Naturheilkunde in der Transfusionsmedizin

Der Tagesspiegel hat weitere Hintergründe zu dem “Bio-Viagra-Skandal” an der Charité. Danach gibt es personelle Verbindungen zwischen dem Unternehmen, das das neue Potenzmittel auf dem Markt bringen wollte und dem Institut für Transfusionsmedizin, an dem der Medizinstudent seine “Versuche” durchführte.

Dort sitzen einige Anhänger von pflanzlichen Präparaten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Institutsleiter Kiesewetter in den Medien ist. 1999 präsentierte er eine Studie, die zeigen sollte, dass Knoblauchpräparate gegen Gefäßverkalkung helfen. Die Studie wurde von Wissenschaftlern kritisiert, aber die „Unterstellung vorsätzlicher Datenmanipulation“ wies die Charité nach einer Kontrolle als „abwegig“ zurück. Die Studie zeigte allerdings Fehler in der statistischen Analyse auf, die korrigiert werden mussten. Danach war ein positiver Effekt nur noch bei Frauen nachweisbar. Keine gute Nachricht für die Firma Lichtwer, die die Versuche finanziert hatte und mit Präparaten wie Kwai-Knoblauchpillen ihr Geld verdiente.

In einem anderen Fall über den der Tagesspiegel berichtet, geht es um einen Extrakt aus Cistus incanus Pandalis® zur Vorbeugung sowie der begleitenden Behandlung von bakteriellen Infektionen der oberen Atemwege (Tonsillopharyngitis), das Kiesewetter erfolgreich getestet hat – in einer offenen, kontrollierten Studie. Die Ergebnisse wurden in der bedeutenden Zeitschrift Erfahrungsheilkunde veröffentlicht. Für den Hersteller “Dr. Pandalis Urheimische Medizin” war der Institutsleiter nach Angaben des Tagesspiegels als wissenschaftlicher Berater tätig. Wobei er im Januar noch in PR-Meldungen als Experte aufgetreten ist. SPON hat das Präparat vor drei Jahren mit der Schlagzeile: Lutschen gegen die Vogelgrippe begleitet. Auf dem Höhepunkt der Vogelgrippe-Hysterie waren die Medien kopflos dem Stichwort gefolgt. Von der Verbindung mit Vogelgrippe hatte sich das Unternehmen später distanzert. Die Ergebnisse einer neuen Studie von Kiesewetter, deren Veröffentlichung in Pressemitteilungen von Dr. Pandalis für 2008 angekündigt wurde, sind noch nicht erschienen.

Ein weiteres Beispiel: Schwarzkümmel lindert Allergiebeschwerden. Auch ein Forschungsgegenstand der Transfusionsmediziner der Charité. In Pressemitteilungen firmiert Kiesewetter auch als Leiter eines “Arbeitskreises Immunologie”, über den ausser durch Pressemeldungen nichts zu erfahren ist. Die Telefonnummer deutet auf eine Praxis in München. Dessen Empfehlungen werden vom arznei-telegramm als “distanzlose und unwissenschaftliche Werbetätigkeit” mit Schadenspotential gebrandmarkt.

Schon im Jahr 2000 wurde in der Zeitschrift “Internistische Praxis” auf das Wirken des Instituts und den Imageschaden für die Charité hingewiesen.

… eine nicht begründete bzw. wissenschaftlich nicht belegte Empfehlung, die vordergründig zunächst dem Hersteller bzw. Verkäufer von Schwarzkümmelöl nützt, nicht aber dem Ansehen der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin”

Zu Recht fragen sich endlich einige Verantwortliche in der Charité, was das mit “Transfusionsmedizin” (und mit Wissenschaft) zu tun hat. Der deutsche Hang zum Universalgelehrten ist nicht zu besiegen.


Update:
Der Spiegel hat nach einer Woche ähnliches rausgefunden – der Fall “Cistus incanus Pandalis” ist dem Autor nicht über den Weg gelaufen.

Medizinisches Web 2.0 – Twitter

Das sogenannte Web 2.0 bietet viele Möglichkeiten, die leider vor allem in medizinischer Hinsicht (noch) häufig ungenutzt bleiben. Mittlerweile gibt es unzählige Plattformen, soziale Netzwerke und Applikationen, die ich in dieser Serie einmal näher beleuchten möchte. Heute: Twitter (Erklärung bei Wikipedia), eine “relativ neues” und aufstrebendes Format, einfacher gesagt: “Massen-SMS aufm Computer”. Kann Twitter (Gezwitscher) […]

Paritätischer kritisiert Prüfpraxis des Medizinischen Dienstes

(HANNOVER) Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Niedersachsen hat sich in einem Konflikt mit dem Medizinischem Dienst in einem ersten Schritt erfolgreich durchgesetzt. Hintergrund der Auseinandersetzung war eine vom MDK bei einem ambulanten Pflegedienst in Holzminden durchgeführte Qualitätsprüfung – etwa zwei Drittel (!) der Mängel, die dem Betreiber angelastet wurden, wurden in einem überarbeiteten Bericht von den […]

Suchbegriffe – Der Spiegel eines Blog?

Immer wieder eine gern gesehene und nie langweilig werdende Rubrik. Was Menschen alles in ihre Suchmaschinen eingeben, um schliesslich auf direktem Wege auf einen Blog zu gelangen. Ob ich mit Monsterdoc.de den Erwartungen der Suchenden im einzelnen gerecht werden kann, bleibt allerdings offen. Hier die Top 10 der Suchbegriffe der vergangenen Woche.

In Ärztin verliebt: Da […]

Der Psychiatriepfleger

In der Rubrik “medizinische Berufe” fehlen natürlich noch etliche interessante Tätigkeiten. Der Klischee-Klassiker ist und bleibt der Krankenpfleger in psychiatrischen Einrichtungen. Oftmals in Film und Fernsehen dargestellt. Hier ist es einmal an der Zeit damit aufzuräumen und klarzustellen was diesen Beruf eigentlich ausmacht.
Gattung: Gehört zur Gruppe der “gemeinen Krankenpfleger”, auch wenn sie augenscheinlich nicht […]

JAMA-Herausgeber beschimpfen kritischen Wissenschaftler

Faszinierende Einblicke in den medizinischen Wissenschaftsbetrieb eröffnet ein aktueller Disput zwischen den Herausgebern des renommierten Journal of the American Medical Association (JAMA) und dem Medizinprofessor Jonathan Leo, tätig an einer wenig prestigeträchtigen kleinen Universität in der amerikanischen Provinz.

Jonathan Leo hatte das JAMA bereits vor fünf Monaten darauf aufmerksam gemacht, dass Robert Robinson als Erstautor einer Studie über das Antidepressivum Lexapro® des Pharmakonzerns Forest Laboratories (in Deutschland von Lundbeck vermarktet als Cipralex®) versäumt hatte, seine finanziellen Verbindungen zu dem Hersteller des Medikaments offenzulegen. Weiterhin hatte Robinson vergessen, in seinem Artikel darauf hinzuweisen, dass die medikamentöse Therapie in der Studie im direkten Vergleich nicht besser abgeschnitten hatte, als die Verhaltenstherapie. Nachdem eine Reaktion zunächst monatelang unterblieb, veröffentlichte Leo vor einigen Tagen auf der Web-Site des ebenso renommierten British Medical Journal (BMJ) einen ausgesprochen lesenswerten Brief, in dem er u.a. Robinsons medikamentenfreundliche Interpretation seiner Studie in Frage stellte und darauf hinwies, dass dieser entgegen den Richtlinien des JAMA seine finanziellen Beziehungen mit Forest Laboratories nicht angegeben hatte. Leo führte in seinem Brief den Fall als Beispiel für die generell nachlassende Glaubwürdigkeit von medizinischen Publikationen an.

Kurz darauf erreichte Leo ein Anruf des stellvertretenden Chefherausgebers des JAMA, Phil Fontanarosa. An diesen erinnert sich Leo folgendermaßen:

“He said, ‘Who do you think you are,’ ” says Leo. “He then said, ‘You are banned from JAMA for life. You will be sorry. Your school will be sorry. Your students will be sorry.”

Anschließend telefonierte JAMA-Chefherausgeberin Catherine DeAngelis mit Leos Vorgesetzten und versuchte so, diesen zur Rücknahme seines Briefes zu bewegen. Auf direkte Nachfrage von Leo zeigte sie sich höchst verärgert, konnte aber keinen konkreten Punkt in seiner Veröffentlichung nennen, an dem sie sich stören würde.

Gegenüber dem WSJ Health Blog zeigte sie sich dünnhäutig:

“This guy is a nobody and a nothing” she said of Leo. “He is trying to make a name for himself. Please call me about something important.” She added that Leo “should be spending time with his students instead of doing this.”

When asked if she called his superiors and what she said to them, DeAngelis said “it is none of your business.”

In der Sache lag der “Nobody” und “Nothing” richtig. Robinson räumt inzwischen zerknirscht verschiedene finanzielle Beziehungen zum Hersteller des von ihm untersuchten Medikaments ein und beruft sich auf Erinnerungslücken.

US-Schmerzforscher als Studienfälscher entlarvt

Ein Wissenschaftler soll über 12 Jahre lang 21 Studien zur postoperativen Schmerztherapie gefälscht haben. Mit seinen Veröffentlichungen hatte er die Schmerztherapie revolutioniert und den Umsatz der Hersteller von nebenwirkungsreichen COX2-Hemmern, wie Celebrex® von Pfizer oder Vioxx® von Merck & Co. in die Höhe getrieben. Aber auch den Einsatz des Antidepressivums Effexor® (in Deutschland Trevilor®, in Österreich Efectin®) von Wyeth in der Schmerztherapie hatte er aufgrund seiner gefälschten Studien empfohlen.

Scientific American nennt den Fall: A Medical Madoff.

We are talking about millions of patients worldwide, where postoperative pain management has been affected by the research findings of Dr. Reuben,” says Steven Shafer, editor in chief of the journal Anesthesia & Analgesia, which published 10 of Reuben’s fraudulent papers.

Das ist ein Super-GAU für den medizinischen Wissenschaftsbetrieb.

Wissenschaftler bezweifeln AIDS-Theorie

Eine Gruppe von über 37 Wissenschaftlern sorgt mit einem Schreiben an die medizinische Fachzeitschrift Science für Furore. Die Forscher bitten das Magazin, die vier Originalveröffentlichungen zurück zu nehmen, die das Humane Immundefizienz-Virus (kurz: HIV) für AIDS verantwortlich machen. Die Autoren des Schreibens liefern konkrete Hinweise darauf, dass die in Science veröffentlichten Studien nicht nur mangelhaft […]

Google Health statt elektronischer Gesundheitskarte?

Der Roll-Out (tolles Wort übrigens!) der elektronischen Gesundheitskarte verzögert sich und verzögert sich. Bald glaube ich irgendwie nicht mehr dran. (siehe: Elektronische Gesundheitskarte vor dem Aus?) Dabei kann ich es doch gar nicht erwarten, endlich doppelte (unbezahlte) Schichten zum Wohle der medizinischen Datenspeicherung auf Zentralservern zu leisten. is aber zur Zeit nich. Daher bleibt mir […]

Medizin im nächsten Jahrtausend

Gerade habe ich bei Lummaland das Video über den Lego Millennium Falcon – gebaut von Lego Männchen gesehen. Erst vor kurzem habe ich meine Re-Leidenschaft für Lego (Monsterdoc-Norovirus-Song) entdeckt. Und dann noch kombiniert mit Star Wars, wohlgemerkt selbstverständlich nur die ersten drei Teile. Egal, auf jeden Fall habe ich mir überlegt, wie die medizinische Welt […]