Morbus Parkinson oder Parkinsonoid ?

Wenn ein älterer Patient, der mit einem Neuroleptikum behandelt wird, Zeichen eines Parkinsonsyndromes zeigt, also Rigor, Tremor und Akinese, kann es mitunter schwierig sein, zu unterscheiden, ob ein primärer Morbus Parkinson oder ein medikamenteninduziertes Parkinsonoid vorliegt. Heute habe ich von einer Kollegin, die Neurologin ist, folgenden Tipp gehört: Der M. Parkinson beginnt typischerweise einseitig. Ein […]

MS-Medikamente: Einnahmen 2013

Diverse Medikamente sind zur Behandlung der Multiplen Sklerose zugelassen.

Wie gross sind die Einnahmen aus den MS-Medikamenten? Welche Medikamente erzielen die grössten Einnahmen?

Im Blogartikel Multiple Sklerose: Medikamentenübersicht mit Preisen sind die zugelassen MS-Medikamente mit Preisen und Dosierung aufgelistet.

Die folgende Tabelle listet die Einnahmen aus den 10 meistverkauften MS-Medikamente auf.

# Medikament Hersteller Einnahmen in Mrd. US $
1. Copaxone® Teva 4.3
2. Avonex® Biogen Idec 3.0
3. Gilenya® Novartis 1.9
4. Tysabri® Biogen Idec 1.7
5. Betaseron® Bayer 1.1
6. Tecfidera® Biogen Idec 0.9
7. Rebif® Merck Serono 0.6
8. Ampyra® Biogen Idec 0.3
9. Aubagio® Sanofi 0.2
10. Extavia® Novartis 0.2
Total 14.2

Einnahmen von der 10 meistverkauften MS-Medikamenten. Quelle: Top 10 Multiple Sclerosis Drugs, 18.02.2014 via MS the Cash Cow 2013, 21.02.2014

Solch hohe Umsätze sind bei den stolzen Preisen von MS-Medikamenten mit bis zu USD 50‘000 für ein Jahr nicht verwunderlich. Wenn man zudem bedenkt, dass sie keine Heilung verschaffen, sondern eine weitere, womöglich lebenslängliche, Einnahme notwendig ist.

Begriffe

Wichtig: Die Einnahmen sind nicht der Gewinn.
Die Einnahmen werden auch als Umsatz bezeichnet.

Gewinn = Einnahmen – Ausgaben
oder
Gewinn = Umsatz – Kosten

Das Verhältnis zwischen Gewinn und Einnahmen wird als Gewinnmarge bezeichnet, je höher die Gewinnmarge, desto lukrativer.

Biogen Idec

Das Unternehmen Biogen Idec erzielt mit insgesamt vier Medikamenten die grössten Einnahmen, nämlich erstaunliche 5.8 Milliarden US-Dollar.

Im Jahre 2013 sponserte Biogen Idec den Swiss Research Award for Multiple Sclerosis mit 2 x CHF 20‘000. Angesichts der finanziellen Möglichkeiten, allein aus MS-Medikamenten, erscheint die Preissumme von 2 x CHF 20‘000 als verschwindend kleiner Betrag.

Fazit

Die Multiple Sklerose ist für die Pharmamultis eine lukrative Krankheit. Kein Wunder drängen immer mehr Hersteller auf den Markt. Anfänglich wurde das Feld kleinen, unbekannten Fischen wie Serono und Biogen überlassen. Jetzt kommen die Grossen wie Novartis. Roche steht ebenfalls in den Startlöchern.

Citalopram gegen Agitation bei Patienten mit Alzheimer Demenz

Es ist eine verbreitete Unsitte, agitierten dementen Patienten hochpotente Neuroleptika zu verordnen.  Natürlich kann es Ausnahmen geben. Wenn ein Patient im Rahmen seiner Demenz eine psychotische Symptomatik entwickelt, und diese Symptomatik ihn beunruhigt und verängstigt, dann ist die Verordnung eines Neuroleptikum selbstverständlich wirksam. Es ist jedoch häufig zu beobachten, dass Demenzpatienten, die sich im Altenheim […]

Der Elefant, sein Reiter und ihr gemeinsamer Weg

In diesem Artikel des sehr lesenswerten Blogs Barking up the wrong tree erläutert Erik Barker eine sehr schöne Metapher über unser Gehirn: Der Elefant und sein Reiter. Dabei steht der Elefant für den alten, archaischen Teil unseres Gehirnes, der alle grundlegenden Entscheidungen trifft und in Zeiten der Not sowie bei wirklich lebensnotwendigen Dingen die Entscheidungshoheit hat. […]

Blockwoche auf dem Weg zur Rettungsassistentin

Vor kurzem durfte unser berufsbegleitender Lehrgang zum Rettungsassistenten zum ersten Mal eine ganze Woche zusammen verbringen. Zum Glück habe ich einen Arbeitgeber, der mich für diese fünf Tage freistellte und ich somit an allen Tagen vollständig anwesend sein könnte. Allerdings machte mir meine Gesundheit bereits einen dicken Strich durch diese Rechnung. Ich lag zunächst mit […]

Adventskalender – 12. Türchen

Mit-Blogger Helmut Wicht ist Neuroanatom, und hat damit das Privileg, menschliche Gehirne nach allen Regeln der Kunst zerlegen zu dürfen. Was er hier für die Kamera von Arvid Leyh ausführlich demonstriert und vor allem auch kommentiert. Ein einzigartiger Blick in den Aufbau des menschlichen Denkorgans. Hier geht’s zu allen anderen Türchen des Adventskalenders

Sport und Multiple Sklerose

Ist Sport bei einer Multiple Sklerose (MS) Erkrankung möglich? Ist es ratsam Sport zu treiben? Ist Sport bei MS schädlich oder hilfreich? Was sind die Erfahrungen?

Kurz: Sport ist bei MS möglich. Kein negativer Effekt ist zu befürchten. Auch intensive Belastungen wie Rennen sind möglich. Vom regelmässigen Training wird sogar ein positiver Effekt angenommen.

Früher galt bei MS die Devise „Ruhe“. Möglichst keine Bewegung. Schonung. Heutzutage hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass körperliche Betätigung bei MS einen positiven Effekt zu haben scheint. (Randomisierte doppelblinde Studien sind mir jedoch keine bekannt.) Der Gebrauch des Körpers erhält ihn. Muskeln, die nicht mehr gebraucht werden, verkümmern. Auch jene kleinen „unbekannten“ Rumpfmuskeln zur Stablilistation.

Die heutigen Diagnose Möglichkeiten (McDonald-Kriterien) erlauben frühe Multiple Sklerose Diagnosen. So kommt es häufig vor, dass MS bei praktisch gesunden Menschen entdeckt wird, z.B. einzig wegen temporären Sensibilitätsstörungen oder temporären Sehstörungen. Der Körper ist ansonsten noch voll funktionsfähig. Die Ursache und der Krankheitshergang von Multiple Sklerose sind noch nicht verstanden. Es ist eine langsame Krankheit. Über 30 Jahre treten sporadisch und stetig Verschlechterungen ein. Zu Beginn, in den ersten 10 Jahren geht es den vielen MS-Betroffenen noch recht gut. MS-Medikamente scheinen in der ersten Phase die Lebensqualität negativ zu beeinflussen. Die häufig verschriebenen Beta-Interferone verursachen beispielsweise jeweils Fieberartige-Symptome nach der Injektion. Ein langfristiger positiver Effekt wird von diesen Medikamenten erhofft. Wissenschaftlich ist ein solcher positiver Effekt nicht nachgewiesen.

Viele Ärzte kennen sich mit Sport und MS nicht speziell aus und raten deshalb zu einer defensiven Strategie. Doch dies ist nicht nötig. Ärzte mit Fachgebiet Rehabilitation beschäftigen sich mit dem Körper und verfügen über Erfahrungen. Die Rehabilitationkliniken Valens und Montana haben langjährige Erfahrung mit MS.

Fallbeispiele:

Jasmin Nunige

Jasmin Nunige (38) aus Davos zeigt eindrücklich was mit MS möglich ist. Jasmin Nunige war Langläuferin mit Olympia-Teilnahme und ist Ultra-Bergläuferin. Sie gewann den Swiss Alpine Berglauf bereits zum fünften Mal. Dreimal vor der Diagnose, zweimal nachher. Der Swiss Alpine ist 68km lang und über 2600 Höhenmeter sind zu überwinden. Das Teilnehmerfeld ist international besetzt. Noch nie hat eine Läuferin oder ein Läufer den Swiss Alpine in derart überlegener Manier gewonnen wie dieses Jahr Jasmin Nunige.

Nach Absprache mit ihrem Neurologen Prof. Kesselring von der Klinik Valens verzichtet sie auf die MS-Basistherapie.

Weitere Informationen zu Jasmin Nunige habe ich im Blogartikel zu ihrem 5. Swiss Alpine Sieg zusammengefasst.

Meine Erfahrungen

Vor meiner Diagnose habe ich als Hobbysportler intensiv Sport getrieben. Viele wunderschöne Ski-, Bergtouren und Biketouren, beispielsweise mehrtägige Biketouren nach Wien oder nach Nizza ans Meer. Auch kleineren Strassenläufen war ich nicht abgeneigt. Meine 10km Bestzeit ist 33:46, das entspricht 3min 24s für einen Kilometer.

Meine plötzlichen und deutlichen MS-Symptome vor etwa vier Jahren führten innerhalb von zwei Wochen zur MS-Diagnose. Im ersten Moment war ich bezüglich Sport ziemlich verunsichert. Bei mir schwand die Lust auf Sport. Ich wollte mehr wissen über die Krankheit und die Mechanismen. Gibt es wirksame Behandlungen? Was sind die Konsequenzen?

Ich reduzierte mein sportliches Pensum von fünf- auf viermal pro Woche. Zudem verzichtete ich auf zeitaufwändige Ganztages- oder Wochendtouren. Ebenfalls auf intensive Einheiten. In den letzten Jahren tastete ich mich wieder an eine intensivere Betätigung heran. Ohne negativen Effekte.

Dieses Jahr fuhr ich in einer Mehrtagestour mit dem Bike durch die Alpen an den Gardasee und unternahm über ein Dutzend Skitouren.

Skitour PizolSkitour Pizol, Wildsee mit Spuren 18.02.2013 | CC BY-SA Patientensicht.ch

Skitouren1 ist etwas vom schönsten auf der Welt, das es gibt. Sonne, Natur und Stille. Freiheit.

Unter den gegebenen Umständen und dem unklaren Nutzen/Risiken-Verhältnis habe mich vorerst gegen Medikamente entschieden.

Ich habe eine sehr gute Kondition. Besser wahrscheinlich als die meisten Leute. Ein gutes Gefühl. Jeder entscheidet selbst wie viel er sich anstrengt.

Fazit

MS trifft auch sportlich aktive Menschen. Auch nach der MS-Diagnose kann und soll weiter Sport betreiben werden. Intensive Belastungen wie Wettkämpfe sind möglich.

Medikamente können durch Nebenwirkungen die Leistungsfähigkeit einschränken und behindern. Nutzen und Risiken müssen abgewogen werden.

[Aktualisierung 06.04.2014: Im Magazin „Forte“ der MS-Gesellschaft ist ein kurzer Artikel über Sport und MS verschienen. Forte 2014/1, Februar 2014, Seite 18]

[Aktualisierung 15.04.2014: Die MS-Gesellschaft bietet die MS-Info Sport und Bewegung an.]

[Aktualisierung 17.01.2015: Ein systematischer Review zeigt, dass Sport die Schubrate bei MS nicht vermindert. Er schadet auch nicht. Für die Gesundheit insgesamt ist Sport wichtig. Excerise training has no effect on relapse rate , 3.6.2014, Pilutti et al. The safety of exercise training in multiple sclerosis: A systematic review. J Neurol Sci. 2014 May.]

[Aktualisierung 20.01.2015: „One might conclude that this exercise-based patient education seems to be a feasible option to maintain or improve patients‘ integral constitution concerning physical and mental health.“ A Pilot Study of an Exercise-Based Patient Education Program in People with Multiple Sclerosis, Mult Scler Int. 2014; 2014: 306878. Published online Dec 21, 2014. doi: 10.1155/2014/306878]


  1. Beim Skitouren klebt man Felle unter die Ski und kann damit den Berg rauf laufen. Wenn man oben ist, nimmt man die Felle weg und fährt runter.
    Wo wir schon gerade dabei sind. Interesse an Skitouren? Ich bin immer interessiert an Skitouren. Kontakt am einfachsten über E-Mail. Material, Kondition und Kenntnisse sollten bereits vorhanden sein. Eine Skitour mit jemandem mit MS wäre eine Premiere. ↩︎

Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte der MS-Gesellschaft (2008 – 2013)

Die MS-Gesellschaft hat die Liste der unterstützten Forschungsprojekten mit den Projekten der zweiten Hälfte 2013 ergänzt. Besten Dank an die MS-Gesellschaft für das Pflegen dieser Angaben.

Mit diesen neuen Daten habe ich die letzte Auswertung mit den neuen Projekten ergänzt.

Auswertung Forschungsförderung

Die graphische Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte von 2008 bis 2013 zeigt folgendes Bild:

Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 - 2013Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 – 2013

Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 - 2013Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 – 2013

Auswertung

  • Seit 2008 wurden 149 Projekte unterstützt.
  • Rund 7.5 Mio. Franken wurden in den letzten sechs Jahren für die Forschungsförderung ausgegeben. Die MS-Gesellschaft vergibt jährlich etwa 1.2 Mio. Franken.
  • Ein unterstütztes Projekt erhält im Durchschnitt 50‘000 Franken.
  • Die unterstützten Projekte werden mehrheitlich an die Schweizer Universitäten vergeben. Etwa die Hälfte der Projekte wurde an die Universitäten Basel und Zürich vergeben. Die Aufteilung ist in der ersten Grafik dargestellt.
  • Die MS-Gesellschaft hat zu über zwei Dritteln immunologische Forschung unterstützt, wovon 16 Projekte zur Mausforschung (EAE) gehören. Die zweite Grafik zeigt die Aufteilung nach Fachgebieten.1
  • Die 149 unterstützten Projekte wurden auf 82 verschiedene Personen verteilt.
  • 32 Projekte wurden an Forscher vergeben, die selbst im wissenschaftlichen Beirat (2013: 31 Mitglieder) sind, der diese Forschungsförderung vergibt.
  • 56 unterstützte Projekte wurden von Professoren eingereicht.
  • Die am stärksten geförderten Unis der letzten sechs Jahre sind:2
    • Universität Zürich: Fr. 1.9 Mio. Franken
    • Universität Basel: Fr. 1.7 Mio. Franken
    • Universität Genf: Fr. 1.3 Mio. Franken

Die folgende Tabelle zeigt die Forscher mit drei und mehr Projekten:

Forscher Anzahl Projekte ~Förderungsbetrag kCHF2
Burkhard Becher 6 306
Danielle Burger 6 306
Ruth Lyck 6 306
Britta Engelhardt 6 306
Walter Reith 6 306
Tobias Suter 5 255
Patrice Lalive 5 255
Raija Lindberg 5 255
Renaud Du Pasquier 4 204
Adriano Fontana 4 204
Paul Grossman 4 204
Norbert Goebels 4 204
Andrea Huwiler 3 153
Nanco van der Maas 3 153
Cornel Fraefel 3 153
Jan Lünemann 3 153
Nicole Schaeren-Wiemers 3 153
Burkhard Ludewig 3 153

Forscher, die seit 2008 drei und mehr geförderte Projekte haben. Die Veränderungen seit der letzten Auswertung sind gelb markiert und schräg geschrieben. kCHF = Kilo Franken, also Beträge in 1000 Franken; Datenquelle: MS-Gesellschaft, eigene Auswertung.

Im Sinne von Open Data ist die Auswertung als Tabellendokument, wie schon seit Beginn, als Anhang verfügbar.

Projekte des Jahres 2013

Die folgenden Grafiken zeigen die neu hinzugekommen Projekte des Jahres 2013.

Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2013Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2013

Neu unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2013Neu unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2013

Kohortenstudie (SMSC-Study)

Neben der Förderung einzelner Projekte, lässt die MS-Gesellschaft eine Kohortenstudie (SMSC-Study) durchführen. Die Kohortenstudie erfasst systematisch Daten von einer Gruppe von Patienten über einen längeren Zeitraum für gezielte Auswertungen. Diese Studie ist ein grosses, wichtiges und langfristiges Projekt. Im Forte 2/2012 Artike (Seite 18) wurde über die Kohortenstudie berichtet. Die Kohortenstudie ist in dieser Auswertung nicht enthalten. Keine Zahlen zur Finanzierung und den Kosten sind bekannt. Im Artikel werden nur Grundsätze zur Finanzierung genannt.

Dank der grosszügigen Unterstützung durch die MS-Gesellschaft und ihr nahestehender Stiftungen kann die finanzielle Basis für dieses Grossprojekt für die nächsten 3 bis 5 Jahre sichergestellt werden, ohne die Dienstleistungen für MS-Betroffene oder die reguläre Forschungsförderung zu beeinträchtigen.

Im Geschäftsbericht 2012 der MS-Gesellschaft ist diese Studie nicht separat ausgewiesen. Die der MS-Gesellschaft „nahestehenden Stiftungen“ sind im Geschäftsbericht ebenfalls nicht erwähnt.

Die Koordination der Kohortenstudie erfolgt am Universitätsspital Basel.

Auf die Kohortenstudie werde ich in einem eigenen Artikel vertiefter Eingehen.

Fazit

Die Verteilung der Projekte auf die verschiedenen Universitäten und die einzelnen Personen ist ok. Inhaltlich ist die immunologische Forschung mit zwei Drittel der Projekte klar dominant. Die Immunologie ist der deutliche Schwerpunkt der geförderten Forschung der MS-Gesellschaft.

Weitere Informationen zur Kohortenstudie, wie Finanzierungsangaben, wären wünschenswert.

Aus Patientensicht würde ich mir wünschen, wenn die MS-Gesellschaft als Betroffenenorganisation die Prioritäten der Betroffenen in die Forschungsförderung klarer einfliessen lassen würde. Für Patienten relevante Fragestellungen, die sonst zu kurz kommen, sollten in der geförderten Forschung in erster Linie berücksichtigt werden.


  1. Die Zuordnung zu den Fachgebieten habe ich aufgrund des Projekttitels vorgenommen. Eine Beschreibung oder Zusammenfassung der einzelnen Projekte stand mir nicht zur Verfügung. Ungenaue Zuordnungen sind deshalb wahrscheinlich. 

  2. Unter der Annahme gleich grosser Projekte. 

Die Drittelregel von Hippocrates

Medizinstudenten bekommen seit etwa 2500 Jahren einige wesentliche Dinge unverändert beigebracht, darunter die berühmte Drittelregel von Hippocrates. Sie ist in erstaunlichem Maße auch heute noch gültig, und das praktisch in allen Fachbereichen, auch der Psychiatrie. Hippocrates unterteilte die Patienten nach ihrer Prognose in drei Gruppen: Gruppe 1: Jene, die von alleine wieder gesund werden, und […]

Multiple Sklerose: Langfristige Studien

Was ist der langfristige Nutzen der MS-Therapien? Was ist der langfristige Erfolg der MS-Medikamente? Welche Studien gibt es?

Multiple Sklerose ist eine chronische Krankheit. Die Krankheit ist lang und häufig langsam. Zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr treten meistens die ersten Symptome auf, was dann schliesslich zu MS-Diagnosen führt. Durch die verbesserte Diagnostik mit MRI-Geräten verschiebt sich der Diagnosezeitpunkt stetig nach vorne. Multiple Sklerose ist nicht heilbar. Die Betroffenen leben 30 bis 40 Jahre mit der (sich stetig verschlechternden) Krankheit.

Verschiedene Medikamente, die zwischen 20‘000 und 30‘000 Franken kosten, sind zugelassen. Zur Zulassung notwendig waren zwei positive ein- bis zweijährige Studien. In den Studien wurden die Anzahl Schübe und die MRI-Aktivität gemessen. Statistisch weniger Schübe und weniger MRI-Aktivität (weniger Läsionen/Entzündungen) wurden positiv gewertet.

Weniger Schübe, weniger Läsionen. Ein langfristiger Nutzen ist plausibel.

Doch bis heute ist nicht klar, ob die Entzündungen und Schübe die Haupttreiber der Multiple Sklerose sind. Oder ob, nicht doch die Nervenzellen (Neuronen) aus einem anderen, unbekannten Grund absterben und die Entzündungen einfach eine Folge davon sind.

Die Cochrane Collboration erstellt systematische Übersichtsarbeiten (sytematic reviews and meta analysis) zu medizinischen Behandlungen. Diese gelten als das beste vorhandene Wissen. Kürzlich wurde die Auswertung der MS-Medikamente1 überarbeitet.

It is important to consider that the efficacy and the risk-benefit of all these treatments beyond two years are uncertain, and this is a very relevant point for a lifetime disease such as MS.
Es ist wichtig einzubeziehen, dass die Wirksamkeit und Risiko/Nutzen aller Behandlungen über einen Zeitraum von über zwei Jahren unsicher ist und dass dies ein sehr relevanter Punkt für eine lebenslange Krankheit wie MS ist.

Es gibt also kein wissenschaftlich verlässliches Wissen über eine Zeitdauer von über zwei Jahren. Der langfristige Nutzen der MS-Medikamente ist unbekannt.

Zulassungsstudien im Vergleich zur weiteren LebensdauerSchematische Darstellung der Zulassungsstudien im Vergleich zur weiteren Lebensdauer.

Ein früher Behandlungsbeginn wird dennoch empfohlen.

Deshalb starten die MS Behandlungen früh. Häufig wenn die Betroffenen noch wenig Symptome und eine gute bis ausgezeichnete Gesundheit haben. Die MS-Medikamente sind nicht nebenwirkungsfrei.

Sollen Betroffene wirklich «heute» ein Medikament nehmen, damit es womöglich/hoffentlich «morgen» weniger schlimm wird?

Die Frage kann nicht beantwortet werden. Verlässliche Daten fehlen. Alle tappen im Dunkeln. Deshalb fordert Cochrane langfristige Studien:

Thus, studies on the long-term efficacy and safety of immunotherapies for MS are urgently needed.
Also, Studien über den langfristigen Nutzen und die Sicherheit von Immuntherapien für MS werden dringend benötigt.

Die ersten der heutigen MS-Medikamente gibt es seit den frühen Neunziger-Jahren. Es eine Schande, dass praktisch kaum langfristige wissenschaftlich verwertbare Daten erhoben wurden. Mich erstaunt, dass sich die Neurologen bisher mit den kurzfristigen Daten zufrieden gegeben haben und dass es keinen grossen Aufschrei gegeben hat.

Ist einmal ein Medikament zugelassen, hat ein Pharmaunternehmen wenig Interesse an weiteren Studien, ausser der Ausweitung auf weitere Patientengruppen. Sie dürfen das Medikament verkaufen. Wirtschaftlich macht es wenig Sinn den Verkauf durch weitere Studien zu gefährden.

Patienten und Ärzte brauchen langfristigen Daten dringend. MS-Gesellschaften oder Staaten müssen selbst handeln. Einerseits können die Staaten die Regulation für Pharmaunternehmen verändern und beispielsweise langfristige Studien verlangen und MS-Gesellschaften können selbst solche Studien durchführen lassen. Gesetze ändern ist ein aufwändiger und langwieriger Prozess.

Erfreulicherweise ergreifen die MS-Gesellschaften neuerdings selbst die Initiative und starten langfristige Studien. Beispielsweise wurden

  • die Schweizerische Kohortenstudie Swiss MS Cohort Study (SMSC) von der MS-Gesellschaft und
  • die European Register for Multiple Sclerosis (EUReMS) – A tool to assess, compare and enhance the status of people with MS throughout the EU von der European Multiple Sclerosis Platform (EMSP).

gestartet.

Die beste Zeit um einen Baum zu pflanzen wäre vor zwanzig Jahren gewesen, die zweitbeste Zeit ist heute. Afrikanisches Sprichwort

Diese Studien sind sehr begrüssenswert.

Auf die Studien werde ich in kommenden Artikeln weiter eingehen.

Kanada

Kanada ist eine löbliche Ausnahme. Dort wurde vor dreissig Jahren, noch vor den heutigen Medikamenten, mit dem systematischen Erfassen von Krankheitsdaten begonnen. Diese Daten stehen heute zur Verfügung und können ausgewertet werden.

Volkswirtschaftlicher Nutzen

MS wird früh diagnostiziert und die Krankheit dauert lange. Mit über 8‘000 MS Betroffenen ist über ein Promille der Bevölkerung (1 auf 1000 Personen) von der Krankheit betroffen. MS Betroffene scheiden früher aus dem Erwerbsleben aus.

MS-Medikamente sind mit Jahreskosten von über 20‘000 Franken teuer. Die Krankheit verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten. Wegen den Medikamenten und wegen den Invaliditätskosten.

Die Gesellschaft muss ein Interesse an Daten über den langfristigen Nutzen von MS-Behandlungen haben.

Fazit

Verlässliche langfristige Daten sind für MS-Betroffene von grösster Wichtigkeit. Doch langfristige Studien wurden bislang vernachlässigt. Das ist ein enormes Versäumnis. Und dies bei einer Krankheit mit über dreissig Jahren Krankheitsdauer.

Wegen der frühen und langen Krankheit und den hohen Kosten der Medikamente von über 20‘000 Franken bei über 8‘000 Betroffenen sind Daten über den langfristigen Nutzen volkswirtschaftlich von Interesse.

Es braucht mehr langfristige Studien zu Multiple Sklerose.

[Aktualisierung 15.08.2013: Langfristige Studien sind ebenfalls in der Psychiatrie eine Notwendigkeit, siehe Forum Gesundheitspolitik-Artikel Weniger ist mehr, was man aber erst nach einiger Zeit bemerkt: Ein Beispiel aus der Behandlung von psychisch Kranken , 13.08.2013.]

[Aktualisierung 17.08.2013: «Das Fehlen von Langzeitstudien bedeute aber, dass wir nie genau wissen werden, was solche Medikamente später in Erwachsenen bewirken.» Psychopillen für Zappelkinder, Tages-Anzeiger. 17. Aug. 2013. Für viele Krankheiten reichen kurzfristige Studien einfach nicht. Langfristig könnten die Folgen der Medikamente schlimmer als der Behandlungsgrund sein. «Wir führen ein unkontrolliertes Experiment mit der Gesundheit unserer Kinder durch», sagt Allen Frances.]


  1. Filippini G, Del Giovane C, Vacchi L, D’Amico R, Di Pietrantonj C, Beecher D, & Salanti G. Immunomodulators and immunosuppressants for multiple sclerosis: a network meta-analysis. The Cochrane database of systematic reviews 2013, Issue 6 Art. No.: CD008933. DOI: 10.1002/14651858.CD008933.pub2 PMID: 23744561
    In einem Blogartikel habe ich geschrieben, wie mit einem Trick ganze Cochrane Reports gelesen werden können.