Ist Jerome Boateng heimlicher Muslim? Verschwörungsmythos auf Basis eines Tatoos

Verschwörungsgläubige sehen, was sie sehen wollen. Dies demonstrierte eindrucksvoll ein Kommentator angesichts meines ruhrbarone-Blogposts zum Antisemitismus (inkl. Rassismus) von Dr. Wolfgang Gedeon, MdL (AfD). Da auch Gedeon die Verwendung des Wortes “Neger” verteidigte und vor “Rassennivellierungsrassismus” warnte, hatte ich in diesem Blogpost auch Gaulands (AfD) Ausfall gegen den deutschen Fussball-Nationalspieler Jerome Boateng erwähnt. Und da “wusste” der erste Kommentator gleich aus den Tiefen des Internets: Mal abgesehen von dem sonstigen himmelschreind tendenziösen Unfug in diesem Beitrag ist Jerome Boateng kein “praktizierender Christ”, sondern Muslim. Nun war Jeromes Halbbruder, Kevin-Prince Boateng, zeitweise Muslim gewesen – aber Jerome Boateng hatte sich stets und aktiv zu seinem christlichen Glauben bekannt. Auf Nachfrage verwies der schein-wissende Kommentator auf das dort leider nicht erläuterte Rückentatoo von Jerome Boateng auf den Seiten von Bild.de – und triumphierte: Und jetzt sagen Sie mir, welcher bekennende Christ sich die “Hand der Fatima” unübersehbar auf den Rücken tätowiert! Okay, da die scilogs ohnehin eine Blogparade zur Fussball-EM am Laufen haben, nutze ich diese Vorlage, um ein wenig religionsbezogenes Wissen zu vermitteln… Credit: Harald Bischoff / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de Bester Nachbar. Der deutsche Fussball-Nationalspieler Jerome Boateng.

Die Islamisierung fällt aus – Anmerkungen zur globalen Religionsdemografie und -soziologie

Die These von der angeblich unaufhaltsamen #Islamisierung gehört zur Standarderzählung sowohl islamistischer wie auch rechtspopulistischer Scharfmacher. Doch sie steht empirisch “auf tönernen Füßen” – und ist schlichtweg falsch. Darüber habe ich gerade einen Artikel für das diesseits-Magazin veröffentlicht, dessen Hauptargumente ich auch hier kurz vor- und zur Diskussion stellen möchte. Zum Islamisierungs-Artikel beim humanistischen diesseits-Magazin. Tweet: @diesseits_de Schauen wir uns also etwas genauer an, was mit den #Islamisierungs-Thesen nicht stimmt:

Die Gefahr durch Religion(en) – Not in God’s Name von Rabbiner Baron Jonathan Sacks

Rabbiner Jonathan Sacks – bis 2013 Oberrabbiner in Großbritannien, von der Queen 2005 in den Ritter- und 2009 in den Baronstand erhoben – gilt als einer der bedeutendsten, lebenden Gelehrten des Vereinigten Königreichs. 2009 hatte ich einen seiner Vorträge bei “Theos” einmal ins Deutsche übersetzt (abrufbar hier). Umso überraschter war ich, bei einer Rezension seines neuen Buches “Not in God’s Name” in der New York Times durch David Brooks plötzlich auf meinen Namen und Arbeiten zur Religionsdemografie zu treffen. Also erstand ich mir dieses Werk, sobald wieder Zeit zum Lesen war: “Not in God’s Name. Confronting Religious Violence” von Jonathan Sacks.

Das Erwachen des Mythos – Wie die Macht Star Wars zum globalen Kult erhob

In diesem Advent darf auch ich mich auf gleich zwei “heilige Abende” freuen. Am 24. Dezember wird es – so Gott will – gemeinsam mit Freunden einen klassischen Weihnachtsabend geben, komplett mit Gottesdienstbesuch, Musik, Mahl und Lesung aus dem Lukasevangelium sowie einer Bescherung. Doch schon eine Woche vorher, am 17. Dezember 2015, freue ich mich auf heilige Schauer: Dank Timo (danke!) habe ich eine Kinokarte für “Star Wars VIII: Das Erwachen der Macht”! Doch was ist das Geheimnis einer Filmserie, bei deren Erstausstrahlung ich noch kein ganzes Jahr alt war, die mich dann als Kind und Jugendlicher packte und nun auch meine Kinder an sich bindet (nur meine Frau bleibt bislang immun)? Es ist nicht übertrieben, einzuräumen: Ich bin auch deshalb Religionswissenschaftler geworden, um genau diese Faszination in einer doch angeblich “post-religiösen” Welt zu verstehen!

Die Werte der Aufklärung sind von innen bedroht

Manche unter den Kommentatoren dieses Blogs beschleicht ein Unbehagen, wenn immerzu vom „Westen“ die Rede ist, dessen „Werte“ zu verteidigen seien; die Werte seien die der Aufklärung. Gleichzeitig sprechen sie selbst von der Aufklärung als einer Form von „Kultur“.[1] Da steckt ein Widerspruch drin, und dessen Auflösung ist politisch von großer Bedeutung. Man sieht das an folgendem: Heute, drei Tage nach den Anschlägen des IS in Paris, schreibt einer in der FAZ (faz.net): „Die Pariser Anschläge treffen ins Herz europäischerweiter

Ist die deutsche Kultur durch Zuwanderung bedroht?

Seehofer droht mit einer Klage gegen Angela Merkel. Sie habe nichts gegen die Zuwanderung von Flüchtlingen getan. Das Gericht müßte zunächst die Frage klären, ob es zu den Aufgaben einer Kanzlerin gehört, etwas gegen die Zuwanderung von Flüchtlingen, also von Hilfesuchenden zu unternehmen. Man klagt, daß diese Frage in der Öffentlichkeit nicht diskutiert werde. Öffentlichkeit heißt heute Internet. Jedenfalls bezeichnen die, die sich im Internet zu der Frage äußern, die vornehmlich in Zeitungen geführte Diskussion weder als öffentlich noch alsweiter

Zeit als Rätsel (auch) der Religionswissenschaft. Quantic-Video & Artikel

Schon in den frühesten, religiösen wie auch wissenschaftlichen Schriften der Menschheit finden wir ein (bis heute anhaltendes) Ringen mit einem der größten Rätsel unseres Universums: Der Zeit. Ist die Zeit selbst ein Hervorbringendes wie im Physikalismus, im Zoroastrismus (“Zrvan” = Zeit als Vater von Ahura Mazda und Angra Mainyu) oder im Glauben der Mormonen (ein ewiges Universum, in dem Lebewesen zu Gottheiten aufsteigen)? Oder ist die Zeit ein Geschaffenes wie in Judentum, Christentum und Islam, deren Alleingottheit also vor undweiter

Religionskrieg um Schuld(en)? Zum Einfluss der Konfessionen in Europa

Als ich letzte Woche die Süddeutsche (SZ) aufschlug, sprang mir ein Zitat ins Auge, das ich mir gleich notierte. Emmanuel Macron, Wirtschaftsminister in der Regierung des sozialistischen Präsidenten Hollande im laizistischen Frankreich, habe demnach die quälende Debatte um die Griechenland-Euro-Krise mit der Aussage kommentiert: Es gibt eine Art Religionskrieg zwischen dem calvinistischen Nordeuropa, das den Sündern nicht verzeihen will, und einem katholischen Südeuropa, das dies alles hinter sich lassen will.” In diesem griffigen Zitat findet sich eine Menge “klassischer” Religionssoziologie. So bezieht sich die Aussage vom “calvinistischen Nordeuropa” auf Max Weber (1864 – 1920), der die These vom “protestantischen Arbeitsethos” entwickelt hatte: Weil evangelische (vor allem: calvinistische) Christen keine sichere Heilszusage durch ihre Kirchen mehr erhalten konnten, sondern selbst direkt vor Gott standen, hätten sie Erfolg im wirtschaftlichen Leben als Zeichen göttlicher Zuwendung gedeutet. Und da zugleich das Zeigen von Luxus evangelisch verpönt gewesen sei, habe sich ein Zyklus aus Schaffen, Sparen und Investieren als Triebkraft des Kapitalismus entwickelt.

Alle Religionen sind gut

„Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren, erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen“. Friedrich der Große   Friedrich hat unzählige Menschen seinem Ehrgeiz geopfert, er hat die Leibeigenschaft nicht abgeschafft usw. usf. Aber allein wegen dieses einen Satzes hat er den Beinamen „der Große“ verdient.   Mein vorletzter Blogartikel paßte nicht in den Rahmen dessen, worüber ich sonstweiter

Engel als Zauberer, Sauron als Dämonenfürst – Reichlich Angelologie in Tolkiens Herrn der Ringe

Mein letzter Blogpost über die christlich-religiösen Hintergründe von Tolkiens Fantasy-Verständnis hat insbesondere auf Facebook eine Vielzahl von erfreulichen Reaktionen ausgelöst. Besonders oft wurde diskutiert, dass C.S. Lewis seine “Chroniken von Narnia” sehr eng an der Christusüberlieferung ausgerichtet habe, Tolkiens “zweite Schöpfung” jedoch bewusst unabhängiger gestaltet worden war. Das stimmt, ist jedoch nicht die ganze Story. Schaut man sich die vor allem im Silmarillion verewigten Schöpfungserzählungen zu Mittelerde an, so wird deutlich, dass sich Tolkien sehr stark an der christlichen Angelologie orientiert hat (die wiederum aus jüdischen und zoroastrisch-dualistischen Traditionen erwuchs):