Dauerhaft zutrittsberechtigte Lobbyisten aus dem Gesundheitssektor im Schweizer Parlament

Jede Parlamentarierin und jeder Parlamentarier darf zwei dauerhafte Zutrittsausweise ins Bundeshaus vergeben. Die zugelassenen Personen können der Ehegatte, ein persönlicher Berater oder ein Lobbyist sein. Die Ausweise ermöglichen Lobbyisten direkten und dauerhaften Zugang zu den Schweizer Parlamentariern. Neu ab dieser Legislatur wird das Register der erlaubten Zutritte im Internet veröffentlicht. Die Internetveröffentlichung ermöglicht eine einfache Analyse der Interessenverflechtungen der Parlamentarier.

Welcher Parlamentarier gibt welchem Lobbyisten Zutritt ins Bundeshaus? Welche Lobbyisten aus dem Gesundheitsbereich haben Zugang? Wie viele Pharmalobbyisten sind es?

Ich bin einmal das Zutrittsregister der National- und Ständeräte vom Dezember 2011 durchgegangen. Dabei habe ich alle Organisationen und Vertreter herausgesucht, die etwas mit dem Gesundheitssystem zu tun haben.

Parlamentarier Partei Rat Kanton Name Lobby
Barthassat Luc CVP NR VD Ricou Lionel CURAVIVA SUISSE (Verband Heime und Institutionen Schweiz)
Bortoluzzi Toni SVP NR ZH Martin Urs Privatkliniken Schweiz
Darbellay Christophe CVP NR VS Pilloud Xavier Réseau future (hautes écoles, universités, EPF, …)
Derder Fathi FDP NR VD Gaggini Cristina economiesuisse
Frehner Sebastian SVP NR BS Britt Jean-Christophe Novartis International AG (Public Affairs)
Fridez Pierre-Alain SP NR JU Wiesli Reto Médecins de famille suisse
Kiener Nellen Margret SP NR BE Glauser Rosmarie Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen- und Ärzte (VSAO)
Landolt Martin BDP NR GL Näf Urs economiesuisse
Lehmann Markus CVP NR BS Sennhauser Marcel scienceindustries
Lustenberger Ruedi CVP NR LU Fischer Judith SUVA
Mörgeli Christoph SVP NR ZH Pletscher Thomas economiesuisse
Parmelin Guy SVP NR VD Cueni Thomas Interpharma
Reimann Lukas SVP NR SG Simonet Denis Piratenpartei
Schenker Silvia SP NR BS Tschirky Erich Schweizerische Gesundheitsliga-Konferenz (GELIKO)
Spuhler Peter SVP NR TG Gentinetta Pascal economiesuisse
Stahl Jürg SVP NR ZH Miescher Alex SPORT/SFV
Stahl Jürg SVP NR ZH Grichting Thomas J. Krankenversicherer GROUPE MUTUEL
Streiff-Feller Marianne EVP NR BE Loetscher Ivo Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung (INSOS Schweiz)
van Singer Christian Grüne NR VD Frund Vinciane Médecins de famille Suisse
Wandfluh Hansruedi SVP NR BE Peyer Hans Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik (AWMP)
Hess Hans FDP SR OW Henggi Bruno Interpharma Basel
Maury Pasquier Liliane SP SR GE Güttinger Doris Fédération suisse des sages-femmes (SHV/FSSF) (Hebammenverband)

Dauerhaft zugangsberechtigte Lobbyisten aus dem Gesundheitssektor im Schweizer Parlament. Die Lobbyisten der Pharmaindustrie und der Krankenkassen sind rot markiert. Quelle: parlament.ch, Stand: Dezember 2011

Thomas Cueni, Cheflobbyist InterpharmaThomas Cueni, Cheflobbyist Interpharma, CC BY-SA 3.0 Interpharma

Interpharma ist die Pharmalobbyingorganisation in der Schweiz. Sie vertritt Novartis, Roche und weitere Pharmaunternehmen. Thomas Cueni ist Generalsekretär der einflussreichen Interpharma (Tagesanzeiger, 28. Juni 2007). Ihr Lobbying hat den Parallelimport von Medikamenten verhindert und damit überhöhte Preise für Medikamente gestützt. Dies hat schliesslich für jede Bürgerin und jeden Bürger (Krankenkassenprämienzahlern) höhere Krankenkassenrämien zur Folge (NZZ Online, 29. Mai 2009). Das Parlament gewichtete die Interessen der Pharmaindustrie höher als jene der Prämienzahler (= Bürger).

Ein Muster lässt sich erkennen: Die SP- und Grünenparlamentarier sind mit den Gesundheitsberufen (Hebammen, Haus-, Assistenz- und Oberärzte) verbunden. Die SVP- und FDP-Volksvertreter sind mit der Pharmagrossindustrie (Novartis und Interpharma) verbunden. Die SVP Vertreter ermöglichen also den «Kassiern» des Gesundheitssystems den Bundeshauszutritt und Lobbyingzugang bei den anderen Bundesparlamentariern. Die Mitteparteien CVP und BDP ermöglichen den Wissenschaftsvertretern (Réseau future und scienceindustries) Zugang.

Ob die Berufsangaben der Zutrittsberechtigten in der Liste stimmen, ist ein anderes Thema (20 Minuten, 21.12.2011).

Guy Parmelin, SVP Nationalrat und WeinbauerGuy Parmelin, SVP Nationalrat und Weinbauer © Das Schweizer Parlament

Wie kommen die Lobbyisten und die Parlamentarier zu einander? Was ist der Ausschlag, dass beispielsweise der SVP Nationalrat und Weinbauer Guy Parmelin dem Interpharma Cheflobbyisten Thomas Cueni einen Zutritt ins Parlament verschafft? Ist es Idealismus?

«Es würde mich bei manchen Einträgen interessieren, ob die Ausweise verkauft oder einfach so abgegeben wurden. Denn es soll vorkommen, dass für eine Zutrittskarte 10’000 Franken oder mehr geboten werden.» Denis Somonet, Präsident Piratenpartei

Diese Liste erfasst nicht alle Lobbyisten, denn einige Parlamentarier treten für Verbände selbst als Lobbyisten auf und ehemalige Parlamentarier haben lebenslangen unbeschränkten Zutritt ins Bundeshaus. Aus diesem Grund werden ehemalige Parlamentarier gern als Lobbyisten eingespannt. Der bekannteste darunter ist sicher der ehemalige FDP Nationalrat Gerold Bührer. Er ist Präsident von economiesuisse, dem schlagkräftigsten Wirtschaftsverband der Schweiz.

Bemerkenswert ist, dass Lukas Reimann, der Initiator der Transparenzinitiative, einem anderen Parteipräsidenten Zutritt ins Bundeshaus verschafft. So hat Denis Simonet, Präsident der neuen und noch kleinen Piratenpartei, Zugang ins Bundeshaus. Wie es dazu kam hat Denis Simonet in seinem Blog beschrieben. Die Piratenpartei tritt für einen transparenten Umgang von Behördeninformationen und für den Schutz der persönlichen Daten ein.

Denis Somonet hat in seinem Blogartikel Wer geht mit wem? ebenfalls eine Auswertung der Lobbyingzutritte gemacht.

Der Beobachter hat einen Artikel zu diesem Thema gedruckt, siehe dazu den Blogartikel Volksvertreter oder Firmenvertreter? Im früheren Blogartikel Geht wählen! Achtet auf die Interessenbindungen der Kandidaten! habe ich auf das Interessenbindungsregisters der Parlamentarier hingewiesen.

Zusammenfassung

Die SVP Vertreter ermöglichen den grossen «Kassierern» des Gesundheitssystems den dauerhaften Bundeshauszutritt und ermöglichen so dauerhaftes Lobbying bei den gewählten Bundesparlamentariern (= Volksvertreter).


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Patientenschützerin Margrit Kessler in den Nationalrat gewählt [akt. 1]

Wie sehen die National- und Ständeratswahlen aus Patientensicht aus?

Margrit Kessler, glp, St. Gallen

Patientenschützerin Margrit KesslerPatientenschützerin Margrit Kessler (Quelle: margritkessler.ch)

Margrit Kessler wurde von der Bevölkerung des Kantons St. Gallen als neue Nationalrätin gewählt. Sie ist bereits durch ihren engagierten Einsatz als Präsidentin der Schweizerischen Stiftung Patientenschutz (SPO) bekannt ist. Sie gehört der grünliberalen Partei an.

Als Patientenschützerin möchte ich die Patienteninteressen auch im Nationalrat vertreten. Auf nationaler Ebene sind das Gesundheitswesen und seine Kosten immer wieder ein Thema. Wir stellen immer wieder fest: Die Lobby der Krankenkassen ist im Parlament überdurchschnittlich gut vertreten. Die Stimme der Patienten hingegen fehlt weitgehend. Es ist jedoch unverzichtbar, dass bei einer Gesetzgebung oder bei einer Gesetzesänderung auch die Stimme der Patienten vermehrt berücksichtigt wird.

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MS Betroffene Nationalrätin Ada MarraMS Betroffene Nationalrätin Ada Marra (Quelle: adamarra.blogspot.com)

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Hinweis: MS heisst auf französisch Sclérose en Plaques, Abk. SEP.

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