Wahnsinnswoche 2018:09

In dieser Woche 218 Patientenkontakte und 26 Terminausfälle. Bis Ende April sind leider keine Termine mehr frei.


Rote Tabletten sind effektiver als blaue, vier Pillen wirkungsvoller als zwei, und ein vermeintlich teures Placebo hilft besser als ein billiges Mittel.


Die kranken Kassen nutzten die Homöopathie, um Kunden zu binden. Dabei ist es nicht ok, wenn das Solidargeld für ein Verfahren ausgegeben wird, das in den 200 Jahre seiner Erforschung weder glaubhaft nachweisen konnte, wie es wirkt, noch dass es besser wirkt als ein Placebo.


An interview about the problematic success of antidepressant drugs (“largely ineffective and potentially harmful”). Deutsche Version.

On the other hand: “It’s official: antidepressants work.” They are not a multibillion-dollar conspiracy dreamed up by Big Pharma Bond villains. They are not a snake oil distilled in secret laboratories, designed to stupefy us all.

All antidepressants were more efficacious than placebo in adults with major depressive disorder.


Video: ADHS – ein Leben lang.


Die Telematik Infrastruktur – das unbekannte (Wesen) Netz. Und: TI-Installation – erster Versuch.


Datenschutz ist was für Gesunde. Das System rund um die elektronische Gesundheitskarte (eGk) zu einem profitablen Ergebnis für Krankenkassen, die Gesundheitsindustrie und die an Patienten- und Behandlungsdaten interessierten privaten und öffentlichen Forschungseinrichtungen zu machen – das soll jetzt Jens Spahn schaffen.


Klassischer Fehlstart für den designierten Gesundheitsminister: “In einem ersten Schritt sollten die Terminservicestellen weiter ausgebaut werden”. Damit die Menschen künftig nicht mehr das Gefühl haben, es gebe zwei Klassen bei der Terminvergabe. Bürokratischer Unfug ohne Bezug zur Ursache des Problems: der impliziten Rationierung.

Nachts allein im Keller

„Wo ist denn meine verstorbene Patientin?“, fragte ich die Schwester.
„Na in Zimmer 6“, sagte die Schwester.
„Hm“; sagte ich hieraufhin, denn in Zimmer 6 war ich eigentlich gerade gewesen, zumindest in meiner Vorstellung. Zur Sicherheit ging ich ein weiteres Mal ins Zimmer sechs, wo mir ein großer Mann freundlich zunickte, während er Dinge in den Schrank räumte.
„Äh Entschuldigung, ich suche gerade eine andere Patientin“, sagte ich und ging wieder zur Schwester um meine Frage zu wiederholen: „Wo ist meine verstorbene Patientin, die Frau Meseli? Ich muss doch noch die zweite Leichenschau machen.“
„Na, wenn sie nicht in Zimmer 6 ist, dann weiß ich das auch nicht“, erklärte die Schwester wenig hilfreich.
Ich beschloss in der Prosektur nachzufragen, denn schon einmal hatte man mir vor der zweiten Leichenschau einen Patienten vorzeitig dorthin entführt. Nur, dass es damals mitten in der Nacht gewesen war und ich um 3 Uhr morgens von der Pforte den Generalschlüssel leihen musste, um im Anschluss alleine durch den Keller des Krankenhauses zu irren, durch mehrere verschlossene Türen hindurch, bis in einen gekachelten Raum der Prosektur, wo genau in der Mitte ein einsames Bett stand, welches mit einem großen Laken verhüllt war (worunter sich der verstorbene Patient befand). Dies war prinzipiell etwas gruslig gewesen, aber immerhin wusste ich seitdem den Weg zur Prosektur.
„Ah hallo“, sagte die Prosekturdame freundlich. Sie habe sich schon gewundert, meine Patientin Frau Meseli wäre tatsächlich hier angekommen und man habe den Totenschein vermisst. Naja, kein Wunder, denn diesen hielt ich ja noch fest umklammert, es fehlte doch noch die zweite Leichenschau. Bezüglich solcher Dinge bin ich immer sehr paranoid.
Meine Patientin war auch schon in eines dieser Pathologenschubladen eingeordnet worden und die Prosekturdame musste sie nun erst mal wieder für mich auf eine Trage herausfahren. 
Vorsichtig entfernte ich das weiße Tuch mit dem Frau Meseli bedeckt worden war. Friedlich und blass lag sie vor mir, die grauen Haare waren zu einem ordentlichen Zopf geflochten worden, die krumpelige Krankenhaushemdbekleidung war schon entfernt.
Doch dann fiel mein Blick auf das Ende der Trage: Zwei geringelten Wollsocken prangten noch fröhlich an den Füßen von Frau Meseli und zerstörten das trist-grau-blasse Gesamtbild.
Und das machte meinen Tag gleich viel besser 😊. 

Wahnsinnswoche 2018:07

In dieser Woche 170 Patientenkontakte und 14 Terminausfälle. Nächste Woche brauche ich Urlaub. Danach sind bis Ende April keine Termine mehr frei.


Hallo Jobcenter: du machst meine Patienten ganz verrückt, wenn du sie erst in Person von Sachbearbeiterin A aufforderst, endlich einen Rentenantrag zu stellen (was schon im Oktober erledigt, aber bis heute nicht beschieden wurde) und nur vier Tage später in Person von Sachbearbeiterin B eine Vorladung zum Termin wegen einer Eingliederungsvereinbarung hinterherschickst. Sowas löst bei depressiven Menschen gern mal eine Krise aus, der dann ich mit einer entsprechenden, zeitraubenden Intervention begegnen muss – die Kranke Kasse würde das wohl als sonstigen Schaden auffassen und euch gern in Rechnung stellen, wenn ihr denn persönlich zu fassen wäret…


Über den Zusammenhang von Dopaminstoffwechsel und Halluzinationen.


Update: In einer psychiatrischen Klinik, die zu einem großen Krankenhauskonzern gehört, schicken zwei Krankenschwestern wegen Personalmangels eine Überlastungsanzeige an die Geschäftsführung. Und die schickt den Krankenschwestern sofort jeweils eine Abmahnung. Kontext: [1]

Vor Gericht kassierte der Klinikbetreiber jetzt eine Niederlage. Die Abmahnung war unzulässig, da sie dem Sinn und Zweck des Arbeitsschutzgesetzes widersprochen hat.


Soulfood: Heilung | LIFA – Krigsgaldr LIVE

Patientenbilder für Lunge und Psyche – ein integrativer Ansatz bei COPD

  Adhärenz und Autonomie: beides ist notwendig für ein gutes Leben mit COPD. Erfolgreiches COPD-Management muß sowohl Adhärenz wie Autonomie fördern, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Eine integrative Kurzzeit-Intervention aus Italien zeigt verheißungsvolle Ergebnisse.   Adhärenz und Autonomie hängen von vielen Faktoren ab Therapietreue und selbständiges Krankheits-Management sind eine gemeinsame Herausforderung für Patienten, […]

N wie Nachtschreck

Dein Kind ist gerade eingeschlafen. Plötzlich hörst du ein lautes Schreien und Rufen. Du findest dein Kind aufgeregt und verwirrt im Bett. Es macht Handbewegungen, als ob es dir etwas sagen oder dich abwehren möchte, aber es scheint dich nicht zu erkennen. Möglicherweise schwitzt es, sein Herz schlägt schneller. Für Eltern oft eine beängstigende Situation […]

The post N wie Nachtschreck appeared first on Mama ist Kinderärztin.

Wahnsinnswoche 2018:06

In dieser Woche 153 Patientenkontakte und 15 Terminausfälle.


Sieh mal einer an: die ehemalige grüne NRW-Gesundheitsministerin Steffens wechselt im Sommer in die Landesvertretung der Techniker Krankenkasse. In diesem Gewerbe scheint man keine Angst vor möglichen Interessenkonflikten haben zu müssen. Kontext: [1]


Captain Obvious lässt grüßen: bei einer computerbasierten Sprachanalyse kam heraus, dass depressive Menschen übermäßig oft von negativen Gefühle berichten, und dass sie stärker auf sich selbst fokussiert sind und weniger Interaktion mit anderen pflegen.


This is really cool: deep neural networks können via fMRI schon erste Bilder aus unseren Köpfen decodieren. Nicht mehr lange, und wir erbärmlichen Würmer laden unsere Nervensysteme in die Cloud hoch.


Jeff Bezos will mit Ärzten das machen, was er schon mit Buchhandlungen gemacht hat.


Von 200 NHS Trusts in Großbritannien hat keiner den Cybersecurity-Test bestanden. Außerdem muss NHS Digital damit aufhören, Daten an die Einwanderungsbehörden zu übermitteln. Wird in Deutschland sowieso niemals passieren!


Kriegen wir jetzt eine Homöopathie-Schirmherrin als Gesundheitsministerin?


Eine ganz normale Aufnahme ins Krankenhaus im Jahr 2035


Buchtipp: Behandlungsverweigerung, Patientenautonomie und Zwangsmedikation


Am 30. und 31. Januar verhandelte das Bundesverfassungsgericht über Freiheitsbeschränkung durch Fixierung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern.


Wahnsinn: in Österreich gibt es Probleme mit Terminen beim Hausarzt.


Soulfood: Methyl Ethel – Ubu

Buchtipps

Aus sehr erfreulichen beruflichen und privaten Gründen komme ich derzeit nicht dazu, neue Blogbeiträge zu verfassen. Da der Tellerrand aber schon seit fast 7 Jahren existiert, gibt es dennoch viel zu entdecken. Heute möchte ich auf meine Sammlung an Buchtipps hinweisen: http://www.tellerrandmedizin.org/linksammlungen/buecher. P.S.: Kostenloser Versand von Büchern wird auch bei Alternativen zum Versandriesen angeboten, z. […]

The post Buchtipps appeared first on Tellerrandmedizin.

Weltkrebstag 2018 – da war doch was?!?

  In diesem Jahr fiel der Weltkrebstag auf den gestrigen Sonntag. Ob es daran lag, daß er im Klinikalltag unbemerkt vorüber gegangen ist? Eigentlich unverständlich – bei zunehmenden Lungenkrebserkrankungen. Schade auch – um das tolle Motto: „Ich kann. Wir können.“   Topthema Lungenkrebs – besonders für Frauen Die Statistiken sind alarmierend für die pneumologische Onkologie: Lungenkrebs […]

Wahnsinnswoche 2018:05

In dieser Woche 148 Patientenkontakte und 14 Terminausfälle.


Ein Kassenangestellter möchte, dass es künftig als Verstoß gegen die Pflichten eines Kassenarztes gelten sollte, wenn bevorzugt Termine an privat Versicherte vergeben werden. Eine Angleichung der Honorare ohne Anpassung der ärztlichen Leistungen bedeute vor allem, dass die gesetzliche Krankenversicherung mindestens sechs Milliarden Euro mehr bezahlen müsse. Das ist übrigens ungefähr der Betrag, den die Kassen seit rund zwanzig Jahren jedes Jahr zurückhalten, weil sie die geleistete Arbeit nicht vollständig bezahlen (Stichworte: Individualbudgets, Regelleistungsvolumina). Wahrscheinlich hat er auch Angst um seinen dann überflüssigen Job, wenn die Einheitskasse kommt…

Kontext: Wissenschaftler warnen (in einem Auftragsgutachten) vor Einheitsvergütung


Vorzüge und Nachteile des deutschen Gesundheitssystems am Beispiel der Schmerzbehandlung nach einer Operation (aus Sicht einer Amerikanerin – in english).


Placebo-Effekt: Die Macht des Glaubens


In Interviews zeigt sich, dass Patienten den Suchergebnissen bei Google und Rankings blind vertrauen. Das kann böse ins Auge gehen, denn die Todesangst klickt mit. Besser, Sie fragen Ihren Arzt.


Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sagt (paywall): “Während sich eine Branche nach der anderen in Deutschland digitalisiert, erweist sich die Gesundheitsbranche in Deutschland als weitgehend resistent. Das muss sich ändern.“ Ähnlich äußerte sich der BMWi-Staatssekretär Dirk Wiese (SPD): „Der Mediziner der Zukunft könnte ein intelligentes Computerprogramm sein.” Die Arbeit eines Zahntechnikers übernehmen 3D-Drucker, die des Steuerberaters Algorithmen, und das Fotografieren übernimmt eine AI.

Ergebnisse einer britischen Studie deuten darauf hin, dass politikgetriebene Top-down-Ansätze, die finanzielle Anreize nutzen, um die Einführung alternativer Kommunikationsmethoden in der ärztlichen Beratung zu fördern, nicht der beste Weg sind, um die Effizienz zu verbessern. Unter anderem besteht die Gefahr, dass sich die Zeit, die Ärzten für den persönlichen Kontakt zur Verfügung steht, verringert.

Nach Angaben des Branchenverbands Bitkom sollen durch Digitalisierung 3,4 Millionen Stellen in den kommenden fünf Jahren wegfallen, also etwa 10%.


Kurze Ansage eines Kassenangestellten: “Wer in Deutschland gesetzlich versichert ist, ist erstklassig versorgt.” Und “die Terminservicestellen sind ein Flop”.


Soulfood: Simple Minds – The Signal and the Noise

Wahnsinnswoche 2018:04

In dieser Woche 148 Patientenkontakte und 11 Terminausfälle. Donnerstag war es rappelvoll und bis 18 Uhr gerade noch zu bewältigen. Ein paar Leute sind aber wieder gegangen…


Wenn es nach den meisten Patienten geht, sollten ihre Daten bei Pflegern und Ärzten bleiben.


Ab sofort können sich Menschen, die Opfer von Stalking geworden sind, beim Medienprojekt Wuppertal melden. Das Medienprojekt realisiert in diesem Jahr hierzu einen Dokumentarfilm und sucht Betroffene.


Das Chaos mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nimmt zu. Daran beteiligt: Atos. Die sind auch für die Echtheitsprüfungen von Heilberufeausweisen für Anwendungen der “Gesundheitskarte” zuständig… sehr vielversprechend!


Soulfood: Public Service Broadcasting – Progress