immer ich

warum muss eigentlich immer ich – die druckerpatronen wechseln, die druckerköpfe säubern, die papierschnipsel neben der mülltonne aufheben, den dreckschluckerteppich entfalten, die bananenschale aus dem papiermüll fischen, den server neubooten bei systemabsturz, den eltern sagen, dass die kinder nix essen sollen in der praxis und nicht durch alle untersuchungszimmer wuseln, der schülerin verklickern, dass eltern, die eine halbe stunde zu früh kommen, genau so unpünktlich sind, wie die, die eine halbe stunde zu spät kommen, und deswegen auch erst drankommen, wenn sie an der reihe sind, die bilderahmen grade hängen, die uraltspinnwebe wegputzen, den einen computer doppelt booten, den man jeden morgen doppelt booten muss, die werbung aus der post in den papiermüll werfen, die wartezimmerzeitungen entsorgen, wenn sie einfach nicht mehr als solche erkennbar sind, die neonröhren austauschen, das telefon am abend auf rufumleitung oder anrufbeantworter umstellen, die umverpackung von den papierhandtüchern entfernen, nachdem sie bereits in den papierhandtuchspender gesteckt wurden (wtf?), die monate alten aushänge von irgendwelchen kinderkleidermärkten vom schwarzen brett abhängen, im winter die aufforderung in den raum stellen, den weg vor der praxis zu fegenschippenzustreuen und im sommer, wenn die sonne in die fenster knallt, die vorhänge zu schließen, ebenso wie im winter, wenn es draußen dunkel ist und drinnen licht an und alle leute dann hineinstieren können, und warum muss ich immer all diese dinge besprechen … (lufthol!) obwohl ich das schon hunderttausendzillionenmal bei den hunderttausendunzähligen besprechungen besprochen habe?

buchempfehlung

michael winterhoff: warum unsere kinder tyrannen werden 

dieses buch wird bereits sehr kontrovers diskutiert, sieht man auch bei den "rezensionen" in amazon, aber es hinterlässt zumindest ein paar wichtige gedanken:

– einen normale psyche entwickelt sind nicht alleine, sondern braucht führung und begleitung
–  viel fehlverhalten der kinder heutzutage lässt sich auf eine unentwickelte psyche zurückführen
– kinder verharren daher in einer frühen entwicklungsphase, z.B. dem narzissmus
– kinder werden zu partnern gemacht, sind aber kinder
– probleme der eltern werden auf die kinder projiziert, manchmal sogar mit diesen (partnerschaftlich) diskutiert
– kinder sollten wieder als solche behandelt werden, d.h. für winterhoff: kinder brauchen regeln, führung, klare ablaufstrukturen. insbesondere muss ihnen vermittelt werden, was sie tun dürfen und was nicht. kinder können dies zunächst nicht selbst beurteilen (dürfen).

das klingt zunächst mal sehr streng und konversativ, aber nach winterhoffs meinung hat das erbe der 60/70er jahre der antiautoritären erziehung dazu geführt, dass die psychischen entwicklungsphasen des kindes nicht mehr durchlaufen werden und damit kinder "produziert" wurden, die im lustalter verharren und nie lernen werden, was regeln sind.

in jedem fall sehr lesenswert – auch zügig geschrieben und entsprechend lesbar – und für ein paar gedanken in jedem fall gut. 

russisches kinderheim

ich betreue einen vierjährigen jungen, der vor einem halben jahr aus einem russischen kinderheim adoptiert wurde. soweit so gut. im begleitbrief steht wie immer das gleiche: sprachentwicklung sei verzögert, rachitis habe das kind, eisenmangel liege vor usw. letzteres muss eine ostblock-epidemie sein – kaum ein kind, dem dies nicht angedichtet wird. auch die rachitis bestätigte sich hier nicht. die sprachentwicklung ist sicher auffällig – im deutschen sowieso, aber auch das russische sei sehr rudimentär entwickelt.

wer schon einmal einen bericht über russische kinderheime gesehen hat, wundert sich allerdings über entwicklungsauffälligkeiten nicht. oft große verwahranstalten ohne individuelle förderung. eine adoption ist dann eigentlich der segen schlechthin.

das kind ist entsprechend distanzlos. es umarmt mich, es küsst mich, es rennt auf jeden zu (aber auch von allen wieder weg). er hat vermutlich nie eine fremdelphase durchlebt, eine trotzphase wurde ihm auch nie zugestanden. der junge ist in seiner distanzlosigkeit sicher psychisch hoch auffällig. also eher zu nett. 

dies sind schicksale, die es gibt und die man dank der adoption vielleicht auf den richtigen weg bringen kann. was mich allerdings ärgert: die adoptivmutter.

der junge hat in seiner freundlichkeit das halbe untersuchungszimmer begutachtet einschließlich steckdosen, instrumenten, computer, kabeln etc. er hat sich mein stethoskop gegriffen, hineingebissen, aus einem miniloch in der untersuchungsliege einen krater gepopelt und seine windel – ja – ausgezogen und fallen gelassen.
aber: die adoptivmutter hat nichts-null-garnichts-niente-rien dazu gesagt. sie wolle ihm "jetzt erstmal seine freiheiten lassen nach dem schicksal der ersten jahre."
er geht auch noch nicht in einen normalen kindergarten, weil er sich "noch in die familie eingewöhnen soll".

aber so wird die förderung leider auch nicht beginnen. auf diese dinge angesprochen, bemerkt die mutter, sie sei "ja nun einfach so zu einem fertigen kind gekommen" und müsse das alles erst einmal lernen.

falsch. sie hat einen körperlichen vierjährigen bekommen mit einer psychischen entwicklung eines allenfalls 10 monate alten, ausgelöst durch soziale deprivation in den ersten lebensjahren. und jetzt frage ich mich, ob das funktionieren kann, wenn die mutter null konzept in der erziehung hat. sie fixierte sich auf die sprachentwicklung, bestand auf logopädie zum deutschlernen und störte sich an den x-beinen des jungen.

ohje. andere eltern werden mit ihren kindern gross, lernen ihre eigenheiten zu erziehen, auch da wird viel falsch gemacht. aber hier bei diesem jungen muss die förderung eigentlich eine professionelle sein. imgrunde muss eine solche adoptivmutter zumindest ahnung von kindererziehung haben, sonst droht eine komplette vernachlässigung.
und später wird es immer heißen, es sei das kinderheim in russland gewesen.

Fallsucht nicht gleich ein heiliger Platz

Epilepsie und eine Steigerung ist immer möglich. Der alte Begriff „Fallsucht“ ist für einige Eltern nicht nur unpassend, da es nicht die Epilepsie des Kindes in ihrer Form widerspiegelt, woran es leidet. Also wenn das Kind in einem Anfall „fällt“, dann kippt es nicht um, sondern läuft einfach weiter im richtigen Sinne des Wortes: Geht […]