DragonDictate 3 für Mac Deutsch

Regelmäßige Leser dieses blogs wissen, dass ich nichts unversucht lasse, die Produktivität aller Mac-Gadgets für meine Zwecke auszuprobieren. Mein neuestes Spielzeug ist die Spracherkennungssoftware DragonDictate für Mac in der Version 3. Dieses Video zeigt einen kurzen Test, wie gut sich DragonDictate 3 für Mac in Deutsch gegenwärtig in der Spracherkennung von Umgangssprache und Fachsprache schlägt. … … Weiterlesen

Abstillen und Psychopharmaka

Abstillen und Psychopharmaka Wenn eine psychopharmakologische Medikation bei einer stillenden Patientin erforderlich wird, stellen sich immer zwei Fragen: 1. Geht das Psychopharmakon in die Muttermilch über? Fast immer ja. So wie auch fast alle Psychopharmaka plazentagängig sind. Das liegt daran, dass Psychopharmaka immer die Blut-Hirn Schranke passieren können müssen, sonst würden sie ja nicht an … … Weiterlesen

Gedanken einer MS-Patientin zu Interessenkonflikten ihres Neurologen (300'000$ Pharma-Nebeneinkünfte)

Was denken Patienten über Interessenkonflikte ihrer Ärzte?

Ende letzten Jahres hat die MS-Patientin Maran Wolston aus Minnesota (USA) ihre Geschichte in einer medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht. Maran Wolston ist Doktorandin in Philosophie und lernte dabei die Interessenkonflikte in der Medizin kennen. Im Artikel schreibt sie wie ihre MS diagnostiziert wurde, ihr Neurologe ihr eine Studienteilnahme für ein neues Medikament vorschlug, Copaxone® (Glatirameracetat) verschrieb, das Medikament zu Problemen und Nebenwirkungen führte, siedurch die Pflegeorganisation Shared Solution unterstützt wurde, sie die Copaxone®-Therapie abbrach und ihr Neurologe ihr eine Tysabri®-Behandlung (Natalizumab) vorschlug und sie einen gewissen Druck durch ihren Neurologen empfand.

Als interessierte Person, wollte sie vor der Tysabri®-Verschreibung mehr über das Medikament erfahren. Bei ihrer Recherche lernte sie, dass sie mit ihrem Verlauf von MS gar nicht zur Zielgruppe von Tysabri® gehört, dass Tysabri® das Risiko für die tödliche Krankheit PML erheblich erhört, dass die Pflegeorganisation Shared Solution der Herstellerin von Copaxone® – Teva – gehört und dass ihr Neurologe in den letzten Jahren drei Jahren mehr als 300‘000$ von Pharmafirmen für Marketing-Beratungsdienste und als Redner erhielt, dabei massgeblich von den Herstellern von Tysabri® (Biogen) und Copaxone® (Teva).

I knew that I had felt pressured to take medications by my neurologist. When I found that he had been paid large sums of money—six times my yearly salary—to work for the manufacturers of those same drugs, my loss of faith was complete. I never returned to his neurology clinic again.

In fact, I have no idea whether my neurologist’s advice and judgment were affected by his relationships with the drug industry. But because I was his patient, the effect of those relationships was not a theoretical question—an issue to be bantered about over coffee or in the seminar room. It would have been foolish of me not to consider the possibility that the relationships were affecting my care. Having MS is difficult enough. The last thing I needed was to worry about whether my neurologist was acting in the best interest of the drug companies or in the best interest of me, his patient.

Sie fragt sich, ob die Ratschläge ihres Neurologen von der Pharmaindustrie beeinflusst waren. Wobei diese Frage für sie keine theoretische ist, sondern als seine Patientin eine praktisch relevante Frage. Das letzte was sie als MS-Patientin jetzt gebrauchen kann ist, sich zu fragen, in welchem Interesse – ihrem oder jenem der Pharmaunternehmen – ihr Arzt handelt.

Die Pharma-Nebeneinkünfte ihres Neurologen fand sie heraus, da es in Minnesota ein Gesetz gibt, dass den Pharmaunternehmen die Veröffentlichung der Zahlungen an Ärzte vorschreibt («Sunshine-Gesetz»).

Wolston M. An MS Patient Loses Trust When She Finds Out Her Doctor Is Paid By Drug Companies, Health Affairs, Dez. 2011, 30(12):2449 –2452

Infoveranstaltung "Fokus Forschung" in Zürich 2013

Am 20. April 2013 führte die Schweizerische MS-Gesellschaft eine Informationsveranstaltung für MS-Betroffene und Interessierte in Zürich durch.

Die Veranstaltung wurde in den Räumlichkeiten der Pädagogischen Hochschule, die direkt neben dem Hauptbahnhof liegen, durchgeführt.

Themen:

Vorstellen der MS-Gesellschaft

Der Verantwortliche für die Dienstleistungen der MS-Gesellschaft, Christoph Lotter, stellte kurz die verschiedenen Angebote der MS-Gesellschaft und die erbrachten Dienstleistungen der MS-Gesellschaft vor. Die verschiedenen Angebote lassen sich auf der Webseite der MS-Gesellschaft finden.

Am 29. Mai ist Welt MS-Tag. Weltweit führen die MS-Gesellschaften eine koordinierte Kampagne mit dem Namen «Was ist ihr Lebensmotto?» durch. Zu diesem Zweck wird die Webseite kraftspende.ch in der Schweiz aufgeschaltet werden. Die Kampagne wird vom internationalen MS-Zusammenschluss MSIF koordiniert und vom Pharmaunternehmen Genzyme unterstützt. Die MS-Gesellschaft wird zu diesem Anlass ihren neuen Facebook-Auftritt aufschalten.

Die MS-Gesellschaft ist neben der amerikanischen MS-Gesellschaft, eine der Gesellschaften, die die Forschung prozentual am stärksten fördern. In den letzten 15 Jahren wurden 350 Forschungsprojekte finanziert, mit einer Gesamtsumme von 14.7 Mio. Franken.

MS-Forschung: Neue Medikamente

Michael Linnebank gab eine Übersicht die aktuellen und die kommenden MS-Medikamente. Die Auswahlmöglichkeit macht die Entscheidung für Arzt und Patienten schwieriger. Jeder Betroffene wird mit diesen Medikamenten konfrontiert werden.

Über die Medikamente habe ich bereits in den früheren Artikeln MS Informationstag «Aus der Forschung für die Praxis» 2013 und Bericht zur Informationsveranstaltung «Medikamentenentwicklung und MS» der MS-Gesellschaft geschrieben.

Neu:

  • BG-12 hat in der EU einen positiven Entscheid zur Zulassung erhalten. Markenname des Medikamentes: Tecfidera™.
  • Novartis arbeitet an einer Weiterentwicklung von Gilenya mit Namen BAF312. Das Medikament soll spezifischer werden. Studien für sekundär progrediente Patienten sind geplant (oder werden bereits durchgeführt?).
  • Der Nutzen der frühen Therapie sei weiter bestätigt worden. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
  • Der Langzeitnutzen sei weiter bestätigt worden. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
  • Interferone während der Schwangerschaft haben keinen negativen Einfluss auf das Neugeborene. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
  • Es sind immer mehr MS-Register (Datenbanken zu Verläufen mit Rohdaten) verfügbar.

Wie Verkehrsschilder aus Zucker und Eiweiss den Immunzellen im Körper den Weg weisen

Britta Engelhardt führte in einen Teilaspekt des Immunsystems ein. Das Immunsystem ist am Ablauf der MS beteiligt. Wenn das Immunsystem besser verstanden wird, könnte die MS vielleicht besser verstanden werden. Das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) liegt normalerweise ausserhalb des Immunsystems. Trotzdem wird das Immunsystem bei Läsionen aktiv. Warum wandern Immunzellen ins Gehirn? Warum ist die Blut-Hirn-Schranke bei MS durchlässig?

Das Immunsystem ist im Körper verteilt. Verschiedene Organe sind beteiligt. Das Rückenmark zur Herstellung der Immunzellen, dann die Lymphknoten, die Blutbahnen, die Lymphgefässe, die Milz, …

Die Immunzellen (Lymphozyten) bewegen sich mit 1mm/s durch unsere Blutbahnen und durch die Lymphgefässe. Die Immunzellen müssen am richtigen Ort die Blutbahnen verlassen um ihre Funktion wahrnehmen zu können. Doch wie finden die Immunzellen den Ausgang aus den Blutbahnen?

Britta Engelhardt stellte den Mechanismus der «Verkehrsschilder» vor und zeigte verschiedene Experimente an Versuchstieren. Die Immunzellen wurden in den Experimenten sichtbar gemacht. Teilmechanismen des Immunsystems wurden zum Studium ausgeschaltet.

Stichworte: Selektine, Chemokine, Integrine, Glykoproteine, Adhäsionsmoleküle, Endothelzellen

Sie zeigte verschiedene kurze Videos.

Stellvertretend ein ähnliches Video von Youtube:

Gene und Umweltfaktoren als Ursachen der MS

Roland Martin besprach in seinem Vortrag den aktuellen Stand der Ursachenforschung von Multiple Sklerose.

MS ist keine vererbbare Krankheit. Gewisse Gene scheinen aber das Risiko für den Ausbruch von MS zu begünstigen. Die MS wird als komplex genetische Krankheit bezeichnet. Der Einfluss der Gene wird mit drei Methoden erforscht:

  • Epidemiologisch (statistisch),
  • Mit Untersuchungen bei Geschwistern, Eltern und Zwillingen, und
  • Mit Migrationsstudien.

Migrationsstudien untersuchen, wie sich das Risiko von MS von Leuten aus Gebieten mit grosser MS Verbreitung in Tiefrisikogebiete, und umgekehrt, verhält.

Weiter scheint die Umwelt einen Einfluss auf den Ausbruch von MS zu haben. Ein solcher Umweltfaktor könnte zum Beispiel ein Virus sein oder eine Verhaltensweise.

Aktuell steht der Ebstein-Barr Virus (EBV) im Verdacht am Ausbruch von MS mitverantwortlich zu sein. Etwa 90% der Bevölkerung tragen den Virus in sich.

Ein zu tiefer Vitamin D3-Spiegel scheint ebenfalls das Risiko von MS zu erhöhen und den Verlauf negativ zu beeinflussen. Vitamin D3 kann über die Nahrung aufgenommen, wie auch über die Haut mit Sonnenlicht durch den Körper selbst erzeugt werden. Regelmässige Aufenthalte in der Sonne, gerade im Winter, scheinen empfehlenswert zu sein. Sonnenbrände sollten jedoch vermieden werden. Bei zusätzlicher Einnahme von Vitamin D sollte ebenfalls nicht übertrieben werden. Die zu tiefen Vitamin D3-Spiegel der Kindheits- und Jugendjahre, wie sogar während der Schwangerschaft könnten einen Einfluss auf den Ausbruch von MS haben.

Rauchen ist ein weiterer Umweltfaktor mit negativem Einfluss. Er kann den Ausbruch begünstigen und den Verlauf verschlechtern.

Die Verschiedenheit der MS Verläufe ist riesig. Es gibt Leute mit einem Schub, die im ganzen weiteren Leben nie ernsthaft behindert werden und schwere Verläufe, die schnell schwerst behindert werden.

Er berichtete von einer Studie, bei der bei einem Patienten über einen längeren Zeitraum alle vier Monate MRIs erstellt und die neurologischen Funktionen überprüft wurden. Im MRI waren häufig Entzündungsaktivitäten zu sehen, klinisch wurden aber nur drei Schübe festgestellt. (Die Angaben zur konkreten Studie fehlen mir.)

Deklarierte Interessenkonflikte: Merck Serono, Biogen, Teva, Genzyme, Sanofi, Bionomics

Fragen aus dem Publikum

  • Werden die neu zugelassenen Medikamente in der Schweiz von der Krankenkasse bezahlt?
    Ziemlich sicher ja.

  • Wurden am Universitätsspital Zürich bereits Leute von Tysabri® (Natalizumab) auf Gilenya® (Fingolimod) umgestellt?
    Ja. Es gibt eine Studie mit 50 Teilnehmern, die die Umstellung untersucht.

  • Kann ein Virus die Ursache der MS sein?
    Ja, dies könnte es. In der Forschung wird nach Viren gesucht.

  • Kann ich die Tochter durch Abgabe von Vitamin D3 vor MS schützen?
    Der Vitamin D3-Spiegel während der Schwangerschaft scheint sehr wichtig zu sein. Vitamin D3 kann eingenommen werden. Zu hohe Dosen sollten vermieden werden.

  • Warum ist Rauchen schädlich für die MS?
    Es scheint, dass der Rauch die Immunzellen während dem Aufenthalt in der Lunge verändert.

Bemerkungen

Therese Lüscher aus dem Vorstand der MS-Gesellschaft, welche ebenfalls von MS betroffen ist, war anwesend.

Leider versäumte es PD. Dr. Michael Linnebank auf seine vorhandenen Interessenkonflikte, wie es von in der Schweiz tätigen Ärzten verlangt wird, hinzuweisen. Gerade bei einem Vortrag, der von teuren bis sehr teuren Medikamenten handelt, wäre es für das Publikum von grosser Bedeutung vorhandene Interessenkonflikte zu kennen. Ein solcher Vortrag könnte die Umstellung auf neue teurere Medikamente begünstigen oder fördern. Von der Humanbiologin Prof. Dr. Britta Engelhardt, wäre es ebenfalls schön gewesen über allfällige Interessenkonflikte informiert zu werden.

Auffallend war, dass bei den Medikamenten fast ausnahmslos der Handelsname verwendet wurde, auch bei Medikamenten, die erst seit kurzem einen Handelsnahmen haben. Gemäss der guten medizinische Praxis, sollte hauptsächlich die wissenschaftliche bzw. generische Bezeichnung verwendet werden, beispielsweise BG-12 anstatt Tecfidera™.

Die Veranstaltung wurde im neuen Gebäude der Pädagogischen Hochschule Zürich durchgeführt. Das Gebäude liegt direkt neben dem Hauptbahnhof (HB) Zürich. Die Nähe zum HB Zürich war sehr praktisch.

Die immer wiederkehrenden Themen an diesen Veranstaltungen sind Informationen zu Medikamenten, insbesondere neue Entwicklungen und die multifaktoriellen Ursachen der MS-Erkankung. Persönlich sehr interessant finde ich, wenn auf anschauliche Weise Hintergrundwissen vermittelt wird, so wie dies Britta Engelhardt bei den Immunzellen gemacht hat.


  1. Ich habe in der Fragerunde nicht nach Referenzen gefragt. Das nächste Mal sollte ich nach den systematischen Übersichtsarbeiten fragen. 

Korrektes Wording in der Psychiatrie

In Arztbriefen liest man ja immer mal wieder Versuche, die Realität zu beschreiben, die über den eigenen grammatikalischen oder psychologischen Furor stolpern. Hier die Auflösung, was geht und was man statt dessen manchmal liest: Die Realität: Maria sagt: “Ich sauge Staub.” Korrekte indirekte Rede: Maria sagt, sie sauge Staub. Korrekte indirekte Rede in der Vergangenheitsform: … … Weiterlesen

Visite mit google translator

Heute habe ich es zum ersten Mal getan, tatsächlich und wirklich: Wir haben einen Patienten, der ausschließlich Polnisch spricht (in echt eine andere Sprache, aber das will ich hier mal verfremden). Und fast kein Deutsch. Am Wochenende war ein richtiger Dolmetscher aus Fleisch und Blut da, so dass eine richtige Anamnese und Untersuchung möglich war. […]

Evidenzbasierte Medizin (EBM) und Cochrane [akt.]

Was ist evidenzbasierte Medizin? Warum ist evidenzbasierte Medizin wichtig? Was ist Cochrane? Funktioniert evidenzbasierte Medizin?

Evidenzbasierte Medizin (EBM)

Evidenzbasierte Medizin (EBM) bezeichnet eine Medizin, die auf Fakten basiert. Medizinische Entscheidungen sollen sich am besten vorhandenen Wissen orientieren. Es ist nichts anderes als eine wissenschaftlich fundierte Medizin.

War das nicht schon immer so? Was ist daran neu?

Seit langem wird die Medizin an Universitäten gelehrt. Ist da nicht automatisch Wissenschaft drin? Nehmen wir das Beispiel des Aderlasses, lange der häufigste angewendete medizinische Eingriff. Die Doktoren hatten ein Säfte-Modell des Menschen im Kopf. Dort machte ein Aderlass Sinn. Doch wäre es irgend jemand in den Sinn gekommen dies nachzuprüfen, ob es überhaupt hilft? Leute, mit und ohne Aderlass, zu vergleichen? Nach über 200 Jahren wurde dies dann endlich gemacht und siehe da, der Aderlass schadete sogar.

Nicht die Theorie zählt, sondern das Resultat. Um Resultate vergleichen zu können, müssen diese gemessen werden. Da bei Resultaten immer auch der Zufall mitspielen kann, genügt eine Messung nicht, sondern man macht mehrere Wiederholungen. Und über die verschiedenen Resultate lassen sich dann statistisch auswerten. Dies tönt jetzt vielleicht einfach. Doch Messungen können aufwendig sein, man denke z.B. die Messung einer Depression. Es müssen auch genügend Versuchspersonen mitmachen. Kurz, Messungen können aufwändig sein. Kleinere Studien sind einfacher. Aus diesem Grund gibt es auch mehr kleinere Studien.

Die statistische Aussagekraft kleinerer Studien ist oft beschränkt. Man kann keine eindeutigen Schlüsse ziehen.

Doch warum nicht die vielen kleinen Studien zu einer grossen zusammennehmen? Wenn die Daten der kleinen Studien vorhanden sind, ist dies möglich. Es können alle Studien, ob gross oder klein gesucht werden und daraus kann eine sogenannte Metaanalyse erstellt werden. Genau, das macht die Cochrane Collaboration.

Cochrane Collaboration

Die Wissenschaftler von Cochrane machen systematische Übersichtsarbeiten und fassen diese statistisch zu einer Metaanalyse zusammen. Übersichtsarbeiten (Reviews) wurden schon lange erstellt, aber nicht systematisch. Forscher nahmen beispielsweise jene Studien, die ihre Thesen unterstützen. Cochrane hat sich darauf spezialisiert, alle vorhandenen Studien systematisch mit festgelegten und nachvollziehbaren Kriterien zusammenzuziehen und auszuwerten. Sie haben «Werkzeuge» (Methoden) geschaffen und wenden diese an.

Die Cochrane Collaboration wurde 1993 von Iain Chalmers mit weiteren in England gegründet. Der Name Cochrane wurde in Andenken an den Arzt und Epidemiologen Archie Cochrane (1909 – 1988) gewählt, einer der Begründer der evidenzbasierten Medizin. Die Cochrane Collaboration ist eine Non-Profit-Organisation. Interessenkonflikte werden ernst genommen. Die Cochrane Collaboration ist mittlerweile eine weltweit tätige Organisation, auch mit Ablegern in der Schweiz und Deutschland.

Iain Chalmers wurde für seine Arbeit von der Queen geadelt.

Blobbogramm, das Cochrane Collaboration Logo

Cochrane Collaboration Logo© Cochrane Collaboration

Das Logo der Cochrane Collaboration zeigt ein Blobbogramm. Ein Blobbogramm ist das Resultat einer Metaanalyse. Das Logo der Cochrane Collaboration zeigt das Blobbogramm aller Studien zur Abgabe von Hormonen (Steroide) bei Frühgeborenen zum Überleben. Jede horizontale Linie steht für eine Studie. Je weiter links die Linie, desto hilfreicher sind die Hormone gemäss dieser Studie. Die zentrale, vertikale Linie ist die «Linie ohne Effekt». Wenn eine horizontale Linie die Linie ohne Effekt berührt, dann zeigt diese Studie keinen statistische signifikanten Nutzen. Je länger eine horizontale Linie, desto grösser die Unsicherheit einer Studie. Das sind die kleinen Studien. Das kleine Viereck unten zeigt den Nutzen über alle Studien zusammen. Bei diesem konkreten Beispiel ist das Viereck weit von der Linie ohne Effekt entfernt. Die Abgabe von Steroiden bei Frühgeborenen ist hilfreich. Leben von Frühgeborenen werden gerettet.

Das erstaunliche ist, dass das Blobbogramm erst 1989 erfunden wurde. Die Fakten zur Abgabe von Hormonen bei Frühgeborenen waren schon lange vorhanden, doch keiner machte Metaanalyse. Niemand wusste wie effektiv sie sind. In Folge dessen wurden selten Hormone gegeben und viele Frühgeborene verstarben unnötigerweise. Nicht weil die Daten nicht vorhanden gewesen wären, sondern nur, weil keine gesamthafte Auswertung gemacht wurde.

Übersichtsarbeiten (Systematic Reviews)

Die Cochrane Collaboration stellt ihre Auswertungen als systematische Reviews zur Verfügung. Die Zusammenfassung kann jeder lesen. Dabei gibt es eine wissenschaftlich exakte Zusammenfassung und eine für Laien. Einige Zusammenfassungen gibt es auch auf deutsch. So wie sich das Wissen vergrössert, so werden die systemaischen Übersichtsarbeiten periodisch überarbeitet.

Probiert es aus!

Beispiel: Nutzen von Beta-Interferonen bei schubförmiger Multiple Sklerose

Die Zusammenfassung, Auswertung Stand 2009:

Multiple sclerosis (MS) is a chronic disease of the nervous system which affects young and middle-aged adults. Repeated damage to the myelin sheaths and other parts of the nerves can lead to serious disability. MS may be related to the immune system. Interferons have several effects on the immune system, and act against viruses. Interferons can help to reduce disability and attacks for people with multiple sclerosis, but there is not enough evidence about their usefulness in the long term. The review of trials found that interferons administered intramuscularly or subcutaneously can lead to a moderate reduction in recurrences and disability in people who have MS with remissions. Interferon-1a administered by the oral route was not effective for prevention of relapses. Side effects were usually influenza-like symptoms, injection site-reactions, pains in the joints and muscles, fatigue and headache.

Zugrunde liegende systematische Auswertung: Rice GP, Incorvaia B, Munari LM., Ebers G, Polman C, D’Amico R, Parmelli E, Filippini G. Interferon in relapsing-remitting multiple sclerosis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2001, Issue 4. Art. No.: CD002002. DOI: 10.1002/14651858.CD002002

Deutsche Übersetzung von 2007, die ich auf den Stand 2009 angepasst habe (meine Ergänzungen sind schräg hervorgehoben):

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems, welche junge und mittelalte Menschen befällt. Dabei können wiederholte Schädigungen der Myelinscheiden und anderer Nerventeile zu schweren körperlichen Behinderungen führen. Möglicherweise spielt das Immunsystem bei der MS eine Rolle. Interferone wirken vielfältig auf das Immunsystem ein, und sind gegen Viren aktiv. Interferone können helfen die Behinderung und Schübe zu reduzieren, aber es gibt nicht genügend Beweise (Evidenz) zu ihrem langfristigen Nutzen. Diese Studienübersicht zeigt, dass unter die Haut oder in die Muskeln gespritzte Interferone zu einer moderaten Verringerung in der Zahl der Schübe und der Behinderungen bei Patienten mit schubweiser MS beitragen können. Oral verabreichtes Interferon-1a war nicht wirksam bei der Verhinderung von Schüben. Unerwünschte Nebenwirkungen waren Grippe-ähnliche Symptome, Hautreizungen an der Injektionsstelle, Schmerzen in Gelenken und Muskeln, Müdigkeit und Kopfschmerzen.

Kritik an Cochrane

Häufig wird die Cochrane dafür kritisiert, dass sie zu wenige Studien in ihre Metaanalysen aufnähme, dass die Aufnahmekriterien zu streng seien. Doch nur gute Qualitätskriterien garantieren qualitativ gute Metaanalysen.

Problem fehlender Daten (Publication Bias)

Die systematischen Übersichtsarbeiten liefern nur richtige Resultate, wenn die veröffentlichten Daten dem vorhandenen Wissen entsprechen. Fehlende Daten sind aktuell aber ein grosses Problem, denn «positive» Resultate werden viel häufiger veröffentlicht als «negative». Forscher berichten viel lieber über etwas, das sie gefunden haben als über nicht gefundenes. Und Herstellern kommen «positive» Resultate viel gelegener.

Beispielsweise verheimlicht Roche die Studiendaten zu Tamiflu. Seit 2009 versucht Cochrane eine Metaanalyse machen. Roche rückt die Daten nicht raus. Die Staaten haben für Milliarden Franken Tamiflu gekauft und bis heute ist nicht klar, ob Tamiflu überhaupt hilft, siehe Tamiflu Saga.

Systematische Übersichtsarbeiten fallen wegen der verzerrten Veröffentlichung in der Tendenz eher zu positiv aus.

Die All Trials Initiative fordert die systematische Publikation von durchgeführten Studien, damit die evidenzbasierte Medizin funktioniert. Alles andere entspricht einer Medizin des Mittelalters – mit Aderlässen. Unterschreibt die Petition!

Weiterführende Literatur und Quellen

Dieser Artikel ist frei nach diesen Quellen geschrieben.

Zusammenfassung

Die evidenzbasierte Medizin arbeitet mit wissenschaftlichen Prinzipien. Fakten zählen. Die traditionelle Schulmedizin wird auch salopp als Eminenzbasierte Medizin beschrieben.

Evidenzbasierte Medizin will den aktuell besten Stand zu einer medizinischen Fragestellung geben. Ein wichtiges Mittel sind systematische Übersichtsarbeiten (Systematic Reviews) und Metaanalysen.

Das Nichtveröffentlichen von durchgeführten Studien untergräbt die evidenzbasierte Medizin.

Cochrane ist ein Grundpfeiler der evidenzbasierten Medizin. Alle sollten Cochrane kennen und die Cochrane Zusammenfassungen im Patientenalltag nutzen.

Am 3. April 2013 strahlte SRF Radio 2 in der Sendung Kontext eine Reportage über Cochrane aus: Die medizinischen Besserwisser – 20 Jahre Cochrane Collaboration (27min). Das unabhängige Expertennetzwerk «Cochrane Collaboration» bewertet seit zwanzig Jahren medizinische Therapien – nicht zur Freude aller.

Optische Kohärenztomografie (OCT)

Was ist die optische Kohärenztomografie (OCT)? Wie funktioniert dieses Verfahren? Was sind die Eigenschaften? Was sind Möglichkeiten? Was sind die Vorteile?

Am 2. Februar 2013 wurde in Basel der MS Informationstag «Aus der Forschung für die Praxis» durchgeführt. Der Augenarzt Dr. Konstantin Gugleta stellte in seinem Vortrag «OCT: der Blick ins Gehirn» die optische Kohärenztomografie (engl. optical coherence tomography), kurz OCT und deren Anwendung bei Multiple Sklerose (MS) vor.

Bei MS sind Sehnerventzündungen ein häufiges Symptom. Es sterben Nervenfasern ab. Der Sehnerv, ebenso wie das Gehirn selbst, lassen sich am lebenden Menschen nicht direkt und einfach untersuchen.

Aufbau des AugesAufbau des Auges | CC BY-SA Talos, colorized by Jakov; via Wikimedia

Der Sehnerv enthält etwa eine Million Nervenfasern, die Fortsätze (Axone) der Ganglienzellen der Netzhaut (Retina). Er ist im Auge «zu hinterst», man kommt nicht dazu. Wenn man ins Auge «normal» hineinschaut (Lichtmikroskopie) sieht man den Augenhintergrund: die Netzhaut (Retina) mit ihren Blutbahnen.

Ansicht des Augenhintergrundes. Zentral die Makula, rechts die PapilleAnsicht des Augenhintergrundes. Zentral die Makula, rechts die Papille | CC BY-SA; via Wikimedia

Ab hier kommt die optische Kohärenztomografie (OCT) ins Spiel. Sie erweitert die Abbildung um die dritte Dimension. Sie ermöglicht die Anfertigung von hochauflösenden Schnittbildern oder auch 3D-Tomografien mit einer zum histologischen Bild vergleichbaren Qualität (Auflösungsvermögen bis 3 µm im Vergleich zu 0,3 µm beim Lichtmikroskop). Die OCT funktioniert analog zum Ultraschall, aber mit Licht. Es werden Reflexionen an Grenzflächen von Materialien mit unterschiedlichem Brechungsindex ausgemessen und so ein dreidimensionales Bild rekonstruiert. Eine solche Rekonstruktion wird als Tomografie bezeichnet.

In-vivo-OCT-Scan einer Retina bei 800 nm und einer axialen Auflösung von 3 µmIn-vivo-OCT-Scan einer Retina bei 800 nm und einer axialen Auflösung von 3 µm | CC BY-SA medOCT-group, Dept of Med. Physics, Med. Univ. Vienna, Austria, 2004; via Wikimedia

Das Verfahren wurde 1991 erfunden und heute stehen Geräte der vierten Generation zur Verfügung. Dieses Verfahren bietet mehrere Vorteile:

  • Es ist schnell (1–2 s).
  • Es funktioniert mit normalem Licht. Es sind keine Laser- oder sonstige Strahlen.
  • Es ist nicht invasiv. Nichts muss verändert werden, höchstens kann die Pupille mit «Augentropfen» erweitert werden.
  • Die Bilder haben eine hohe Auflösung, vergleichbar mit Gewebeschnitten (histologisches Bild).
  • Verglichen mit MRI ist OCT ein preisgünstiges Verfahren.

Farbcodierte Differenzenbilder zu einem statistischen Durchschnitt lassen sich erstellen, dünnere Stellen als normal können beispielsweise rot eingefärbt werden. Die Abweichungen werden sofort ersichtlich. Die verschiedenen Augenkrankheiten zeigen typische Muster.

OCT Geräte sind in Augenkliniken vorhanden. Bei Sehnerventzündungen wird das Verfahren bei MS bereits eingesetzt. Ein Einsatz bei allen MS-Patienten zur Diagnose und Prognose könnte in Zukunft kommen.

Das folgende Video (engl.) zeigt die Anwendung eines OCT Gerätes:

Für die Interessierten zeigt das folgende Video (engl.) die Erfinder der optische Kohärenztomografie:

Bemerkung

Die optische Kohärenztomografie ist ein interessantes Verfahren. Früher oder später werden wahrscheinlich alle MS-Betroffenen vor diesem Gerät stehen.

Links

Links zu OCT-Bildern: