Evidenzbasierte Medizin (EBM) und Cochrane [akt.]

Was ist evidenzbasierte Medizin? Warum ist evidenzbasierte Medizin wichtig? Was ist Cochrane? Funktioniert evidenzbasierte Medizin?

Evidenzbasierte Medizin (EBM)

Evidenzbasierte Medizin (EBM) bezeichnet eine Medizin, die auf Fakten basiert. Medizinische Entscheidungen sollen sich am besten vorhandenen Wissen orientieren. Es ist nichts anderes als eine wissenschaftlich fundierte Medizin.

War das nicht schon immer so? Was ist daran neu?

Seit langem wird die Medizin an Universitäten gelehrt. Ist da nicht automatisch Wissenschaft drin? Nehmen wir das Beispiel des Aderlasses, lange der häufigste angewendete medizinische Eingriff. Die Doktoren hatten ein Säfte-Modell des Menschen im Kopf. Dort machte ein Aderlass Sinn. Doch wäre es irgend jemand in den Sinn gekommen dies nachzuprüfen, ob es überhaupt hilft? Leute, mit und ohne Aderlass, zu vergleichen? Nach über 200 Jahren wurde dies dann endlich gemacht und siehe da, der Aderlass schadete sogar.

Nicht die Theorie zählt, sondern das Resultat. Um Resultate vergleichen zu können, müssen diese gemessen werden. Da bei Resultaten immer auch der Zufall mitspielen kann, genügt eine Messung nicht, sondern man macht mehrere Wiederholungen. Und über die verschiedenen Resultate lassen sich dann statistisch auswerten. Dies tönt jetzt vielleicht einfach. Doch Messungen können aufwendig sein, man denke z.B. die Messung einer Depression. Es müssen auch genügend Versuchspersonen mitmachen. Kurz, Messungen können aufwändig sein. Kleinere Studien sind einfacher. Aus diesem Grund gibt es auch mehr kleinere Studien.

Die statistische Aussagekraft kleinerer Studien ist oft beschränkt. Man kann keine eindeutigen Schlüsse ziehen.

Doch warum nicht die vielen kleinen Studien zu einer grossen zusammennehmen? Wenn die Daten der kleinen Studien vorhanden sind, ist dies möglich. Es können alle Studien, ob gross oder klein gesucht werden und daraus kann eine sogenannte Metaanalyse erstellt werden. Genau, das macht die Cochrane Collaboration.

Cochrane Collaboration

Die Wissenschaftler von Cochrane machen systematische Übersichtsarbeiten und fassen diese statistisch zu einer Metaanalyse zusammen. Übersichtsarbeiten (Reviews) wurden schon lange erstellt, aber nicht systematisch. Forscher nahmen beispielsweise jene Studien, die ihre Thesen unterstützen. Cochrane hat sich darauf spezialisiert, alle vorhandenen Studien systematisch mit festgelegten und nachvollziehbaren Kriterien zusammenzuziehen und auszuwerten. Sie haben «Werkzeuge» (Methoden) geschaffen und wenden diese an.

Die Cochrane Collaboration wurde 1993 von Iain Chalmers mit weiteren in England gegründet. Der Name Cochrane wurde in Andenken an den Arzt und Epidemiologen Archie Cochrane (1909 – 1988) gewählt, einer der Begründer der evidenzbasierten Medizin. Die Cochrane Collaboration ist eine Non-Profit-Organisation. Interessenkonflikte werden ernst genommen. Die Cochrane Collaboration ist mittlerweile eine weltweit tätige Organisation, auch mit Ablegern in der Schweiz und Deutschland.

Iain Chalmers wurde für seine Arbeit von der Queen geadelt.

Blobbogramm, das Cochrane Collaboration Logo

Cochrane Collaboration Logo© Cochrane Collaboration

Das Logo der Cochrane Collaboration zeigt ein Blobbogramm. Ein Blobbogramm ist das Resultat einer Metaanalyse. Das Logo der Cochrane Collaboration zeigt das Blobbogramm aller Studien zur Abgabe von Hormonen (Steroide) bei Frühgeborenen zum Überleben. Jede horizontale Linie steht für eine Studie. Je weiter links die Linie, desto hilfreicher sind die Hormone gemäss dieser Studie. Die zentrale, vertikale Linie ist die «Linie ohne Effekt». Wenn eine horizontale Linie die Linie ohne Effekt berührt, dann zeigt diese Studie keinen statistische signifikanten Nutzen. Je länger eine horizontale Linie, desto grösser die Unsicherheit einer Studie. Das sind die kleinen Studien. Das kleine Viereck unten zeigt den Nutzen über alle Studien zusammen. Bei diesem konkreten Beispiel ist das Viereck weit von der Linie ohne Effekt entfernt. Die Abgabe von Steroiden bei Frühgeborenen ist hilfreich. Leben von Frühgeborenen werden gerettet.

Das erstaunliche ist, dass das Blobbogramm erst 1989 erfunden wurde. Die Fakten zur Abgabe von Hormonen bei Frühgeborenen waren schon lange vorhanden, doch keiner machte Metaanalyse. Niemand wusste wie effektiv sie sind. In Folge dessen wurden selten Hormone gegeben und viele Frühgeborene verstarben unnötigerweise. Nicht weil die Daten nicht vorhanden gewesen wären, sondern nur, weil keine gesamthafte Auswertung gemacht wurde.

Übersichtsarbeiten (Systematic Reviews)

Die Cochrane Collaboration stellt ihre Auswertungen als systematische Reviews zur Verfügung. Die Zusammenfassung kann jeder lesen. Dabei gibt es eine wissenschaftlich exakte Zusammenfassung und eine für Laien. Einige Zusammenfassungen gibt es auch auf deutsch. So wie sich das Wissen vergrössert, so werden die systemaischen Übersichtsarbeiten periodisch überarbeitet.

Probiert es aus!

Beispiel: Nutzen von Beta-Interferonen bei schubförmiger Multiple Sklerose

Die Zusammenfassung, Auswertung Stand 2009:

Multiple sclerosis (MS) is a chronic disease of the nervous system which affects young and middle-aged adults. Repeated damage to the myelin sheaths and other parts of the nerves can lead to serious disability. MS may be related to the immune system. Interferons have several effects on the immune system, and act against viruses. Interferons can help to reduce disability and attacks for people with multiple sclerosis, but there is not enough evidence about their usefulness in the long term. The review of trials found that interferons administered intramuscularly or subcutaneously can lead to a moderate reduction in recurrences and disability in people who have MS with remissions. Interferon-1a administered by the oral route was not effective for prevention of relapses. Side effects were usually influenza-like symptoms, injection site-reactions, pains in the joints and muscles, fatigue and headache.

Zugrunde liegende systematische Auswertung: Rice GP, Incorvaia B, Munari LM., Ebers G, Polman C, D’Amico R, Parmelli E, Filippini G. Interferon in relapsing-remitting multiple sclerosis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2001, Issue 4. Art. No.: CD002002. DOI: 10.1002/14651858.CD002002

Deutsche Übersetzung von 2007, die ich auf den Stand 2009 angepasst habe (meine Ergänzungen sind schräg hervorgehoben):

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems, welche junge und mittelalte Menschen befällt. Dabei können wiederholte Schädigungen der Myelinscheiden und anderer Nerventeile zu schweren körperlichen Behinderungen führen. Möglicherweise spielt das Immunsystem bei der MS eine Rolle. Interferone wirken vielfältig auf das Immunsystem ein, und sind gegen Viren aktiv. Interferone können helfen die Behinderung und Schübe zu reduzieren, aber es gibt nicht genügend Beweise (Evidenz) zu ihrem langfristigen Nutzen. Diese Studienübersicht zeigt, dass unter die Haut oder in die Muskeln gespritzte Interferone zu einer moderaten Verringerung in der Zahl der Schübe und der Behinderungen bei Patienten mit schubweiser MS beitragen können. Oral verabreichtes Interferon-1a war nicht wirksam bei der Verhinderung von Schüben. Unerwünschte Nebenwirkungen waren Grippe-ähnliche Symptome, Hautreizungen an der Injektionsstelle, Schmerzen in Gelenken und Muskeln, Müdigkeit und Kopfschmerzen.

Kritik an Cochrane

Häufig wird die Cochrane dafür kritisiert, dass sie zu wenige Studien in ihre Metaanalysen aufnähme, dass die Aufnahmekriterien zu streng seien. Doch nur gute Qualitätskriterien garantieren qualitativ gute Metaanalysen.

Problem fehlender Daten (Publication Bias)

Die systematischen Übersichtsarbeiten liefern nur richtige Resultate, wenn die veröffentlichten Daten dem vorhandenen Wissen entsprechen. Fehlende Daten sind aktuell aber ein grosses Problem, denn «positive» Resultate werden viel häufiger veröffentlicht als «negative». Forscher berichten viel lieber über etwas, das sie gefunden haben als über nicht gefundenes. Und Herstellern kommen «positive» Resultate viel gelegener.

Beispielsweise verheimlicht Roche die Studiendaten zu Tamiflu. Seit 2009 versucht Cochrane eine Metaanalyse machen. Roche rückt die Daten nicht raus. Die Staaten haben für Milliarden Franken Tamiflu gekauft und bis heute ist nicht klar, ob Tamiflu überhaupt hilft, siehe Tamiflu Saga.

Systematische Übersichtsarbeiten fallen wegen der verzerrten Veröffentlichung in der Tendenz eher zu positiv aus.

Die All Trials Initiative fordert die systematische Publikation von durchgeführten Studien, damit die evidenzbasierte Medizin funktioniert. Alles andere entspricht einer Medizin des Mittelalters – mit Aderlässen. Unterschreibt die Petition!

Weiterführende Literatur und Quellen

Dieser Artikel ist frei nach diesen Quellen geschrieben.

Zusammenfassung

Die evidenzbasierte Medizin arbeitet mit wissenschaftlichen Prinzipien. Fakten zählen. Die traditionelle Schulmedizin wird auch salopp als Eminenzbasierte Medizin beschrieben.

Evidenzbasierte Medizin will den aktuell besten Stand zu einer medizinischen Fragestellung geben. Ein wichtiges Mittel sind systematische Übersichtsarbeiten (Systematic Reviews) und Metaanalysen.

Das Nichtveröffentlichen von durchgeführten Studien untergräbt die evidenzbasierte Medizin.

Cochrane ist ein Grundpfeiler der evidenzbasierten Medizin. Alle sollten Cochrane kennen und die Cochrane Zusammenfassungen im Patientenalltag nutzen.

Am 3. April 2013 strahlte SRF Radio 2 in der Sendung Kontext eine Reportage über Cochrane aus: Die medizinischen Besserwisser – 20 Jahre Cochrane Collaboration (27min). Das unabhängige Expertennetzwerk «Cochrane Collaboration» bewertet seit zwanzig Jahren medizinische Therapien – nicht zur Freude aller.

Süpervitamin

Musikvideo «Süpervitamin» von Müslüm. Die Musik beginnt ab 1:14.

Wer hat genau hingehört?

Vielleicht liegt Müslüm mit seinen Süpervitamine gar nicht so daneben?

Placeboforschung zeigt, dass der Arzt selbst schon wie ein Medikament wirken kann.

Der Arzt ist im praktischen Alltag häufig selbst das Plazebo, selbst wenn er diese grundsätzlich nicht verschreiben will.

Jean Martin, Mitglied der Nationalen Ethikkommission, Schweizerische Ärztezeitung, Juli 2012, 2012;93(31-32):1150

Wirklich alles über Dermatologie, Venerologie und Allergologie

Ein umfassenderes Werk rund um die medizinischen Disziplinen, die sich mit der menschlichen Haut beschäftigen, gibt es nicht: “Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie” ist ein medizinisches Standardwerk der Dermatologie. Es komprimiert alle wichtigen Informationen und ist gleichzeitig Lehrbuch wie Nachschlagewerk.
Das medizinische Fachbuch von Plewig, Landthaler, Burgdorf, Hertl, Ruzika und vielen anderen Autoren liegt bereits […]

Bluttest auf Trisomie 21 jetzt verfügbar

Ich hatte bereits über den Bluttest bei Schwangeren auf Trisomie 21 (Down Syndrom) des Ungeborenen berichtet. Viele Leserinnen und Leser fragten bei mir nach, wo und wann dieser Test ind Deutschland verfügbar sei und was er koste. Jetzt kann ich diese Fragen beantworten: Die Firma Life Codexx in Konstanz bietet diesen Test für 1245,50 € […]

All Trials Initiative – Alle Studien registriert | Alle Resultate veröffentlicht (akt. 2)

Was ist AllTrials.net? Was will die Petition bezwecken? Wer steht hinter dieser Initiative? Warum ist diese Initiative wichtig?

Hilft Tamiflu? Wir wissen es nicht. Zahlten aber trotzdem Milliarden und gehen vielleicht sogar gesundheitliche Risiken ein. Wie die Tamiflu Saga zeigt, werden medizinische Studien verzerrt veröffentlicht (publication bias). „Unerwünschte“ Resultate werden unter den Teppich gekehrt.

Das verunmöglicht allen Medizinern, auch den besten und unabhängigsten, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die richtigen Medikamente auszuwählen. Auch die besten und unabhängigsten Mediziner können keine „besseren“ Daten „hervorzaubern“. Evidenzbasierte Medizin ist nicht möglich.

Ben Goldacre hat in seinem Buch Bad Pharma die aktuelle Situation detailliert analysiert und zusammengefasst.

Das Problem ist schon lange bekannt. Beispielsweise haben 2004 die Vereinigung der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften (International Committee of Medical Journal Editors; ICMJE) beschlossen, nur noch vorregistrierte Studien zu veröffentlichen. Denn bei der Registrierung ist noch unklar, ob ein „positives“ oder ein „negatives“ Resultat herauskommt. Die Zulassungsbehörde EMA der EU, führte das zentrale Studienregister EudraCT ein. Seit 2007 müssen für alle von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zugelassenen Medikamenten alle Studiendaten innerhalb eines Jahres in zusammengefasster Form auf clinicaltrials.gov veröffentlicht werden.

Alles bestens? Mitnichten! Das sind nur halbe Lösungen – Scheinlösungen:

  • Die angesehenen Fachzeitschriften der ICMJE hielten sich nicht an den eigenen Beschluss. Eine Studie zeigte 2008, dass die Hälfte der veröffentlichten Studien nicht richtig registriert wurden.1
  • Und das EU Register ist wohl zentral, aber geheim. Das EudraCT ist schlicht weg nicht öffentlich zugänglich. Salopp gesagt, ein Witz. Man stelle sich das vor. Das Transparenzwerkzeug ist geheim.2
  • Und bei den Amerikanern? Auch ein Fehlschlag. Eine Studie Anfang 2012 hat festgestellt, dass nur eine von fünf Studien ordnungsgemäss innerhalb eines Jahres auf ClinicalTrials.gov veröffentlicht wurde.3

Das Traurige ist: Die Situation ist durch diese Scheinmassnahmen noch schlimmer geworden als vorher. Alle sagen, wir haben die Register, das Problem ist gelöst. Was aber gar nicht stimmt.

Der Mediziner und Autor Ben Goldacre ist nicht jemand der einfach jammert, sondern er handelt. Er hat deshalb mit dem angesehenen Fachmagazin BMJ, der Cochrane Collaboration und der James Lind Alliance, die AllTrials.net Initiative ins Leben gerufen.

All Trials Registered | All Results Reported

Es ist an der Zeit, dass alle Resultate klinischer Studien veröffentlicht werden. Davon werden Patientinnen und Patienten, Forschende, Apothekerinnen und Apotheker, die Ärzteschaft und die Behörden profitieren. Bitte unterzeichnen Sie die untenstehende Petition, wo auch immer in der Welt Sie sind:

In der Vergangenheit wurden die Resultate von tausenden von klinischen Studien nicht veröffentlicht. Manche Studien wurden nicht einmal registriert.

Informationen darüber, was in diesen Studien untersucht und gefunden wurde, könnten damit für Ärzte und Forschende für immer verloren sein, was zu schlechten Therapieentscheiden und verpassten Chancen für eine bessere Medizin führt; aber auch zu Studien, die wegen fehlender Information wiederholt werden.

Alle klinischen Studien sollten daher registriert werden, seien dies vergangene oder aktuelle. Die vollständigen Methoden und die Resultate sollten veröffentlicht werden.

Wir rufen Regierungen, Behörden und Forschungsinstitutionen dazu auf, Massnahmen umzusetzen, um diese zu erreichen.

All Trials LogoCC BY-NC-ND AllTrials.net

Das Problem ist schon zu lange ungelöst. Zu viele Scheinlösungen hat es gegeben.

Alle – Einzelpersonen, Gesellschaften und Institutionen, auch Schweizerische – sind jetzt aufgerufen die Petition zu unterschreiben und selbst aktiv zu werden.

Stand

Seit dem Start am 8. Jan. 2013 wird die Petition schon von vielen unterstützt. Eine Auswahl:

Die Initiative hat noch kaum Unterstützung aus der Schweiz. Die nichtveröffentlichten Studien sind eines der grössten Probleme der Medizin und der Wissenschaft. Jetzt unterschreiben.

Referenzen

[Aktualisierung 09.03.2013: 18th January 2013 Sir Iain Chalmers interviewed on the Today programme]

[Aktualisierung 25.03.2013: Artikel von GlaxoSmithKline-Direktor in Schweizer Ärztezeitung: Peter Kleist, Vier Schritte zu mehr Transparenz in der klinischen Forschung, Schweizerische Ärztezeitung, März 2013, 94(12):483–5]

[Aktualisierung 11.05.2013: Die AllTrials-Initiative findet nun auch in der Schweiz Unterstützung. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)5 und die Schweizerische MS-Gesellschaft unterstützen die Initiative. Bravo für die Vorreiterrolle. Hoffentlich folgen noch weitere Institutionen.]

[Aktualisierung 11.05.2013: Unterschriften bis zum 20. Mai sind besonders wichtig. Ende Mai findet eine wichtige Abstimmung in der EU statt. Jede Unterschrift zählt. Jetzt unterschreiben.]

[Aktualisierung 03.06.2013: Am 3. Juni ist im Tagesanzeiger ein ganzseitiger Artikel zum Buch Bad Pharma und zur All Trials Initiative erschienen. Online ist der Artikel nicht verfügbar. Der Artikel ist im Wirtschaftsteil. Ich habe den Artikel selbst noch nicht gelesen. Wenn der Tagesanzeiger in Griffnähe ist, lohnt sich wahrscheinlich die Lektüre.]

Die britische MS Society unterstützt die AllTrials Initiative ebenfalls.
Die Liste der der Unterstützer ist mittlerweile lang geworden. So muss es sein!
„Negative Studien“ dürfen nicht mehr verschwinden. Was leider heute noch bei etwa bei der Hälfte der Studien der Fall. Die guten ins Körbchen, die anderen sonst wohin. Und leiden müssen dann die Patienten unter vermeintlich wirksamen Medikamenten. Ausser Nebenwirkungen nichts gewesen.
Die Petition kann immer noch unterschrieben werden. Wer Forschung nicht zu Marketingzwecken, sondern zur wahrheitsgemässen Wirksamkeitsforschung will, der muss unterschreiben.

[Aktualisierung 12.04.2014: Wichtiger Teilschritt: Das EU-Parlament hat mit 547 gegen 17 Stimmen für die Offenlegung von neuen klinischen Studien gestimmt. AllTrials, 02.04.2014]

[Aktualisierung 12.04.2014: Der Pharma-Multi AbbVie hat seine Klage gegen die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) nach dem EU-Parlamentsbeschluss zurückgezogen. AllTrials, 03.04.2014]


  1. Ben Goldacre Bad Pharma, p47ff / Mathieu S, Boutron I, Moher D, Altman DG, Ravaud P. Comparison of Registred and Published Primary Outcomes in Randomized Controlled Trials. JAMA. 2009 Sep 2;302(9):977–84. 

  2. Wieseler B, McGauran N, Kaiser T. Still waiting for functional EU Clinical Trials Register. BMJ. 2011 Jun 20;342:d3834-d3834. (via Bad Pharma, p47ff)
    Nach dem Erscheinen des Buches Bad Pharma von Ben Goldacre und politischem Druck sind bei der EU Bestrebungen im Gange, das Register nicht mehr geheim zu halten und den Forschern zur Verfügung zu stellen. 

  3. Prayle AP, Hurley MN, Smyth AR. Compliance with mandatory reporting of clinical trial results on ClinicalTrials.gov: cross sectional study. BMJ. 2012;344:d7373. (via Bad Pharma, p47ff) 

  4. Mit der 3 Mrd. USD Busse 2012 ist GSK ein gebranntes Kind auf dem Weg der Besserung. 

  5. Persönliche Auskunft vom Generalsekretär Dr. Hermann Amstad. 

All Trials Initiative – Alle Studien registriert | Alle Resultate veröffentlicht (akt. 1)

Was ist AllTrials.net? Was will die Petition bezwecken? Wer steht hinter dieser Initiative? Warum ist diese Initiative wichtig?

Hilft Tamiflu? Wir wissen es nicht. Zahlten aber trotzdem Milliarden und gehen vielleicht sogar gesundheitliche Risiken ein. Wie die Tamiflu Saga zeigt, werden medizinische Studien verzerrt veröffentlicht (publication bias). «Unerwünschte» Resultate werden unter den Teppich gekehrt.

Das verunmöglicht allen Medizinern, auch den besten und unabhängigsten, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die richtigen Medikamente auszuwählen. Auch die besten und unabhängigsten Mediziner können keine «besseren» Daten «hervorzaubern». Evidenzbasierte Medizin ist nicht möglich.

Ben Goldacre hat in seinem Buch Bad Pharma die aktuelle Situation detailliert analysiert und zusammengefasst.

Das Problem ist schon lange bekannt. Beispielsweise haben 2004 die Vereinigung der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften (International Committee of Medical Journal Editors; ICMJE) beschlossen, nur noch vorregistrierte Studien zu veröffentlichen. Denn bei der Registrierung ist noch unklar, ob ein «positives» oder ein «negatives» Resultat herauskommt. Die Zulassungsbehörde EMA der EU, führte das zentrale Studienregister EudraCT ein. Seit 2007 müssen für alle von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zugelassenen Medikamenten alle Studiendaten innerhalb eines Jahres in zusammengefasster Form auf clinicaltrials.gov veröffentlicht werden.

Alles bestens? Mitnichten! Das sind nur halbe Lösungen – Scheinlösungen:

  • Die angesehenen Fachzeitschriften der ICMJE hielten sich nicht an den eigenen Beschluss. Eine Studie zeigte 2008, dass die Hälfte der veröffentlichten Studien nicht richtig registriert wurden.1
  • Und das EU Register ist wohl zentral, aber geheim. Das EudraCT ist schlicht weg nicht öffentlich zugänglich. Salopp gesagt, ein Witz. Man stelle sich das vor. Das Transparenzwerkzeug ist geheim.2
  • Und bei den Amerikanern? Auch ein Fehlschlag. Eine Studie Anfang 2012 hat festgestellt, dass nur eine von fünf Studien ordnungsgemäss innerhalb eines Jahres auf ClinicalTrials.gov veröffentlicht wurde.3

Das Traurige ist: Die Situation ist durch diese Scheinmassnahmen noch schlimmer geworden als vorher. Alle sagen, wir haben die Register, das Problem ist gelöst. Was aber gar nicht stimmt.

Der Mediziner und Autor Ben Goldacre ist nicht jemand der einfach jammert, sondern er handelt. Er hat deshalb mit dem angesehenen Fachmagazin BMJ, der Cochrane Collaboration und der James Lind Alliance, die AllTrials.net Initiative ins Leben gerufen.

All Trials Registered | All Results Reported

Es ist an der Zeit, dass alle Resultate klinischer Studien veröffentlicht werden. Davon werden Patientinnen und Patienten, Forschende, Apothekerinnen und Apotheker, die Ärzteschaft und die Behörden profitieren. Bitte unterzeichnen Sie die untenstehende Petition, wo auch immer in der Welt Sie sind:

In der Vergangenheit wurden die Resultate von tausenden von klinischen Studien nicht veröffentlicht. Manche Studien wurden nicht einmal registriert.

Informationen darüber, was in diesen Studien untersucht und gefunden wurde, könnten damit für Ärzte und Forschende für immer verloren sein, was zu schlechten Therapieentscheiden und verpassten Chancen für eine bessere Medizin führt; aber auch zu Studien, die wegen fehlender Information wiederholt werden.

Alle klinischen Studien sollten daher registriert werden, seien dies vergangene oder aktuelle. Die vollständigen Methoden und die Resultate sollten veröffentlicht werden.

Wir rufen Regierungen, Behörden und Forschungsinstitutionen dazu auf, Massnahmen umzusetzen, um diese zu erreichen.

All Trials LogoCC BY-NC-ND AllTrials.net

Das Problem ist schon zu lange ungelöst. Zu viele Scheinlösungen hat es gegeben.

Alle – Einzelpersonen, Gesellschaften und Institutionen, auch Schweizerische – sind jetzt aufgerufen die Petition zu unterschreiben und selbst aktiv zu werden.

Stand

Seit dem Start am 8. Jan. 2013 wird die Petition schon von vielen unterstützt. Eine Auswahl:

Die Initiative hat noch kaum Unterstützung aus der Schweiz. Die nichtveröffentlichten Studien sind eines der grössten Probleme der Medizin und der Wissenschaft. Jetzt unterschreiben.

Referenzen

[Aktualisierung 09.03.2013: 18th January 2013 Sir Iain Chalmers interviewed on the Today programme]

[Aktualisierung 25.03.2013: Artikel von GlaxoSmithKline-Direktor in Schweizer Ärztezeitung: Peter Kleist, Vier Schritte zu mehr Transparenz in der klinischen Forschung, Schweizerische Ärztezeitung, März 2013, 94(12):483–5]

[Aktualisierung 11.05.2013: Die AllTrials-Initiative findet nun auch in der Schweiz Unterstützung. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)5 und die Schweizerische MS-Gesellschaft unterstützen die Initiative. Bravo für die Vorreiterrolle. Hoffentlich folgen noch weitere Institutionen.]

[Aktualisierung 11.05.2013: Unterschriften bis zum 20. Mai sind besonders wichtig. Ende Mai findet eine wichtige Abstimmung in der EU statt. Jede Unterschrift zählt. Jetzt unterschreiben.]

[Aktualisierung 03.06.2013: Am 3. Juni ist im Tagesanzeiger ein ganzseitiger Artikel zum Buch Bad Pharma und zur All Trials Initiative erschienen. Online ist der Artikel nicht verfügbar. Der Artikel ist im Wirtschaftsteil. Ich habe den Artikel selbst noch nicht gelesen. Wenn der Tagesanzeiger in Griffnähe ist, lohnt sich wahrscheinlich die Lektüre.]

Die britische MS Society unterstützt die AllTrials Initiative ebenfalls.
Die Liste der der Unterstützer ist mittlerweile lang geworden. So muss es sein!
«Negative Studien» dürfen nicht mehr verschwinden. Was leider heute noch bei etwa bei der Hälfte der Studien der Fall. Die guten ins Körbchen, die anderen sonst wohin. Und leiden müssen dann die Patienten unter vermeintlich wirksamen Medikamenten. Ausser Nebenwirkungen nichts gewesen.
Die Petition kann immer noch unterschrieben werden. Wer Forschung nicht zu Marketingzwecken, sondern zur wahrheitsgemässen Wirksamkeitsforschung will, der muss unterschreiben.


  1. Ben Goldacre Bad Pharma, p47ff / Mathieu S, Boutron I, Moher D, Altman DG, Ravaud P. Comparison of Registred and Published Primary Outcomes in Randomized Controlled Trials. JAMA. 2009 Sep 2;302(9):977–84. 

  2. Wieseler B, McGauran N, Kaiser T. Still waiting for functional EU Clinical Trials Register. BMJ. 2011 Jun 20;342:d3834-d3834. (via Bad Pharma, p47ff)
    Nach dem Erscheinen des Buches Bad Pharma von Ben Goldacre und politischem Druck sind bei der EU Bestrebungen im Gange, das Register nicht mehr geheim zu halten und den Forschern zur Verfügung zu stellen. 

  3. Prayle AP, Hurley MN, Smyth AR. Compliance with mandatory reporting of clinical trial results on ClinicalTrials.gov: cross sectional study. BMJ. 2012;344:d7373. (via Bad Pharma, p47ff) 

  4. Mit der 3 Mrd. USD Busse 2012 ist GSK ein gebranntes Kind auf dem Weg der Besserung. 

  5. Persönliche Auskunft vom Generalsekretär Dr. Hermann Amstad. 

Aktuell und gebündelt: Terminologie für Psychiater und Psychotherapeuten

Mit seinem inzwischen in der 6. Auflage erschienenen “Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie” schafft der bekannte deutsche Psychiater Uwe Henrik Peters ein kompaktes und praktisches Nachschlagewerk. Es wendet sich an Psychiater, Psychotherapeuten, Neurologen, andere Fachärzte sowie Studenten und interessierte Laien.
Die Sprache der Psychologie und Psychiatrie unterliegt einem ständigen Wandel; viele Begriffe wie “Alzheimer” oder […]