Krankheit als Ware?

Krebs als Renditeobjekt? Über die Auswüchse des laufenden Umbaus unseres Gesundheitssystems in eine gewinnorientierte industrielle Massenabfertigung berichtet der Deutschlandfunk in einem interessanten Bericht.

Zitat daraus:

“In dem Augenblick, wo die Medizin dazu genutzt wird, um dieses Kapital zu vermehren und vor allen Dingen dann Einfluss auf die Medizin genommen wird, dann, glaube ich, verkaufen wir den Grundgedanken der Medizin.”

Aufhören damit!

Pünktlich zum bevorstehenden Ärztetag der Basis forderte AOK-Vorstand Deh gestern auf der KBV-Versorgungsmesse eine stärkere Ausrichtung der ambulanten Versorgung auf Ergebnisqualität. Dieses Ansinnen (und auch der unkritische Vorschlag, im Gesundheitswesen – in einem
Bereich ohne Markt – einen
künstlichen Wettbewerb zu inszenieren), wird am 20.4.2013 von mindestens einem der Referenten aufgegriffen und kritisiert werden.

Prof. Binswanger hat zu diesem Themenkomplex verschiedene Arbeiten veröffentlicht. Seinen Aussagen zufolge sollten sich Ärzte diesem staatlich inszenierten Unsinn nicht anpassen, da sie ansonsten ihre intrinsische Motivation verlieren.

Neue Formen der Korruptionsbekämpfung

Schon wieder werden niedergelassene Ärzte allgemein unter Korruptionverdacht gestellt. Eine AOK fordert mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften, und eine CDU-Justizministerin will das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient stärken, indem sie das Strafrecht verschärfen will. Sie begründet das damit, dass das Vertrauensverhältnis nur gewahrt bleiben könne, wenn sich der Patient hundertprozentig sicher sein könne, dass der Arzt ausschließlich im Interesse der Gesundheit des Patienten handele.

Damit spricht sie sich eigentlich gegen die seit langem bestehenden Einschränkungen der Therapiefreiheit durch Arznei- und Heilmittelregresse und durch vorgegebene “Regelleistungsvolumina” aus.

Ich finde, dass diese Vorschläge viel zu kurz greifen.

Jeder Arzt sollte aktiv nachweisen müssen, dass er nicht korrupt ist und sich beispielsweise nicht von Arznei- und Heilmittelbudgets oder von den RLV korrumpieren lässt.

Dieser Nachweis kann über mindestens drei erfolgreich gegen den Arzt verhängte Regresse in mindestens fünfstelliger Höhe, sowie durch mindestens einhundertfünfzigprozentige Sollübererfüllung in mindestens vier aufeinander folgenden Quartalen über das RLV hinaus erbracht werden.

Zusätzlich müssen Vertreterbesuche sorgfältig im Wortprotokoll dokumentiert werden; auch pivate Restaurantbesuche oder Reisen müssen mit entsprechenden Belegen und notariell beglaubigten Zeugenaussagen unbeteiligter Dritter legitimiert werden.

Erst dann kann man nur noch von einem dringenden Korruptionsverdacht, aber nicht mehr von erwiesener Korruption ausgehen.

Der MEDI-Verbund hat zu diesem Thema eine lesenswerte Stellungnahme veröffentlicht.

Ach ja: die Sache mit dem Glashaus und den Steinen… die CDU-Kollegin sollte sich primär mit den Aktivitäten ihrer Regierungsparteien befassen, die aktuell ganz neue Formen der Korruption entwickeln.

260 Euro für einen Hausbesuch

Die Jobcenter sollen jetzt verstärkt “Blaumacher enttarnen“, denn “trotz einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könnten im Einzelfall Zweifel an der Erkrankung bestehen”. Verdächtige werden zum medizinischen Dienst der Krankenkassen vorgeladen, und der soll entscheiden, ob jemand wirklich krank ist oder nur so tut.

Unabhängig davon, dass eine solche Misstrauenskultur speziell bei psychisch Kranken zu einer unnötigen Verschlimmerung der Symptomatik führen kann, und dass dieser planwirtschaftliche Kontrollzwang schon fast wahnhafte Züge annimmt, entstehen dadurch auch noch zusätzliche Kosten, die in einem unbekannten Verhältnis zu dem nicht näher bezifferten, finanziellen Schaden durch “Blaumachen” stehen. Nach meiner Einschätzung werden die Kosten des Verfahrens um ein Vielfaches höher sein, als der zu erwartende Nutzen (nicht nur wegen der zu erwartenden Sozialgerichtsverfahren, die sich mit der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens werden befassen müssen).

Nein, auch die Verfahrenskosten selbst sind erwartungsgemäß hoch. Da der MDK keine Unterorganisation der Arbeitsagentur, sondern der Krankenkassen ist, müssen den Kassen natürlich ihre Auslagen erstattet werden: für eine Entscheidung nach Aktenlage werden 130 €, mit Untersuchung 210 €, und für einen Hausbesuch sogar 260 € fällig.

Wenn man dem gegenüber stellt, dass die umfassende Behandlung eines psychisch kranken Menschen für volle drei Monate mit knapp 50 € abgehakt wird, und dass ein Hausbesuch mit 28 € schon mehr als die Hälfte davon verbraucht, dann bekommt man ein klares Gefühl für die Perversion dieses Systems Fehlallokation der Mittel: die Kontrollbürokratie macht sich selbst fett, während die richtige Arbeit mit richtigen Menschen misstrauisch abgewertet wird.

Krankenkassenrekorde

Die Krankenkassen haben aus den Beiträgen ihrer Mitglieder eine “Rekordreserve” in Höhe von mittlerweile 28 Milliarden (!) Euro zusammengetragen.

Sie kommen nun aber nicht auf die Idee, damit für eine angemessene Bezahlung der ambulanten medizinischen Versorgung zu sorgen. Nein, die Behandlung eines psychisch kranken Menschen beispielsweise ist ihnen (in Nordrhein) gerade mal 13,50 € im Monat wert.

Die Bonuszahlungen an ihre Vorstände scheinen ihnen wichtiger zu sein…

Aber: sie wollen Prämien an die Beitragszahler ausschütten. 700 Millionen € statt, wie 2012, nur 53 Millionen (dann bleiben immer noch über 27 Milliarden übrig).

Haben Sie denn wenigstens Ihre Prämie schon erhalten? Was haben Sie denn bekommen?

Pferdefleisch für den Bundestag

Es ist schon richtig: man sollte keine Lebensmittel wegwerfen. Der Berufspolitikervorschlag, die mit Pferdefleisch kontaminierten Lebensmittel von Bedürftigen entsorgen zu lassen, ist allerdings ein wenig – wie soll ich sagen – geschmacklos.

Dabei könnten diese Partypeople doch ganz einfach mit gutem Beispiel voran gehen: die Hälfte der ausgesonderten Produkte wird an unsere politische Elite im Bundestag verfüttert, und die andere Hälfte geht an die Tafeln. Damit bekäme der abgenutzte Begriff “Solidarität” einen ganz anderen Geschmack und würde tatsächlich gelebt, statt nur gepredigt.

Honorar im 3. Quartal 2012

Gegen die Abrechnung des 3. Quartals 2012 habe ich heute fristgerecht
Widerspruch bei der KVNo eingelegt. Der Widerspruch richtet sich
u.a. gegen die folgenden Abrechnungsdetails.

Ich habe insgesamt 652.375 Punkte abgerechnet. Die Gesamtübersicht
vor Prüfung weist aber nur 593.950 Punkte aus. Die Differenz ist nicht
plausibel.

Die Leistungen wurden in 18.633 Minuten erbracht. Das entspricht auf
der Basis von 0,8609 €/min einem kalkulatorischen Arztlohn von 16.041,15 €. Die Differenz zwischen kalkulatorischem Gesamthonorar und
kalkulatorischem Arztlohn, die den Kostenanteil der Praxis darstellt,
beträgt 13.959,86 €.

Meine Abrechnung ergibt aber nur einen Arztlohn von 21,39 € in der
Stunde oder 0,356 € in der Minute. Das sind lediglich 41% des oben
angeführten, angemessenen Arztlohns.