Wahnsinnswoche 2017:02

In dieser Woche 123 Patientenkontakte und 12 Terminausfälle.


Bei mittelschwerer bis schwerer Depression sollten nichtmedikamentöse und medikamentöse Behandlungsansätze unter Berücksichtigung individueller Patientenwünsche diskutiert werden. Der Effektivitätsvergleich liefert leider kein eindeutiges Ergebnis.


Big Data: Kaufleute berechnen den Wert der letzten Lebensphase und bestimmen, für wen sich welche Behandlung nicht mehr lohnt, und wie man das Ableben möglichst billig gestaltet. Das sind die absehbaren Auswirkungen einer gewinnorientierten “Gesundheits”-Industrie – der Begriff “Euthanasie” wird aber (noch) nicht ausdrücklich erwähnt…

Übrigens: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am 09.01.2017 gesagt:

„Das, was wir mal in der Verfassungsrechtsprechung hatten, nämlich dass das Prinzip der Datensparsamkeit gilt, mag für einzelne Bereiche richtig sein. Aber die Wertschöpfung der Zukunft – vom Bundesgesundheitsminister ist gerade heute ein Artikel darüber in der Zeitung zu lesen – wird nicht mehr damit auskommen, dass man möglichst wenige Daten hat, sondern es wird darauf ankommen, aus vielen Daten möglichst interessante Schlussfolgerungen und Anwendungen zu schöpfen.”


Kein Geld der Welt und auch kein unbefristeter Vertrag darf es wert sein, seine Moral und seinen Verstand morgens an der Tür abzugeben.


So sehen “Fakten” im politischen Alltagsgeschäft heutzutage wohl aus.


Die Menschen mussten zuerst die freundlichsten aller Affen werden, bevor sie auch die klügsten werden konnten.

Altruismus hat aus evolutionstheoretischer Perspektive die Funktion, die Fitness eines anderen Lebewesens unter Inkaufnahme des Verlustes eigener Fitness zu vergrößern, weil jedes Individuum ein Interesse daran hat, dass auch unverwandte Mitglieder der Eigengruppe Hilfe in der Not erfahren, da ansonsten eine kumulative Schwächung der beschützenden Eigengruppe droht – und damit auch eine Bedrohung für die eigene Existenz. Die Hilfsbereitschaft gegenüber einer fremden Gruppe wird umso geringer, je bedrohlicher diese empfunden wird. Die davon begleitete ideologische Diskriminierung von Außenseitern kann in Katastrophen menschlichen Leids enden.

Empathiemotivierter Altruismus entsteht in Hirnregionen, die reich an Rezeptoren für Oxytozin sind, darunter u.a. Amygdala und ventrales Striatum. Sogenannte maximale Altruisten haben ein größeres Amygdalavolumen, während Menschen mit psychopathischer Persönlichkeitsakzentuierung und geringer spontaner Empathie ein kleineres Amygdalavolumen und eine verminderte Sensitivität gegenüber sozialen Furchtsignalen haben. Über oxytozinerge Regelkreise induziert altruistisches Verhalten eine Dämpfung von Stress und Furcht in sozialen Umgebungen, was zu einer Entlastung des kardiovaskulären Systems und des Immunsystems führt und somit indirekte Anreize für Kooperativität generiert: Menschen mit ausgeprägter altruistischer Neigung erkranken weniger häufig an an affektiven Störungen, erfreuen sich besserer Gesundheit und leben im Schnitt länger. Altruismus kann aber auch pathologische Formen annehmen, wenn hyperaltruistisches Verhalten Selbst- oder Fremdschädigung nach sich zieht (Helfersyndrom).

Hurlemann R, Marsh N: Neue Einblicke in die Psychobiologie altruistischer Entscheidungen. Der Nervenarzt 11/2016


Die aktuelle Bedarfsplanung in der vertragsärztlichen Versorgung ist nicht bedarfsorientiert. Das psychiatrische Hilfe- und Versorgungssystem in Deutschland ist aus historischer Perspektive und im internationalen Vergleich quantitativ zwar gut ausgebaut. Lange Wartezeiten auf einen Termin beim Psychiater weisen aber darauf hin, dass der Behandlungsbedarf durch die aktuell zugelassene Zahl der Spezialisten nicht gedeckt werden kann.

Insbesondere die Zahl der ambulanten Nervenärzte – unter denen die im eigentlichen Sinne für psychische Störungen zuständigen Psychiater nur etwa die Hälfte ausmachen – erscheint mit durchschnittlich 5 pro 100.000 Einwohner ausgesprochen niedrig angesichts des großen wahrgenommenen Versorgungsdrucks. In manchen Gegenden gibt es gar keine Psychiater mehr, was keinesfalls mit „vermindertem Bedarf“ gerechtfertigt werden kann.

Die vorliegenden Daten stützen die Annahme einer Überversorgung, im Sinne der Behandlung von Gesunden, nicht: Für Studienteilnehmer mit psychiatrischen Diagnosen erhöhen sich die Behandlungsleistungen mit zunehmender regionaler Arztdichte, aber nicht für Teilnehmer ohne Diagnose. Das wiederspricht der Hypothese einer ungerechtfertigten, “angebotsinduzierten” Nachfrage.

Gesellschaftliche Veränderungen, wie ein Wegfall sozialer Unterstützung oder die Zunahme von Problemen bei der Erfüllung von Rollenerwartungen, vermehrter Anpassungsdruck und damit verbundener chronischer Stress, können zudem dazu beitragen, dass eine „angeschlagene psychische Gesundheit“ häufiger als bislang in manifeste behandlungsbedürftige psychische Störungen übergeht.

Jacobi F et al: Ambulante fachärztliche Versorgung psychischer Störungen. Der Nervenarzt 11/2016

Wahnsinnswoche 2016:52

In dieser Woche 68 Patientenkontakte und 1 Terminausfall.


Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) bietet zahlreiche Patienteninformationen an, unter anderem für Depressive und ihre Angehörigen.


Informationen zum neuen PsychKG NRW, das zum 1.1.2017 in Kraft tritt. Wichtig: Zwangsmedikationen stehen künftig unter Richtervorbehalt.


Meist liest man, dass Cannabiskonsum das Risiko, eine Schizophrenie zu entwickeln, erhöhen soll. Umgekehrt gibt es wohl auch einen Zusammenhang: Menschen mit erhöhtem Psychoserisiko neigen eher dazu, Cannabis zu probieren.


N-Acetylcystein kann in Kombination mit kognitiver Verhaltenstherapie die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung signifikant verbessern.


Anders, als einige Politiker wähnen, ist Folter bei der Wahrheitssuche nicht hilfreich: bei 80% trainierter (!) Soldaten (!!) führte sie nur zu falschen Erinnerungen.


Kann künstliche Intelligenz die Natur unseres Bewusstseins erklären?


710 von 1.000 Befragten begrüßten die Idee, persönliche Krankheitsdaten zur Verfügung zu stellen. Rund 600 hatten gleichzeitig Bedenken, dass Firmen damit Geld verdienen, oder dass die Daten missbraucht werden könnten.


Zum Schluss wünsche ich Ihnen natürlich alles Gute für 2017.

Wahnsinnswoche 2016:49

In dieser Woche 140 Patientenkontakte und 15 Terminausfälle.


Überall werden Daten gesammelt (demnächst auch hier), wir können das nicht mehr wirklich nachvollziehen.

Fitness-Armbänder und Armbanduhren mit Gesundheitsfunktionen erfüllen die Datenschutzstandards nicht. Es bleibt unklar, wer Zugriff auf die Daten (die die Nutzer selbst nicht mehr löschen können) hat und wie lange sie gespeichert werden. Zusätzlich werden diese Daten für das Marketing verwendet und an verbundene Unternehmen weitergeben. Außerdem bestehen Gefahren durch Hackerangriffe. Überlegen Sie es sich also gut, ob Sie Ihre psychische Gesundheit wirklich von Ihrem Smartphone überwachen lassen wollen.

Kapitalgeber für Digital Health-Produkte der Zukunft sehen das nicht so eng. Sie wünschen sich eine Schnittstelle zwischen Konsumenten-Apps und digitaler Patientenakte und wollen damit das Arzt-Patienten-Verhältnis verbessern. Vor Goldgräberstimmung wird gewarnt…


Bei der Quellensuche jetzt auf diversen Seiten: “Schalten Sie gefälligst Ihren Werbeblocker ab, sonst können Sie unsere Inhalte nicht lesen”. Netter Versuch. Es gibt in der Regel auch noch andere Quellen. Ich schalte meinen Werbeblocker nämlich unter anderem deswegen nicht ab.


Wer Gutmensch sagt, verdient sich seinen Shitstorm: “In den letzten 15 Jahren ist das Wort ‘Gutmensch’ allmählich in den Besitz politischer Gruppierungen übergegangen, deren Spektrum von dümmeren Teilen der FDP über Thilo Sarrazin und Akif Pirinçci bis zu Rechtsextremen reicht.” Gedanken über weitere Hassworte hier.


Oxytocin verbessert das Rhythmusgefühl.


Medikamente, die auf den intrazellulären Dopamin Rezeptor (D2LR) einwirken, könnten künftig die Behandlung von Schizophrenie und Parkinson verbessern. Unabhängig davon könnten aber auch NMDA-Rezeptor-Antikörper zur Entstehung einer Psychose beitragen. Oder auch oxidativer Stress. Und Nikotin lindert die kognitiven Defizite bei Schizophrenie. Es bleibt verwirrend.


Ketamin aktiviert die Produktion neuer Proteine in Nervenzellen und könnte dadurch seine antidepressive Wirkung entfalten.


“Was kulturell jeweils als wahr gilt, ist kein ideeller Reflex einer irgendwie gearteten objektiven Realität, sondern Ergebnis gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse.” Hier geht’s zur Theorie des Wahns.


Je länger größere Kinder mit ihren Smartphones herumspielen, desto später kommen sie mit Drogen in Berührung.


Wenn Sie selbst mal etwas recherchieren möchten: Open Knowledge Maps.


Passieren Ihnen auch ständig nervige Missgeschicke? Entspannen Sie sich… bestaunen Sie die Schönheit des Wetters

Wahnsinnswoche 2016:48

In dieser Woche 148 Patientenkontakte und 12 Terminausfälle.


Wenn Sie als Privatpatient meine Behandlung gern in Anspruch nehmen, mich für meine Interventionen loben und sich bei mir gut aufgehoben fühlen, dann fühle ich mich dadurch geehrt. Wenn Sie aber Ihre Rechnungen nicht bezahlen und mich eine ganze Weile über Ihre Zahlungsunwilligkeit im Unklaren lassen (und zwar nicht, weil Sie etwa zu krank dafür sind), dann hat Ihre Lobhudelei einen üblen Nachgeschmack und ich muss mich leider von Ihnen trennen.


Neulich im Tannenhof: Die zunächst etwas angespannte Begegnung (es ging um die Frage der weiteren Unterbringung im Krankenhaus) entwickelte sich schlagartig konstruktiver, nachdem ich von Ihnen erfahren hatte, dass Sie vor geraumer Zeit von einem Tier gebissen worden sind und dadurch langfristig eine erhebliche Verbesserung Ihrer Wahrnehmungs- und Leistungsfähigkeit erfahren haben. Als mir entfuhr, das sei ja wie bei Spiderman, und Sie das freudig bejahten, konnten wir uns über das andere Thema dann ebenfalls zwanglos einigen.


Cannabis beeinträchtigt über eine Veränderung der mitochondrialen Aktivität das Erinnerungsvermögen im Sinne einer chronischen Dysfunktion. Die Grünen wollen den Umgang mit Cannabis jetzt entkriminalisieren.


Niedergelassene Ärzte dürfen nicht “streiken”. Wenn aber demnächst der Sicherstellungsauftrag, wie von einigen gefordert, anders vergeben werden sollte, dann wird sich das ändern. Kontext: [1] [2] [3] [4]


Selbstlernende Software erkennt das Psychoserisiko durch MRT-Aufnahmen (damit ist nicht gemeint, dass MRT-Aufnahmen ein Psychoserisiko darstellen, sondern dass man aus MRT-Aufnahmen das Psychoserisiko ableiten können soll).


Die meisten Depressiven werden nicht oder nur unzureichend behandelt (internationale Studie mit 50.000 Teilnehmern in 21 Ländern).


Unter der Überschrift “Journalismus kann auch eine dressierte Ziege” berichtet uebermedien.de über den fahrlässig kritiklosen Umgang einiger Medien mit dem Hochstapler Gert Postel.


Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen haben oftmals Schwierigkeiten, auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzukommen. Dabei sind die positiven Effekte von Arbeit auf den Krankheitsverlauf wissenschaftlich belegt. Der Teilhabekompass der DGPPN bietet erstmals einen Überblick über die zahlreichen beruflichen Reha- und Integrationsmaßnahmen in Deutschland.


Was lese ich denn da? “Rauschpilze als Wunderwaffe gegen Depressionen“? “Magic mushroom chemical psilocybin could be key to treating depression“? Bei näherem Hinsehen: das bezieht sich ausschließlich auf Menschen, die an Krebs erkrankt sind.

Die Erkenntnis an sich ist nicht neu: in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts experimentierten einige tollkühne Psychonauten, zum Beispiel Leuner und Grof (ja, hab ich beide gelesen), mit der nicht ganz ungefährlichen psycholytischen Therapie.

Von zumindest akademischem Interesse ist allerdings die Frage, wie das Zeug überhaupt wirkt: es bindet ähnlich wie einige Antidepressiva (SSRI) an 5-HT2A-Rezeptoren, fällt aber schnell wieder davon ab, sodass die rätselhafte Dauerwirkung unerklärlich ist. Bestimmt handelt es sich um Quanteneffekte… wink

Es handelt sich jedenfalls um einen Stoff, der eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung bewirkt (anders als Antidepressiva). Von eigenen Experimenten rate ich auch angesichts jüngerer Komplikationen dringend ab.


Wahnsinn in den Medien: in dieser Woche 11x Sport, 10x Kultur, 4x Finanzen, je 1x Paketzustellung, Lokalpolitik, Gewinnspiel, Mobilfunk, Naher Osten. In der Stichprobe (N=30) diese Woche kein einziger Treffer im richtigen Kontext.

Wahnsinnswoche 2016:46

In dieser Woche 139 Patientenkontakte und 14 Terminausfälle.


Anschauliche Darstellung der neurologischen Ausfälle als Folge exzessiven Alkoholkonsums.


Leiden „Reichsbürger“ an einem Wahn? Wir sind doch alle längst postfaktisch


Tricks, die Krankenkassen offenbar anwenden, um ihre Mitglieder möglichst krank erscheinen zu lassen, sind der Regierung zufolge unrechtmäßig..


Depressiv? Gehen Sie in den Zoo, das fördert die Oxytocin-Produktion und baut Stresshormone ab.


E-Health zum Anfassen: 186 Millionen überflüssige Mails crashen den Server. Config Snafu.


Nochmal zum Thema “Medikamente absetzen“: wenn Sie sich nach Jahren niedrig dosierter, erfolgreicher und gut vertragener Behandlung mit Psychopharmaka (soll es tatsächlich geben) spontan entscheiden sollten, das Zeug doch lieber mal wegzulassen, weil es Ihnen ja gut geht, dann beachten Sie dabei bitte, dass Sie beim abrupten Absetzen immer mit einem Rebound-Effekt rechnen müssen. Ihre Rezeptoren sind dann plötzlich “nackt”, und Sie haben eine Fahrkarte in die Klinik gewonnen. Von da kommen Sie dann mit einer hohen Dosis wieder zurück, und mit jedem Rückfall erhöhen Sie geringfügig das weitere Rückfallrisiko. Also: wenn schon absetzen, dann auch richtig – nämlich langsam. Kontext: [1] [2] [3]


Von Dienstag auf Mittwoch hat sich Unitymedia für 19 Stunden verabschiedet, den Fehler aber immerhin kommentarlos behoben.


Bin mal wieder um eine Medienkompetenzerfahrung reicher.

Im September feierte das Wuppertaler Bündnis gegen Depression zehnjähriges Bestehen. Ein SWR-Fernsehteam bat um Dreherlaubnis, weil man für Odysso “einen Beitrag über die zunehmende Vernetzung zum Thema Depression” machen wolle. Die haben dann fleißig gedreht und stundenlang Interviews geführt (die wir dann später nochmal wiederholen mussten, weil sie zu blöd waren, den Speicherchip richtig herum in die Kamera zu stecken) und immer wieder treuherzig versichert, wie wichtig das Thema doch sei.

Als ich jetzt die fertigen Beiträge gesehen habe (nein, ich verlinke die aus Gründen der Qualitätssicherung hier nicht), musste ich staunen: der ganze Dreh war nur eine false flag operation. Auf einmal war nämlich nichts mehr von Aufklärung und Entstigmatisierung zu hören (ich hatte das mehrfach betont), sondern es erklangen unheilvolle Sphärenklänge, drastische Bilder von einem spektakulären, erweiterten Suizid legten den Grundstein für voyeuristisches Schaudern, ein süffisanter Off-Sprecher säuselte von geheimnisvollen Rätseln, fahrige Schnitte und aus dem Kontext gerissene Clips heizten die verschwörerische Grundstimmung leicht durchschaubar wie in einem billigen B-Movie auf.

Die Aktivitäten des Bündnis gegen Depression wurden damit offensiv in die Nähe des Disease Mongering mit bedenklichen Beziehungen zur Pharmaindustrie gerückt. Als Zeugen traten zwei Experten auf, von denen einer mögliche Beziehungen der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zur Pharmaindustrie in den Raum stellte, während der andere darüber philosophierte, dass Depressionen doch zum ganz normalen Leben dazugehörten und man die Menschen nicht durch künstliche Zuschreibung von Krankheit in die Abhängigkeit treiben solle. Und weil ich in diesem Zusammenhang persönlich mit zwei angeblichen Falschaussagen (was sich bei näherer Betrachtung als unwahr herausstellt) vorgeführt wurde, denke ich jetzt darüber nach, ob es sich dabei nur um Verunglimpfung, um böswillige Unterstellungen, oder sogar schon um eine rufschädigende Darstellung handeln könnte.

Ende der formalen Filmkritik. Diese manipulativen Techniken erinnern mich schwer an die Erfahrungen, die ich schon in meiner Zeit bei der Freien Ärzteschaft machen durfte: da wurde primär gefragt, welches Auto ich denn fahre – es gab immer ein großes Hallo, wenn ich von meinem Kleinwagen erzählte, und dann zog das Team so lange um die Häuser, bis sie jemand im Mercedes erwischten.

Inhaltlich will ich klarstellen:

  1. finanziert sich das Bündnis gegen Depression Wuppertal ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, und es wird vom ehrenamtlichen Engagement der Mitglieder getragen.
     
  2. sind Aufklärung und Information Grundbausteine zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen, und sie tragen zur Vermeidung unnötigen Leidens bei.
     
  3. sind Hinweise auf die allgemeine Depressionsfähigkeit der Menschheit zwar philosophisch durchaus interessant, aber wenig hilfreich für Menschen in existenzbedrohenden Notlagen: eine Depression als Krankheit erkennen zu können, hat schon den Einen oder Anderen aus der Todesfalle der Schuld- und Schamgefühle gelockt.
     
  4. machen Antidepressiva nicht süchtig, und sie wirken nicht persönlichkeitsverändernd.
     
  5. werde ich bei künftigen Interviewanfragen sorgfältig den Background der Journalisten checken und mich vorbeugend auf hinterhältige Tricks einstellen. So kann man auch paranoid werden.

Wahnsinnswoche 2016:44

In dieser Woche 60 Patientenkontakte und 5 Terminausfälle (Montag hatte ich frei, Dienstag war Feiertag, Mittwoch Bürokratietag).


Wer krank ist, muss nicht zum Personalgespräch.


Wahnhafte Identitätsstörungen und Personenverkennungen übersichtlich erklärt.


Repost: Jens Spahn (CDU) auf der StartupCon in Köln: “Datenschutz ist etwas für Gesunde”. Einer digitalisierten Medizin stehe aber der deutsche Datenschutz im Weg.

Und wenn die digitale Medizin mal virenverseucht ist, dann gehen Sie doch einfach woanders hin! Gute Besserung.


Depressiv? Morgen ist leider auch noch ein Tag. Kleiner Trost: Sie sind in guter Gesellschaft… mit Cyndi Lauper, Marius Müller-Westernhagen, Victoria Van Violence, Tanja Salkowski, Bruce Springsteen, Robbie Williams, Adele, Tyson Fury, Miranda Kerr, um nur einige zu nennen.


Am Samstag war ich auf dem Schizophrenie-Update in Düsseldorf, einer ausschließlich auf die somatischen Entstehungsbedingungen ausgerichteten Veranstaltung. Take Home Message war unterm Strich: die Schizophrenie ist eine Gehirnerkrankung in Form einer Netzwerkstörung (im Dopaminsystem).

Dagegen hilft nur Früherkennung, möglichst schon im Prodromalstadium, um dem mit der Erkrankung einhergehenden Verlust an weißer Substanz (Konnektivität), der mit jeder akut psychotischen Episode zunimmt, früh entgegenzuwirken. Mit Antipsychotika, versteht sich.

Interessant fand ich den Hinweis, dass bei Absetzversuchen ein potenzieller Rückfall in eine akute Psychose bei Tabletteneinnahme nach etwa 6 Wochen, bei den monatlich dosierten Langzeitmedikamenten nach etwa 3 Monaten, und bei den alle drei Monate verabreichten nach etwa 6 Monaten zu erwarten ist (wenn er denn eintritt).

Generell sollte sich die Behandlung mit Neuroleptika nicht nur an der Wirksamkeit, sondern vor allem an der Langzeitverträglichkeit orientieren – immerhin muss man das Zeug ja auch lange Zeit einnehmen. Jede(r) muss dann für sich selbst entscheiden, ob er / sie Psychosefreiheit eher mit Gewichtszunahme und erhöhtem Diabetesrisiko, sexueller Dysfunktion, oder mit kognitiven Beeinträchtigungen erkauft.

Leider werden neue Medikamente (von denen zwei in der Pipeline sind) von den einschlägigen Instituten (IQWiG) ausschließlich nach ihrer Effektivität, aber nicht nach ihrem Nebenwirkungsprofil beurteilt, sodass sie es auf dem Kassenmarkt schwer haben dürften. Leichter hat es da Cannabis: viele (junge) Erkrankte rauchen das Zeug wie Gras und jubeln damit ihr Rezidivrisiko in schwindelnde Höhen.

Ach ja die Gewichtszunahme: ist hauptsächlich durch medikamentös induzierte Insulinresistenz am Muskel zu erklären. Ein Versuch mit Metformin könne daher in manchen Fällen nicht schaden (wäre aber off label).

Wahnsinnswoche 2016:43

In dieser Woche 126 Patientenkontakte und 12 Terminausfälle.


Liebe Arbeitgeber und Koordinatoren für HR Culture and Development: mit gesunden und zufriedenen MitarbeiterInnen könnt ihr eure Produktivität, die Kundenzufriedenheit und damit euer Geschäftsergebnis signifikant stabilisieren und verbessern. Wenn ihr aber euren Betrieb endgültig ruinieren wollt, dann solltet ihr

  • eure langjährigen Mitarbeiter durch jahrelange, diffuse Kündigungsdrohungen verunsichern und verängstigen,
  • die Restbelegschaft nach erfolgten Kündigungen mit unerfüllbaren, widersprüchlichen Arbeitsaufträgen konfrontieren
  • und sie dann, wenn sie es erwartungsgemäß nicht schaffen, vor versammelter Mannschaft exemplarisch zur Sau machen.
  • Ihr solltet Urlaubspläne nur schleppend bearbeiten und dann auf den letzten Drücker ablehnen,
  • den Leuten während der Arbeit ständig auf die Finger gucken und Toilettenpausen akribisch dokumentieren lassen,
  • und die KollegInnen dann noch gegeneinander aufwiegeln, wenn es optimal laufen soll.

Pregabalin während der Schwangerschaft kann zu einer erhöhten Missbildungsrate beim Ungeborenen führen.


Je öfter man lügt, desto mehr wird es zur Gewohnheit. Üblicherweise werden beim Lügen die für Angst zuständigen Amygdala aktiviert, beim fortgesetzten Lügen aber immer weniger, sodass das Lügen immer leichter fällt. Betrüger fangen daher klein an und wagen sich im Laufe der Zeit an immer größere Lügen heran. [Studie bei Nature/Neuroscience 24.10.2016]


Was ist eigentlich eine Lichtheilstätte?


Jens Spahn (CDU) auf der StartupCon in Köln: “Datenschutz ist etwas für Gesunde”.

USA: Hacker machen schnelles Geld mit Millionen gestohlener Patientendatensätze.


Depression – die unterschätzte Massenkrankheit. Jeder Vierte leidet an Winterdepressionen. Plötzlich kriecht die Depression dir den Rücken hinauf, und du findest dich unten im Loch wieder. Da hilft ein heißes Bad.


Letzte Woche hab ich übrigens auch was zur Depression gesagt. Es gibt einen schrägen Kommentar dazu. cool


Notgedrungen muss ich mich spätabends noch mit dem Thema Asyl und Abschiebehindernisse befassen. Bundesärztekammer, DGPPN, BPtK und BAfF hatten sich seinerzeit gegen die Einführung beschleunigter Asylverfahren ausgesprochen. Die Politik hat danach entschieden, dass von der Abschiebung abgesehen werden soll, wenn dadurch “eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden“. (Nicht nur mein) Problem dabei ist, dass die Untersuchungen zur Einschätzung einer solchen Gefahr Zeit brauchen, die aber nicht immer zur Verfügung gestellt wird.


Mit der Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit steigt die Zahl der als depressiv diagnostizierten Menschen in psychiatrischen Kliniken zumindest in Dänemark sprunghaft an.


Captain Obvious: Psychopathen attackieren häufiger ihre PartnerInnen. Sie trinken auch tendenziell mehr Alkohol. Hoffentlich spielen sie keine Videospiele


In Mittelerde haben Sie das geringste Psychoserisiko.

Wahnsinnswoche 2016:42

In dieser Woche 129 Patientenkontakte und 14 Terminausfälle.


Bericht über die Selbsthilfe-Kontaktstelle in Wuppertal.


Liebes Jobcenter: Wenn einer meiner Patienten im Juni alle nötigen Unterlagen zur Berechnung des Leistungsanspruchs nachweislich einreicht und ihr dann im September die gleichen Unterlagen nochmal haben wollt (weil sie bei euch verschollen sind), dann im Oktober aber schonmal vorsorglich die Leistungen einstellt, dann habe ich dafür keinerlei Verständnis. Schon gar nicht, wenn es sich um einen Menschen mit schwerer Depression, massiven Existenzängsten und latentem Lebensüberdruss handelt. Beim nächsten Mal melde ich sowas der Krankenkasse, damit die bei euch einen sonstigen Schaden geltend machen kann.


Liebes Versorgungsamt (und anhängende Gutachter): Ich weiß ja, dass psychische Erkrankungen in den Bewertungsrichtlinien grundsätzlich schlechter bis gar nicht bewertet werden, weil ihr euch vorrangig auf körperliche Gebrechen eingestellt habt. Aber einem schwer angstkranken, depressiven und von Existenzsorgen geplagten Menschen lapidar mitzuteilen, er hätte keine Anfälle im Sinne des Gesetzes (Krampfanfälle vs. Angstanfälle), und ihm die Notwendigkeit einer Begleitperson abzusprechen (obwohl er die Wohnung seit Monaten und auf absehbare Zeit auch zukünftig) nur mit Begleitperson verlassen kann, das ist schon frech.


Ein neues Antipsychotikum (ITI-007, Lumateperone) ist in Entwicklung und soll bei Studien ähnlich gut wirksam wie beispielsweise Risperidon sein, aber kaum Nebenwirkungen haben. Allerdings soll in einer weiteren Studie auch die Wirksamkeit auf Placeboniveau liegen.


Der Placeboeffekt bei Antidepressiva soll nun doch wohl überschätzt worden sein.


Die Zusammenhänge zwischen Gehirntätigkeit und Körperfunktionen (Bluthochdruck, Diabetes, Stressreaktionen) werden weiter erforscht. Speziell der motorische Kortex ist an der Steuerung der Nebenniere beteiligt, und kognitive und emotionale (kortikale) Vorgänge beeinflussen vegetative Reaktionen im ganzen Körper.


Donnerstag, kurz nach drei. Plötzlich kein Telefon, kein Internet: DSL-Verbindung tot. Um vier die Störungsannahme der Telekom angerufen, Rückruf wurde bis fünf versprochen. Um sieben Uhr noch kein Rückruf, also nochmal nachgefragt. Ja, erm, ein Datenbankfehler. Sollte Freitag früh behoben werden. Freitagmittag: immer noch kein DSL. Beim Nachbarn mal angefragt: ja, da war das gleiche Problem um die gleiche Uhrzeit. Wurde Freitag früh behoben (irgend ein Bauteil im Verteilerkasten hundert Meter entfernt). Hm. Der Nachbar hat einen Privatkundenanschluss, ich einen Geschäftskundenanschluss mit 24-Stunden-Entstörservice. Und dessen Techniker wusste offenbar nix von meinem Problem (Luftline drei Meter entfernt). Also wieder die Hotline angerufen: leider könne man Freitag nichts mehr machen. Samstag um 12 kam dann ein freundlicher Techniker, der das Problem nach 45 Stunden innerhalb von 20 Minuten lösen konnte: Bauteil im Verteilerkasten ausgetauscht. Werde mal bei der Telekom nachfragen, ob es unter diesen Umständen nicht besser ist, einen Privatkundenanschluss zu buchen…


Syrische Kriegsflüchtlinge (Familie mit minderjährigen Kindern) in Begleitung einer ehrenamtlichen Helferin. Bisschen Englisch, ansonsten nur Zeichensprache. Im zwei Wochen alten Bescheid des Bundesamtes für Migration wird die freiwillige Rückkehr ins Kriegsgebiet innerhalb von 30 Tagen nahegelegt, sonst… Bei konkreten Hinweisen auf Ausreisehindernisse brauche ich aber Zeit für die sachgerechte Prüfung, wie vom Innenminister gefordert. Also kurze Info für den Rechtsanwalt mit Antrag auf Fristverlängerung, Termin im November angeboten. Kontext: [1] [2]


“Wahnsinn” im Netz: meist unreflektiertes Danebenreden. Kontextbeispiele: 10x Sport, 3x Theater, 3x Immobilien, 3x Film, je 1x Kernfusion, Finanzmärkte, Computerspiele, Straßenverkehr, Buchmesse, Post, Lokalpolitik, Sonnenfinsternis 2017, lokale Possen (hab auf der dritten Seite aufgehört). Immerhin ein Hinweis auf einen Fernsehfilm über die Schizophrenie!

Wahnsinnswoche 2016:41

In dieser Woche 168 Patientenkontakte und 10 Terminausfälle.


Depressionen erklärt von Torsten Sträter.


Ein Professor für Neurophilosophie stellt die Frage, warum Wissenschaftler das Gehirn untersuchen, wenn sie die Grundlagen psychischer Störungen entdecken wollen. Ist doch klar: weil das Gehirn Organ der Wahrnehmung, der Kognition, der Gefühle und der Handlungen ist. No brain, no pain. Er kritisiert aber zu Recht, dass die einseitige Ausrichtung auf Struktur und Funktion des Organs die soziale Dimension unserer Existenz vernachlässigt. Er macht beispielsweise die hohen (beruflichen) Anforderungen für die Entstehung psychischer Störungen mitverantwortlich (bio-psycho-soziales Modell), und er verurteilt die Verlagerung der Ursachen in das individuelle Gehirn als neoliberalistische Ideologie. Übrigens: im Durchschnitt fühlen sich 60 Prozent der Bundesbürger gestresst.


Zum Welttag der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober startete die zweite Staffel der Online-TV-Sendung Bar-TALK: In fünf Folgen spricht Moderator Markus Kavka mit Nova Meierhenrich, Stephanie Stumph, Nicholas Müller, Daniel Wirtz und Wana Limar über ihre persönlichen Erfahrungen zu den Themen Suizid und Depression. Hier geht’s zum Trailer. Den Bar-TALK mit Nova Meierhenrich können Sie auf frnd.tv ansehen. [1]


Captain Obvious: “Wer bereits in der frühen Pubertät Alkohol trinkt, hat häufiger seelische Beschwerden.”


Falsch, verboten und kriminell: die Kassen versuchen Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren. „Aus einer depressiven Stimmung eine echte Depression, das bringt 1.000 Euro mehr im Jahr pro Fall (ed: für die Kasse, nicht für den Arzt).“ Kontext: [2] [3] [4] [5]


Die Terminservicestellen braucht kein Mensch.


Überraschend: ein Selbstmordattentäter, der Selbstmord begeht sich suizidiert. Wer hätte damit rechnen können?


Bluthochdruck-Patienten, die Betablocker oder Kalziumantagonisten einnahmen, wurden ungefähr doppelt so häufig wegen einer Major-Depression oder einer bipolaren Störung im Krankenhaus behandelt, wie Patienten, denen Angiotensin-Antagonisten oder ACE-Hemmer verordnet wurden.


Gelähmter kann mit kortikalen Mikroimplantaten wieder etwas spüren. Kontext.