Pragmatische Studien – Studien zur Routine machen

Warum gibt es noch soviel Unsicherheit bei medizinischen Entscheidungen? Warum werden nicht mehr Studien durchgeführt? Was kann dagegen getan werden?

Bei medizinischen Entscheidungen herrscht auch heute noch eine grosse Unsicherheit. Soll behandelt werden? Wenn ja, welche Behandlung ist bei einer Ausgangslage die beste?

Fundierte Entscheidungen basieren auf Wissen. Wissen basiert auf Daten. Und genau wegen den fehlenden Daten müssen medizinische Entscheidungen blind getroffen werden.

In der Medizin wird Wissen durch faire Tests gewonnen. Es ist einfach. Man vergleicht zwei Behandlungen und schaut, welche die bessere ist. Für aussagekräftige Resultate ist es wichtig, dass der Vergleich fair ist. Solche fairen Vergleiche werden als Randomisierte kontrollierte Studien (randomized controlled trials, RCT) bezeichnet.

Trotz des einfachen Prinzips der fairen Tests, werden zu wenig Vergleiche gemacht.

Ein Grund ist sicher, dass die Fairness des Vergleichs in der Praxis schwierig sein kann.

Ein anderer Grund ist die hohe bürokratische Hürde für klinische Studien. Eine Kontrolle von medizinischen Studien wurde notwendig, da in der Forschung menschenverachtende Experimente durchgeführt wurden. Doch die heutigen Regeln für Patientenstudien schiessen über das Ziel hinaus. Studien, auch bei unkritischen, zugelassenen Behandlungen sind teuer oder praktisch gar nicht durchführbar.

Abbau von bürokratischen Hürden

Das folgende Beispiel könnte nicht anschaulicher sein: Dreizehn Hausärzte wollen die Bioverfügbarkeit von zugeführtem Vitamin-D testen. Sie machen einen Selbstversuch, stellen die Resultate vor und werden gebüsst. Sie hatten nicht die richtigen Bewilligungen. Sie hätten den Versuch nicht durchführen dürfen.12

Die geltenden Regeln führen nicht dazu, dass geplante Versuche besser durchgeführt werden, sondern, dass die Versuche überhaupt nicht durchgeführt werden.

Kein Wissenszuwachs. Kein Abbau der Unsicherheit. Kein Fortschritt.

Die Studiendurchführung kann sich wegen den Kosten praktisch nur noch die Pharmaindustrie leisten. Und die Pharmaindustrie führt natürlich nur Studien durch, die in ihrem Interesse sind.

Es herrscht gerade zu eine paradoxe Situation. Ärzte dürfen alles verschreiben (Off-Label-Therapie) (was nicht schlecht ist). Doch wenn sie es zusätzlich testen wollen, ist es nicht mehr erlaubt (oder durch grosse bürokratische Hürden stark behindert).

Entscheidungen in der Medizin aufgrund von verlässlichen, wissenschaftlichen Daten wird als Evidenzbasierte Medizin (EBM) bezeichnet. Doch mangels Daten scheint die Evidenzbasierte Medizin auf halbem Weg stecken geblieben zu sein.

Kurz: Die Durchführung von einfachen medizinischen Tests ist zu kompliziert. Sie muss einfacher werden.

Die Forderungen sind:1

  • Pro Studie eine zuständige Ethikkommission, nicht mehr ein Dutzend Ethikkommissionen.
  • Vereinfachungen bei bereits zugelassenen Medikamenten
  • Vereinfachungen bei harmlosen Tests
  • Angebot von praxisrelevanten Kursen zur Studiendurchführung, z.B. an Ärztekongressen
  • Einfache Formulare für Studienteilnehmereinverständnis
  • Einfacher Abschluss von Studienhaftpflichtversicherungen
  • Vergünstigungen für nicht-kommerzielle Studien

Der Schutz der Studienteilnehmer soll und wird durch diese Massnahmen nicht verringert. Die Studien sollen nach wie vor überwacht werden. Die Information und Einverständnis des Patienten bleibt eine Voraussetzung.

Diese Forderungen bedeuten keinen Abbau an der wissenschaftlichen Vorgehensweise. Alle Studien sollen auch hier vorgängig registriert und anschliessend publiziert werden.

Studien zur Routine machen

Einen Schritt weiter geht die Idee von Ben Goldacre und seinen Kollegen. Bei jeder Verschreibung, wo zu wenig gesichertes Wissen vorhanden ist, soll beim Arzt auf dem Computer ein rotes Lämpchen aufleuchten und automatisch eine Studienteilnahme vorschlagen.3 Wenn es beispielsweise für die gleiche Diagnose zwei Medikamententypen gibt, aber keine Daten vorhanden sind, welcher Typ besser ist, soll der Typ zufällig gewählt werden. Der Zufall verhindert Verzerrungen (bias), dass z.B. ein Medikament zu Beginn einseitig, z.B. an die „Gesünderen“, vergeben wird.

In den häufigen Krankheiten könnten wegen der grossen Anzahl Patienten die Wissenslücken in kurzer Zeit gefüllt werden.

  • Bessere Heilungen,
  • weniger Nebenwirkungen,
  • weniger unnötige Behandlungen und
  • tiefere Kosten wären die Folge.

Fazit

Es müssen mehr medizinische Studien durchgeführt werden um die Unsicherheit bei medizinischen Entscheidungen zu verkleinern. Klinische Studien müssen einfacher durchgeführt werden können.

Am besten werden medizinische Studien bei ungenügender Datenlage automatisch durchgeführt. Wir müssen pragmatischer werden. Die Verbesserung der Datenlage sollte zur Routine werden.


  1. Markus Gnädinger, Frank Bossert, Felix Eichmann, Bruno Haug, Martin Krüsi, Markus Nadig, u. a. Ceci n’est pas une étude, Schweizerische Ärztezeitung, Feb. 2013, 94(2013):261–3 

  2. Mit Vitamin D gegen die Bürokratie, Tages-Anzeiger, 18. März 2013 

  3. Staa TP, Goldacre B, Gulliford M, Cassell J, Pirmohamed M, Taweel A, Delaney B, & Smeeth L. Pragmatic randomised trials using routine electronic health records: putting them to the test, BMJ, 7. Feb. 2012 BMJ (Clinical research ed.), 344 PMID: 22315246 

Teilnahme an Studien: Notwendigkeit und Bedingungen

Soll an klinischen Studien teilgenommen werden? Was muss bei einer Studienteilnahme beachtet werden?

Klinische Studien sind das Herzstück der medizinischen Forschung. Studien liefern die praktische Erfahrung, hochgestochen ausgedrückt, die empirische Evidenz für eine Behandlung. Denn Behandlungen und Theorien mögen auf dem Papier hervorragend aussehen, doch sie müssen auch in der Realität funktionieren. Beispielsweise die Argumente des Aderlassens mögen plausibel und hilfreich tönen, doch in Tests wurden die Theorien nicht bestätigt.

Unsicherheiten über Behandlungen können durch Studien geklärt werden. Ist die Behandlung A oder B besser? Und bei Alten Leuten?

Die Teilnahme an klinischen Studien ist wichtig! Studien bringen die Wissenschaft voran. Es ist geradezu eine Bürgerpflicht an Studien teilzunehmen.

Damit Studien effektiv sind, müssen aber wissenschaftliche und ethische Kriterien erfüllt sein. Eine Überprüfung können und müssen die Studienteilnehmer machen. Auch in ihrem eigenen Interesse.

Welcher Studienteilnehmer will schon, dass beispielsweise seine durchgeführte Studie nach Abschluss einfach in der Schublade verschwindet? Also, ohne den geringsten Beitrag zur Wissenschaft. Das ist leider kein hirnrissiges Beispiel, sondern traurige Realität. Denn die Hälfte aller Studien wurden und werden noch immer nicht veröffentlicht. Sie verschwinden einfach. Die Antwort auf die Unsicherheit ist da, aber womöglich passte sie dem Auftraggeber nicht. Oder es ist schlicht Faulheit des Forschers, wenn die Resultate vermeintlich für die Karriere zu wenig nützlich sind.

Eine Studie muss relevant sein. Die Forschungsfrage muss noch offen sein und nicht bereits geklärt. Nur so leistet eine Studie einen nützlichen Beitrag.

Im Leben gibt es Fragen über Fragen. Die Zeit reicht nie um alle zu beantworten. Wichtige Fragen müssen deshalb zuerst untersucht werden. Forschungsfragen müssen für Studienteilnehmer nachvollziehbar und für die Patienten nützlich sein. Studien ohne praktische Relevanz, beispielsweise nur zu Marketingzwecken, sind pure Verschwendung.

Vor einer Studienteilnahme sollten deshalb unbedingt folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Das Studienprotokoll muss ordentlich in einem öffentlich zugänglichen Studienregister eingetragen sein.
  2. Das Studienprotokoll muss Bezug auf systematische Übersichtsarbeiten bereits vorhandenen Wissens (systematic reviews of existing evidence) nehmen, die zeigen, dass diese Studie notwendig ist.
  3. Eine schriftliche Garantie bekommen, die sagt, dass alle Studienresultate nach Abschluss veröffentlicht werden und alle Studienteilnehmer die Studie erhalten werden, wenn sie es wünschen.
  4. Im Falle von Pharmastudien, eine schriftliche Garantie vom Pharmaunternehmen bekommen, dass (a) das finanzielle Risiko durch unerwünschte Nebenwirkungen übernommen wird und (b) insbesondere die Beweispflicht nicht beim Patienten liegt, sondern ein Zusammenhang vom Studienorganisator ausgeschlossen werden muss (Beweisumkehr).1

Beim dritten Punkt, wäre es noch besser, wenn die Veröffentlichung der Studienresultate für alle frei verfügbar ist, also Open Access ist.

Um es für Studienteilnehmer einfach zu machen, habe ich die obigen Bedingungen in Fragen umgewandelt, die eins-zu-eins vor Studienbeginn gefragt werden können:

  1. In welchem Studienregister ist diese Studie eingetragen? (wie dies von der Wissenschaft gefordert ist)
  2. Was ist der Stand des bereits vorhandenen Wissens? Was ist die Aussage der systematischen Cochrane Übersichtsarbeiten?
  3. Können sie mir die schriftliche Bestätigung geben, dass alle Studienresultate nach Abschluss veröffentlicht werden und ich den fertigen Forschungsartikel erhalten werde.
  4. Können sie mir die verbindliche Bestätigung der Leitung geben, dass ich (a) im Falle von finanziellen Schäden in Folge der Studie, z.B. Invalidität, entschädigt und (b) eine Zusammenhang plausibel begründen, nicht jedoch formal juristisch beweisen muss (Beweisumkehr).

Falls man keine Garantien für den 4. Punkte erhält und trotzdem bzw. unbedingt an der Studie teilnehmen will, sollte man sich selbst genügend finanziell, z.B. in Form einer Rechtsschutzversicherung, absichern.

Fazit

Die Teilnahme an klinischen Studien ist wichtig. Die Voraussetzungen für gute Forschung müssen aber erfüllt sein und das finanzielle Risiko der Patienten in Folge der Studie muss vom Organisator getragen werden. Jeder Studienteilnehmer sollte diese vier Punkte – in seinem Interesse – sicherstellen. Die oben formulierten, einfachen Fragen machen die Überprüfung der minimalen Studienvoraussetzungen einfach.

Referenzen

Dieser Artikel baut auf der Folie (Position 20:00) des Vortrages von Iain Chalmers auf. Sir Dr. Iain Chalmers ist Gründer der Cochrane Collaboration und Koordinator der James Lind Initiative.

Offenlegung

Ich habe bisher an zwei Studien teilgenommen, einer psychologischen und einer zur Blutuntersuchung. Die Studienresultate der zweiten kenne ich noch nicht und muss dieser einmal nachgehen.

Überarbeitung

[Aktualisierung 24.08.2013: Das finanzielle Risiko als 4. Punkt aufgenommen. Als Studienteilnehmer ist das ein sehr relevanter Punkt. Er wurde im Kommentar unten angeregt. In der Schweiz ist es leider so, dass die Beweispflicht beim Patienten/Studienteilnehmer liegt und ein solcher formal juristischer Beweis praktisch unmöglich ist, wie der Beobachter in seinem Artikel dargestellt hat.1]

[Aktualisierung 12.10.2013: Interview mit Margit Kessler zu Studienteilnahmen: «Ich empfehle jedem Teilnehmer, eine Versicherung abzuschliessen», Tages-Anzeiger, 12. Okt. 2013]

[Aktualisierung 22.10.2013: Die Deklaration von Helsinki wurde soeben überarbeitet. Die Deklaration von Helsinki (DoH): Ethical Principles for Medical Research Involving Human Subjects wird von der World Medical Association (WMA), dem Weltärztebund erlassen. Die Deklaration von Helsinki regelt die medizinische Forschung mit Menschen. Ich habe einen Artikel geschrieben, der die alte und die neue Version vergleicht.]


  1. Hostettler O, Klinische Versuche: Tests mit Nebenwirkungen. Beobachter, 28. Jan. 2013; Nr 2. 

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Behinderung und Technologie: Google Street View

Was hat Technologie mit Behinderung zu tun? Wie kann Technologie im Alltag helfen?

Technologie kann Helfen und Defizite kompensieren.

Ein kleines, unerwartet einfaches Beispiel aus dem Alltag. Eine MS-Betroffene, welche auf den Rollstuhl angewiesen ist, erzählte mir von ihrem Trick. Vor jedem Restaurantbesuch schaut sie sich auf Google Street View die Situation an. Hat es eine Treppe beim Eingang? Ist das Restaurant rollstuhlgängig?

Man kann sich vorgängig ein Bild machen.

Beispiele 1: Wie ist der Zugang zum Restaurant Alpha in Thun?

Grössere Kartenansicht

Beispiele 2: Wie ist der Zugang zum Restaurant Alpenblick in Thun?

Zugang zum Restaurant Alpenblick in Thun auf Google Street ViewBeispiele 2: Zugang zum Restaurant Alpenblick in Thun auf Google Street View

Link zu Restaurant Alpenblick in Thun auf Google Street View

Frankreich und Italien haben eine grosse Abdeckung. Deutschland und Österreich sind aus rechtlichen Gründen nicht erfasst.

Google Street View Abdeckung Frankreich, Schweiz, Deutschland, Österreich, Stand: 22.06.2013Google Street View Abdeckung Frankreich, Schweiz, Deutschland, Österreich, Stand: 22.06.2013

Wegen Rechtsproblemen ist die Abdeckung in der Schweiz noch nicht sehr gross. Die Probleme sind mittlerweile gelöst und die die Google Fahrzeuge sind seit Mitte 2013 wieder unterwegs.

Google Street View Abdeckung Schweiz, Stand: 22.06.2013Google Street View Abdeckung Schweiz, Stand: 22.06.2013

Fazit

Zusätzliche Informationen, wie z.B. Zugangsbilder von Google Street View, helfen Behinderten bei der Planung.

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