und dann noch … winnenden III

wenn sich keine entscheidenden neuen aspekte ergeben, mein letzter beitrag zum thema amoklauf in winnenden:

mit graus habe ich gestern mal wieder eine der zahlreichen reporter gesehen, die vor dem bekannten spot vor der realschule stehen und über die neuesten erkenntnisse berichten. und, oh graus, im hintergrund nicht nur eltern mit ihren kindern mit blumengaben und betroffenen blicken, sondern auch zwei oder drei pfeifen – allesamt männer mittleren alters – die gaffend in die kamera blicken, zweie nicht müde, mit der kamera alles festzuhalten, und einer sogar kurz winkend.

so – und genau das ist das problem nach drei oder vier tagen – vor allem am wochenende danach (ute hat es in den kommentaren zu meinem letzten eintrag schon angedeutet): das alles verkommt zum medien-hype, schon gibt es die gaffer, die auch an den autobahnen halten, um blut und zerquetschtes blech zu sehen und zu fotografieren – sensationstourismus. keine übertreibung: gehen wir heute ins schwimmbad oder spielen wir playstation oder fahren wir nach winnenden.

oh graus.

Traumberuf Medizinjournalist (XI)

Hademar Bankhofer wird demnächst andere Medizinjournalisten an seinem Wissen als medizinischer Kommunikationsexperte teilhaben lassen.

Das neue Internationale Bankhofer-Zentrum Bad Füssing soll zu einer Plattform des Informationsaustausches zwischen Experten und medizinischen Laien werden. Die in das Zentrum integrierte Akademie für medizinische Kommunikation sieht ihr Ziel unter anderem in der Fortbildung von Medizinjournalisten.
[…]
Fortbildungsveranstaltungen insbesondere in Richtung medizinische Publizistik sollen überdies zur Verbesserung der Qualität medizinischer Berichterstattung in den Medien beitragen.

Zum Scheißen ins Krankenhaus

…und da wir gerade bei deftigen Medizinersprüchen sind, folgt hier noch ein Beitrag zum Thema:
Es war einmal vor noch gar nicht allzulanger Zeit, als Medizynicus noch ganz grün hinter den Ohren war, da brachten die freundlichen Sanis eine junge Dame in die Notaufnahme. Diagnose: “Unklares Abdomen”. Oder: Bauchschmerzen und keiner weiß warum.
Na gut, sie war… sehr adipös. Vielleicht Anfang Dreißig und hatte sechs Kinder. “Und ich möchte noch mehr!” Der Ehemann war…

Gesundheitsstadt Hannover

(HANNOVER) Die niedersächsische Landeshauptstadt mausert sich zur Gesundheitsstadt: das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen hat im Auftrag der Zeitschrift Die Gesundheitswirtschaft die 100 größten Arbeitgeber in der Gesundheitsbranche ermittelt. Gleich vier Unternehmen aus Hannover sind in diesem Ranking  vertreten. Zusammen kommen diese Unternehmen auf 21.596 Mitarbeitende. Das entspricht etwa 6% aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse […]

Was hat der Schmied in meinem Büro zu suchen?

Wenn man täglich mehrere Stunden vor dem PC sitzt, schleichen sich langsam aber sicher gesundheitsschädigende Verhaltensmuster ein – so zumindest die weit verbreitete Meinung.
Doch zu guter letzt ist jeder seines eigenen Glückes Schmied und kann durch kleine Veränderungen einen bedeutenden Beitrag zu seiner Gesundheit im Büro beitragen.

Regelmäßiges Aufstehen, genügend Flüssigkeit und korrekte Bildschirmeinstellungen (mind. 75 […]

Der gemeine Rettungsdienstler

Auf besonderen Wunsch von masked, der ja bekanntlich beim Medizin Quiz 2008 den ersten Platz belegte, habe ich nun einen Artikel über den gemeinen Blaulicht-Kompetenzler auf der Strasse verfasst. Hoffentlich kann ich damit einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung über die Eigenschaften und (Un)arten dieses interessanten Lebewesens leisten.

Gattung: Rettungsassistenten, Rettungssanitäter und Rettungshelfer sind Arten der Gattung […]

Das Pharmakartell – ein Nachtrag

Am Dienstag hat das ZDF das “Pharmakartell” präsentiert. Vorab: Die Dokumentation war eindrucksvoll. Inhaltlich konnte die Reportage Schwächen nicht verbergen. Das fängt bei dem Titel “Kartell” an. Ein Begriff, der Verbindungen mit gleicher Zielsetzung beschreibt. Was der Komplexität der Pharmaindustrie nicht gerecht wird.

Die Redaktion hatte merklich Schwierigkeiten angemessene Gesprächspartner vor die Kamera zu bekommen. Hier im Blog hatte eine Autorin es auch probiert – ohne Erfolg. So konnte man die bekannten Experten bewundern, die immer im TV auftreten, wenn es kritisch um die Pharmaindustrie geht, was die Expertise nicht schmälert. Der ehemalige Lilly-Manager ist auch nicht erstmals vor die Kamera getreten. Bei Youtube ist er seit Januar 2007 vertreten und kündigt sein Buch an.

Die betroffenen Unternehmen und Einrichtungen antworteten auf die Dokumentation mit Richtigstellungen.

Strattera
Zweifel sind bei der Geschichte mit dem ADHS-Medikament Strattera des Unternehmens Lilly aufgekommen. Bei näherer Betrachtung reduzieren sich die vier Todesfälle auf einen Bericht über einen vollzogenen Suizid. Dieser Fallbericht stellt das BfArM folgendermassen vor:

Ein 16jähriger Patient wurde wegen ADHD von September – Oktober 2005 mit Strattera behandelt. Bei diesem Patienten bestanden weitere psychische Erkrankungen, weswegen er stationär behandelt wurde. Nach Absetzen der Therapie und etwa eine Woche nach Entlassung aus der Krankenhausbehandlung verstarb der Patient durch Suizid (Fall-Nummer 05018404).

Ein weiterer dem BfArM berichteter Fall bezieht sich auf ein 3-jähriges Mädchen aus den USA, das nach unbestätigten Angaben nach Einnahme von Strattera verstarb. Der Fall wurde von einem Arzt berichtet, der seinerseits von Kollegen von diesem Fall gehört hatte. Es liegen keine weiteren Informationen zu diesem Fall vor (Fall-Nummer 07061104).

Lilly verweist in einer Pressemitteilung darauf, dass bereits im Rote-Hand-Brief zu Strattera aus dem Jahre 2005 auf das Thema Suizidalität hingewiesen und einen entsprechenden Warnhinweis in die Fach- und die Gebrauchsinformation aufgenommen worden seien.

Eine im Filmbeitrag verwendete Aussage des Patientenbeauftragten im Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bezeichnete das Unternehmen als “grob unwissenschaftlich und zudem unverantwortlich”, da dort eine Nutzen-Risiko-Bewertung ohne Kenntnis von Einzelfällen vorgenommen worden sei.

Auch die in der Sendung gezeigte Selbsthilfegruppe ADHS-Deutschland distanziert sich von der Darstellung. Die 6.500 Euro zweckgebunde Spenden des Pharmakonzerns Lilly, mit der die Abhängigkeit des Verbandes belegt werden sollte, würden nur einen Bruchteil des Etats von ADHS-Deutschland ausmachen. Die Beziehungen zwischen Pharmaindustrie und Selbsthilfe sind kritikwürdig, nur hat die Redaktion sich wie es aussieht hier einen Verband gesucht, der in Sachen Transparenz eher vorbildlich ist. Ein weiteres Indiz, dass das Vorgehen des ZDF nicht ganz sauber war, findet man in einem ADHS-Forum. Dort schildert der Gesprächspartner in der Beratungsstelle den Undercover-Besuch.

Bei mir war vor ca. 4 Wochen ein älterer Herr “Lange” zu einem Beratungsgespräch wegen seiner 17jährigen Tochter. Er kam sehr schnell auf eine mögliche Medikation zu sprechen und fragte mich detailiert zu mir bekannten Nebenwirkungen von Strattera aus. Auch wollte er plötzlich wissen, ob Lilly schon an mich herangetreten sei wegen einer möglichen finanziellen Unterstützung. Ich verwies auf die mir bekannten Suizidfälle (“Finden Sie denn 2 Fälle bei einer so großen Testgruppe so schlimm?” meinte er) und auf in unserer Gruppe aufgetretene Probleme hin und meinte dann noch, dass wir uns grundsätzlich selbst finanzierten und ganz bestimmt kein Geld von irgendeinem Pharmaunternehmen annehmen würden.

Wenn das den Tatsachen entspricht, wäre dies kein sauberes journalistisches Vorgehen.

Fluoxetin
Zu den geschilderten Unregelmässigkeiten bei der Zulassung von Fluoxetin (“Prozac”) und die Todesfälle bei der Behandlung mit dem Antidepressiva hat das BfArM sein Schreiben an die Frontal21-Redaktion ins Internet pdf-Dateigestellt. Dem kann man entnehmen, dass die Autoren des ZDF-Beitrags eher tendenziös mit den Informationen umgegangen sind.

Redaktionelle Werbung
Am überzeugensten war aus meiner Sicht der Teil, in dem die Redakteure vorgaben, ein Pharmaunternehmen zu haben und eine Werbekampagne für das neue Antidpressivum des fiktiven Unternehmens – Volazin – zu planen.

Natürlich hat dies speziell beim Verlag “Wort & Bild”, der die Apothekenumschau verantwortet, zu Widerspruch geführt. Beispielsweise würde in dem Artikel, der in dem “Frontal 21”-Beitrag in die Kamera gehalten wird, explizit darauf hingewiesen, dass die neuartigen Antidepressionsmedikamente “keine Wundermittel”(Zitat) sind. Mögliche Nebenwirkungen (“Vermehrte Unruhe, Angst und gesteigerte Aggressivität”) würden genannt und abschliessend auch auf die Gefahr eines möglichen Suizidversuchs hingewiesen.

Was bleibt? Eine wichtige Dokumentation, die jedoch durch allzu forsches und auf Skandal bedachtes Vorgehen sich selber zum Teil diskreditiert hat.


Update

Die Redaktion von Frontal21 nimmt Stellung zu den Vorwürfen, das ZDF “inszeniere” die Aufregung um ein ADS-Medikament.

Prof. Peter Schönhöfer stellt aus seiner Sicht die Lilly-Pressemitteilung richtig.