Pfenniggut.


Im Klinikum Beteigeuze gibt es ein mobiles Sonographiegerät. Sehr praktisch und sehr begehrt ist das.
Irgendjemand schiebt eben jenes Gerät immer mit sich herum oder versucht es heimlich auf seiner Station zu horten. Aufgrund des hohen Gebrauchs ging es dann auch mal kaputt. Unwiderruflich kaputt. Ein neues Gerät musste her.
Na gut, dachten sich alle sonoaffinen Ärzte. Wie lang kann so ein Bestellvorgang schon dauern? Haha, unglaublich lange: Gerätekomitees mussten erstellt werden, WARUM überhaupt ein neues Gerät her sollte. Definieren sie erst mal das Wort „kaputt“. Alle Oberärzte mussten befragt werden. Mehrere Male. Blabla. Und einen Antrag hatten sie da immer noch nicht rausgeschickt.
Um nun aber ungeduldige Assistenzarztfußvolk zu beruhigen, das behauptete so in seiner Alltagsarbeit eingeschränkt zu sein, dachte sich die Geschäftsleitung fürsorglich eine Interimslösung aus.
Hatte man nicht im Keller noch ein 20 Jahre altes Gerät stehen, dass eigentlich aussortiert worden war, aber prinzipiell noch pfenniggut war? Ha. Also liebe Assistenzärzte: Hier euer Ersatzgerät für die nächsten drei Monate, oder auch länger, bis wir es eben geschafft haben ein modernes Ultraschallgerät zu besorgen.
Ich kam also aus dem Urlaub zurück und dachte mir, naja, egal, Hauptsache es macht ein Bild. Dann ging ich gespannt das Ersatzgerät suchen, denn ich wollte so einen Ultraschall machen.
Das Ersatzgerät bestand aus einem riesengroßen, gelblich-vergilbtem Kasten, auf dem ein großer Röhrenmonitor montiert war. Der Transport fühlte sich an, als würde man eine unangemeldeten Großüberführung einer kleineren Windmühlenturbine durch die Krankenhausgänge veranstalten und Leute starrten mich mit großen Augen an.
Im Zimmer angekommen betrachtete man gespannt, wie ich gedachte den riesigen Ultraschallkasten a) neben das Patientenbett und b) nahe genug an die Steckdose zu manövrieren. Nachdem ich das Bett des Patienten, seines Zimmernachbarn und dessen Nachtkästchen verschoben hatte, konnte ich aber tatsächlich SOWOHL Kabel einstecken ALS AUCH mit einem Ultraschallkopf den Patienten erreichen. HAHA. Musste ich nur noch anmachen, dieses Gerät. Hier verbrachte ich die nächsten 5 min oder auch länger, damit den Einschalt-knopf zu finden. Dieser befand sich ebenfalls in vergilbtem computergelb irgendwo in einer Rille des Kastens und nun musste ich nur noch weitere 5 min warten, bis das Gerät hochgefahren war und alle Lüfter gestartet hatte. Yay, endlich konnte die Untersuchung beginnen. Das Vergnügen wurde nur von einem breiten, schwarzen Streifen gestört, wo der Bildschirm mittig defekt war.
Besser als nichts, dachte ich mir und überlegte wie ich nun alles korrekt wieder ausschalten sollte. Zum Glück kam hier gerade meine Kollegin Dr. Bo vorbei, die dieses Ultraschallgerät auch wollte.
Ja klar, sagte Kollegin Bo, natürlich wisse sie wie man das Gerät ausschalte. Sprachs und zog den Stecker aus der Steckdose.

Buchtipp: Augenheilkunde

Schon im Vorwort des neuen Buchs  steht: „Es (das Buch) möchte Sie in die Lage versetzen, die Augenheilkunde zu verstehen und so selbstständig Entscheidungen zu treffen und nicht nur Fakten büffeln zu müssen.“ Gerhard K. Lang & Kollegen haben mit ihrer bereits 5. Auflage des beliebten Lehrbuchs nicht nur ein neues größeres Format gewählt, sondern […]

Kriminalpolizei


Am Abend verließ Frau Heimbitt nach einem Krankenbesuch das Klinikum Beteigeuze. Doch noch im Foyer mit Blick auf die aktuellen Nachtsterne wurde ihr wohl irgendwie komisch, so dass sie sich hinsetzte. „Ist alles in Ordnung?“ fragte die Pfortendame und löste den Reanimationsalarm aus. Denn Frau Heimbitt antwortete nicht mehr.
Das Reanimationsteam rauschte herbei. Frau Heimbitt konnte aber trotz großer Mühen nicht erfolgreich wiederbelebt werden. Das Reanimationsteam ging wieder weg. Zurück blieb ich, denn irgendwie fühlte sich nun niemand mehr zuständig und die goldene Regel des Klinikums Beteigeuze lautete: „Wenn sich keiner zuständig fühlt, dann ist es auf jeden Fall ein internistisches Problem.“ Der Internist, das war ich.
Mit Hilfe der Pfortendame fand ich schnell heraus, wen Frau Heimbitt besucht hatte. Die erschrockene Freundin erklärte, Frau Heimbitt wäre es geradeeben noch gut gegangen, eine engere Familie gäbe es wohl nicht. Ich hatte Glück und erreichte den Hausarzt, der eine Abendsprechstunde hatte. Nein Frau Heimbitt hätte außer etwas Bluthochdruck, keinerlei Erkrankungen gehabt. Nichts was ihr plötzliches Versterben erklären konnte.
Da man nun aber von mir erwartete irgendetwas in den Totenschein zu schreiben, fragte ich meinen Oberarzt, was immer eine beliebte Strategie internistischer Assistenzärzte ist. Diese eilte gerade in seinen ersehnten Feierabend und murmelte: „Da müssen sie „ungeklärte Todesart“* ankreuzen.“
Dies hatte ich noch nie getan, jetzt aber schon
Dann rief ich die Polizei an, da das Formular dies verlangte. 10 Minuten später stand eine Polizeisteife vor der Tür, die missverständlicherweise glaubte, jemand wäre gerade umgebracht worden. Enttäuscht rief der Alpha-Polizist nun seinen Vorgesetzten an, während der Beta-Teil seines Teams, welcher anscheinend noch nie eine verstorbene Person gesehen hatte, blass in der Ecke stand. Ich stand auch dumm in der Gegend rum.
Dann rief die Kriminalpolizei an und ein ärgerlicher Kriminalpolizist fragte ob ich denn wirklich ungeklärte Todesart ankreuzen wolle. Es folgte nun eine längere Diskussion in der der Kriminalpolizist rief ER hätte „natürliche Todesursache“ angekreuzt und ich sagte Frau Heimbitt hätte überhaupt keine Erkrankung, die dieses plötzliche Versterben rechtfertigen würden.
Ob ich diese Entscheidung den überhaupt mit meinem Hintergrund abgesprochen hätte?! Ja, natürlich, eine oberarztgestütze Ankreuzung wäre das.
Na gut dann würden sie eben eine dreivierte Stunde lang herfahren!!!
Zwei Stunden später rief mich die Pforte an, die Kriminalpolizei wäre nun da und würde auf mich warten.
Super. Inzwischen fühlte ich mich, als hätte ich persönlich die arme Dame in der Lobby ermordet.
Die Kriminalpolizei hatte wohl außerdem länger im Stau gestanden und hielt mir nun einen Vortrag, dass in dieser Klinik viel zu viele dieser Ärzte ungeklärte Todesart ankreuzen würden. Ich konnte mich zwar an keinen einzigen Fall erinnern, nickte aber freundlich und die Beamten waren im Anschluss auch erstaunlich nett. Man fertigte nun ein offizielles Vernehmungsprotokoll an, machte Fotos von Frau Heimbitt und dann ging ich schnell nachhause.
Frau Heimbitts Versterben wurde später wohl auf undefinierte Herzrhythmusstörungen geschoben.

*„ungeklärte Todesart“ : Es gibt zwar keine Hinweise auf eine Einwirkung von außen, die den Tod verursacht haben kann, aber trotz ausreichender Recherchen, kann keine körperliche Erkrankung benannt werden, die den Tod vermutlich verursacht hat.

Wahnsinnswoche 2017:07

In dieser Woche 141 Patientenkontakte und 15 Terminausfälle.


Beschwerdemöglichkeiten (pdf) für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihre Angehörigen in Wuppertal.


Aufgrund wiederholter Nachfrage: Reboxetin darf Kassenpatienten seit 2011 nicht mehr verschrieben werden. In Einzelfällen war aber eine Umstellung auf ein anderes Medikament nicht möglich. Nun stellen einige Kassen Regressanträge gegen Ärzte, die Reboxetin in diesen Fällen weiter verschrieben haben. Möglicher Ausweg: der Hinweis auf einschlägige Gesetzes- und Richtlinientexte.

In § 31 SGB V, Absatz 1 heißt es nämlich: “Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen.”

Und in § 16 AM-RL, Absatz 5 (pdf): “Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen.” [1]


Wie Journalisten und Medien über Suizide berichten, zumal prominenter Personen, zeigt tatsächlich auch 2017 immer noch, wie kühl und lernunfähig diese Branche oft ist.


When I started to understand the lyrics of a Cocteau Twins song, I knew I was wrecked. Kontext: [2] [3]


Something for the weekend?

Wahnsinnswoche 2017:06

In dieser Woche 131 Patientenkontakte und 10 Terminausfälle.


Depressiv? Dann sind Sie besser als Nicht-Depressive dazu fähig, unlösbare Aufgaben frühzeitig zu erkennen und schlauerweise die Finger davon zu lassen.


Das Arbeitsgericht hatte mich als Gutachter vorgeladen. Ich war pünktlich am Mittwoch um 14 Uhr in Düsseldorf. Vor dem Saal herrschte verdächtige Ruhe. Anruf bei der Geschäftsstelle: der Termin sei aufgehoben worden, ob ich denn die Mitteilung nicht erhalten hätte? Nein, hatte ich nicht. Die war dann nachmittags im Briefkasten, versandt am Dienstag.

Donnerstag will ich dem Arbeitsgericht ein Fax mit neuen Terminvorschlägen schicken: “Teilnehmer antwortet nicht (Teilnehmer hat aber signalisiert)”. Dann schicke ich es eben online: “Ihr Fax konnte nicht übertragen werden.” Dann schicke ich es eben als Mail: “Aus [verschiedenen Gründen] erfolgt eine Bearbeitung elektronischer Post nicht. Für das Arbeitsgericht Düsseldorf besteht die Möglichkeit der Übersendung im EGVP-Verfahren.” Den in der Antwortmail enthaltenen Link angeklickt: “Der angeforderte URL konnte auf dem Server nicht gefunden werden.” Seufz. Also ab die Post mit dem Brief…


Erfüllt “Islamophobie” die diagnostischen Kriterien für eine Angststörung?


Das Negieren von Ideen verstärkt sie nur. Kontext: [1].


Telepolis lese ich immer wieder gern. Aber leider, Herr Rötzer, gefällt mir Ihr Artikel “Ärzte lieben weiterhin die Liberalen” so gar nicht.

Erstens verwirren Sie mich mit Zahlen zum durchschnittlichen Bruttojahresgehalt von Ärzten (Ihre Ansage: 64.100 Euro), wobei sie sowohl aus einem Bericht des Ärztenachrichtendienstes (dort ist aber von 82.744 Euro bei angestellten Ärzten die Rede), andererseits aus dem Gehaltsreport 2016 der Online-Jobbörse Stepstone zitieren (wo auf Seite 58 ebenfalls 82.744 Euro als Durchschnittsgehalt genannt werden, nachdem auf Seite 6 zunächst von 79.538 Euro die Rede war). Können Sie mir das irgendwie erklären?

Zweitens vermischen Sie die vermeintliche Liebe der Ärzte zur FDP mit der Ablehnung der so genannten Bürgerversicherung, weil die das lukrative Geschäft mit den Privatkassen vermiesen würde. Herr Rötzer: es gibt zwar private Krankenversicherungen, aber keine Privatkassen – das Kassenprivileg ist den gesetzlichen Krankenkassen vorbehalten, die ihr Geschäft nach dem Umlageverfahren finanzieren. Angestellte Ärzte haben ohnehin nur wenig Berührungspunkte mit privaten Krankenversicherungen – dieses lukrative Geschäft nehmen ihnen die Krankenhausgesellschaften schon ab. Bei niedergelassenen (nicht: angestellten) Ärzten mag das anders sein, aber die FDP hat in der Vergangenheit schon oft genug gezeigt, dass sie in gesundheitspolitischen Fragen nicht als ernstzunehmender Gesprächspartner zu Verfügung steht (ja, ich hab sie mal gewählt, aber ich kann aus Fehlern lernen).

Drittens suggerieren Sie eine unheilvolle Nähe von Ärzten zur Ausländerfeindlichkeit der AfD (die in ihrem Wahlprogramm keine klare Linie zur Gesundheitspolitik erkennen lässt und allein dadurch für einen denkenden Arzt unwählbar wird). Ihre ohne Begründung geäußerte Assoziation ist nicht nachvollziehbar.


Absacker zum Wochenende: :Wumpscut: – Madman Szpital.