Journalismus auf Österreichisch – eine Fallstudie

Am 19.1.2009 verbreitete die umtriebige Wiener Werbe- und PR-Agentur “Welldone”, deren Wirken schon mehrfach hier im Blog thematisiert wurde, im Auftrag von AstraZeneca die Einladung zu einer Pressekonferenz. Vorgestellt werden sollte die neue Kampagne “Liebe Dein Leben” – Eine Initiative von AstraZeneca zum Thema Cholesterinsenkung.

Hintergrund der Kampagne ist, dass AstraZeneca die Verschreibungszahlen seines hochpreisigen Cholesterinsenkers Crestor® (Rosuvastatin) in Österreich steigern möchte. AstraZeneca vermarktet das Medikament mit der Hinweis auf die angeblich stärkere Beeinflussung des Surrogatparameters “LDL-Spiegel”. Harte klinische Endpunktstudien, die einen Vorteil gegenüber Simvastatin belegen würden, kann AstraZeneca auch Jahre nach der Markteinführung von Crestor® in den USA, in Österreich und in vielen anderen Ländern noch nicht vorlegen. (In Deutschland ist Crestor®, anders als in Österreich, erst im Januar dieses Jahres auf den Markt gekommen.)

In der Einladung angekündigt wurde das übliche Aufgebot von Professoren und Funktionären, das man auf solchen Anlässen zu treffen gewohnt ist. Überraschend für Kenner der Szene vielleicht nur, dass das Wiener “Institut für Sozialmedizin” im angekündigten Panel nicht vertreten war.


Bild: pressefotos.at/Thomas Preiss

Am Vormittag der großen Pressekonferenz drängen sich rund zwei Dutzend alpenländische Journalistendarsteller mitsamt Fernsehkamera und Radiomikrophon vor den vor selbstloser Sorge um den Cholesterinspiegel ihrer Mitmenschen zerfurchten Expertengesichtern. Die kurze Sorge um die Freundschaft zwischen Welldone und dem “Institut für Sozialmedizin” war natürlich unberechtigt; von dort hat Prof. Anita Rieder den Weg zur Pressekonferenz gefunden.


Bild: pressefotos.at/Thomas Preiss

Gleich nach dem Experten-Gruppenbild mit Dame ist für die Schreiberlinge der gemütliche Teil vorbei. Jetzt muss der von Welldone/AstraZeneca vorgelegte Text rechtzeitig zum Redaktionsschluss in redaktionelle Artikel umgearbeitet werden.


Bild: pressefotos.at/Thomas Preiss

Vier der resultierenden Artikel finden sich online: ORF,
Wiener Zeitung, der Standard und BKF Das Burgenland Fernsehen.

Interessant sind die Angaben der Quellen bzw. Autoren. Der ORF nennt überhaupt keinen Autor. Dafür belässt es der unbekannte Verfasser nicht wie die anderen bei der Wiedergabe des Inhalts der Pressemeldung, sondern zeigt sich besonders eifrig. Wo die anderen Autoren nur pflichtschuldig auf die jährlich 32.000 Herz-Kreislauf-Todesfälle in Österreich hinweisen, die in der Pressemeldung genannt werden, hat der ORF sogar eine “steigende Tendenz” ausgemacht. Das Gegenteil ist der Fall, die Zahlen sind auch in Österreich seit Jahrzehnten stark rückläufig.

Die Wiener Zeitung gibt schüchtern das Kürzel (a.g.) an, möglicherweise Alexandra Grass, deren journalistische Leistungen die Agentur Welldone in ihrer Hauspostille schon in einem lobenden Artikel hervorgehoben hat. Der Standard nennt als Quelle “(APA/red)”, was als Hinweis darauf zu lesen sein könnte, dass die AstraZeneca/Welldone-Pressemeldung, die die Grundlage für den Artikel darstellt, auf dem PR-Portal der Agentur APA publiziert wurde (“Die APA-OTS Originaltext-Service GmbH ist ein Unternehmen der APA – Austria Presse Agentur Gruppe. APA-OTS verbreitet Presseaussendungen im Originalwortlaut unter inhaltlicher Verantwortung des Aussenders.”). Der mit dem Standard-Artikel dem Anschein nach identische Artikel des BKF-Fernsehens dagegen trägt selbstbewusst die Autorenangabe “(Redaktion)”.

In keinem der Artikel findet die Tatsache Erwähnung, dass die vorgestellte Initiative vom Pharmakonzern AstraZeneca ins Leben gerufen wurde und warum. Laut ORF war die Gründung offenbar ein inneres Bedürfnis der Ärzteschaft:

Deshalb haben die Ärzte jetzt die Initiative “Liebe dein Leben. Achte auf dein Risiko. Denk an LDL!” ins Leben gerufen.

Alle Artikel bringen dennoch erstaunlich präzise das Anliegen von AstraZeneca auf den Punkt: Ärzte sollen mehr teure, “stark wirksame” Statine verschreiben, welche dann auch bitteschön ohne Probleme von den Kassen erstattet werden sollen, damit mehr Menschen die “LDL-Zielwerte” erreichen.

Well done.

Journalismus auf Österreichisch – eine Fallstudie…

Am 19.1.2009 verbreitete die umtriebige Wiener Werbe- und PR-Agentur “Welldone”, deren Wirken schon mehrfach hier im Blog thematisiert wurde, im Auftrag von AstraZeneca die Einladung zu einer Pressekonferenz. Vorgestellt werden sollte die neue Kampagne “Liebe Dein Leben” – Eine Initiative von AstraZeneca zum Thema Cholesterinsenkung.

Hintergrund der Kampagne ist, dass AstraZeneca die Verschreibungszahlen seines hochpreisigen Cholesterinsenkers Crestor® (Rosuvastatin) in Österreich steigern möchte. AstraZeneca vermarktet das Medikament mit der Hinweis auf die angeblich stärkere Beeinflussung des Surrogatparameters “LDL-Spiegel”. Harte klinische Endpunktstudien, die einen Vorteil gegenüber Simvastatin belegen würden, kann AstraZeneca auch Jahre nach der Markteinführung von Crestor® in den USA, in Österreich und in vielen anderen Ländern noch nicht vorlegen. (In Deutschland ist Crestor®, anders als in Österreich, erst im Januar dieses Jahres auf den Markt gekommen.)

In der Einladung angekündigt wurde das übliche Aufgebot von Professoren und Funktionären, das man auf solchen Anlässen zu treffen gewohnt ist. Überraschend für Kenner der Szene vielleicht nur, dass das Wiener “Institut für Sozialmedizin” im angekündigten Panel nicht vertreten war.


Bild: pressefotos.at/Thomas Preiss

Am Vormittag der großen Pressekonferenz drängen sich rund zwei Dutzend alpenländische Journalistendarsteller mitsamt Fernsehkamera und Radiomikrophon vor den vor selbstloser Sorge um den Cholesterinspiegel ihrer Mitmenschen zerfurchten Expertengesichtern. Die kurze Sorge um die Freundschaft zwischen Welldone und dem “Institut für Sozialmedizin” war natürlich unberechtigt; von dort hat Prof. Anita Rieder den Weg zur Pressekonferenz gefunden.


Bild: pressefotos.at/Thomas Preiss

Gleich nach dem Experten-Gruppenbild mit Dame ist für die Schreiberlinge der gemütliche Teil vorbei. Jetzt muss der von Welldone/AstraZeneca vorgelegte Text rechtzeitig zum Redaktionsschluss in redaktionelle Artikel umgearbeitet werden.


Bild: pressefotos.at/Thomas Preiss

Vier der resultierenden Artikel finden sich online: ORF,
Wiener Zeitung, der Standard und BKF Das Burgenland Fernsehen.

Interessant sind die Angaben der Quellen bzw. Autoren. Der ORF nennt überhaupt keinen Autor. Dafür belässt es der unbekannte Verfasser nicht wie die anderen bei der Wiedergabe des Inhalts der Pressemeldung, sondern zeigt sich besonders eifrig. Wo die anderen Autoren nur pflichtschuldig auf die jährlich 32.000 Herz-Kreislauf-Todesfälle in Österreich hinweisen, die in der Pressemeldung genannt werden, hat der ORF sogar eine “steigende Tendenz” ausgemacht. Das Gegenteil ist der Fall, die Zahlen sind auch in Österreich seit Jahrzehnten stark rückläufig.

Die Wiener Zeitung gibt schüchtern das Kürzel (a.g.) an, möglicherweise Alexandra Grass, deren journalistische Leistungen die Agentur Welldone in ihrer Hauspostille schon in einem lobenden Artikel hervorgehoben hat. Der Standard nennt als Quelle “(APA/red)”, was als Hinweis darauf zu lesen sein könnte, dass die AstraZeneca/Welldone-Pressemeldung, die die Grundlage für den Artikel darstellt, auf dem PR-Portal der Agentur APA publiziert wurde (“Die APA-OTS Originaltext-Service GmbH ist ein Unternehmen der APA – Austria Presse Agentur Gruppe. APA-OTS verbreitet Presseaussendungen im Originalwortlaut unter inhaltlicher Verantwortung des Aussenders.”). Der mit dem Standard-Artikel dem Anschein nach identische Artikel des BKF-Fernsehens dagegen trägt selbstbewusst die Autorenangabe “(Redaktion)”.

In keinem der Artikel findet die Tatsache Erwähnung, dass die vorgestellte Initiative vom Pharmakonzern AstraZeneca ins Leben gerufen wurde und warum. Laut ORF war die Gründung offenbar ein inneres Bedürfnis der Ärzteschaft:

Deshalb haben die Ärzte jetzt die Initiative “Liebe dein Leben. Achte auf dein Risiko. Denk an LDL!” ins Leben gerufen.

Alle Artikel bringen dennoch erstaunlich präzise das Anliegen von AstraZeneca auf den Punkt: Ärzte sollen mehr teure, “stark wirksame” Statine verschreiben, welche dann auch bitteschön ohne Probleme von den Kassen erstattet werden sollen, damit mehr Menschen die “LDL-Zielwerte” erreichen.

Well done.

Update 11.2.:

Der schon am Tag der Pressekonferenz besonders eifrige ORF setzt die Kampagne fort und fabuliert erneut von einer steigenden Tendenz bei den Herz-Kreislauf-Todesfällen. Die Überschrift “Unsichtbare Gefahr Cholesterin” stimmt fast wörtlich mit der Überschrift der Welldone/Astrazeneca-Pressemeldung überein (“Cholesterin: Die unsichtbare Gefahr”).

Daschle gibt auf

Tom Daschle verzichtet auf die Kandidatur für das Amt des US-Gesundheitsministers. Der frühere Senator war wegen seiner Lobby-Arbeit und einer Steueraffäre in die Kritik geraten.

Die Reform des US-Gesundheitswesens ist eine zentrale Aufgabe für Barack Obama. Daschle wollte eine verpflichtende Krankenversicherung für alle US-Bürger und sein Plan sah vor, ein “Federal Health Board”, ähnlich des “Federal Reserve Board” , das die Notenbankpolitik bestimmt, einzusetzen. Die Experten dieser von der Politik getrennten Institution sollten die Regierung beraten und die Entscheidungen für die staatlichen Gesundheitsprogramme beschliessen.

Der Rückzug von Daschle ist ein harter Schlag für Obama, der den Schwung der ersten Wochen in der Gesundheitspolitik bremsen wird. Ersatz wird nicht so leicht zu finden sein. Von der fachlichen Erfahrung und von Obamas Anspruch, Lobbyisten aus Regierungsverantwortung fernzuhalten. Eine weitere Diskussion um die Interessenskonflikte des neuen Kandidaten wird er sich nicht leisten können.

Lobbyisten-Scharmützel

Auf den allerletzten Drücker hat das Europäische Parlament eine Konferenz verboten, auf der sich Betroffene und Wissenschaftler kritisch mit dem Rauchverbot auseinandersetzen, berichtet die TAZ. Wäre keine Meldung wert, wenn nicht gerade die Antiraucherorganisation “Smoke Free Partnership” massiv auf eine Absage gedrängt hätte.

Smoke Free Partnership lässt sich u.a. von Novartis und Pfizer pdf-DateiWorkshops bezahlen. Pfizer hat die Raucherentwöhnungspille Champix® (in den USA Chantix®) im Angebot, Novartis die Nikotinersatztherapie Nicotinell®.

Möglicherweise hat Smoke Free Partnership sich nur um den Spass der Teilnehmer gesorgt, denn wie Novartis im letzten Jahr in einer Umfrage feststellte: Rauchen schadet der Geselligkeit – jedoch nur wenn Raucher draussen bleiben müssen.

Kritik an Wyeth-Übernahme

Erste Rausch nach der Ankündigung von Pfizers Mega-Übernahme ist verfolgen, nun werden bei den Analysten und Experten kritische Stimmen laut.

Politik und Öffentlichkeit stossen sich daran, dass die Kredite für den Deal von Banken kommen, die vor kurzem noch mit Steuergeldern vor dem Konkurs gerettet worden waren. Keine Investition, die Arbeitsplätze für die gebeutelte US-Wirtschaft verspricht oder sichert.

Dies auch, weil bezweifelt wird, ob Pfizer damit auf den Wachstumspfad zurückkehrt.

The purchase “is not transformational for the company — it doesn’t restore PFE to a growth path & doesn’t provide it with a robust enough R&D engine (which is what PFE needs the most).”

* Roopesh Patel of UBS.

This may not be the best strategic move for Pfizer. They’ve had a long string of acquisitions and they haven’t been able to succeed.

* Edward Hughes, Professor of pharmaceutical business at Northwestern’s Kellogg School of Management.

Das WSJ berichtet, dass Pfizer für die Milliarden den Banken 8% Zinsen schulden wird. Kein Wunder, dass erwartet wird, dass Pfizer die Kostenaxt ansetzt.

This deal doesn’t bring Pfizer the cure for Lipitor” revenue losses, but it brings short- and long-term cost savings.

* Erik Gordon, biomedical analyst and professor at University of Michigan’s Ross School of Business.

In a Jan. 23 note, Goldman Sachs analyst Jami Rubin wrote that the Pfizer-Wyeth deal would make sense only if it were accompanied by “a rigorous rationalization of resources and costs…”

Noch ist das Geschäft nicht im Kasten. Die hohe Kompensation von 4,5 Milliarden Dollar, die Pfizer den Banken zahlen muss, wenn die Übernahme platzt, spricht dafür, dass die Beteiligten unsicher sind. Der Credit default swaps Markt gibt der Fusion eine 50:50-Chance.


… und in Münster sorgen sich die Mitarbeiter.

PR-Forschung

Das Deutsche Ärzteblatt berichtet von einer Studie, in der Verbraucher ihre Skepsis über neue Vertriebswege für Arzneimittel zum Ausdruck brachten.

Bedenken hätten die Befragten auch gegenüber sogenannter Pick-up-Stationen geäußert, bei denen die Medikamente beispielsweise in Drogerien abgeholt werden können. Dieser Form des Versandhandels sprachen die Verbraucher Seriosität, laut IfH Sicherheit und Vertraulichkeit ab.

Im Gegensatz zu dem Untersuchungsgegenstand verströmt das “Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln” Seriösität. “Befragte” hört sich nach repräsentativer Umfrage an und das Ergebnis ist nachvollziehbar.

Die Realität sieht so aus: Es war keine repräsentative Studie, sondern Diskussionsrunden, in der Marktforschung Focus Groups genannt. Anzahl und Zusammensetzung bleiben im Dunkeln. Aus wissenschaftlichem Interesse hat sich das Institut auch nicht des Themas angenommen. Zu den Kunden, die auf der Internseite genannt werden, gehört der Apothekerverband Nordrhein und zuletzt hatte das IfH für den Bundesverband des pharmazeutischen Grosshandels (Phagro) Auftragsforschung betrieben.