Bewertung von medizinischen Lehrbüchern oder Dissertationen, aber diesem Medium konnte ich mich nicht entziehen und ausserdem handelt es sich im
strengen Sinne auch nicht um ein medizinisches Werk, sondern um nicht weniger als den Versuch die Notfallversorgung in Deutschland interdisziplinär zu analysieren und sinnvolle
Änderungsvorschläge anzuregen.  

 

Der Autor Dr. Christopher Niehues verfügt mit seiner wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung und Lehrtätigkeit auf der einen Seite und reichhaltiger persönlicher Erfahrung  im
Rettungsdienst und Notaufnahmen über einen ungeschönten und multidimensionalen Blick auf die deutsche Notfallversorgungslandschaft. Traditionell herrscht eine allein medizinzentrische Sicht
weniger Meinungsbildner, die zum Teil auch recht vehement von diesen vertreten und nicht notwendigerweise immer mit ausreichender Evidenz untermauert wird. Soviel zum Hintergrund.

 

In den ersten Kapiteln findet sich eine doktorarbeitstypische Einleitungsstruktur, jedoch ergeben sich auch hier für den Mediziner mit Interesse an der Materie bereits interessante neue
Aspekte durch Erklärung wirtschaftswissenschaftlicher Grundlagenbegriffe wie zum Bespiel “Effizienz” oder zu juristischen Wechselbeziehungen zwischen Recht und Ressourcenknappheit. 

 

Kernfrage der Arbeit ist, ob der gegenwärtige Nutzen der durch unsere Notfallversorgung erreicht wird, die maximale Effizienz darstellt, die mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen zu
erreichen ist, oder ob es Möglichkeiten gäbe, Teile dieser Ressourcen mit grösserem Effekt einzusetzen. 

 

So mutet es tatsächlich etwas seltsam an, dass ein Feld, welches sicher enorme Potentiale zur Outcomeoptimierung hat, nämlich die Laienhilfe nur geringgradig bezuschusst wird, obwohl die
Erkenntnis des korrelierenden Zusammenhangs zwischen kurzen Zeiten bis zu einer Laienreanimation und einer positiven Überlebenswahrscheinlichkeit  evidenzbasiert und gesichert ist. Auf der
anderen Seite werden immense Mengen institutionellen Geldes in die Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Notarztsystems gesteckt, welches offensichtlich schon lange personalmässig nicht oder
nur unter grösster Mühe aufrechterhalten werden kann, dies alles um regional gewählte Hilfsfristen einzuhalten, die zuvor niemals evidenzgeprüft wurden. 

 

Die Notaufnahmen werden in diesem System als zweite Stelle der systematischen Vernachlässigung identifiziert, ein Platz für den trotz steigenden Patientenzahlen bislang keine einheitlichen
strukturellen Mindeststandards und schon gar keine beruflichen Mindestanforderungen vorliegen.

 

Überhaupt kommt nach Lektüre der Arbeit der Eindruck auf, dass sowohl die präklinische als auch die klinische Notfallmedizin ein Gebiet ist, bei dem die Entscheidungsbefugten auf zu viele
unterschiedliche Bereiche verteilt sind und die sogenannten Experten in den aufgesplitterten Untergebieten erhebliche Partikularinteressen haben, es fehlt eindeutig die ordnende Hand von oben,
welche die Gestaltung mit unabhängigem medizinischem aber auch ökonomischen Sachverstand vornimmt.

 

Die Frage wie das staatliche Geld für die Notfallversorgung zu verwenden ist ist untrennbar verknüpft auch mit der Frage nach Qualifikation und Weiterbildung von ärztlichem und
nicht-ärztlichem Personal. Der Status quo mit 80-Stundenkurs für die präklinischen Notärzte wird ebenso  zur Diskussion gestellt, wie die noch weit geringeren Qualifikationen im
Notaufnahmebereich, womit sich Deutschland im innereuropäischen Vergleich zunehmend selbst disqualifiziert. 

 

Der Beruf des Rettungsassistenten gehört seiner Meinung nach durch intensivierte Ausbildung und weiterreichende Kompetenzen berufspolitisch aufgewertet und damit zukunftsfähig
gemacht.

 

In einigen Teilen des Textes wird auch die Verantwortlichkeit der Ärzteschaft selbst für den gegenwärtigen Status deutlich, die Fortschritte vor allem im klinischen Notfallmedizinbereich
durch Protektionismus “etablierter” Strukturen, wie zum Beispiel der Verhinderung einer eigenen Facharztanerkennung für die Notfallmedizin, verhindert.

 Ziel der Denkanstösse sollte es nach Dr. Niehues’ Meinung sein, die Notfallversorgung vor allem dort zu stärken, wo mit vergleichsweise geringerem Aufwand eine grösstmögliche
Verbesserung des Outputs erzielt werden kann.

 

Alles in allem ist das Buch ein gelungenes Werk zum Thema mit erfrischenden fachübergreifenden Sichtweisen und schlüssigen Ratschlägen, welches sicher noch einiges an Diskussionen in der
heraufbeschwören wird. Bei einigen, der als notwendig erachteten Massnahmen (Facharzt Notfallmedizin, mehr Kompetenzen für Rettungsassistenten) ist es jedoch wohl nur noch mehr eine Frage wann
diese realisiert werden, und schon lange nicht mehr ob.

 

Das Buch ist bei Amazon für 34,90€ hier
erhältlich.