Abschied von den Apothekenketten

Noch eine Chart – die von Celesio. Nach dem Plädoyer des Generalanwaltes beim EuGH dürfen Medikamente auch zukünftig nur in von Apothekern geführten und im Besitz befindlichen Apotheken verkauft werden. Das Fremdbesitzverbot in Deutschland und Italien scheint mit dem EU-Recht vereinbar.
Der Pharmagross- und Einzelhändler Celesio hatte sich nach der Übernahme von DocMorris am meisten Hoffnungen gemacht, von der erwarteten Aufhebung des Fremdbesitzverbots zu profitieren. Durch den DocMorris-Kauf musste Celesio herbe Umsatzverluste verzeichnen, da der Pharmagrosshändler in Deutschland mit der DocMorris-Franchise-Apotheken in direkte Konkurrenz zu seinen Kunden getreten war. Darauf reagierten viele Apotheker mit dem Wechsel zu anderen Grosshändlern. Die Umsatzverluste waren einkalkuliert und sollten nach dem Aufbau einer eigenen Apothekenkette sich auszahlen.

Wenn sich das Gericht dem Generalanwalt anschliesst, drohen düstere Aussichten für die Pharmagrosshändler in Deutschland. Schwindende Margen und die zunehmende Direktbelieferung der Apotheken durch die Pharmaunternehmen drücken auf die Gewinne.

16. Türchen: Abnehm-Pille Acomplia® vom Markt

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Es war eine Hoffnung für adipöse Patienten: Acomplia® (Wirkstoff Rimonabant) von Sanofi-Aventis. Doch nachdem Depressionen und Suizidgedanken damit in Zusammenhang gebracht wurden, wurde es vorläufig vom Markt genommen. Das endgültige Aus durch die EU-Kommission gilt zudem als sicher.
Neben Acomplia® gab und gibt es zahlreiche weitere medikamentöse Ansätze im Kampf gegen das Übergewicht. Wir […]

Image-Kampagne für den Gesundheitsfonds

Mitte Januar 2009 werden die meisten Arbeitnehmer an der Gehaltsabrechung ihre Mehrbelastung durch den Gesundheitsfonds sehen. Zur Vorbreitung auf den Schock zeigt das Bundesgesundheitsministerium mit einem Kino-Spot, der seit gestern für drei Wochen läuft, was die Bürger dafür erhalten.

Zwar werden die Preise für Trommelfellverletzung (2.018 Euro), Oberschenkelfraktur (4.958 Euro), Geburt von Zwillingen (4.460 Euro) und doppelter Bypass (18.600 Euro) in dem Spot genannt, jedoch nicht die Kosten für die Image-Kampagne.


Im Übrigen wird mit dem Spot fälschlich suggeriert, dass die Krankenhäuser und die akuten Fälle die Hauptkostentreiber im Gesundheitswesen seien. Aber mit chronisch Kranken und Medikamenten kann man eben nicht ein so spassiges Video machen.


Update:
400.000 Euro soll der Spot gekostet haben. Gut, dass das Blog nicht von Anzeigen vom Bundesgesundheitsministerium abhängig ist. Nach der Kritik in der BILD an dem Spot hat das Ministerium geplante Anzeigen in der Boulevard-Zeitung gestrichen.

Das Pharmakartell – ein Nachtrag

Am Dienstag hat das ZDF das “Pharmakartell” präsentiert. Vorab: Die Dokumentation war eindrucksvoll. Inhaltlich konnte die Reportage Schwächen nicht verbergen. Das fängt bei dem Titel “Kartell” an. Ein Begriff, der Verbindungen mit gleicher Zielsetzung beschreibt. Was der Komplexität der Pharmaindustrie nicht gerecht wird.

Die Redaktion hatte merklich Schwierigkeiten angemessene Gesprächspartner vor die Kamera zu bekommen. Hier im Blog hatte eine Autorin es auch probiert – ohne Erfolg. So konnte man die bekannten Experten bewundern, die immer im TV auftreten, wenn es kritisch um die Pharmaindustrie geht, was die Expertise nicht schmälert. Der ehemalige Lilly-Manager ist auch nicht erstmals vor die Kamera getreten. Bei Youtube ist er seit Januar 2007 vertreten und kündigt sein Buch an.

Die betroffenen Unternehmen und Einrichtungen antworteten auf die Dokumentation mit Richtigstellungen.

Strattera
Zweifel sind bei der Geschichte mit dem ADHS-Medikament Strattera des Unternehmens Lilly aufgekommen. Bei näherer Betrachtung reduzieren sich die vier Todesfälle auf einen Bericht über einen vollzogenen Suizid. Dieser Fallbericht stellt das BfArM folgendermassen vor:

Ein 16jähriger Patient wurde wegen ADHD von September – Oktober 2005 mit Strattera behandelt. Bei diesem Patienten bestanden weitere psychische Erkrankungen, weswegen er stationär behandelt wurde. Nach Absetzen der Therapie und etwa eine Woche nach Entlassung aus der Krankenhausbehandlung verstarb der Patient durch Suizid (Fall-Nummer 05018404).

Ein weiterer dem BfArM berichteter Fall bezieht sich auf ein 3-jähriges Mädchen aus den USA, das nach unbestätigten Angaben nach Einnahme von Strattera verstarb. Der Fall wurde von einem Arzt berichtet, der seinerseits von Kollegen von diesem Fall gehört hatte. Es liegen keine weiteren Informationen zu diesem Fall vor (Fall-Nummer 07061104).

Lilly verweist in einer Pressemitteilung darauf, dass bereits im Rote-Hand-Brief zu Strattera aus dem Jahre 2005 auf das Thema Suizidalität hingewiesen und einen entsprechenden Warnhinweis in die Fach- und die Gebrauchsinformation aufgenommen worden seien.

Eine im Filmbeitrag verwendete Aussage des Patientenbeauftragten im Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bezeichnete das Unternehmen als “grob unwissenschaftlich und zudem unverantwortlich”, da dort eine Nutzen-Risiko-Bewertung ohne Kenntnis von Einzelfällen vorgenommen worden sei.

Auch die in der Sendung gezeigte Selbsthilfegruppe ADHS-Deutschland distanziert sich von der Darstellung. Die 6.500 Euro zweckgebunde Spenden des Pharmakonzerns Lilly, mit der die Abhängigkeit des Verbandes belegt werden sollte, würden nur einen Bruchteil des Etats von ADHS-Deutschland ausmachen. Die Beziehungen zwischen Pharmaindustrie und Selbsthilfe sind kritikwürdig, nur hat die Redaktion sich wie es aussieht hier einen Verband gesucht, der in Sachen Transparenz eher vorbildlich ist. Ein weiteres Indiz, dass das Vorgehen des ZDF nicht ganz sauber war, findet man in einem ADHS-Forum. Dort schildert der Gesprächspartner in der Beratungsstelle den Undercover-Besuch.

Bei mir war vor ca. 4 Wochen ein älterer Herr “Lange” zu einem Beratungsgespräch wegen seiner 17jährigen Tochter. Er kam sehr schnell auf eine mögliche Medikation zu sprechen und fragte mich detailiert zu mir bekannten Nebenwirkungen von Strattera aus. Auch wollte er plötzlich wissen, ob Lilly schon an mich herangetreten sei wegen einer möglichen finanziellen Unterstützung. Ich verwies auf die mir bekannten Suizidfälle (“Finden Sie denn 2 Fälle bei einer so großen Testgruppe so schlimm?” meinte er) und auf in unserer Gruppe aufgetretene Probleme hin und meinte dann noch, dass wir uns grundsätzlich selbst finanzierten und ganz bestimmt kein Geld von irgendeinem Pharmaunternehmen annehmen würden.

Wenn das den Tatsachen entspricht, wäre dies kein sauberes journalistisches Vorgehen.

Fluoxetin
Zu den geschilderten Unregelmässigkeiten bei der Zulassung von Fluoxetin (“Prozac”) und die Todesfälle bei der Behandlung mit dem Antidepressiva hat das BfArM sein Schreiben an die Frontal21-Redaktion ins Internet pdf-Dateigestellt. Dem kann man entnehmen, dass die Autoren des ZDF-Beitrags eher tendenziös mit den Informationen umgegangen sind.

Redaktionelle Werbung
Am überzeugensten war aus meiner Sicht der Teil, in dem die Redakteure vorgaben, ein Pharmaunternehmen zu haben und eine Werbekampagne für das neue Antidpressivum des fiktiven Unternehmens – Volazin – zu planen.

Natürlich hat dies speziell beim Verlag “Wort & Bild”, der die Apothekenumschau verantwortet, zu Widerspruch geführt. Beispielsweise würde in dem Artikel, der in dem “Frontal 21”-Beitrag in die Kamera gehalten wird, explizit darauf hingewiesen, dass die neuartigen Antidepressionsmedikamente “keine Wundermittel”(Zitat) sind. Mögliche Nebenwirkungen (“Vermehrte Unruhe, Angst und gesteigerte Aggressivität”) würden genannt und abschliessend auch auf die Gefahr eines möglichen Suizidversuchs hingewiesen.

Was bleibt? Eine wichtige Dokumentation, die jedoch durch allzu forsches und auf Skandal bedachtes Vorgehen sich selber zum Teil diskreditiert hat.


Update

Die Redaktion von Frontal21 nimmt Stellung zu den Vorwürfen, das ZDF “inszeniere” die Aufregung um ein ADS-Medikament.

Prof. Peter Schönhöfer stellt aus seiner Sicht die Lilly-Pressemitteilung richtig.

Nobelpreis mit Gschmäckle

Die Neue Züricher Zeitung berichtet über finanzielle Verbindungen zwischen dem Pharmakonzern AstraZeneca und Tochterfirmen der Nobel-Stiftung. Auch mehrere Mitglieder des Nobelkomitees sollen auf der “Lohnliste” von AstraZeneca stehen.

Laut Oberstaatsanwalt Christer von der Kwast könnten Verbindungen zwischen dem Pharmakonzern Astra Zeneca und Personen im Umkreis der Nobelstiftung Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen bieten.
Pikant ist die Verbindung deshalb, weil AstraZeneca nach der Übernahme der Biotechnologie-Firma MedImmune und deren Patent-Rechten im Frühjahr 2007 mit Milliardenbeträgen an den Verkäufen der HPV-Impfstoffe partizipiert. Die aufsehenerregende Übernahme […]

"FDA und EMEA sollten verstärkt zusammenarbeiten"…

Wenn es um den Posten des neuen Chefs der FDA (US-Behörde für Arzneimittelaufsicht) geht, wird immer wieder auch Peter Rost als möglicher Kandidat genannt. Seine Bewerbung wird unter anderem von einem Senator und einem Abgeordneten des Repräsentantenhauses unterstützt.

Eine Berufung des ehemaligen Pharmaindustriemanagers würde eine Zäsur bei der Leitung der Mammutbehörde bedeuten, deren Commissioner, so die Bezeichung des Amts, bisher aus der Gesundheitsverwaltung und Wissenschaft kamen. Rost war Vize-Präsident für Marketing bei Pharmacia. Als Whistleblower zeigte er das illegale Marketing des Wachstumhormons Genotropin und Unregelmässigkeiten in der Bilanzierung bei Pharmacia an. Bei der Übernahme von Pharmacia hat Pfizer den unbequemen Manager kalt gestellt. Rost hat, trotz Pfizers Grossaufgebots an Anwälten, die meisten Klagen gegen seinen früheren Arbeitgeber gewonnen. Die Erlebnisse und Erfahrungen schrieb er in einem Sachbuch und einen Thriller nieder. Der Pharmakritiker ist heute als Autor, Redner, Gutachter, Experte tätig. Als Blogger hat er in den letzten 2 Jahren weiter unethische und illegale Praktiken der Pharmaindustrie angeprangert und aufgedeckt.

Grund für mich, Peter Rost einige Fragen zu seiner Bewerbung und der Rolle der FDA aus seiner Sicht zu stellen. In dem Interview verweist er darauf, dass die FDA eine starke Führung braucht, mit Erfahrung in der Leitung grosser Organisationen. Bei der anstehenden Gesundheitsreform sieht er die Hauptaufgabe der FDA darin, das Vertrauen der Bürger in die Sicherheit von Arzneimitteln wiederzugewinnen. Die Zusammenarbeit mit der europäischen Zulassungsbehörde EMEA könnte nach Meinung von Peter Rost dazu beitragen. Den derzeitigen Provinzialismus hält er für naiv. Er könne sich als Frühwarnsystem vorstellen, dass wenigstens die Aufsichtsbehörden die Ärzte und Fachkreise darüber informieren, dass die jeweils andere Behörde Entscheidungen gefällt hat. In Hinblick auf die US-Gesundheitsreform hält Peter Rost es für nicht unwahrscheinlich, dass der Staat in den USA mit dem Programm Medicare zukünftig einen höheren Anteil der Arzneimittelausgaben übernimmt. Er sieht gleichwohl das Problem des möglichst effizienten Einsatzes der begrenzten Mittel. Daher müssten pharmakoökonomische Bewertungen Teil des Systems werden.

  • Die bisherigen Commissioner der FDA kamen aus der Politik, Verwaltung oder Wissenschaft. Welche zusätzlichen neuen Impulse sollte ein Commissioner mit Erfahrungen in der Pharmaindustrie bei der Bewältigung der zukünftigen Aufgaben der FDA geben?
    Peter Rost: This is a key change and also a key challenge. I think there’s a reason it is mostly business people running scientific corporations such as big pharma, the skill sets are different than those needed as a scientist in a lab or clinical setting. For the same reason I think the FDA would benefit from someone with former P&L responsibility who has focused on managing large organizations effectively and not just science. The FDA has a ton of great scientists, what they need now is great leadership. That’s what I would expect to contribute. The fact that I also have an M.D. is simply a bonus.
  • Welche relevante Rolle könnte die FDA bei Reform des US-Gesundheitswesens spielen?
    Peter Rost: The FDA is there to ensure safe and effective drugs and food supply. Trust has broken down and the FDA is no longer regarded as well as it used to be. Clearly the FDA appears to have been slow with warning the public for various dangerous drugs and perhaps food products. It needs to be easier to take a drug off the market than getting it approved for marketing. I would take a top down look at resources and work with the agency to restore its credibility and to ensure a better balance between efforts to approve new drugs and protecting the public against dangerous ones.
  • Die FDA und die EMEA bewerteten in der Vergangenheit Sicherheit und Nebenwirkungen von Medikamenten zum Teil unterschiedlich. Könnte es Bedarf für eine verstärkte Zusammenarbeit geben?
    Peter Rost: I agree. The current provincialism is naive. We frequently see doctors on one continent receiving a warning letter a year before doctors on another continent. I see no reason why a doctor in Germany or the UK should be warned a year earlier about a dangerous side effect, than a doc in the US, yet that is exactly what happens today and the companies involved are unfortunately not helping. I could envision either agency at least notifying its healthcare professionals that a decision has been made by the other agency and informing them that they are still studying this, so an early warning system. That way we cut through the bureaucracy.
  • Zur Begrenzung der steigenden Arzneimittelausgaben setzen in Europa die veranwortlichen Politiker ihre Hoffnung auf auf pharmakoökonomische Bewertungen und HTA (health technology assessments). Könnte das auch für die USA eine Lösung sein?
    Peter Rost: Most definitely. It surely wouldn’t be popular, drug companies today fear UK’s NICE system, and would do what they can to work against this, but at the end of the day, we’re dealing with limited resources that need to be spent in a manner that produces the greatest public good. It is not unlikely that Medicare in the US will be given a larger role in paying for drugs in the future, and to do this effectively pharmaeoeconomic evaluations would have to be part of the system.


There are the questions for the english-speaking audience:
Q1: The previous commissioners had been come from policy, administration or science. Which additional fresh stimulus should be giving a commissioner with experiences in the pharmaceutical industry the FDA to cope with the future tasks?
Q2: Which considerable part could the FDA play in the reform of the US health care system?
Q3: In the past the FDA and the EMEA have assessed safety and side effects of drugs partly differently. Might there the need for greater collaboration?
Q4: For restriction of rising expenditures for drugs responsible politicians in Europe place their hopes in phamacoeconomic evaluations and HTA. Could it be a solution also in the USA?

januvia.at – Fachkreise only

Vor vier Wochen genügte auf der Seite januvia.at noch ein beherzter Klick auf einen Button “Ja, ich bin Arzt”, um auf die den Fachkreisen vorbehaltene Werbung von MSD Österreich für das Diabetes-Medikament Januvia® zu gelangen.

Ein klarer Verstoss gegen das Arzneimittelgesetz in Österreich, da nicht sichergestellt war, dass die Informationen nur Personen erreichen, die zur Verschreibung oder zur Abgabe von Arzneimitteln befugt sind.

Nun hat MSD Austria reagiert und der Internetseite einen Zugangsschutz durch einen Account beim MSD-Ärzteportal univadis verpasst.

Die Internetseite war seit mindestens Juni 2008 im Netz. Sie enthielt allerlei Marketingaussagen zum dem Präparat, die Fach- und Gebrauchsinformationen, ein Video, und eine Lerneinheit. Der Hersteller unabhängige Informationsdienst arznei-telegramm bewertete das Medikament im Juni 2007 folgendermassen: “Ein therapeutischer Stellenwert des wirkschwachen Antidiabetikums ist nicht erkennbar”.

Mitgehört

Neulich in der Apotheke:

Kundin: „Guten Tag, ich hätte gerne Globuli …. wissen Sie, die sind homöopathisch!“

Pharmaassistentin: „Das ist etwa so, als würden sie mir sagen: ‚Ich hätte gerne Tabletten, -…