Deutsch, atheistisch, türkeistämmig – Web-Interview mit Cem Erkisi

Schon vor einem halben Jahr bloogte ich über die Glaubenskrise (auch) unter vielen Muslimen und zur aktuellen Ausgabe des diesseits-Magazins habe ich einen Artikel über die Krise der islamischen Traditionen und der “Islamisierungsthesen” beigesteuert: Denn so viel über die Radikalisierungen kleinerer Gruppen berichtet wird, so wenig wird bislang über die wachsende Distanz und Kritik vieler Menschen zur Religion in der “islamischen Welt” selbst berichtet. Tatsächlich gab es schon früher wie “im Westen” auch Säkularisierungsbewegungen – nun hinterfragen, wie in Europa nach dem 30jährigen Krieg, auch immer breitere Schichten immer lauter den Glauben. Dazu interviewe ich heute einen Facebook-Diskussionspartner: Cem Diyar Erkisi, gebürtigen Duisburger, Wahlberliner & Pädagoge. Mein heutiger Web-Interviewpartner: Cem Diyar Erkisi. Foto: Selbst

Newsblog Mai 2016 mit Veranstaltungskalender und Osman-Normal-Muslim

Erst einmal allen, die es begehen, ein gesegnetes Christi Himmelfahrt! Gerne hätte ich heute – am Vatertag – keine Zeit zum Bloggen gefunden, doch leider hat uns mein Vater Falko allzu früh verlassen. Immerhin eröffnet mir dies die Möglichkeit, einmal meinen Lieblingsspruch des genial-verrückten Erich Fried (1921 – 1988) zu posten, in dem meines Erachtens ganz verschiedene Facetten des menschlichen Lebens, Liebens und auch Denkens aufscheinen: Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt. Mein Lieblings-Kalenderspruch. Foto: Michael Blume

1979 – 2019. Bricht der staatliche Islamismus an der Ölschwemme zusammen?

Morgen Abend (am 3.5.2016) bin ich auf Einladung des Fritz-Erler-Forums der Friedrich-Ebert-Stiftung Podiumsgast einer Diskussion zu ihren “Handlungsempfehlungen zur Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus und Islamfeindlichkeit” (Klick zum pdf-Download) in Stuttgart. Die FES-Handlungsempfehlungen. Die Fingerabdrücke bitte ich zu entschuldigen, ich lese v.a. in Bus und Bahn… Foto: Michael Blume Insgesamt finde ich die Handlungsempfehlungen überwiegend überzeugend – jedoch mit einer starken Einschränkung: Sie betrachten nur das Inland und nicht die Förderung des Islamismus z.B durch Saudi-Arabien und die Förderung von Nationalismus und Islamfeindlichkeit z.B. durch Russland. Hier stehen uns aber, so meine Einschätzung, größere Umwälzungen in der “Weltinnenpolitik” noch bevor…

Stolz auf osmanisch-türkische Eroberungen, empört über westlichen Imperialismus. Ein rationales oder narratives Phänomen?

Zu meinem sciebook über “Öl- und Glaubenskriege” erreichen mich immer wieder sehr interessierte und erfreuliche Reaktionen – und zwar sowohl von christlichen und konfessionsfreien wie auch von muslimisch-sunnitischen, alevitischen und yezidischen Leserinnen und Lesern. Manche fügen auch eigene Beobachtungen oder Fragen hinzu, so dass sich mitunter vertiefende Dialoge ergeben. Dabei fällt mir jedoch ein Phänomen ins Auge, dass ich hiermit vorstellen möchte: Unterschiede in der Deutung osmanischer und westlicher Eroberungen. Das sciebook über die “Öl- und Glaubenskriege” löst vielerlei Reaktionen über Religions- und Herkunftsgrenzen hinweg aus. Foto: Michael Blume Die meisten der deutschsprachigen Leserinnen und Leser lehnen Eroberungskriege generell ab – egal, zu welcher Zeit und ob sie nun von Deutschen, Franzosen, US-Amerikanern, Osmanen oder Russen durchgeführt wurden. Diese Einschätzung ist – bei Unterschieden in Details – durchaus auch herkunfts- und religionsübergreifend und wird beispielsweise auch von muslimischen Deutschkurden, alevitischen oder yezidischen Deutschtürken geteilt. Eine bemerkenswerte Ausnahme bilden jedoch Deutschtürken sunnitisch-muslimischen Glaubens: Hier treffe ich häufig auf Aussagen, nach denen man “stolz” auf die osmanischen Eroberungen etwa von Konstantinopel und des Balkans sei – aber zugleich besonders empört über die zeitlich früheren Kreuzzüge und den westlichen Imperialismus ab dem 18. Jahrhundert. Die osmanischen Eroberungskriege seien also moralisch gerechtfertigt gewesen, die davor liegenden Kreuzzüge und die folgenden westlichen Kriegszüge aber nicht.

Religiosität in Hirn- und Evolutionsforschung beim ZIT Münster

Das Zentrum für islamische Theologie in Münster (ZIT) gehört mit den Professoren Mouhanad Khorchide und Milad Karimi zu den hörbarsten Stimmen einer innerislamischen Erneuerung, die sich gegen Hass, Extremismus und fehlende Bildung stemmt. Zuletzt ist z.B. das Debattenbuch von Prof. Khorchide und Hamed Abdel-Samad: “Zur Freiheit gehört, den Koran zu kritisieren”. Vor drei Jahren war ich schon mal zu einem Vortrag zum Thema “Zeit, Evolution und Glaube” eingeladen worden – und habe mich nun über eine weitere Einladung zu einemweiter

Religionsforschung und Schlagzeilen – Soziale Kognition zwischen geizigen Religiösen, psychopathischen Atheisten und religiös geborenen Frauen

In den letzten Jahren hat die Evolutions- und Kognitionsforschung zur Religiosität einen enormen Aufschwung erlebt – entsprechend erscheinen inzwischen nahezu wöchentlich neue, auch bemerkenswerte Studien. Im Kampf um das knappe Gut der Aufmerksamkeit greifen Medien – und manchmal auch die Forschenden selbst – gerne auf “Zuspitzungen” zurück. Binnen Stunden erreichen mich diese dann immer wieder via Twitter und Facebook, verbunden mit der Frage, was “davon zu halten” wäre. Macht “Religion Kinder geizig” wie Telepolis im November – unter dem Jubel von Religionskritikern – titelte? Oder ist nun bewiesen, “Was Atheisten und Psychopathen gemeinsam haben”, wie FOCUS Online am 25.03. textete, gefolgt von einer Beschwerde beim Deutschen Presserat durch die Humanistische Alternative Bodensee (HABO)? Dank Facebook immer auf dem Laufenden über die neuesten “Zuspitzungen”. Screenshot von meinem Facebook-Profil… Sobald es die Zeit erlaubt, schaue ich mir die verlinkten Presseartikel und Studien dann natürlich auch gerne an – wobei sich regelmäßig herausstellt, dass die eigentlichen Ergebnisse sehr viel feiner, vorläufiger und auch interessanter sind als die um Aufmerksamkeit heischenden Schlagzeilen. Aber so ist nun mal das mediale Leben – und immerhin können wir mittels Wissenschaftsblogs ja auch diejenigen informieren, die gerne “etwas tiefer” schauen und sich nicht nur je nach Vorurteil freuen oder aufregen wollen. Also – was ist hier los? Sind Religiöse nun geiziger, Atheisten nun psychopathologischer und Frauen religiöser?

Interreligiöse (christlich-islamische) Ehe in Theorie und Praxis – Zehra, Michael, erzählt doch mal!

Religionswissenschaftler können religiös sein, müssen aber nicht. Viele sind es ausdrücklich nicht – mein Doktorvater Prof. Günter Kehrer ist beispielsweise ein bekannter Religionskritiker. Für die wissenschaftliche Arbeit ist diese Vielfalt jedoch eher reizvoll: Denn wie andere empirische Wissenschaften auch gehen wir nicht von Glaubensannahmen aus, sondern von Sachverhalten, die unabhängig von Religion oder Weltanschauung überprüft werden können (zum Beispiel die durchschnittlich höhere Kinderzahl von Religiösen). Daher fühle auch ich mich am wohlsten und sichersten, wenn ich einfach sachlich informierend von den vielfältigen Befunden der Religionswissenschaft und von den Themen meiner Bücher berichten kann (denn wie wohl jeder Autor freue ich mich über jede Leserin und jeden Leser). Doch immer wieder kommt es natürlich vor, dass Menschen auch darüber hinaus wissen wollen, wie ich es “eigentlich selbst” hielte mit dem Glauben und Beten. “Sind Sie eigentlich selbst religiös, Herr Blume?” – “Stimmt es, dass Sie mit einer Muslimin verheiratet sind?” – “Kann das funktionieren, so mit zwei Religionen?” – “Sind Ihre Kinder getauft?” – “Was sagt denn Ihre Frau zu Ostern?” – “Haben Sie beide denn keine Angst davor, dass einer von Ihnen in die Hölle käme?” Denn, klar: Für die meisten Menschen ist “Religion” eben gerade nichts Abstraktes (“Objektives”), sondern etwas sehr Persönliches (“Subjektives”). Auch haben viele – etwa junge Paare oder religiöse Amtsträger – auch wirklich ein Bedürfnis zu erfahren, was sich bewährt hat und was nicht. Also haben meine Frau und ich uns schließlich entschieden, auf ehrlich gemeinte und angemessene Fragen auch ehrlich und höflich zu antworten. Zwarweiter

Netzkultur nach Paris und Brüssel: Trauerkritik, Terrorangst, Antisemitismus und das Gift der Menschenfeindlichkeit

Es war wohl mal wieder Zeit für einen neuen Verschwörungsvorwurf in meiner persönlichen Sammlung: Nachdem ich vor vielen Jahren mal als vermeintlich “heimlicher Muslim” ausgespäht, dann von Rechtsextremen als “Islamfreund” angeklagt und bei Antitheisten als “evangelikaler Religiot” ausgezeichnet worden war, darf ich mich nun auch über das Prädikat des “christlichen Zionisten” freuen. Vielen Dank! Hintergrund war eine Facebook-Debatte zur “Trauerkritik”, wie sie inzwischen nach jedem Terroranschlag in Europa seit Paris im Januar 2015 erhoben wird – entsprechend hat sich bemerkenswerterweise eine jeweils französische Schreibweise der Mitleidsbekundungen durchgesetzt. Der Vorwurf der “Trauerkritiker” lautet, dass viele angesichts europäischer Opfer “jetzt plötzlich” Betroffenheit zeigten, für die Toten der Anschläge etwa in Ankara oder Istanbul aber keine Empathie gezeigt hätten. Dagegen wird dann wiederum vorgebracht, dass dies doch wohl menschlich sei und beispielsweise Deutsch-Türken doch auch kaum Trauer um die Toten von Boston, Bagdad, Beirut oder Yola (Nigeria) demonstriert hätten. Unter dem Stichwort des “Empathy Gap” wird dieser Sachverhalt schon seit einiger Zeit und auch international diskutiert. Mit welchem Leid identifizieren wir uns mehr oder weniger? Hashtag-Sammlung rund zur Netz-Trauerkritik. Nun hatte ich mir also erlaubt, in diesen Debatten darauf hinzuweisen, dass ich auch emotional unterschiedliche Betroffenheiten je nach regionaler und kultureller Nähe (also klassischer Gruppenzuschreibung) durchaus nachvollziehen könne, es mir aber schon reichen würde, wenn sich niemand mehr über zivile Opfer von Terrorattentaten freuen würde – zum Beispiel auch in Israel. Der Terrorismus könne nur niedergerungen werden, wenn jede Unterscheidung in “gerechtfertigten” oder “ungerechtfertigten” Terror unterlassen und stattdessen Angriffe auf Zivilisten in jederweiter

Das Yezidentum und die Neuen Medien: Ein Phänomen, an dem wir lernen können

Hach, Erinnerungen: Vor recht genau 13 Jahren reichte ich meine Magisterarbeit über die Identitätsbildung neuer Muslime bei der Universität Tübingen ein. Schon damals faszinierte mich die Wirkung des Internets auf das auch religionsbezogene Selbstverständnis von Menschen und so hatte ich für die Arbeit per eMail “30 Online-Interviews” erhoben – was damals noch ziemlich “innovativ” war. Hätte ich heute noch einmal die Chance, zu Religion & (neuen) Medien zu forschen, so würde ich auf das Phänomen des Yezidentums hinweisen, denn hier vollzieht sich derzeit etwas religionsgeschichtlich Einzigartiges! 1. Das Yezidentum verstand sich traditionell als mündlich tradierte Religion, dessen Lehren über religiöse Kasten (Scheichs und Pirs) an die Basis (Muriden) weitergegeben wurde. Doch binnen weniger Jahrzehnte gewinnt die Schriftlichkeit enorm an Bedeutung: Dabei lernen Yezidinnen und Yeziden als Schriftsprachen meist gar nicht ihre Muttersprache Kurmandschi, sondern Arabisch (Irak & Syrien), Türkisch (Türkei) und in den Einwanderungsländern schließlich Englisch, Französisch, Georgisch oder – besonders häufig – Deutsch. Das erste akademisch-theologische Institut für das Yezidentum wurde gerade in Georgien eröffnet.

Verschwörungstheorien – Verschwörungsglauben als religiöse Herausforderung

Das Thema “Verschwörungstheorien” beschäftigt mich ja nun schon seit Jahren und unter anderem habe ich dazu Bücher des Mediziners Thomas Grüter und die Dissertation des Psychologen Sebastian Bartoschek rezensiert. Seit einigen Monaten bereiten letzterer, die Sozialpsychologin Pia Lamberty und ich nun auch eine Tagung zum Thema “Verschwörungstheorien” vor, die am 11. September 2016 mit Dr. Heinz-Hermann Peitz im Tagungshaus Weingarten der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart stattfinden soll. Der “Call for Papers” war sehr ertragreich und hat uns vor einige schwere Entscheidungen gestellt. Selbstverständlich wird es zur Tagung hier auch noch ausführlichere Informationen und dann auch einen Tagungsbericht geben! Dies und die teilweise heftigen Erfahrungen im Irak haben mich nun dazu bewogen, das Thema endlich auch aus religions- (und politik-)wissenschaftlicher Sicht über Vorträge hinaus zu erschließen. So halte ich…