Wahnsinnswoche 2017:20

In dieser Woche 135 Patientenkontakte und 13 Terminausfälle.


Etwas Positives hat die WannaCry-Attacke ja doch: Immerhin sind jetzt erstmals Patientendaten in Großbritannien verschlüsselt, die vorher frei verfügbar waren. Ein Kommentar dazu.

Der Lobbyist des Branchenverbandes bvitg weiß übrigens: “Im Gegensatz zu dem eher zentral organisierten Gesundheitssystem in Großbritannien ist die Gefahr eines flächendeckenden Ausfalls in den deutschen Krankenhäusern deutlich geringer.” Aha. Sind wir nicht gerade dabei, unser Gesundheitssystem flächendeckend zu vernetzen?

Gesundheitsminister Gröhe meint, dass wir verstärkt auf den Nutzen schauen sollten, statt uns immer mit Risiken und Nebenwirkungen aufzuhalten. Und er meint, dass der freie Markt “Treiber der Digitalisierung” sein werde – schon klar. Wenn der freie Markt in diesem Segment funktionieren würde, müssten wir nicht diese blindwütige, politische Regulierungswut über uns ergehen lassen. (via aend – paywall). Kontext: [1] [2]

Wie schön, dass es bald allwissende Computer geben wird.


Es ist traurig und ärgerlich zugleich, wenn ein langjähriger Patient nach einem für ihn nicht zufriedenstellenden Termin abrupt und erbost die weitere Zusammenarbeit aufkündigt. Wegen der Termindichte war unser Gespräch leider zu kurz; wenn ich da schon gewusst hätte, dass wenig später ein anderer Patient seinen Termin einfach würde ausfallen lassen, hätte ich noch etwas Zeit dranhängen können. Ich lasse mal den Folgetermin, den wir zuvor vereinbart hatten, bestehen. Vielleicht kommen wir ja wieder ins Gespräch. Follow up: wir haben das vorläufig diskutieren können und klären die Konsequenzen später. Demnächst sage ich etwas eher Bescheid, wenn ich wenig Zeit habe.


Der Klimawandel ist ein Desaster für die psychische Gesundheit. Von Klimakatastrophen Betroffene können dadurch psychisch krank werden, und psychisch Kranke haben ein höheres Risiko, noch kränker zu werden


Depression ist KEIN Risikofaktor für Demenz. Medikamente zur Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung sind es offenbar schon.


Die Einnahme von Antipsychotika soll keine schädlichen Auswirkungen auf den Langzeitverlauf haben. Das betrifft besonders eine Verringerung des Hirnvolumens und die Rezeptorsenitivität – möglicherweise wirkt die psychotische Erkrankung selbst “toxisch”.


Eine Frau muss in die Psychiatrie. Ein Bankräuber muss in die Psychiatrie. Ein Mann muss in die Psychiatrie, genauso wie ein anderer Mann und ein weiterer und dann noch einer.

Wenn man bei Google News nach “Psychiatrie” sucht, erhält man eine sehr einseitige und tendenziöse Auswahl an Meldungen, die das Bild psychisch Kranker in der Öffentlichkeit stark verzerrt. Nur zwei Meldungen beschäftigen sich mit positiven Aspekten der Psychiatrie.

Wahnsinnswoche 2017:19

In dieser Woche 150 Patientenkontakte und 11 Terminausfälle.


Scheint ja eine echte Wunderdroge zu sein: Bonner Wissenschaftler haben jetzt bei einer Studie herausgefunden, dass niedrig dosiertes THC (Cannabis) die kognitiven Leistungen alter Labormäuse signifikant verbessert. Hinweis: die Betonung liegt auf “niedrig dosiert” und “alte Mäuse“. Während jüngere Menschen eher kognitive Defizite unter Cannabis (pdf) erleiden, verbessert sich die neuronale Plastizität bei älteren Mäusen. Obwohl noch völlig unklar ist, ob das auch auf Menschen übertragbar ist, raschelt es schon im Blätterwald: “Cannabis gegen Demenz“, “Alte Kiffer sind schlau“, “Cannabis kehrt die Hirnalterung um“. Ich wäre vorsichtig mit eigenen Experimenten – wissen Sie zum Beispiel, was eine niedrige Dosis ist?


In England hat ein Kryptotrojaner zahlreiche Krankenhäuser lahmgelegt. Microsoft möchte mit KI-Algorithmen Patienten in Krankenhäusern tracken (sofern die Krankenhaussysteme nicht gerade durch einen Exploit namens EternalBlue, der vermutlich aus dem Arsenal der NSA stammt und eine Sicherheitslücke in Windows Dateifreigaben nutzt, lahmgelegt werden).

Was bin ich froh, dass unsere Bürokraten mächtig Druck machen, um schnellstmöglich die gesamte medizinische Infrastruktur ins Netz zu hängen … ;-)


Diese Woche wurde der im Februar kurzfristig abgesagte Termin beim Arbeitsgericht endlich nachgeholt und ich durfte mein Gutachten von September 2016 erläutern. Das Ganze verlief sachlich und ruhig, war zwar anstrengend, aber durchaus interessant. Wenn man täglich psychiatrisch arbeitet, fällt einem gar nicht mehr auf, wie wenig Außenstehende von psychischen Erkrankungen tatsächlich wissen. Ich hoffe, ich habe einige Basisinformationen über die Auswirkungen von Angsterkrankungen auf die Arbeitsfähigkeit vermitteln und einen kleinen Einblick in die Systematik der ICD geben können. Immer wieder haben wir den Unterschied zwischen Fahrtüchtigkeit und Arbeitsfähigkeit herausgearbeitet, wobei ich auch darauf hinweisen musste, dass eine rückblickende Betrachtung aus zwei Jahren Abstand naturgemäß nur eine Hilfe zur Entscheidungsfindung durch das Gericht sein kann, und dass ich daher manche Fragen nicht abschließend beantworten konnte. Glücklicherweise hatte ich in meinem Gutachten schon eine Aussage zu den (nicht vorhandenen) Aggravationstendenzen gemacht, sodass ich bei der Frage nach der Validität der Diagnosestellung unter anderem darauf verweisen konnte. Die Person, um die es dabei ging, saß die ganze Zeit in Begleitung eines Anwalts stumm dabei – war bestimmt nicht leicht, eine ganze Stunde klaglos durchzuhalten.


Menschen, die psychische Krisen erfahren und durchlebt haben, helfen akut Betroffenen als Genesungsbegleiter in alltäglichen Fragen weiter.


Aktionen (pdf) der Wuppertaler Sucht- (Selbst-) Hilfe am 17. Mai 2017 (via)


Die Staatsanwaltschaft Gießen ermittelt gegen einen Psychiater wegen des Anfangsverdachtes der Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz. Der Direktor der Psychiatrie des Universitätsklinikums Gießen hatte einen 32-jährigen, ausreisepflichtigen Asylbewerber aus dem Kosovo behandelt und dem Wetteraukreis vorgeworfen, den Flüchtling unter einem Vorwand aus der Klinik gelockt und unmittelbar abgeschoben zu haben. Als Retourkutsche wirft ihm der Kreis Verstöße gegen die ärztliche Schweigepflicht, gegen das Aufenthaltsgesetz sowie versuchten Betrug vor. Im hessischen Landtag gab es deswegen fast eine Prügelei. WTF?


Soulfood: Oliver Huntemann – Rotten (Paranoia Album)

Wahnsinnswoche 2017:17

In dieser Woche 131 Patientenkontakte und 17 Terminausfälle.


Die offene Sprechstunde ist montags und freitags von 10-11 Uhr. Wenn Sie schon um 9 Uhr kommen wollen, können Sie das gern machen. Ich kann Sie aber nur dann vorziehen, wenn ein Terminpatient vor 10 Uhr ausbleibt. Ansonsten bitte ich um Geduld bis zum Beginn der offenen Sprechstunde. Das Gleiche gilt, wenn Sie Ihren Termin autonom um einige Tage vorziehen.


Glaubt man einer industriefinanzierten Studie, kann man das durch den konsequenten Einsatz von eHealth-Lösungen im deutschen Gesundheitswesen realisierbare Effizienzpotential auf rund 39 Mrd. Euro beziffern. Ich vermute, dass die hier “neu quantifizierten Potentiale” eher der Gewinnmaximierung der beteiligten Unternehmen als der Verbesserung der Patientenversorgung dienen sollen, zumal im gleichen Atemzug “unabdingbare strategische Entscheidungen von Stakeholdern und der Politik” gefordert werden… So wirklich belegt ist die Zahl von 39 Milliarden in der Studie auch nicht.

Folgsam fordert Gesundheitsminister Gröhe als Schirmherr einer Industriemesse (sic!): “Wir brauchen mehr Tempo“. Sorry, falscher Link: “Wir brauchen mehr Tempo bei der Digitalisierung“. Er entspricht damit dem Wunsch der Bertelsmann-Stiftung, über den ich letzte Woche schon berichtet hatte und sieht es als Missbrauch von Patienten an, wenn die ihre eigene Patientenakte verwalten. Das wollen wir mal schön zentralisieren und möglichst noch eine Bundesagentur gründen – wo kämen wir denn da hin, wenn jeder seine eigenen Daten für sich behalten dürfte? Und die ärztliche Schweigepflicht entsorgen wir dann gleich mit. Uuuund – erledigt.

Übrigens, was das Effizienzpotenzial angeht: Im Vergleich zu heute wird künftig der dreifache Zeitaufwand benötigt, um die Versichertenkarten in den Praxen einzulesen, sie online zu prüfen und gegebenenfalls abzugleichen (aend 26.4.2017 – paywall).


Schon mal an die Umweltverschmutzung durch Homöopathie gedacht? Besorgen Sie sich schnell ein paar Magnete.


Sind Psychopharmaka schlimmer als die Krankheit selbst? (via)

Wahnsinnswoche 2017:16

In dieser Woche 107 Patientenkontakte und 8 Terminausfälle.


Und wieder eine Anfrage zur Berufsunfähigkeit bearbeitet. Ein berufsständisches Versorgungswerk will partout nicht anerkennen, dass eine schwere Depression in Verbindung mit diversen Komorbiditäten die Berufsausübung tatsächlich unmöglich macht. Wir sind jetzt beim zweiten Anlauf, diesmal mit ausführlicher Darstellung der Behinderung nach ICF. Ein Informationsdienstleister bescheinigt der Berufsunfähigkeitsversicherung übrigens Marktversagen.


Nein, ich werde Ihnen kein Cannabis verschreiben, auch wenn Sie sich davon Schmerzlinderung und Appetitsteigerung versprechen. Angesichts Ihrer floriden Psychose mit erheblichen Antriebs-, Affekt-, Denk- und Wahrnehmungsstörungen halte ich nämlich Cannabis mit seiner potenziell symptomverstärkenden Wirkung für absolut kontraindiziert.


Die Bertelsmann-Stiftung fordert (ganz uneigennützig) den digitalen Patienten. Die Geschichte der “Gesundheitskarte” lehrt allerdings, dass es sich wohl um ein Hype Driven Development handeln könnte… Kontext: [1] (pdf)


In gut vier Wochen werde ich Urlaub machen. Bis dahin sind leider schon alle festen Termine vergeben.

Wahnsinnswoche 2017:14

In dieser Woche 122 Patientenkontakte und 9 Terminausfälle.


Mediziner erforschen an der Leipziger Uniklinik, wie Internet und Smartphones Depressiven helfen können.


Telematikinfrastruktur: nach den gesetzlichen Vorgaben sind die Krankenkassen verpflichtet, die Kosten für die Erstausstattung der Praxen und den laufenden Betrieb in voller Höhe zu übernehmen. Sie weigern sich aber, sodass (schon wieder) ein Schiedsverfahren eröffnet werden musste. Nach wie vor wird aber damit gedroht, Ärzten spätestens ab Mitte 2018 das Honorar zu kürzen, wenn sie telematisch-infrastrukturell nicht mitmachen.

Übrigens: Das Gesetz (pdf) schreibt den Beginn des sogenannten “Online Rollout” der Telematikinfrastruktur ab dem 1. Juli 2016 vor…


Da wir gerade beim Thema sind: Zwei Klagen gegen das eGK/TI-System zeigen Teilerfolge vor den Sozial- und Landessozialgerichten. Einem der Kläger wurden Ersatznachweise bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugesprochen.


Kampagnen zur Entstigmatisierung sollten die Bevölkerung realistisch über das geringe Gefahrenpotenzial von Menschen mit psychischen Erkrankungen aufklären.


Zwangsbehandlungen sind immer eine erhebliche Belastung für Patienten, Ärzte und Pflegepersonal. Vorher sollen immer “zumutbare” Behandlungsangebote gemacht werden – es ist aber unklar, was zumutbar erscheint, und wie oft solche Angebote gemacht werden müssen.

Der Versuch, die Patienten zur Einnahme von Medikamente zu bewegen (Überzeugungsversuch), wird mit großem Abstand als wenig hilfreich erlebt. Auf der Negativskala folgen: Sedierung anbieten und Grenzen setzen. Als besonders hilfreich werden erlebt: Bewegungsmöglichkeiten anbieten, auf Erleben und Ängste eingehen, Bedürfnisse berücksichtigen.

In erster Linie sind strukturelle Umstände (unruhige Atmosphäre, mangelnde Zeit der Ärzte und Pflegekräfte) für das Scheitern milderer Maßnahmen verantwortlich (die am seltensten erfahrenen Maßnahmen waren: Zeit lassen, Gespräch mit Betroffenenfürsprecher und 1:1-Betreuung).

Interessanterweise schätzen die befragten Patienten den Einfluss ihres eigenen Verhaltens erst dann höher ein, wenn sie mehr mildere Maßnahmen erlebt hatten. Ansonsten fanden sie ihren eigenen Zustand weniger relevant, während Psychiater insbesondere aggressives, agitiertes und wahnhaft-paranoides Verhalten als Hauptursache für das Scheitern milderer Maßnahmen verantwortlich machen.

Heumann K et al: Bitte macht (irgend)was! Eine bundesweite Online-Befragung Psychiatrieerfahrener zum Einsatz milderer Maßnahmen zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen. Psychiat Prax 2017; 44(02): 85-92


Apropos Überzeugungsversuch: damit habe ich es natürlich auch in der Praxis täglich zu tun. Allerdings fast ausschließlich ohne Zwang. Mit gefühlt 99% der Leute, die hierher kommen, komme ich zu einer partizipativen Entscheidungsfindung (neudeutsch: Shared Decision (pdf)). Probleme gibt’s immer wieder bei wahnhaftem Erleben, weil meine Behandlungsvorschläge in der Regel nicht mit dem Selbstverständnis der Betreffenden vereinbar sind. In manchen Fällen muss ich dann sehr direktiv werden, was gelegentlich auch zu Unterbringungen führen kann. Meistens lässt sich aber ein Kompromiss aushandeln. Wenn sich denn die Zeit dafür findet (dieses Strukturproblem habe ich in der Praxis nämlich auch).

Wahnsinnswoche 2017:04

In dieser Woche 134 Patientenkontakte und 9 Terminausfälle.


Alternative Fakten, von unseren Amygdala gebahnt. Vielleicht bietet sich diese Bezeichnung demnächst auch im Umgang mit paranoider Realitätsverkennung an? Manchmal brauchen wir aber auch nur einfach eine Auszeit von der Realität.


Eine Betriebskrankenkasse fordert Zugriff der Krankenkassen auf Gesundheits- und Behandlungsdaten ihrer Versicherten und hätte gern eine kassenbezogene Gesundheitsakte. In Augsburg findet am 1.2.2017 die mündliche Verhandlung zu einer Klage gegen die elektronische Gesundheitskarte statt. Minister Gröhe glaubt, dass medizinische Versorgung oder Forschung heute ohne die Erhebung und Auswertung großer Datenmengen undenkbar seien (er glaubt aber auch, dass Terminservicestellen die Patientenrechte stärken).


The amount of energy necessary to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.


Captain Obvious: Je früher Jugendliche Cannabis konsumieren, desto schlechter für ihr Gehirn.


Nikotin lindert kognitive Störungen bei Schizophrenie.


Im Januar unglaublich viele Anfragen zur Arbeitsunfähigkeit (einmal quer durch die existierende Kassenlandschaft), oft mit individuellen Fragebögen und entsprechenden Anforderungen an meine Kreativität im Umgang mit Formulargeneratoren. Gut, dass ich die meisten Daten schon in meinem PVS habe und sie nur noch umkopieren muss. Frisst aber momentan viel Zeit, zusammen mit den zum Jahresanfang gehäuften Anfragen der Versorgungsverwaltung, der Arbeitsagentur, des Jobcenters, der DRV, der Hilfeplankonferenzen, und neben den Wünschen nach sonstigen Bescheinigungen, Attesten oder gar Gutachten.


Die neue Version der Patientenleitlinie „Unipolare Depression“ wurde veröffentlicht.


Wissenschaftler sehen eine Verbindung zwischen Arbeitsunsicherheit und langfristig vermindertem Wohlbefinden im Stress, der durch die unsichere Arbeitssituation ausgelöst wird. Kann ich anhand einiger Beispiele aus der Region (ich nenne jetzt keine Namen) bestätigen.


Wahnsinn in den Medien: in dieser Woche 11x Sport, 8x Kultur, je 2x Trump, Dschungelcamp, Landwirtschaft, je 1x Straßenbau, Photoshop, Hochbetagte, Bizarres, Familie. In der Stichprobe (N=30) diese Woche kein einziger Treffer im richtigen Kontext.

Wahnsinnswoche 2016:39

In dieser Woche 168 Patientenkontakte und 8 Terminausfälle.


Sie haben eine Berufsunfähigkeits-Versicherung? Viel Glück, falls Sie die mal brauchen. In den letzten Jahren habe ich diverse Verfahren dazu begleitet, und nur ein einziges Mal ging es schnell und problemlos. Der Rest musste vor Gericht und zog sich über Jahre hin. Versicherungen / Versorgungswerke und ihre Gutachter sind äußerst kreativ bei ihren Bemühungen, nicht zahlen zu wollen. Jetzt steht wieder so ein Schauspiel an. Ich freu mich schon drauf…


Liebe BEK! Ich empfehle einem Patienten eine ambulante, ortsnahe Reha in der in Laufweite gelegenen, hervorragend ausgestatteten Klinik. Dort ist die kurzfristige Aufnahme möglich. Warum machst du es uns so schwer und kommst auf die abwegige Idee, diese Reha in einer anderen Stadt anzubieten? Das ärgert den Patienten (der kein Auto hat und in aller Herrgottsfrühe mit dem ÖPNV in eine ihm unbekannte Stadt fahren müsste) und mich schon ein bisschen.


Liebe Krankenkassen: es wäre nett, wenn ihr euch bei euren sehr individuell und vielfältig gestalteten Anfragen bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit an die Vordruckvereinbarung (Muster 52) halten würdet. Die ganzen sozialmedizinischen Fragebögen und Vordrucke zur Beurteilung des Leistungsvermögens (sind Tätigkeiten in gebückter Zwangshaltung mehr als drei Stunden täglich möglich?) übersteigen bei weitem die Anforderungen eines Befundberichtes und der Datensparsamkeit. Für solche Gutachten habt ihr doch den Medizinischen Dienst. Ich kann mir nicht regelmäßig was dazu einfallen lassen.


Der MDK ist übrigens gar nicht so übel. Bei einer hartnäckigen Depression neulich waren die Kollegen dort sehr einfühlsam und realistisch, was die weitere Arbeitsunfähigkeit anging. Nichts zu meckern.


Hier gibt’s nichts zu sehen – gehen Sie bitte weiter: die “Gesundheitskarte” verzögert sich. Halt, nein: nicht wegen der Ärzte. Diesmal ist die Industrie schuldig.


Zahnarztnarkose? Die GKV zahlt nur in Ausnahmefällen.


Im Kalender anstreichen: Die Bundesärztekammer (!) kritisiert (!!) den Gesundheitsminister (!!!): Den “vorläufigen Höhepunkt staatlicher Einflussnahme bildet das Selbstverwaltungsgesetz, das den Handlungsspielraum der Körperschaften niedergelassener Ärztinnen und Ärzte durch vielfältige Durchgriffsrechte und Genehmigungsvorbehalte des Staates massiv einengt.


Botox macht nicht nur Falten weg. Vielleicht stört es auch Ihre Empathiefähigkeit: wer seine Gesichtsmuskeln lähmt, deutet die Gesichtsaudrücke seiner Umgebung anders. Bei manchen Depressionsformen soll es helfen: wer nicht ständig die Augenbrauen zusammenzieht, sieht um sich herum auch nicht mehr so viele finstere Blicke.


Captain Obvious: Je mehr Cannabis Sie rauchen, desto schneller werden Sie (wieder) akut psychotisch.


Absacker zum Feierabend: üble Stimmungsmache gegen Ärzte. Immerhin hat Lauterbach dabei zugegeben, dass die von ihm miterfundenen Terminservicestellen ein totaler Flop sind. Kontext: [1] [2]

Lobbyist fordert mehr Mut zur Überwindung bestehender Datenschutzprinzipien

Der neue Präsident des Lobbyverbandes Bitkom hält das Prinzip der Datensparsamkeit in fast allen Lebensbereichen für überholt. Es werde zwar weiter Hackerangriffe mit kriminellem Hintergrund geben, aber Datensparsamkeit wirke sich auf Startups im Bereich E-Health negativ aus. Man müsse hier “deutlich mutiger” werden.

Die Amerikaner sind schon längere Zeit deutlich mutiger: dort gelten weniger strenge Datenschutzregeln.

Und so wurden der Universitätsklinik von Kalifornien, vier weiteren Krankenhäusern und 150 Praxen bei einem Hackerangriff Namen, Geburtstage, Adressen, Krankenakten, Sozialversicherungsnummern und ganze Behandlungspläne von 4,5 Millionen Personen entwendet.

Sind unsere Daten in der geplanten Telematikinfrastruktur wirklich sicher?

Die Daten, die mit der “Gesundheitskarte” verarbeitet werden, werden mit Hilfe eines persönlichen, privaten Schlüssels, der sich auf der Karte befindet, verschlüsselt und der Telematikinfrastruktur übergeben. Absolut sicher…

Was passiert aber, wenn jemand die Karte verliert, die Kasse wechselt, oder wenn die Verschlüsselungsalgorithmen auf den neuesten Stand gebracht werden müssen? Ich stelle mir dazu die Frage, ob es Schlüsselkopien gibt. Leider ist es nicht ganz einfach, darauf eine definitive Antwort zu finden. Es spricht aber einiges dafür, dass im System Schlüsselkopien existieren.

FIFF schreibt:

Die Gesundheitsdaten eines Patienten liegen außerhalb der Arztpraxis nur individuell verschlüsselt vor (…). Nach derzeitigem Stand der Technik kann man davon ausgehen, dass die Verschlüsselung nicht oder nur durch immense Computerleistung überwindbar ist. (…) Bei der eGK ist dies so gelöst, dass der private Schlüssel lediglich auf der Karte des Patienten hinterlegt ist. Der private Schlüssel verlässt die Karte niemals (…). Die noch nach alter Methode verschlüsselten Dokumente müssen alle entschlüsselt, nach der neuen Methode verschlüsselt und wieder gespeichert werden. (…) Dieser außergewöhnliche Aufwand ließe sich nur durch einen zentralen Umschlüsselungsservice vereinfachen, wozu dann allerdings die privaten Schlüssel der Patienten dort bekannt sein müssen. Eine Schlüsselkopie läge also doch vor. (…) Eine andere Schwachstelle ist der Ersteller der Schlüssel, der ebenfalls keine Kopie halten darf. Das Gesetz regelt diesbezüglich gar nichts. Nach derzeitigem Stand wird diese Aufgabe vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) an Privatfirmen (Trust Center) vergeben. Das BSI selbst gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und ist diesem weisungsgebunden. Wenn man das liest, zuckt man kurz …

Aus der Forschungsgruppe der RUB:

Das größte Problem ergibt sich jedoch aus der Existenz von Schlüsselkopien. Im Fachkonzept Datenmanagement heißt es dazu: ”Bei Erstellung einer Ersatz- oder Folgekarte MUSS sichergestellt werden, dass Anwendungsdaten, welche auf einem Server gespeichert sind (z.B. elektronische Patientenakte), auch unter Nutzung einer neuen eGK abgerufen werden können.” Obwohl in den Spezifikationen mehrfach erwähnt wird, dass keine Schlüsselkopien außerhalb der Karte existieren dürfen, impliziert die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Onlineanwendungen nach Verlust der elektronischen Gesundheitskarte eine Speicherung von Sicherungskopien der privaten Kartenschlüssel. Ebenfalls in diesem Teil der Spezifikation wird die Möglichkeit eingeräumt, die privaten Kartenschlüssel nicht zufällig zu generieren, sondern von sogenannten Masterschlüsseln abzuleiten: Mit diesem Masterschüssel kann man dann auch ohne Kenntnis des privaten Kartenschlüssels auf alle Daten, die mit einem vom Masterschlüssel abgeleitetem Kartenschlüssel verschlüsselt wurden, zugreifen.

Bei der Gematik selbst habe ich nur gefunden, dass der private Schlüssel entweder im CMS (Card-Management-System) hinterlegt wird oder dort aus einem Master-Key rekonstruiert werden können muss: