Bald rezeptfreies Abnehmen mit alli® in Europa


Die europäische Arzneimittelbehörde EMEA hat gestern dafür gesorgt, dass Sanofi-Aventis die Diätpille Acomplia® wegen ernsten Nebenwirkungen vom Markt nehmen muss. Dies hat beim Konkurrenten GlaxoSmithKline (GSK) sicherlich Begeisterung hervorgerufen. Denn gleichzeitig hat die EMEA empfohlen, den Wirkstoff Orlistat aus der Rezeptpflich pdf-Dateizu nehmen. GSK hatte die OTC-Vermarktungsrechte für das Arzneimittel zur Behandlung von Adipositas von Roche erworben, das unter dem Handelsnamen Xenical® als rezeptpflichtiges Medikament in den Apotheken erhältlich ist.

In den USA wird “alli®”, der Markenname des GSK-Medikaments mit der halben Dosierung von Xenical® seit Juni 2007 rezeptfrei verkauft.

GSK feiert dies als Meilenstein im Kampf gegen Übergewicht. Da Orlistat ein bekannter Wirkstoff ist und alli® seit über einem Jahr in den USA vermarktet wird, lohnt es sich, die Hoffnungen von GSK genauer zu betrachten.

Orlistat hemmt fettzerlegende Enzyme lokal im Magen-Darm-Trakt und hat keine bekannten systemischen Wirkungen. Die Hauptfunktion ist die Verringerung der Fettresorption aus der Nahrung, wodurch die Energieaufnahme (in Kalorien) verringert wird. Damit erklärt sich das grösste Problem von alli®. Nicht aufgenommes Fett wird es ausgeschieden. Leider oft in Form von öligen Stühlen. Wird die aufgenommene Fettmenge nicht reduziert, kommt es zu massivem Durchfall auf Grund der vermehrten Fettausscheidung. Nebenwirkungen sind Magenkrämpfe, Blähungen fettige (bis 31%) und flüssige Stühle (bis 13%), Defäkationsdrang (22%), Blähungen mit Stuhlabgang (24%) und Stuhlinkontinenz (8%). Die Prozentangeben beziehen sich auf die Xenical®-Zulassungsstudien. Die verringerte Orlistat-Dosis in alli® soll das Ausmass der Nebenwirkungen begrenzen. Manche Ärzte loben sogar den erzieherischen Effekt des Präparats.

Beim Marketing von alli® ist GSK offensiv herangegangen und hat diese Nebenwirkung einfach zum Behandlungseffekt erklärt. Selbst der, inzwischen abgesetzte, verantwortliche GSK Vize-Präsident für die Diätpille hatte seine persönliche Erfahrung damit gemacht.

‘ll never forget having a fish sandwich and loading it up with tartar sauce and having French fries,” Burton recalled. “I actually discharged some oil.” Luckily for Burton, what he refers to as his “classic oops” episode happened on a Saturday when he was doing errands, not during an important meeting. So he went home to change clothes.

Unerfreulich für ein Medikament, das als Lifestyle-Produkt vermarktet wird. Selbstkasteiung ist nicht gerade populär.

GSK setzte in den USA beim Marketing auf das Internet. Zum einen gibt es eine Produktseite: myalli.com, inkl. einer Social-Communty (myalliplan.com). Desweiteren Question Everything, eine eher virale Internetseite, mit allgemeinen Informationen über Ernährung und Gewichtsreduktion. Und ein blog durfte nicht fehlen. Alles um sich von obskuren Diätmittel-Angeboten im Netz abzugrenzen. GSK versuchte es aber noch mit einem neuen Marketing-Instrument: Ein 140-seitiges Buch, das in Apotheken und Verbrauchermärkten für $ 5 verkauft wird – Are You Losing It? Autoren sind US-Diät-Gurus bzw. eine TV-Köchin. Damit sollten die Verbaucher für das Thema sensibilisiert werden. Und wer keine 140 Seiten lesen kann, für den gab es natürlich Marketing-Aktivitäten in Kooperation Selbsthilfeorganisationen und Fachverbänden: Der Vereinigungen Shaping America’s Youth und North American Association of the Study of Obesity.

Das Ergebnis dieser Anstrengungen hat bisher GSK eher enttäuscht. Das Marktforschungsunternehmen IMS hat im ersten halben Jahr Umsätze von 121 Millionen Dollar ermittelt. GSK nannte für das erste Quartal 2008 rund 17 Millionen Dollar. Sicher auch, weil die Wirkung den Marketing-Aussagen nicht stand hält. In einer Meta-Analyse haben Wissenschaftler 30 randomisierte und plazebokontrollierte klinische Studien bewertet, in denen die Diätpillen über einen Zeitraum von einem Jahr und länger eingenommen wurden. Im Mittel brachten die Studienteilnehmer 100 kg auf die Waage und kämpften mit einem BMI von 35-36. In den Studien mit Orlistat konnten die Patienten im Vergleich mit Plazebo sich nur über eine Reduktion von durchschnittlich 2,9 kg freuen.

Spannend wird sein, wie die Entscheidung der EMEA von den ärztlichen Fachverbänden und den Verbraucherorganisationen aufgenommen wird. In einem Editorial des BMJ äussert Gareth Williams, Medizinprofessor an der Universität Bristol, Ende 2007 Bedenken gegen eine Therapie, die nicht durch Ärzte überwacht wird und die nicht auf eine Änderung des Lebensstils abzielt.

Possibly, few users will even finish their first pack of Alli, let alone buy a second, and the drug may cause only a small and transient downward blip in the otherwise inexorable climb in weight and cardiometabolic risk.

Selling anti-obesity drugs over the counter will perpetuate the myth that obesity can be fixed simply by popping a pill. The only real beneficiary will be GSK.

GSK will Transparenz bei Beratungshonoraren an Ärzte

Der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) will in den USA die Höhe seiner gezahlten Beratungshonorare an Ärzte veröffentlichen. Ausserdem soll es eine ausnahmslose Obergrenze geben. Bei 150000 Dollar pro Jahr ist Schluss.

Die Massnahmen von GSK beruhen nicht auf Einsicht, sondern sind die Reaktion auf die Ermittlungen des US-Senats zur Einflussnahme von Ärzten durch die Pharmaindustrie. Eli Lilly und Merck & Co, hatten bereits ähnliche freiwillige Schritte zur Transparenz angekündigt.

Wann endlich in Europa?

Traumberuf Medizinjournalist (VI)

Focus online bringt mal wieder sein Lieblingsthema “Abnehmen”. Neuer Wirkstoff hilft abnehmen. “… doppelt so effektiv wie die bereits zugelassenen Schlankpillen mit den Wirkstoffen Sibutramin oder Rimonabant”. Vor lauter Begeisterung kein Hinweis darauf, dass

  • es eine Phase II-Studie war und bis zur Zulassung noch ein langer Weg ist.
  • die Studie vom Hersteller “NeuroSearch” bezahlt worden ist.
  • die geringen Nebenwirkungen auch auf die Auswahl der Studienteilnehmer zurückzuführen sind (z.B. wurden Patienten mit psychischen Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes ausgeschlossen).
  • der Wirkungsmechanismus über den Noradrenalin-, Serotonin- und Dopamin-Haushalt kein Nebenwirkungsarmes Medikament erwarten lässt.
  • Sibutramin (Reductil®) in Deutschland aufgrund starker unerwünschter Nebenwirkungen als bedenklich im Sinne des Arzneimittelgesetzes eingestuft und nur in stark begrenzten Dosierungen als Arzneimittel zugelassen ist.
  • Rimonabant (Acomplia®) in den USA wegen des erhöhten Suizidrisikos nicht zugelassen ist.
  • in Europa die Zulassung von Rimonabant ohne eingehende Prüfung möglicher Risiken erfolgte und eine Warnung vor der Behandlung von depressiven Patienten ausgesprochen wurde und Patienten mit anderen unbehandelten psychiatrischen Erkrankungen die Einnahme nicht empfohlen wird.

Ein schönes Beispiel des Sensationsjournalismus bei Medizinthemen, der sachliche und vor allem fachlich korrekte Berichterstattung vermissen lässt. Unkritische Wissenschaftsgläubigkeit und grenzenlose Industriefreundlichkeit sind Paradedisziplinen der Branche.


Abstract der Veröffentlichung
Studie bei ClinicalTrials.gov

Yessss

Yessss. And you have to be up on not only current events, but you have to understand the foundation of the issues that you’re working on as a governor. I had to do the same thing as a mayor. So it is not just current events but it’s much more in-depth than that to understand how, in the case of me being governor, how did our state get to the position that we are in order for a decision to have to be made. You can’t just go on what is presented you. You have to know the background, you have to know the players involved before you make a policy call. So, um, it’s uh, it’s a good job, it’s a tough job and it’s a very, very serious job.

Sarah Palin auf die Frage “Do you think you’re intellectual? in einem Interview mit dem US-Magazin “People”.

Von Böcken und Gärtnern

Der österreichische Werberat (ÖWR) hat in einem dreistufigen Wahlverfahren die Mitglieder des “Werberats NEU” wählen lassen, die “gemeinsam in den kommenden drei Jahren die Selbstregulierung in Österreich prägen sollen”.

Das e-comm-Blog hat sich die Liste der 90 (!) weisen Damen und Herren angesehen, die “Fehlentwicklungen und Missbräuche korrigieren” und damit das “verantwortungsbewusste Handeln der Werbewirtschaft und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit fördern” sollen. Darunter bekannte Gesichter:
Und dann sind da noch zwei weitere Vertreter “übergreifender Organisationen”(!) angeführt: einmal “Partner für Werbung” Walter Holiczki (bekannt auch als Produzent der “gesunden halben Stunde” auf TW1) sowie schließlich Prof. Hademar Bankhofer höchstselbst.

Champix® weiter nebenwirkungsreichstes Medikament…

Im ersten Quartal 2008 wurden in den USA 1001 ernste Zwischenfälle im Zusammenhang mit der Einnahme der Raucherentwöhnungspille Champix® (in den USA Chantix®) gemeldet. Das ergab eine Auswertung des Institute for Safe Medication Practices auf Basis der Daten der Arzneimittelbehörde FDA. Damit ist Champix® weiterhin das Medikament mit den meisten Meldungen, wie schon 2007.

Pfizer weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass diese Meldungen oft nicht verifiziert seien und ausreichende medizinische Informationen fehlten, um daraus Schlüsse zu ziehen.

Die Ärzte und Patienten in den USA ziehen ihre eigenen Konsequenzen: Im dritten Quartal ging der Umsatz mit dem Medikament um 49% gegenüber dem Vorjahr zurück, auf 96 Millionen Dollar von noch 186 Millionen Dollar zwischen Juli und September 2007.

Mangelhafte Beratung in Österreichs Apotheken

In Österreich sind die Apotheken auf ihre fachliche Beratung stolz und versuchen alle Änderungen im Apothekenwesen mit diesem Argument abzuwehren. Erfolgreicher als ihre deutschen Kollegen. Versandapotheken gibt es gar nicht und Filialapotheken sind nur sehr beschränkt möglich.

Dass es mit der viel gerühmten Beratung nicht weit her ist, hat das Magazin “Konsument” in der aktuellen Ausgabe gezeigt.

“Statt fachkundig zu beraten, greifen die Apotheker lieber schnell in die Medikamenten-Lade”, kritisiert “Konsument”-Gesundheitsexpertin Bärbel Klepp.

Ähnliche schlechte Bewertungen der Qualität von Beratungen in Apotheken kennt man von Deutschland.

Stellenkürzungen bei Merck & Co.

Merck & Co. (in Deutschland MSD Sharp & Dohme) hat heute weitere Stellenstreichungen verkündet. Nachdem gerade erst über 10000 Jobs eingespart worden sind, sollen nochmals 7200 Stellen, mehr als 10% der Mitarbeiter, reduziert werden. Betroffen sind 6800 Mitarbeiter (+ 400 Vakanzen, die nicht besetzt werden). 60% davon ausserhalb der USA. 25% der Managements auf Senior and Mid-Level sollen eingespart werden.

Damit würde Merck & Co, zwischen 2005 and 2011 rund 25% der Belegschaft verlieren.

Ähnliche Restrukturierungsprogramm laufen bei fast allen grossen Pharmakonzernen. “The industry is in trouble” hört man allerorts. Es bieten sich Vergleiche zur Bankenkrise an. Auch bei der Pharmaindustrie war schon seit einigen Jahren klar, dass das Businessmodell gegen die Wand fährt und die Unternehmen eine unglaubliche Bürokratie mit sich schleppen.