Faszinierende Einblicke in den medizinischen Wissenschaftsbetrieb eröffnet ein aktueller Disput zwischen den Herausgebern des renommierten Journal of the American Medical Association (JAMA) und dem Medizinprofessor Jonathan Leo, tätig an einer wenig prestigeträchtigen kleinen Universität in der amerikanischen Provinz.
Jonathan Leo hatte das JAMA bereits vor fünf Monaten darauf aufmerksam gemacht, dass Robert Robinson als Erstautor einer Studie über das Antidepressivum Lexapro® des Pharmakonzerns Forest Laboratories (in Deutschland von Lundbeck vermarktet als Cipralex®) versäumt hatte, seine finanziellen Verbindungen zu dem Hersteller des Medikaments offenzulegen. Weiterhin hatte Robinson vergessen, in seinem Artikel darauf hinzuweisen, dass die medikamentöse Therapie in der Studie im direkten Vergleich nicht besser abgeschnitten hatte, als die Verhaltenstherapie. Nachdem eine Reaktion zunächst monatelang unterblieb, veröffentlichte Leo vor einigen Tagen auf der Web-Site des ebenso renommierten British Medical Journal (BMJ) einen ausgesprochen lesenswerten Brief, in dem er u.a. Robinsons medikamentenfreundliche Interpretation seiner Studie in Frage stellte und darauf hinwies, dass dieser entgegen den Richtlinien des JAMA seine finanziellen Beziehungen mit Forest Laboratories nicht angegeben hatte. Leo führte in seinem Brief den Fall als Beispiel für die generell nachlassende Glaubwürdigkeit von medizinischen Publikationen an.
Kurz darauf erreichte Leo ein Anruf des stellvertretenden Chefherausgebers des JAMA, Phil Fontanarosa. An diesen erinnert sich Leo folgendermaßen:
“He said, ‘Who do you think you are,’ ” says Leo. “He then said, ‘You are banned from JAMA for life. You will be sorry. Your school will be sorry. Your students will be sorry.”
Anschließend telefonierte JAMA-Chefherausgeberin Catherine DeAngelis mit Leos Vorgesetzten und versuchte so, diesen zur Rücknahme seines Briefes zu bewegen. Auf direkte Nachfrage von Leo zeigte sie sich höchst verärgert, konnte aber keinen konkreten Punkt in seiner Veröffentlichung nennen, an dem sie sich stören würde.
Gegenüber dem WSJ Health Blog zeigte sie sich dünnhäutig:
“This guy is a nobody and a nothing” she said of Leo. “He is trying to make a name for himself. Please call me about something important.” She added that Leo “should be spending time with his students instead of doing this.”
When asked if she called his superiors and what she said to them, DeAngelis said “it is none of your business.”
In der Sache lag der “Nobody” und “Nothing” richtig. Robinson räumt inzwischen zerknirscht verschiedene finanzielle Beziehungen zum Hersteller des von ihm untersuchten Medikaments ein und beruft sich auf Erinnerungslücken.