Heute war wieder eine da…….eine etwa 45-jährige Patientin, die wegen ihres 9-jährigen Sohnes kam.
“Herr Doktor, ich brauche ein Ergotherapierezept für den Maxi. Er ist jetzt doch schon neun Jahre alt und hält den Stift immer noch so verkrampft. Da schreibt er viel zu langsam. Wenn er dann nächstes Jahr aufs Gymnasium kommt und längere Aufsätze schreiben muss, dauert das viel zu lang. Da muss man unbedingt sofort etwas tun, hat die Ergotherapeutin gesagt. Das ist (sie schaut kurz auf ihren Merkzettel) eine graphomotorische Entwicklungsstörung.”
Nun bin ich ja erstens kein Kinderarzt, zweitens kenne ich mich deshalb mit Entwicklungsstörungen nicht so gut aus, drittens mag ich es gar nicht, wenn zuerst der Therapeut konsultiert wird, viertens ist das Kind nicht einmal dabei und fünftens denke ich grundsätzlich, dass jedes Kind verschieden ist und manche Dinge auch mal länger dauern können.
Also erkundige ich mich erstmal:”Was sagt denn der Kinderarzt dazu?”
“Der hat uns einfach kein Rezept ausgestellt, aber da wechseln wir auf alle Fälle. Trotzdem brauchen wir jetzt erstmal ganz schnell ein Rezept, damit nicht noch mehr Zeit verloren geht.”
“Ist er denn untersucht worden? Vielleicht gibt es noch andere Probleme. Ich kann jedenfalls auch kein Rezept ausstellen ohne , dass er von einem Spezialisten für Entwicklungsstörungen untersucht wurde.”
“Ja, aber ich kenne 1000 Kinder, die Ergotherapie bekommen.”sagt sie und rauscht aufgebracht von dannen.
Später kommt noch einmal eine Mutter, diesmal mit ihrem vierjährigen Sohn. “Der Florian spricht jetzt gar nicht mehr im Kindergarten. Die Logopädin hat gesagt, da muss man unbedingt etwas machen, sonst kein ein richtiges Stottern daraus werden. Da brauchen wir ein Rezept.”
“Ja, was sagt denn der Kinderarzt?” ” Der schreibt das nicht auf, weil er sagt, das gibt sich wieder bis er in die Schule kommt.”
Der Meinung kann ich mich nur anschließen und frage mich, wann wir in unserer Leistungsgesellschaft aufgehört haben, unsere Kinder vor allem erstmal Kinder sein zulassen.