Die Protokolle der Weisen von Zion im baden-württembergischen Landtag

Als ich vor zwei Jahren aus den Reihen der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft um einen Beitrag zu einer “Zusammenstellung der Hauptwerke der Unfreiheit” gebeten wurde, stand meine Wahl schnell fest: Die gefälschten “Protokolle der Weisen von Zion” hielt und halte ich für eine der verhängnisvollsten Schriften der Weltgeschichte, die alte und neue Verschwörungsmythen zu einem umfassenden Verschwörungsglauben verbanden. So trugen sie direkt zu Hass und Verleumdungen und schließlich zu Gewalt und Schoah bei, indirekt aber auch zu einer generellen Schwächung von Liberalismus und Demokratie. Denn wer an eine weltweite Superverschwörung glaubt, wird die Ideen von Freiheitsrechten, vernünftigen Diskursen und Gewaltenteilung als naiv oder sogar selbst verschwörerisch zurückweisen. Viele Liberale und Libertäre haben es noch immer nicht verstanden: Man kann nicht gleichzeitig freiheitlich und verschwörungsgläubig sein! Der sich ausbreitende Rechtspopulismus von Trump über Le Pen bis zum schnell erstarkenden, rechten AfD-Flügel ist zutiefst freiheitsfeindlich. Das fazbuch “Verlockungen zur Unfreiheit”, herausgegeben 2015 von Karen Horn. Mein darin enthaltener Beitrag über die gefälschten “Protokolle der Weisen von Zion” findet sich auf S. 375 – 378 So heißt es in den “Protokollen” auch ganz direkt: Politische Freiheit ist ein Gedanke, aber keine Tatsache. […] Diese Aufgabe ist leichter zu lösen, wenn der Gegner sich selbst schon mit der Idee der Freiheit angesteckt hat, dem sog. Liberalismus, und wegen dieser Idee geneigt ist, etwas von seiner Macht abzugeben.

Von rundlichen Nashörnern zu lieblichen Einhörnern – Ein vergnügliches Detail der Religions- und Kunstgeschichte

Selbstverständlich kann man als Religionswissenschaftler den ganzen Tag düstere Themen wie Extremismus, den sich ausbreitenden Verschwörungsglauben oder die Öl- und Glaubenskriege erforschen und beschreiben. Aber geistig wäre eine solche Einseitigkeit wohl nicht gesund (und würde im Übrigen genau den Falschen in die Hände spielen). Auch deswegen gönne ich mir hin und wieder auch mal Arbeiten zu “leichteren” Themen der Alltagskultur und Fantasie, zum Beispiel zum Glauben an Engel – oder an Einhörner. Und so musste ich doch sehr schmunzeln, als ich auf instagram eine Kalligrafie der Künstlerin Julia von www.farbcafe.de fand, die schrieb: Ich liebe Nashörner! Sie sind wie Einhörner nur dicker

Verschwörungstheorien, Verschwörungsmythen, Verschwörungsglauben, neue Medien & Rechtspopulismus – Audioblog Folge 7

Was ist eigentlich eine #Verschwörungstheorie genau? Und wie unterscheidet sie sich vom #Verschwörungsmythos? Wann läuft das Ganze schließlich auf einen #Verschwörungsglauben hinaus? Nach der Fertigstellung des sciebooks “Verschwörungsglauben. Der Reiz dunkler Mythen für Psyche und Medien” trudelten nicht nur Bestellungen, sondern auch Artikelanfragen ein. In der letzten (Urlaubs-)Woche gelang es jedoch auch, etwas Zeit frei zu schaufeln, um eine Podcast- und Audioblogfolge zu erstellen. Dabei habe ich mich auf die beispielhafte Darstellung des #Hexenglaubens sowie auf die Verschwörungsmythen zu Freimaurern, Illuminaten und schließlich Außerirdischen (vgl. #UFO-Religionen) konzentriert, außerdem den Einfluss “neuer” Medien – angefangen beim Buchdruck, dem Hexenhammer und Martin Luther – sowie schließlich den weltweiten Aufschwung des #Rechtspopulismus in den Blick genommen. Anbei also das Video, den Text als mp3-Podcast und als pdf-Text. Viel Freude & ggf. eine gute Diskussion! Link zum Audioblog-Video:

Rezension zu Gideon Böss: Deutschland, deine Götter!

Hier haben wir also einen Autor, der gar nicht erst versucht, sympathisch rüberzukommen. Schon die Widmung zeigt die eingeübte Art des Skeptikers, der der Welt und sich selbst gerne demonstriert, wie weit er über den Dingen (und Menschen) stehe: „Für Christine. Warum auch nicht.“ Und gleich der erste Satz offenbart auch den Grund des böss-schen Nichtglaubens: „Kann Gott mich nicht leiden?“ Klar, dass ein solcher Gott eigentlich undenkbar, zumindest unglaubwürdig sein muss! Was bildet der/die/das sich eigentlich ein! Und soweiter

Martin Luther zur Anthropodizee in Vom ehelichen Leben (1522)

Fürwahr, wir leben in seltsamen Zeiten. Im Zug zu einem Psychatrie-Kongress in Wien hielt ich die gesammelten Werke Dr. Martin Luthers (1483 – 1546) in der Hand – von seiner Bibelübersetzung über seine Briefe und Traktate, eine Biografie u.v.m. Für kaum einen Euro hatte ich sie mir aufs Kindle geladen, sie wogen kein Gramm. Und da es die österreichische Bahn von Salzburg bis Wien auf über 90 Minuten Verspätung brachte, stöberte ich in Luthers Schriften (eigentlich auf der Suche nach seinen vielfachen Bekenntnissen zum Verschwörungsglauben) – und stieß auf eine Überraschung! Luther hatte bereits wesentliche Befunde zur Anthropodizee vorweg genommen! Dabei geht es um die philosophische Frage, ob es angesichts des Leids, das ein Kind selbst erfahren und anderen (beginnend bei den Eltern) zufügen wird, überhaupt vertretbar sei, weiteres Leben zu schenken. Luther selbst war ja erst zölibatärer Mönch gewesen, später begründeten er und seine Ehefrau Katharina von Bora (1499 – 1552) das Ideal der evangelischen Pfarrfamilie, das – wie zuvor und daneben nur die Rabbinerfamilien – Religiosität, Kinderreichtum und Bildung verband, mit enormen demografischen und kulturgeschichtlichen Auswirkungen. „Familie Luther“ nach Gustav Spangenberg um 1875 Daher war es auch wenig überraschend, dass Luther in seinem Traktat “Vom ehelichen Leben” (1522) das erste biblische Gebot hochhielt:

Die Islamisierung fällt aus – Anmerkungen zur globalen Religionsdemografie und -soziologie

Die These von der angeblich unaufhaltsamen #Islamisierung gehört zur Standarderzählung sowohl islamistischer wie auch rechtspopulistischer Scharfmacher. Doch sie steht empirisch “auf tönernen Füßen” – und ist schlichtweg falsch. Darüber habe ich gerade einen Artikel für das diesseits-Magazin veröffentlicht, dessen Hauptargumente ich auch hier kurz vor- und zur Diskussion stellen möchte. Zum Islamisierungs-Artikel beim humanistischen diesseits-Magazin. Tweet: @diesseits_de Schauen wir uns also etwas genauer an, was mit den #Islamisierungs-Thesen nicht stimmt:

Deutsch, atheistisch, türkeistämmig – Web-Interview mit Cem Erkisi

Schon vor einem halben Jahr bloogte ich über die Glaubenskrise (auch) unter vielen Muslimen und zur aktuellen Ausgabe des diesseits-Magazins habe ich einen Artikel über die Krise der islamischen Traditionen und der “Islamisierungsthesen” beigesteuert: Denn so viel über die Radikalisierungen kleinerer Gruppen berichtet wird, so wenig wird bislang über die wachsende Distanz und Kritik vieler Menschen zur Religion in der “islamischen Welt” selbst berichtet. Tatsächlich gab es schon früher wie “im Westen” auch Säkularisierungsbewegungen – nun hinterfragen, wie in Europa nach dem 30jährigen Krieg, auch immer breitere Schichten immer lauter den Glauben. Dazu interviewe ich heute einen Facebook-Diskussionspartner: Cem Diyar Erkisi, gebürtigen Duisburger, Wahlberliner & Pädagoge. Mein heutiger Web-Interviewpartner: Cem Diyar Erkisi. Foto: Selbst

The Man from Earth – Science-Fiction & Religion

Es gibt immer noch Leute, die behaupten, dass das Wesen von Science-Fiction in der Schilderung von fantastischen Technologien bestünde. Eine andere Lesart, der ich zuneige, sieht es jedoch genau andersherum: Mittels Science-Fiction erzählen wir („modernen“) Menschen religiöse, spirituelle und magische Mythen, deren übernatürliche Elemente wir als Technologien sowie bewusst eingestandene Spekulationen verstecken. So können wir uns „gefahrlos“ in mythischen Welten bewegen, ohne unseren Anspruch auf ein „modernes“ Weltbild aufzugeben. Filmplakat von Anchor Bay Entertainment Ein außerordentliches Paradebeispiel für dieses mythologische Wesen der Science-Fiction bildet der Film „The Man from Earth“.

Antike Rhetorik – erst Zauberkasten, dann Bildungsideal

Rhetorik ist wichtig. Das merkt man besonders in einer Zeit mit hitzigen politischen Debatten. Die ZEIT hat die Rhetorik letzte Woche sogar zu ihrem Titelthema erhoben. Die Wenigsten aber wissen, dass die Rhetorik nicht nur als ein Zauberkasten mit Überzeugungstricks zu verstehen ist, sondern seit der Antike die Bildungsauffassung des Abendlandes prägt. Und das kam so: Die antike Rhetorik entstand aus der Praxis, entwickelte aber auch bald eine rhetorische Theorie. Die ersten bekannten Rhetorik-Lehrer waren zwei Männer aus den griechischen Kolonien aufweiter