Reichlich Medikamentenmuster bei Qlaira®?

Nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) dürfen die Pharmaunternehmen nur zwei Musterpackungen jedes Jahr an den Arzt abgeben.

§47 Arzneimittelgesetz
(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels.

Es gibt Hersteller, die das sehr genau nehmen und von ihrem Aussendienst Nachweise verlangen, wo die Muster gelandet sind. Andere sehen das besonders bei Markteinführungen nicht so eng und verteilen grosszügig entgegen den Vorschriften des AMG Medikamentenpackungen unter die Ärzte.

Zu den letzteren scheint Bayer im Falle der neuen Verhütungspille Qlaira® (gesprochen Klära) zu gehören. Im Internet findet man immer wieder Berichte von Frauen, die zwei oder gar drei Monatspackungen von ihrem Frauenarzt in die Hand bekommen haben. Und dies, obwohl die Medikamentenmuster üblicherweise mit Vorliebe unter den Angestellen der Praxis ihre Verwendung finden. Sozusagen als Ausgleich für den Stress und das karge Gehalt.

Nachzuvollziehen wäre ein nachlässiger Umgang mit der Begrenzung der Medikamentenmuster als Teil des Marketings. Kontrazeptiva sind Selbstzahlerinnenpillen, Qlaira® das teuerste Produkt auf dem Markt und es gibt kaum zwingende Gründe, die zum Teil längjährige Anwenderinnen eines Konkurrenzpräparats zum Umstieg bewegen würden. Die Pille greift tief in den Hormonhaushalt der Patientinnen ein – mit entsprechenden Nebenwirkungen, was lustiges Ausprobieren zum unkalkulierbaren Risiko zumindest für das Wohlbefinden macht. Einmal die intransparente Datenlage aussen vor zu lassen, die eigentlich für die Ärzte ein Grund zum zurückhaltenden Umgang mit den Medikamentenmustern sein sollte.

a-t kritisiert intransparente Datenlage zu Qlaira®

Der unabhängige Arzneimittel-Informationsdienst “arznei-telegramm” (a-t) hat sich in der aktuellen Ausgabe die neue Verhütungspille Qlaira® (gesprochen “Klära”) angesehen und kommt zu einem negativen Ergebnis:

Aufgrund des geringen Erprobungsgrades und des Fehlens nachvollziehbarer Daten raten wir von QLAIRA ab.

Besonders die intransparente Studienlage, die keine gesicherte Bewertung zulässt, halten die Autoren für inakzeptabel.

Keine der drei zulassungsrelevanten multizentrischen klinischen Studien ist vollständig veröffentlicht, sodass sich die Zuverlässigkeit der neuen Kombination nicht hinreichend beurteilen lässt.

Das Risiko venöser Thromboembolien unter QLAIRA ist nicht bekannt (6). Insgesamt ist die Datenlage für Dienogest-haltige Kontrazeptiva hier weiterhin unzureichend: Zwei Fallkontrollstudien dazu sind bis heute nur als “Zusammenfassung” (10) oder gar nicht publiziert (11) und daher nicht beurteilbar. Beide wurden – wie auch entsprechende Untersuchungen zu anderen ursprünglich von Schering/Jenapharm entwickelten Verhütungsmitteln, beispielsweise zum Thromboembolierisiko Drospirenon-haltiger Kontrazeptiva (YASMIN u.a.) oder zum Brustkrebsrisiko der Hormonspirale MIRENA -, von einem in Berlin ansässigen Institut durchgeführt, das von dem ehemaligen Schering-Mitarbeiter J. DINGER und dem für seine Nähe zur Industrie bekannten L. HEINEMANN geleitet wird (vgl. a-t 2007; 38: 95-6).

Ein ziemlicher Kontrast zu dem überschwänglichen Jubel der Publikumsmedien und der in den Berichten zitierten Experten.

Bayer weiss was Frauen wollen

Die Begeisterung der österreichischen Medien über die neue Verhütungspille Qlaira®, ausgesprochen Klära, nimmt kein Ende. Die Zeitschrift “news leben” widmet sich in der Juni-Ausgabe ganzseitig der “natürlichen Pille”, die “Frauen wollen”, glaubt man der Überschrift.

Für news Leben stellt sich als Expertin OA Dr. Monika Schaffer in den Ring, die ebenfalls Anfang August bei der von Bayer Schering Pharma gesponserten “aks Sommerschule”, einem Fortbildungskongress im schönen sommerlichen Bregenz zur Festspielzeit, “Die neue Pille mit natürlichem Östrogen” pdf-Dateivorstellen wird.

Der Artikel geht das Thema von der Marketingseite an und zitiert nicht näher beschriebene Umfragen, nach denen “eine moderne Pille nicht nur gut verträglich und ein möglichst geringes gesundheitliches Risiko darstellen, sondern auch noch einen Zusatznutzen haben” soll. Den kennen wir schon aus den anderen Zeitschriftartikeln: Menstruationsbeschwerden lindern und eine positive Wirkung auf Haut und Haare. Diese Kriterien werden geschickt mit Qlaira® verbunden, indem im nächsten Satz gesagt wird, dass 55% der befragten Frauen zu einer Pille mit naturidentischem Hormon wechseln würden. Was nebenbei die Umsatzerwartungen von Bayer verdeutlicht und den Marketingaufwand erklärt.

Die Expertin darf eine vergleichweise abgehobene Stellungnahme abgeben.

Die neue Pille ist eine Annährerung an eine fast natürliche Verhütung. Sie erweitert unsere Therapiemöglichkeiten und ist eine Bereicherung für die Frau in ihrer Auswahl und sehr sicher.

Was ist eine natürliche Verhütung? Und seit wann bedarf das Risiko schwanger zu werden einer Therapiemöglichkeit?

Auch bekannt aus anderen Jubel-Berichten, die erwähnten positiven Effekte auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden und die “deutlich weniger Nebenwirkungen”. Alles “laut Studien” bestätigt. Dennoch: Zu der am meisten relevanten Nebenwirkung, dem Thromboserisiko, gibt es für Qlaira® und andere Dienogest-haltige Kontrazeptiva bisher keine veröffentlichten Daten. Und um noch einen draufzusetzen schliesst der Beitrag mit dem Hinweis, dass die neue Pille Frauen “viel besser in die Wechseljahre gleiten lässt”. Marketingaussagen die weder mit Studien gedeckt sind, noch mit der in den Fachinformationen angebenen Indikation übereinstimmen.

Marketing-Kniffel

Miss Q plaudert für Bayer Vital über den Q-Punkt
Im Winter hatte ein agenturübergreifendes Team aus Heye DDB Health, PR!NT und Red Urban den Pitch von Bayer Vital für eine neue Pille gewonnen. Jetzt ging es um die Umsetzung der Ideen. Besonders knifflig: eine Webseite für ein Produkt zu verwirklichen, dessen Name nicht genannt werden darf, die aber dennoch auf das Produkt einzahlt.

Aus dem internen Newsletter der Heye Group “any monday” Ausgabe Nr_35.

Das Heilmittelwerbegesetz ist knifflig?

Begeisterungsstürme in Österreichs Medien…

Österreichs Frauen erlebten in den letzten Wochen eine Werbeoffensive ohnegleichen, die sie von der neuen Verhütungspille Qlaira® (gesprochen “Klära”) des Pharmakonzerns Bayer Schering überzeugen sollte. Werbung für ein rezeptpflichtiges Medikament? So muss man jedoch die redaktionellen Artikel nennen, in denen die Antibabypille gefeiert worden ist. Journalismus war das nicht, sondern plumpe PR.

In der Frauenzeitschrift “Woman” wird das Medikament trendig als “neues Modell auf dem Markt” beschrieben und mit Handelsnamen genannt. Im Artikel kommen zwei Experten zu Wort. Dr. Claudia Linemeyer-Wagner, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung, die schon früher in Pressemitteilungen von Bayer Austria auftreten ist, und Prof. Ludwig Wildt von der Uni Insbruck.

Die Gynäkologin erklärt, dass “die Neue” einige positive Effkte berge:

Die Blutungen werden schwächer, was für viele eine Erleichterung ist, das Hautbild verbessere sich, und: Sie hat keine Auswirkungen auf das Körpergewicht.

Alles Aussagen, die werblich sind, da sie die Indikation der Pille nicht betreffen, und aufgrund der dürftigen Studienlage und kurzen Erfahrung mit dem Kontrazeptivum spekulativ erscheinen.

In die gleiche Kerbe haut das Gesundheitsmagazin der Kronen-Zeitung. Hier ist es Prof. Doris Gruber, die von der Verträglichkeit, die positive Wirkung auf Haut und Haare und die kürzeren Blutungen schwärmen darf.

Glaubt man dem Bericht soll Qlaira® “so natürlich wie die Natur selbst” sein. Eine mutige Aussage dafür, dass für den Wirkstoff keine Eierstöcke ausgepresst werden, sondern er chemisch synthesisiert ist, also höchstens “naturidentisch”.

Bei soviel positiven Eigenschaften stellt sich die Frage, ob die Verhütung nicht eine erwünschte Nebenwirkung ist. Die Krone gibt die klare Antwort darauf:

Und die kleinen Pillen sind auch dann nützlich, wenn es einmal gar nichts zu verhüten gibt. Dann tut sie was für die Schönheit, man sieht’s an Haut und Haaren.

Im Schlusssatz wird die Message noch mal leserinnenfreundlich für die Fastfood-Generation auf dem Punkt gebracht: Man braucht Äpfel nur mehr zu essen, wenn sie einem schmecken.

Für das Nachrichtenmagazin “news” tritt der “Top-Gynäkologe” Sepp Leodolter an – der hier im Blog schon zu Ehren kam. Leodolter erläutert die Erwartungen des Pharmamarketings an eine neue Verhütungspille: “Heute muss sie nicht nur möglichst keine Nebenwirkungen haben, sondern auch Zusatznutzen erfüllen”.

Gut, dass news die Vorteile von Qlaira® eindrucksvoll aufzählt: Gute Verträglichkeit mit besserem emotionalen Wohlbefinden, kürzere Blutungen, geringerer potentieller Libidoverlust, und erst am Ende die Verhütungssicherheit. Eine “Pille für alle”:

Sie ist nämlich für junge Frauen ebenso anwendbar wie für Frauen kurz vor dem Klimaterium. Kurzum: Die neue Pille lässt die Frau “sanfter” in die Wechseljahre gleiten.

Bei soviel Schmäh darf “Apotheker Mag. pharm. Kurt Vymazal” nicht fehlen, unter dessen Namen in der Kronen-Zeitung einmal wöchentlich über rezeptpflichtige Medikamente anhand von Indikatioen geschrieben wird. Insidern zufolge eine äusserst beliebte Kolumne für Pharmaunternehmen, die gerne über den Umweg der hauseigenen PR-Agentur bezahlt wird.

Nach der sich überschlagenden Begeisterung in den anderen Printmedien eine verstörend nüchterner Text.

Das in der Kombination eingesetztes Estradiolvalerat ist mit dem im Körper vorkommenden natürlichen Östrogen identisch.

Bei soviel Anbiederung und Marketinggeschreibsel scheint ein “Vymazal” ein auslaufendes Modell für die Pharma-PR zu sein.

Klära entfacht Begeisterungsstürme in Österreichs…

Österreichs Frauen erlebten in den letzten Wochen eine Werbeoffensive ohnegleichen, die sie von der neuen Verhütungspille Qlaira® (gesprochen “Klära”) des Pharmakonzerns Bayer Schering überzeugen sollte. Werbung für ein rezeptpflichtiges Medikament? So muss man jedoch die redaktionellen Artikel nennen, in denen die Antibabypille gefeiert worden ist. Journalismus war das nicht, sondern plumpe PR.

In der Frauenzeitschrift “Woman” wird das Medikament trendig als “neues Modell auf dem Markt” beschrieben und mit Handelsnamen genannt. Im Artikel kommen zwei Experten zu Wort. Dr. Claudia Linemeyer-Wagner, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung, die schon früher in Pressemitteilungen von Bayer Austria auftreten ist, und Prof. Ludwig Wildt von der Uni Insbruck.

Die Gynäkologin erklärt, dass “die Neue” einige positive Effkte berge:

Die Blutungen werden schwächer, was für viele eine Erleichterung ist, das Hautbild verbessere sich, und: Sie hat keine Auswirkungen auf das Körpergewicht.

Alles Aussagen, die werblich sind, da sie die Indikation der Pille nicht betreffen, und aufgrund der dürftigen Studienlage und kurzen Erfahrung mit dem Kontrazeptivum spekulativ erscheinen.

In die gleiche Kerbe haut das Gesundheitsmagazin der Kronen-Zeitung. Hier ist es Prof. Doris Gruber, die von der Verträglichkeit, die positive Wirkung auf Haut und Haare und die kürzeren Blutungen schwärmen darf.

Glaubt man dem Bericht soll Qlaira® “so natürlich wie die Natur selbst” sein. Eine mutige Aussage dafür, dass für den Wirkstoff keine Eierstöcke ausgepresst werden, sondern er chemisch synthesisiert ist, also höchstens “naturidentisch”.

Bei soviel positiven Eigenschaften stellt sich die Frage, ob die Verhütung nicht eine erwünschte Nebenwirkung ist. Die Krone gibt die klare Antwort darauf:

Und die kleinen Pillen sind auch dann nützlich, wenn es einmal gar nichts zu verhüten gibt. Dann tut sie was für die Schönheit, man sieht’s an Haut und Haaren.

Im Schlusssatz wird die Message noch mal leserinnenfreundlich für die Fastfood-Generation auf dem Punkt gebracht: Man braucht Äpfel nur mehr zu essen, wenn sie einem schmecken.

Für das Nachrichtenmagazin “news” tritt der “Top-Gynäkologe” Sepp Leodolter an – der hier im Blog schon zu Ehren kam. Leodolter erläutert die Erwartungen des Pharmamarketings an eine neue Verhütungspille: “Heute muss sie nicht nur möglichst keine Nebenwirkungen haben, sondern auch Zusatznutzen erfüllen”.

Gut, dass news die Vorteile von Qlaira® eindrucksvoll aufzählt: Gute Verträglichkeit mit besserem emotionalen Wohlbefinden, kürzere Blutungen, geringerer potentieller Libidoverlust, und erst am Ende die Verhütungssicherheit. Eine “Pille für alle”:

Sie ist nämlich für junge Frauen ebenso anwendbar wie für Frauen kurz vor dem Klimaterium. Kurzum: Die neue Pille lässt die Frau “sanfter” in die Wechseljahre gleiten.

Bei soviel Schmäh darf “Apotheker Mag. pharm. Kurt Vymazal” nicht fehlen, unter dessen Namen in der Kronen-Zeitung einmal wöchentlich über rezeptpflichtige Medikamente anhand von Indikatioen geschrieben wird. Insidern zufolge eine äusserst beliebte Kolumne für Pharmaunternehmen, die gerne über den Umweg der hauseigenen PR-Agentur bezahlt wird.

Nach der sich überschlagenden Begeisterung in den anderen Printmedien eine verstörend nüchterner Text.

Das in der Kombination eingesetztes Estradiolvalerat ist mit dem im Körper vorkommenden natürlichen Östrogen identisch.

Der Anbiederung und dem Marketinggeschreibsel zu urteilen, scheint “Vymazal” ein auslaufendes Modell für die Pharma-PR zu sein.