Und er lächelte zufrieden.

Er liegt nun auf seinem Bett, die Augen geschlossen, mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Die letzten Nächte hatte er eigentlich gar keine Miene gezeigt, er war komatös. Eine Ablaufsonde hing ihm aus der Nase, daß er nicht ständig erbreche, und Infusionen tröpfelten langsam in seinen ausgemergelten Körper. Nur bei Schmerzen zeigte er Unruhe, aber dank Morphin ließ sich das gut beheben.

Wir kannten ihn schon recht lange, denn er kam regelmäßig. Wie die meisten unserer PatientInnen. Nun lag er uf einem Einzelzimmer, und seine Frau war bei ihm.

Um 23:25 klingelte es dann dort. Ich wußte, was das bedeutete.

Mehr als fünfzig Jahre waren sie verheiratet. Haben mehr als fünfzig Jahre zusammengehalten und zueinander gestanden in guten wie in schlechten Zeiten.

Doch nun war sie allein.

"Die letzten Atemzüge hat er eben gemacht!" schluchtzte sie. Die Ärztin, die den Tod feststellen mußte, kam, und ich ließ ihr die Gattin einen Moment, um den Verstorbenen herzurichten. Kieferstütze, Sonde und Infusionen entfernen, richtig hinlegen… Das Ergebnis konnte sich sehen lassen, denn er lächelte sichtlich zufrieden.

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"So freundlich war noch nie jemand zu mir."

So freundlich wie wir alle sei in ihrem ganzen Leben noch niemand zu ihr gewesen, sagte sie gestern dem Tagdienst. Ein Kompliment für uns, das runtergeht wie Öl. Und das noch mehr als über uns etwas über ihr bisheriges Leben aussagt. Offenbar hat sie mit Menschen bisher keine guten Erfahrungen gemacht. Ob dies nun ein Grund für ihre Drogen- und Alkoholkarriere war oder umgekehrt, daß Verachtung und Abscheu vor ihr ausgespuckt wurden, das ist nicht so wichtig.

Ulf in IsoliermonturSie fühlt sich bei uns, wie fast alle PatientInnen im übrigen, sehr gut aufgehoben. Gelobt zu werden tut immer gut. Und es entschädigt. Entschädigt für so vieles:

  • Für das ständige Aufstehen, obwohl sie gar nicht konnte, zu schwach und zu benommen
  • Für die Riesensauerei, die entstand, als sie sich entzügig, schlaftrunken und vollgepumpt mit gewaltigen Mengen an Distraneurin, umdrehte und dabei den venösen Zugang, an dem ausgerechnet eine Blutkonserve hing, herausriß, so daß sich ihr Hepatitis-C-verseuchtes Blut und das der Konserve mit dem Urin des ebenfalls nicht mehr an Bestimmungsort verweilenden Blasenkatheters vermischt gut überall verteilt hatte
  • Für die Mühen, das angetrocknete und geronnene Blut irgendwie wieder zu entfernen (sehr schwierig so etwas!)
  • Dafür, daß das Bett, welches ich komplett beziehen mußte, sofort wieder schmutzig war, wie auch immer das kommen konnte nach der mühsamen Grundreinigung der benommenen und verwirrten Patientin

Warum bin ich, sind wir, nicht genervt von solchen Ereignissen?
Es kann uns alle treffen. Verwirrtheit, Demenz, Delirium. Mich hat es sogar mal erwischt: Im berühmten Sommer 2007, als ich nach meinem ersten Suizidversuch mit großen Mengen an Medikamenten abgeschossen wurde, besonders mit Tavor (für die SchweizerInnen: Temesta, für die Pharmafreaks: Lorazepam). Ich wollte die gnze Nacht duschen gehen, und irgendwann versuchte ich auf dem Stationsflur der Geschlossenen Sandburgen zu bauen. Ich sah den Sand! Doch er war nicht da. Und man war auch mit mir geduldig, denn ich konnte nicht anders.

Der kategorische Imperativ für die Pflege: Pflege Deine PatientInnen so, wie Du selbst mal gepflegt werden möchtest. Ohne Dich dabe so unprofessionell aufzuopfern wie meine Lieblingshaßfigur der Krankenhausserien, Schwester Stefanie.

Mir geht es nicht in erster Linie darum, zu helfen. Mir macht meine Arbeit einfach nur Spaß. Und ich möchte meine Arbeit einfach nur gut machen. Wie ein Tischler auch mit seinen Möbeln zufrieden sein will. Und wenn jemand diesem sagt: Das haben Sie aber gut hinbekommen, dann freut er sich. Genauso wie ich.

Und deshalb werde ich diese Patientin auch bei der nächsten Katastrophe noch anlächeln.

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Sucht. Sehnsucht. Und der Atem des Todes.

Ihre Leber ist völlig im Arsch. Lange hat sie nicht mehr. Jahrelange Alkoholbhängigkeit hat ihre ohnehin schon durch eine chronische Hepatitis C wegen früheren Heroinkonsums schwer malträtierte fast völlig zerstört. Sie muß mal recht hübsch gewesen sein. Nun sieht sie nur noch todkrank aus, alt und fertig. Dabei ist sie gerade erst neununddreißig geworden, ein gutes Jahr älter als ich.

Gerne sagen jetzt die Menschen "Selber schuld! Hätte ja nicht trinken müssen!"

Doch ist Sucht nicht so einfach. Sucht ist zwingend. Man MUSS trinken, spritzen, schnupfen, rauchen und so weiter. Hätte man gar nicht erst anfangen sollen? Im Prinzip schon. Nur- hinter jeder Sucht steckt eine Sehnsucht. Zum Beispiel nach Frieden vor den eigenen Gefühlen, die quälend sind, nach Betäubung vor der Welt, die feindlich ist.

Ntürlich kann man das auch anders lösen. Nur kommt da nicht jeder drauf. Besonders in einer Welt, in der viel trinken zu können immer noch als cool gilt. In der zwar Tabakwerbung verboten wird, aber nicht die für Alkohol. In der man in der Eisenbahn zwar nicht rauchen, aber saufen darf.

Eine Sucht kommt nicht von ungefähr. Und man kann auch nicht einfach aufhören. Denn die Sucht sitzt tiefer. Viel tiefer. Sehr viel tiefer als der eigentliche Entzug kommt.

Verurteilt die Süchtigen nicht. Die meisten würden gerne anders können.

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Wichtige Ergänzung zur Petition.

Die Petition: Erste Hilfe und Lebensrettende Sofortmaßnahmen in den Schulunterricht! muß ich noch wie folgt erläutern:

Eingereicht habe ich sie online beim Bundestag. Da Bildung Ländersache ist, wurde sie an den Landtag Nordrhein-Westfalen weitergeleitet. Ich habe deshalb in dem Artikel auch die anderen Petitionsausschüsse verlinkt, damit Ihr dort hinschreiben könnt. Teilweise geht das online, teilweise muß man eine Briefmarke opfern.

Mitzeichnen scheint nicht zu gehen, deshalb würde ich die Landtage mit Petitionen diesbezüglich beglücken.

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Nachts, wenn es dunkel ist.

Mittlerweile arbeite ich nicht ungern nachts.

Lange war es so, daß ich Nachtwachen wegen der Auswirkungen auf den Biorhythmus gehaßt habe. Außerdem wurde ich früher nachts immer depressiv.
Vor etwa einem Jahr teilte ich nach meiner langen, langen Krankheits- und Wiedereingliederungsphase meiner Chefin mit, sie möge mich wieder normal verplanen. Ich machte meine Nächte zwar nicht wirklich gern, doch sie waren ein Stück normalen Arbeitslebens für mich, ein Zeichen, daß ich wieder voll dabei bin.

Und nun? Ich habe für mich entdeckt, daß Nächte auch Vorteile haben können. Nachts muß ich nicht um 8:37 mit Patient X in Abteilung A sein und 8:38 mit Patientin Y in Abteilung B. Zwar bin ich alleine. Aber das bin ich immer nachts, ob nun mal wieder ein oder mehrere KollegInnen krank sind. Ich habe weniger Hektik und Streß, die Sparmaßnahmen treffen mich dort nicht. Tagsüber ist viel mehr los, und je mehr fehlen, je mehr krank sind, je mehr Stellen nicht besetzt sind, desto mehr macht sich das bemerkbar.

Selbst wenn in der Nacht die Station unruhig ist- nie ist sie so unruhig wie am Tage. Das kann ich mittlerweile recht gut genießen.

Fragt mich nicht nach dem Grund des hohen Krankenstandes– das ist überall in der Pflege so. Denkt mal selbst nach, was wir Pflegekräfte im Besonderen und die Gesundheitsversorgung samt Krankenhäusern den Politikern wert sind.

Übrigens habe ich mir gerade einen Riesenpickel an der Hüfte ausgedrückt.

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Petition: Erste Hilfe und Lebensrettende Sofortmaßnahmen in den Schulunterricht!

Text der Petition
Der Nordrhein-Westfälische Landtag möge beschließen, daß Schülerinnen und Schüler frühzeitig, jährlich und altersangepaßt in Erster Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen unterwiesen werden. Dies schließt auch das Erkennen von Notfall- und vergleichbaren Situationen ein. Die Fertigkeiten werden von Jahr zu Jahr wiederholt und ausgebaut, bis ab etwa der 10. Klasse auch Herz-Lungen-Wiederbelebung behandelt wird.

Begründung
Es gibt zu wenig Ersthelfer. Viele Menschen sterben allein deshalb, weil zu wenig Erste Hilfe geleistet wird, ob aus Schaulust, Angst oder Unvermögen. Selbst Autofahrer, die zur Erlangung der Fahrerlaubnis einen derartigen Kurs nachweisen müssen, sind dazu selten in der Lage. Mit frühzeitiger und altersgemäßer und wiederholter Heranführung an die Kompetenzen, Notfälle zu erkennen und seinen Fähigkeiten entsprechend zu handeln, würde die Selbstverständlichkeit Erster Hilfe verinnerlicht. Zudem würde dadurch der Inhalt im Ernstfall besser abrufbar.

(Wenn Ihr ähnliche Eingaben machen würdet, fände ich das ziemlich gut! Weiterverbreitung erwünscht!)

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Eine ganz gewöhnliche Nacht in einem ganz gewöhnlichen Krankenhaus: Arschwischen.

"Ich bewundere, daß Du das kannst! Ich könnte das nicht, anderen Leuten den Hintern abwischen!"

Ne, is klar. Das ist auch meine Hauptbeschäftigung, Ärsche abzuputzen. Wenn es danach ginge, müßte auch jeder bewundert werden, der sich selbst das Gesäß nach dem Kacken reinigt.

Von mir aus bewundert mich, aber nicht dafür. Für mich ist Kot Kot, ob es nun meiner ist oder ein fremder. Auch der Papst muß mal kacken, und das riecht sicher auch nicht nach Weihrauch. Und von hinten sehen alle gleich aus, ob Banker oder Penner.

Vergangene Nacht habe ich exakt einen Arsch abgeputzt und zweimal jemandes Stuhlgang bewundert, ob und wieviel Blut darinnen sei. Waren etwa ein und drei Eßlöffel, falls es jemanden interessiert. Mehr hatte ich mit Arsch und Stuhlgang nicht zu tun.

Gegen viertel nach zwei meldete sich Herr C., ein schwer krebskranker Patient, wegen starker Schmerzen. Das läßt sich beheben, und er bekam entsprechende Medikamente. Und sagte: "Wenn ich jetzt zu Hause wäre, ich würde mich erschießen. Vor zwei Wochen war ich schonmal kurz davor." – Ziemlicher Tobak. Klang ernstgemeint. Die Existenz entsprechender Waffen bestätigte er. Nein, hätte er keine Schmerzen, würde er auch nicht so denken, antwortete er auf meine Frage. "Dann wäre es sicherlich sinniger, Sie von Ihren Schmerzen zu befreien, oder?" – Es dauerte etwas, bis ich ihn soweit hatte, daß ich entspannt gehen konnte. Es war nicht einfach gewesen, ihn zu überzeugen, daß es keinen Sinn macht, sich abzumurksen, solange es noch Möglichkeiten gibt.

Gegen halb vier hatte ich dann Herrn O. (mtastasierender Blasenkrebs -blutend, daher mit Spülkatheter-, COPD und weiteren Unerfreulichkeiten, ausgemergelt, bettlägerig) endlich überzeugt: Er klingelte nur für die Erneuerung der Spüllösung oder wenn der Katheter verstopft war. Irgendwann hatte ich ihm gesagt, er wäre mir zu bescheiden, er solle sich gefälligst auch mal für seine anderen Bedürfnisse melden. Und wenn es für ein Gespräch sei.

Tat er irgendwann dann auch:
"Erst kam der Krebs. Und dann die Metastasen…"
"Das war schwer für Sie, als Sie das erfahren haben, denke ich?"
"Oh ja…"
"Ihnen geht es jetzt auch ziemlich schlecht. Kann ich etwas für Sie tun?"
"Ich weiß nicht recht…"
"Wie meinen Sie denn, wie es weitergehen soll?"
"Ich will sterben."
"Sind Sie sich sicher?"
"Absolut… Ich denke, einen Monat habe ich noch."
"Hm. Sie verstehen, daß ich das nicht beeiflussen kann. Ich kann auch nicht sagen, ob Sie recht haben damit, WIE lange das dauert. Was ich machen kann ist, Ihnen die Zeit, die Ihnen noch bleibt, etwas zu erleichtern."
"Ja…"
"Sie haben mehr Luftnot als vorhin, wie ich das sehe. Stimmts oder hab ich Recht? Dafür zum Beispiel dürfen Sie sich auch gerne melden. Luftnot ist widerlich, ich hab das einmal gehabt, das hat gereicht. Soll ich mal was dagegen tun?"
"Ja, bitte…"
Ich zog fünf Milligramm Morphin auf.
"Morphin ist ja eigentlich ein Schmerzmittel, wie Sie wissen. Aaaaaaber, das Zeug kann noch mehr: Es dämpft zum einen das Atemzentrum und außerdem senkt es auch noch den Sauerstoffbedarf." (Und es entspannt und euphorisiert etwas)

Eine halbe Stunde später atmete er wesentlich entspannter und war sichtlich zufrieden.

Eine ganz gewöhnliche Nacht in einem ganz gewöhnlichen Krankenhaus.

Natürlich wische ich auch mal Ärsche ab.

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Die Arschwischerkampagne.

An alle bloggenden Pflegekräfte, egal welche Branche, Fachrichtung, Status, Examen oder nicht: Wir werden noch zu oft auf das Abputzen des Gesäßes reduziert. Dies sollte anders werden, und dazu dient diese Kampagne: Bloggt Dinge, die Ihr tut für die PatientInnen. Ereignisse, Gespräche, Erlebnisse, was Ihr wollt. Dinge, von denen Ihr meint, daß sie PFLEGE ausmachen. Vielleicht mit dem Vermerk, daß Pflege weit mehr ist als Leute zu waschen, zu füttern (Ausdrück ist bewußt gewählt!) und sie aus der Scheiße zu ziehen. Verbreitet bzw bloggt diesen Aufruf, schreibt einen passenden Artikel und trackbackt diesen Artikel oder hinterlaßt den Link im Kommentarfeld!

Wider das verzerrte Bild von uns!

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Rüssel. Heini.

Ich erinnere mich noch gut an meinen allerersten Patienten, damals noch als Zuvieldienstleistender im Sommer 1991. Er hatte einen etwas größeren Schlaganfall gehabt, wodurch die eine Körperseite gelähmt war. Und er konnte deswegen zunächst nicht richtig schlucken, das Essen wäre in der Lunge gelandet und hätte eine schwere Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) verursacht. Daher hatte er eine Magensonde zur Ernährung bekommen, einen Schlauch durch die Nase in den Magen. Zumindest, bis er wieder ausreichend normal essen konnte.

Dies ging dann auch immer besser. Zwar hatte der Schlaganfall mehr als nur die Motorik beeinflußt, manchmal war er etwas, äh, sonderbar. Jedenfalls pflaumte er mich mal an: "Blöder Heini!" und ähnliches.

Jedenfalls klappte das Schlucken immer besser. Nur war ein Arm noch gelähmt und mit dem anderen kam er erst noch nicht so gut zurecht, weshalb ich ihm noch eine Weile beim Essen helfen mußte (das nennt man NICHT "füttern"!). Die Magensonde war zu Sicherheit noch drin, aber mit einem Stöpsel verschlossen, und baumelte wie ein dünner Rüssel aus seinem linken Nasenloch. Und störte ihn erheblich, als er wieder selbst zu essen begann. Ständig hing das Teil auf Löffel oder Stulle, einmal landete es sogar in seinem Mund. Verdrossen schuf er seine eigene Lösung: Er steckte das Ende des Schlauches samt Stöpsel kurzerhand in das andere Nasenloch.

Gewußt wie.

(Eigentlich hätte man das ja auch an der Wange festkleben können…)

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