Publish or Post

Erinnern wir uns, Peer Review bedeutet Kollegen rund um die Welt nutzen und prüfen wissenschaftliche Beiträge. Verlage hingegen machen Lektorat – to cover their arses. Dass sie dafür auch die Expertise von gestandenen Wissenschaftlern nutzen, ist zwar kein Zufall, aber auch nicht systembedingt. Überhaupt ist die Rekursion auf prestigereiche Wissenschaftsverlage oder Magazine wie Nature unwissenschaftlich, da nicht der Inhalt und die Methoden, die in den Beiträgen beschrieben werden Massstab für die Qualität der Forschung sind, sondern der Ruf des Herausgebers.weiter

Open Access in der Schweiz, Stand 2013

Was ist der Stand von Open Access in der Schweizer Forschungslandschaft?

Forschungsergebnisse interessieren. Deshalb haben die Rektorenkonferenz der Schweizerischen Universitäten (CRUS) und der Schweizerische Nationalfonds (SNF) im Jahre 2006 die Berliner Deklaration zu Open Access unterzeichnet. Die Unterzeichner verpflichten sich, Open Access (OA) zu unterstützen und in ihren Institutionen einzuführen.

Mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschung sollte – nicht zuletzt im Interesse der Wissenschaft selbst – auch möglichst gut öffentlich und gebührenfrei zugänglich sein. SNF

Acht Jahre sind seit der Unterzeichnung der Berliner Deklaration durch die Schweizer Rektorenkonferenz vergangen. Was ist der Stand?

Ablagen und Richtlinien

Alle Universitäten haben institutionelle Ablagen (sogenannte Repositories) für Archivierung von Open Access Publikationen aufgebaut und die meisten haben Richtlinien erlassen.

Nachfolgende Tabelle zeigt den Open Access Stand für die Schweizer Universitäten mit medizinischer oder mit „Life Science“ Forschung.

Hochschule Ablage Berlin. Dekl.* Richtlinie, Seit OA Pflicht#
Universität Basel edoc 2007 2013 (PDF) ja
Universität Bern Boris 2007 2012 (PDF) ja
Université de Genève Archive-ouverte 2009 (PDF) ja
Université de Lausanne serval nein
Universität Zürich Zora 2004 2008 ja
ETH Zürich e-collection 2006 2008 ja
EPFL Lausanne Infoscience nein

Open Access Stand der Universitäten mit medizinischer oder mit „Life Science“ Forschung. Eigene Recherche, Stand: Mai 2014.
* Berlin. Dekl. = Wann wurde die Berliner Deklaration direkt von der Institution unterzeichnet?
# OA-Pflicht = Die OA-Richtlinie verpflichtet zu Open Access, ausser es wird durch das Copyright verhindert.

Neben den Universitäten wird die medizinische Forschung der Schweiz auch durch weitere Institutionen gefördert.

Förderer Berlin. Dekl.* Richtlinie, Seit OA Pflicht
SNF 2006 2008 (PDF) ja
European Research Council (ERC) 2012 ja
MS-Gesellschaft In Diskussion
Krebsliga nein ja, seit Ende 2014

Open Access Stand von bedeutenden Förderern Schweizerischer medizinischer Forschung. Eigene Recherche, Stand: Mai 2014.
* Berlin. Dekl. = Wann wurde die Berliner Deklaration direkt von der Institution unterzeichnet?

Der SNF nimmt in der Schweiz in Sachen Open Access eine Leit- und Vorbildfunktion ein.

Eine englischsprachige Übersicht zu Open Access mit wöchentlichen Aktualisierungen wird im Rahmen des EU-Projektes OpenAIRE gepflegt. [Aktualisierung 17.12.2015: Eine Open Access Übersichtsseite zur Schweiz ist vorhanden.]

Eine Übersicht über Open Access Richtlinien (Policies) weiterer Institutionen ist auf ROARMAP abrufbar.

Umsetzung

Aufgrund der Open-Access-Richtlinien müsste ein grosser Teil medizinischer Forschungspublikationen aus der Schweiz Open Access sein. Dies ist aber leider nicht der Fall. Die Open-Access-Richtlinien scheinen nicht kontrolliert zu werden. Die Forscher scheinen die Richtlinien und Open Access noch gar nicht zu kennen. Und wenn Open Access bekannt ist, werden die Richtlinien ignoriert. Konkrete Zahlen hat wohl niemand.

Fachzeitschriften (Journals)

Fachzeitschriften haben ganz verschiedene Verfahren und Richtlinien zur Publikationen von Forschungsartikel. Einige sind Open-Access-Fachzeitschriften, andere verlangen von den Forschern sogar, dass diese ihr eigenes Copyright abgeben.

Die Webseite ROMEO gibt Auskunft über die verschiedenen Copyright und Selbstarchivierungsregeln der Fachzeitschriften (Publisher copyright policies & self-archiving).

Ausblick

Die 51 Mitgliederorganisationen der Dachorganisation Science Europe setzen sich dafür ein, dass die Resultate von mit öffentlichen Geldern geförderter Forschung und Innovation in Europa mittels eines gebührenfreien Online-Zugangssystems verfügbar sind. Sie haben eine Liste mit zehn Prinzipien definiert, welche in ihren OA-Bemühungen Kohärenz und Konsistenz garantieren sollen. Der SNF hat durch seine aktive Mitgliedschaft bei Science Europe zum Positionspapier beigetragen und ist den darin genannten Prinzipien verpflichtet.

Science Europe: Position Statement – Principles for the Transition to Open Access to Research Publications (PDF, 144 KB)

Fazit

Der SNF ist die Leitorganisation bei Open Access in der Schweiz. Seine Richtlinien haben Gewicht in der Schweiz.

Leider existiert Open Access in der Schweiz mehrheitlich in Richtlinien und ist in der Praxis noch keine Selbstverständlichkeit. Die Richtlinien werden bedauerlicherweise nicht respektiert und durchgesetzt.

Es bleibt der Öffentlichkeit – den Steuerzahlern und den Patienten – nichts anderes übrig als ihr Recht bei den Forschern selbst einzufordern. Den Forschern muss klar sein, mit welchem Geld, mit welchem Ziel und unter welchen Bedingungen sie ihre Forschung durchführen dürfen.12

Nachtrag

[Aktualisierung 18.12.2015: Die Links wurden überprüft und ggf. erneuert.]


  1. Wohlgemerkt, es geht nicht um den Inhalt der Forschung, sondern nur darum, dass die Forscher ihre Resultate mit der Öffentlichkeit teilen – zugänglich machen –, damit die Allgemeinheit die Resultate nutzen und darauf aufbauen kann. 

  2. Forschung betreiben zu dürfen ist ein Privileg. 

Schweizerischer National Fonds (SNF) beurteilt wissenschaftlichen Leistungsausweis nur noch nach Open Access Publikationen

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützt Forschungsprojekte in Millionenhöhe. Es sollen möglichst gute Projekte und Leute unterstützt werden. Projekte werden nach inhaltlichen Kriterien beurteilt. Es wird bei der Vergabe aber auch der Leistungsausweis der Forscher und Forscherinnen beurteilt. Der Leistungsausweis lässt sich zum Abschätzen der zukünftigen Leistung aus der vergangenen Arbeit. Nach dem Prinzip, wer in Vergangenheit gute Arbeite gemacht hat, wird es auch in Zukunft tun.

Die Leistung wird anhand der publizierten Forschungsartikel beurteilt. Leider ist es nun so, dass nicht alle Forschungsartikel frei zugänglich sind. So können auch Forschungsförderungsinstitutionen nicht alle Forschungspublikationen direkt zur Beurteilung heranziehen. Die Artikel müssen gekauft oder gar Fachzeitschriften abonniert werden. Abonnements von Fachzeitschriften können schnell zu Millionenbeträgen anwachsen.1 Für Forschungsförderer ist das herausgeworfenes Geld. Da Geld liesse sich besser in Projekte investieren.

Forschungsresultate sollen mit der besten vorhanden Methode veröffentlicht werden. In unserem Zeitalter ist das auf elektronischem Wege und nicht mehr auf Papier wie in den vergangenen Jahrhunderten. Das Internet kennt keine Grössenbeschränkung und die Resultate stehen sofort zur Verfügung.

Der Wellcome Trust, mit über einer halben Milliarde Franken jährlich einer der grössten gemeinnützigen Forschungsförderer weltweit, zieht seit letztem Jahr bei selbstgeförderten Publikationen nur noch solche Publikationen für die Beurteilung des Leistungsausweises heran, die Open Access sind. Als gemeinnütziger Forschungsförderer will der Wellcome Trust eine möglichste grosse Verbreitung des geförderten Wissens.

Der SNF hat nun diese Idee aufgegriffen und geht noch einen Schritt weiter. Der SNF zieht für den Leistungsausweis generell nur noch Publikationen heran, die Open Access sind. Der öffentliche Schweizerische Nationalfonds, der durch Steuern eingenommene Gelder verteilt, will, dass den Bürgern die geförderte Forschung zugänglich ist. Der SNF will keine Geheimwissenschaft. Eine Wissenschaft, wo Resultate nur einem kleinen, „eingeweihten“ Kreis von Leuten zur Verfügung steht.

Nur was (öffentlich) zugänglich ist, ist auch bekanntes Wissen. Wenn Forschungsresultate nicht breit zugänglich sind, könnte der Eindruck entstehen, dass Publikationen zu Karrierezwecken und nicht zur Wissensvermehrung geschrieben werden.

Die eingesparten Abonnementskosten des SNF werden zugunsten zusätzlicher Forschungsprojekte verwendet.

Fazit

Wissenschaft muss öffentlich sein. Alle, die sich an der Vermehrung des Wissens beteiligen möchten, sollen freien Zugang haben.

Der SNF hat mit dem Entscheid nur noch Open Access Publikationen für Leistungsausweis heranzuziehen eine wichtige Entscheidung getroffen. Ich hoffe andere Forschungsförderer werden diesem Beispiel folgen.

[Aktualisierung 01.04.2014: April! April! Der Artikel stimmt – bis auf den SNF. Dass der SNF nur noch Open Access Publikationen berücksichtigt entspringt mehr dem Wunsch als der Realität. Leider.]


  1. Uni Konstanz stoppt Verhandlungen mit Elsevier. Spiegel Online. 27. März 2014 

Bericht: Informationsveranstaltung zu Open Access an Uni Bern, 2013

Am 17. September durfte ich an der Informationsveranstaltung zu Open Access in Bern teilnehmen.

Was ist bemerkenswert? Was ist mir aufgefallen?

Zu Beginn wurden zwei Schweizer Verlage wissenschaftlicher Zeitschriften wurden vorgestellt: Karger und MDPI.

Karger ist ein traditionsreicher Wissenschaftsverlag, der in der 4. Generation geführt wird und auf eine 120-jährige Geschichte zurückblicken kann. Gabriella Karger von der 4. Generation vertrat den Verlag. Interessanterweise wurde der Verlag in Berlin gegründet, dann dann zügelte das Unternehmen nach Basel. Karger verlegt Open Access und konventionelle Abonnements-bezahlte Zeitschriften.

Zu MDPI gibt es eine kleine Geschichte. In den 80er Jahren musste der Chemiker Dr. Shu-Kun Lin miterleben, wie eine umfangreiche Molekülsammlung von Ciba-Geigy bei der Pensionierung eines Arbeitskollegen einfach entsorgt wurde. Er wollte zukünftig eine Alternative schaffen und gründete eine non-profit Moleküldatenbank. Aus dieser Moleküldatenbank entwickelten sich wissenschaftliche Zeitschriften, die dann in einen eigenen Verlag ausgelagert wurden. Da sich die Abkürzung MDPI von Molecular Diversity Preservation International bereits etabliert hatte suchten sie nach einem Namen für den Verlag, der zu dieser Abkürzung passt: Multidisciplinary Digital Publishing Institute. MDPI ist ein reiner Open Access Verlag und die Publikationen erscheinen nur elektronisch. Er benutzt die CC BY Lizenz. MDPI beschäftigt, wenn ich mich richtig erinnere, Zweidrittel der Leute in China und ein Drittel in der Schweiz. Der Standort in China erlaubt die Kosten konkurenzfähig zu halten. Der Gründer von MDPI war an der Veranstaltung anwesend.

Bundeshaus mit Berner AlpenBundeshaus mit Berner Alpen, Aussicht von der Universität Bern | CC BY-SA Patientensicht.ch

Der Impact-Factor1 ist für Verlage und Wissenschaftler „das Mass aller Dinge“. Bei beiden wird er als Leistungsausweis verwendet. Ein hoher Impact-Factor bedeutet Prestige. Ein Wechsel auf Open Access kann aktuell nur unter der Berücksichtigung des Impact-Factors erfolgreich sein.

Gutscheine bei Zeitschriftenabonnements für Open Access Artikel sind eine interessante Idee. Die Verlage geben bei Zeitschriftenabonnements Gutscheine, die von Universitäten zum Freischalten von wissenschaftliche Artikel ohne zusätzliche Kosten berechtigen. Die Umstellung auf Open Access kann so erleichtert werden.

Bei nicht Open Access Artikeln ist es nach wie vor üblich, dass die Autoren, das Copyright an die Verlage abgeben. Sie verlieren dadurch jegliche eigene Rechte am ehemals eigenen Artikel. Für mich ist dies unverständlich, so etwas einzugehen. Ein hoher Impact-Factor ist den Wissenschaftlern aber wahrscheinlich viel wichtiger. Die Rechte am Artikel liegen danach beim Verlag. Er könnte die Artikel auch verschwinden lassen. Da ihm das Copyright gehört, hätte die Öffentlichkeit oder auch der Forscher selbst keine Möglichkeit, die Artikel selbst anzubieten. Ohne Einverständnis des Verlages ist dies nicht möglich. Ein solcher Fall könnte z.B bei einem Konkurs eintreten.

Wissenschaftliche Zeitschriften müssen bezahlt werden, keine Frage. Entweder von den Abonnenten oder von den Autoren. Da Open Access den freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen ist, müssen deshalb die Kosten von den Autoren übernommen werden. Dies bedeutet eine Kostenverlagerung. Das Open Access Modell bedeutet für die Verlage mehr Wettbewerb. Die Autoren werden neben dem Impact-Factor auch den Preis der Publikation berücksichtigen. Je höher der Impact-Factor, desto mehr können und werden die Verlage verlangen. Die Preise für Open Access Veröffentlichungen reichen von 0 Franken bis 30´000 Franken. Eine neue Zeitschrift, die sich durchsetzen will kann zu Beginn auf jegliche Kosten verzichten. Eine Open Access Publikation im renommierten Nature beispielsweise soll 30‘000 Franken kosten.

Für eine Forschungsgruppe bedeuten die Open Access Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften (goldener Weg, Gold Road) zusätzliche Kosten. Open Access sieht deshalb auch die Möglichkeit vor, dass die Autoren den Artikel, z.B das PDF, kostenfrei in einer Universitätsablage ablegen (grüner Weg, Green Road).

Bei Karger beispielsweise seinen die Preise für Open Access aktuell nicht kostendeckend. Es können von den Autoren nur wettbewerbsfähige Preise verlangt werden. Beim Abonnementsmodell hingegen herrschen andere Verhältnisse: monopolartige Zustände. Die Universitätsbibliotheken haben bei (wichtigen) Zeitschriften keine Wahl, egal wie hoch die Preise sind, sie müssen die Zeitschriften abonnieren.

Wohl aufgrund der aktuell fehlenden Rentabilität, argumentierte der Karger-Verlag ziemlich defensiv und nicht wie ein Open Access-Verlag.

Die Umstellung auf Open Access könnte sicher beschleunigt werden, wenn die Öffentlichkeit für die Abonnementskosten der wissenschaftlichen Zeitschriften informiert würde. Die Universitätsbibliotheken könnten diese Kosten sichtbar machen. Anscheinend haben die etablierten wissenschaftlichen Verlage vorgesorgt und Verträge mit den Bibliotheken abgeschlossen, die eine öffentliche Information über die Abonnementspreise verbieten.

Professor Alessandro Lugli bemerkte, dass die Wissenschaftler nach wie vor gratis für die Verlage arbeiten – als Editoren oder als Begutachter (Reviewer). Ein Entgegenkommen seitens der Verlage sieht er als gerechtfertigt an.

Ich selbst sprach kurz über Open Access bei der Schweizerischen MS-Gesellschaft. Der Weg, die Probleme und die Missverständnisse über Open Access. Die Vorteile von Open Access, auch für eine gemeinnützige Organisation, musste bei diesem fachkundigen Publikum von Universitätsbibliothekaren nicht besonders erwähnt werden.

Es war spannend einmal auf der anderen Seite des Podiums zu sein.

Der Apéro zeigte, einmal mehr, wie wichtig Vernetzung ist. Es lohnt sich, seinen gewohnten Kreis zu verlassen.

Fazit

Obwohl öffentlich bezahlte Forschung, der Öffentlichkeit gehört, werden die Forschungsresultate nicht einfach der Öffentlichkeit zurückgegeben, sondern die Öffentlichkeit muss die freie Zugänglichkeit explizit einfordern.

Das Umdenken muss von den Forschungssponsoren wie dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) angestossen werden (sie verteilen das begehrte Forschungsgeld) und im Publikationsprozess der Forscher seinen festen Platz finden. Langjährige Gewohnheiten der Forscher müssen verändert werden.

[Aktualisierung 16.04.2014: Ein Bericht zur Veranstaltung wurde auf der Webseite der „Interessengruppe Wissenschaftliche BibliothekarInnen Schweiz (IG WBS)“ veröffentlicht: Open Access: Karger und MDPI (17.09.2013).]


  1. Der Impact-Factor misst wie viele Male wissenschaftliche Artikel einer Fachzeitschrift durchschnittlich zitiert werden. Mehr Zitationen zeigen einen höheren Einfluss in der Wissenschaft. Wissenschaftler suchen deshalb Zeitschriften mit einem möglichst hohen Impact-Factor. Die Zeitschriften wollen möglichst wichtige wissenschaftliche Beiträge und da die Wissenschaftler auf den Impact-Factor schauen, versuchen die Zeitschriften einen möglichst hohen Impact-Factor zu erreichen. 

Ankündigung: Informationsveranstaltung zu Open Access an Uni Bern, 17. Sept.

Am Dienstag 17. September 2013 findet an der Universität Bern eine Informationsveranstaltung zu Open Access statt.

In einem ersten Teil präsentieren sich die zwei Schweizerischer Wissenschaftsverlage Karger und MDPI.

Danach gibt es eine Podiumsdiskussion. Ich bin für die Podiumsdiskussion eingeladen worden. Die weiteren Teilnehmer sind

Moderiert wird die Diskussion von Christian Gutknecht von der Universitätsbibliothek Bern.

Organisiert wird die Veranstaltung von der Interessengruppe Wissenschaftliche BibliothekarInnen Schweiz (IG WBS).

Die Veranstaltung ist kostenlos. Zur Teilnahme ist eine Anmeldung nötig.

Ich freue mich auf den Anlass.

Zugriff auf volle Cochrane Auswertungen

Wie können die vollen Cochrane Übersichtsarbeiten (Reviews) – nicht nur die Zusammenfassungen – gelesen werden?

Die Cochrane Collaboration erstellt systematische Übersichtsarbeiten (Reviews) über die verschiedensten medizinischen Behandlungen. Es werden die gesamten vorhandenen Daten in die Auswertungen einbezogen. Die Cochrane Zusammenstellungen (Reviews) stellen das beste vorhandene Wissen über Behandlungen dar.

Die Zusammenfassungen können gesucht und gelesen werden. Das ist sehr nützlich für eine schnelle Antwort. (Die meisten Zusammenfassungen sind auf englisch.)

Für eine genauere Beschäftigung genügen jedoch die Zusammenfassungen nicht mehr.

Seit Februar 2013 sind die Cochrane Übersichtsarbeiten Open Access, jedoch mit einer Wartezeit von zwölf Monaten ab Veröffentlichung. Der Zugriff auf neue Reviews ist somit nicht ohne weiteres möglich.

Gewisse Länder wie England oder Fachinstitutionen wie die Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) gewähren den freien Zugang direkt nach der Veröffentlichung. Normale Schweizer Bürger haben keinen freien Zugriff.

Es gibt nun drei Möglichkeiten trotzdem an den Inhalt zu kommen.

Zugriff via Tunnel (VPN)

Die Webseite prüft via IP-Adresse woher der Benutzer kommt. Jeder im Internet hat eine IP-Adresse, beispielsweise 189.62.88.191. Diese wird normalerweise vom Provider, z.B. der Swisscom, vergeben. Jeder Provider hat einen Block solcher Adressen. Die Provider decken eine bestimmte Region ab.

Tunnel können für Fernzugriffe eingesetzt werden. Dies ist ein technischer Trick. Man meldet bei einem Tunnel an, dann läuft der ganze Datenverkehr verschlüsselt über diesen Tunnel und man „kommt“ am anderen Ende heraus. Am anderen Ende hat man dann die IP-Adresse des Servers. Steht dieser in den USA, ist es eine US IP-Adresse, steht dieser in England ist es eine englische IP-Adresse.

Viele ausgewanderte Leute (Expats) benutzen solche Tunnel um vom Ausland Zugriff auf die Programme der heimischen Fernsehstationen zu haben, die im Ausland sonst nicht abrufbar sind.

Es gibt verschiedene solcher Tunnel. Die meisten kosten etwas.

Der Tunnel-Dienst TunnelBear bietet Tunnels in die USA, Grossbritannien, Deutschland und Kanada an. Bis 500 MB pro Monat ist der Dienst gratis.

Screenshot TunnelBearScreenshot TunnelBear der Android App

Den Tunnel-Dienst TunnelBear gibt es für Windows, Mac, iOS und Android.

Die aktuelle IP-Adresse kann zur Kontrolle auf Webseiten einfach angezeigt werden, z.B. auf www.showmemyip.com.

Tunnels sind völlig legal. VPN Tunnels werden häufig auch von Unternehmen für externe Mitarbeiter eingesetzt, damit diese von aussen Zugriff auf das Firmen-interne Netzwerk haben. Wie bei allen Programmen sollte man sich vergewissern was man installiert. Solange ein Tunnel aktiv ist, läuft der ganze Datenverkehr darüber.

Zugriff via Login

Eine andere Möglichkeit für ganze Cochrane-Berichte ist ein Konto bei der Wiley Online Library, dem Verlag der Cochrane Reviews, zu machen und dort seinen Standort ein Land mit freiem Zugriff zu legen, z.B. England. Es ist möglich den Standort selbst festzulegen. Der Standort kann nur einmal eingestellt werden und danach nicht mehr geändert werden.

Wiley Online Library: National ProvisionNational Provision beim Account der Wiley Online Library

Durch eine kleine Unwahrheit ist somit der Zugriff ohne Tunnels möglich.

Artikel kaufen

Es ist möglich einzelne Artikel beim Verlag Wiley Online Library zu kaufen. Beispielsweise kostet der Artikel Immunomodulators and immunosuppressants for multiple sclerosis: a network meta-analysis:

Name Price
24 hour online access: US$ 35.00
Sales tax: US$ 6.86
Total: US$ 41.86

Mit über 40$ ist ein einzelner Artikel nicht gerade günstig.

Diskussion

Volle Cochrane Reviews können durch den technischen Trick des Tunnels, durch eine kleine Unwahrheit oder gegen Bezahlung erhalten werden. Solange der Zugang in der Schweiz nicht frei ist, zeigt dieser Blogartikel einen Ausweg.

Erfreulicherweise sind Cochrane Reviews nach zwölf Monaten Open Access und dann allen zugänglich.

Jeder sollte ab Veröffentlichung freien Zugang zu Cochrane Reviews haben. In der Schweiz gelten die WZW-Kriterien: Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Also die Prinzipien der Evidenzbasierten Medizin (EBM). Es müsste somit im Interesse des Schweizer Gesundheitssystems sein, wenn jeder Patient und Bürger selbst die WZW-Kriterien am besten vorhanden Wissen – den Cochrane Reviews – überprüfen könnte. Die Cochrane Collaboration ist eine Non-Profit Organisation, ihre unabhängige Arbeit muss jedoch auch bezahlt werden. Gerade die Unabhängigkeit ist notwendig für verlässliche Auswertungen. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), der Krankenkassenverband santésuisse, Krankenkassenverband Curafutura und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) könnten/sollten die Kosten für einen freien Cochrane-Zugang in der Schweiz übernehmen.

Konkrete Umsetzung von Open Access für gemeinnützige Organisationen

Warum ist der freie Zugang zu Forschungsergebnissen wichtig? Was muss gemacht werden um Open Access in einer gemeinnützigen Organisation einzuführen? Was sind die rechtlichen Risiken?

Patientenorganisationen sorgen sich nicht nur ums Wohlbefinden der Patienten, sondern sie wollen die Zukunft verbessern und fördern deshalb Forschungsprojekte.

Patientenorganisationen sind gemeinnützige Organisationen und bekommen Spenden. Im Vergleich zu gewinnorientierten Unternehmen soll die Gemeinschaft von den Aktivitäten profitieren.

Der freie Zugang zu Forschungsergebnissen wird als Open Access bezeichnet. Alle Interessierten – Forscher aus armen und reichen Ländern, Privatgelehrte, Fachleute, Patienten – können die Resultate lesen und für ihre Arbeit verwenden. Die Wissenschaft baut auf geteiltem Wissen auf.

Es ist klar, dass die Gemeinnützigkeit der Forschung besser erreicht wird, wenn Forschungsergebnisse öffentlich frei verfügbar sind und die Forschungsgemeinschaft uneingeschränkt von den geförderten Projekten profitieren kann. Eine Organisation kann auf diese Weise die Forschung mit den gesammelten Spendengeldern insgesamt stärker unterstützen. Und so ihrem gemeinnützigen Zweck zur För­derung und Unterstützung der Forschung noch besser nachkommen.

Die Schweizerische MS-Gesellschaft hat sich aus diesem Grund entschlossen Open Access für geförderte Forschung einzuführen.

Wie geht es?

Eine Anleitung

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) hat die freie Verfügbarkeit von Forschungspublikationen 2008 eingeführt. Genau an diesem Modell können sich andere forschungsfördernde Organisationen orientieren: Die unterstützten Forscher selbst werden zum öffentlichen Zugang ihrer Publikationen verpflichtet. Als Urheber haben die Autoren das Copyright.

Für die Autoren gibt es zwei Möglichkeiten, entweder ist es eine Veröffentlichung in einer Open Access Zeitschrift (Gold Road), oder falls nicht, sollen die Autoren ihre Publikation, deren Urheber sie sind, zusätzlich ins Internet stellen (Green Road). Der Publikation ist so in jedem Fall für alle gratis abrufbar.

Da sich die Rektorenkonferenz der Schweizerischen Universitäten zu Open Access bekannt hat und da die SNF-Bestimmungen es verlangen, unterhält jede Schweizer Universität ein Internet-Publikationsarchiv. Dort laden die Forscher ihre eigenen Artikel als PDF hoch.

Open Access kann bei jeder forschungsfördernden Organisation deshalb durch eine kleine Änderung in der Fördervereinbarung mit den unterstützten Forschern erreicht werden, beispielsweise mit folgendem Satz: «Analog zu den Bestimmungen des SNF, verpflichten sich die Gesuchsteller grundsätzlich, Publikationen, die aus der Förderung entstehen als Open Access (über Gold oder Green Road) zur Verfügung zu stellen und den Open-Access-Publikationslink der Förderungsgesellschaft mitzuteilen.»

Nach der Änderung der Vereinbarung ist die einzige Arbeit der Förderungsgesellschaft die Verwaltung der Links.

Ergänzende Links

Fazit

Open Access einzuführen ist für jede forschungsfördernde Gesellschaft leicht, ohne Risiko, mit geringem Aufwand möglich und von grossem Nutzen.

Open Access bei der MS-Gesellschaft

Warum ist Open Access wichtig? Was hat der Wissenschaftliche Beirat der MS-Gesellschaft beschlossen?

Open Access bezeichnet den kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Artikel. Die Grundlagenforschung wird in der Regel öffentlich bezahlt – von Bürgern oder Spendern. Es wäre also nichts als Recht, wenn alle, Bürger, Spender und Forscher von der ganzen Welt, die entstanden Forschungsartikel lesen könnten. Gründe gibt es viele, weil sie dies tun möchten. Aktuell, kosten diese Artikel je etwa $30. Eine unnötige, doppelte Bezahlung.

Das muss nicht sein. Forscher und forschungsfördernde Instiutionen können etwas dagegen tun.

Der Wissenschaftliche Beirat der Schweizerischen MS-Gesellschaft hat an der Sitzung vom 26. Januar 2013 deshalb beschlossen, Publikationen, aus geförderten Projekten, frei zugänglich zu machen (Open Access).

Das ist ein sehr positiver Schritt.

Das Schema wird sich am Schweizerischen Nationalfonds (SNF) orientieren. Die konkrete Ausgestaltung ist in Arbeit.

Die Gemeinnützigkeit der Forschungsförderung der MS-Gesellschaft wird dadurch besser erreicht, wenn die Forschungsergebnisse öffentlich frei verfügbar (Open Access) sind und die Forschungsgemeinschaft vollumfänglich von den geförderten Projekten profitieren kann. Die MS-Gesellschaft kann auf diese Weise die Forschung mit den gesammelten Spendengeldern insgesamt stärker unterstützen. Und so ihrem gemeinnützigen Zweck zur För­derung und Unterstützung der MS-­Forschung noch besser nachkommen.

Dies ist eine weitere erfreuliche Bewegung bei Open Access.

Ich hoffe andere gemeinnützige, forschungsfördernde Gesellschaften machen den selben Schritt. Im Interesse der Betroffenen. Im Interesse der Forschung. Im Interesse der Gemeinschaft.

Nachtrag

[Aktualisierung 07.08.2013: Ein neuerer Blogartikel beschreibt wie die konkrete Umsetzung von Open Access für gemeinnützige Organisationen einfach möglich ist.]

Medizinische Fachzeitschriften (Journals) am Beispiel MS

Wo werden medizinische Erkenntnisse veröffentlicht? Warum wird etwas in einer bestimmten Fachzeitschrift publiziert? Welche medizinischen Fachzeitschriften gibt es? Worin unterscheiden sich die Fachzeitschriften? Wie viele medizinische Fachzeitschriften gibt es?

Wissenschaftliche Erkenntnisse, zu denen die medizinischen gehören, werden an Konferenzen präsentiert und in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht. Ein Forscher schreibt einen Artikel über seine Erkenntnisse. Er informiert damit seine Fachkollegen, die Ärzte und die Öffentlichkeit. Dabei werden nicht einfach nur die Erkenntnisse aufgeschrieben, sondern ganz wichtig auch wie der Forscher zu diesen Erkenntnissen gelangt ist. Welche Methoden angewandt und welche Annahmen getroffen wurden. Auch was die Grenzen (limitations) oder Verzerrungen (bias) der Forschungsarbeit sein könnten. Wichtig ist auch wie sich diese neue Arbeit zu den bisherigen Erkenntnissen einreiht. Ein wissenschaftlicher Artikel muss deshalb verschiedene formale Kriterien erfüllen.

BMJ Cover 11.08.2012BMJ Titelbild 11.08.2012 | © BMJ Group 2012

Wissenschaftliche Fachzeitschriften stellen diese formalen Kriterien sicher. Weiter wird der wissenschaftliche Artikel an mindestens zwei andere Forscher aus dem gleichen Forschungsgebiet (peers) zur inhaltlichen Überprüfung (review) übergeben. Das ergibt das bekannte Peer-Review-System. Der Begutachter kann Korrekturen einfordern oder die Arbeit als nicht relevant zurückweisen und nicht akzeptieren (acceptance). Die Begutachter sind meistens etablierte Forscher, häufig Professoren aus dem Fachgebiet und machen die Arbeit unentgeltlich. Begutachtete Artikel (peer reviewed articles) werden als wissenschaftliche Artikel angeschaut, die anderen gelten als nicht „richtig“ wissenschaftlich. Ausnahmen sind Leitartikel (Editorials). Diese werden von der Fachzeitschrift in Auftrag gegeben oder von den Fachzeitschriftenherausgebern (editors) selbst geschrieben und stellen Meinungen dar. Leitartikel besprechen wissenschaftliche Artikel oder allgemeine Themen. Leitartikel sind meist sehr einflussreich. Sie können wissenschaftliche Artikel abqualifizieren oder herausstreichen. Siehe auch Was ist gute Wissenschaft?.

Wer bestimmt wo etwas publiziert wird?

Der Forscher ist erst einmal frei, wo er etwas veröffentlichen will. Er kann also den besten Ort für seine Arbeit aussuchen.

Was ist der beste Veröffentlichungsort für eine Forschungsarbeit?

Das hängt von der Arbeit und den Resultaten ab. Grundsätzlich möchte der Forscher, dass seine Resultate von möglichst vielen „richtigen“ und wichtigen Leuten gelesen und weiterverarbeitet wird. Er möchte also den Einfluss (impact) seiner Arbeit und somit auch von sich selbst vergrössern.

Der Forscher muss also eine geeignete Fachzeitschrift (journal) für seinen Forschungsartikel suchen. Fachzeitschriften können sich erheblich unterscheiden. Sie können ein weites Themenspektrum haben, auf ein Thema spezialisiert sein, ein Mitteilungsorgan einer Fachgesellschaft sein und somit von vielen Leuten gelesen werden, eine lange Tradition haben, strenge Richtlinien haben, ein gutes Renommee haben, …

Der Forscher möchte eine möglichst angesehene und gute Fachzeitschrift für seine Arbeit. Nur möchten das alle anderen Forscher auch. Bei guten Fachzeitschriften werden deshalb mehr Forschungsartikel eingereicht als publiziert werden können. Sie können deshalb die guten und interessanten Artikel auswählen. Die wichtigen Fachzeitschriften können mit den guten Artikeln den guten Ruf erhalten oder gar steigern – eine positive Spirale.

Akzeptanzrate und Prestige {#akzeptanzrate}

Bei angesehenen Fachzeitschriften werden so viele Artikel eingereicht, dass sie 9 von 10 Artikel wieder zurückweisen (acceptance rate). Wenn es nun einem Forscher gelingt in so einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen, ist das für ihn wie ein Preis, den er gewinnt. Sein Ansehen (Prestige) bei seinen Kollegen steigt. Diese Steigerung seines Ansehens, ist also nicht direkt abhängig vom wissenschaftlichen Wert seiner eigenen Arbeit, sondern „färbt“ von der Fachzeitschrift ab. Bei Berufungen auf Professorenstellen zählt in der Regel, wie viele Artikel in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Wissenschaftliche Karrieren werden durch Veröffentlichungen in angesehenen Fachzeitschriften gemacht.

Im aktuellen wissenschaftlichen System zeigt der Veröffentlichungsort von wissenschaftlichen Resultaten wie wichtig der Forscher die Resultate findet und wie wichtig seine Kollegen diese Resultate finden. Wie gültig (valide) sie die Resultate halten.

Bei wissenschaftlichen Fachzeitschriften gibt es so etwas wie eine Hierarchie.

Im Jahr 2011 gab es über 11‘000 anerkannte Zeitschriften für die Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie, Medizin, Psychologie, …), davon 3718 medizinische Zeitschriften.1 Also eine riesige Menge. Wohlgemerkt dies umfasst nur die naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften. Daneben gibt es noch die geisteswissenschaftlichen Fachzeitschriften, z.B. für Geschichte oder Philosophie.

Wenn eine wissenschaftliche Zeitschrift bei einer Fachzeitschrift abgelehnt wurde, wird sie der Wissenschaftler bei einer anderen Zeitschrift einzureichen versuchen. Er wird dann eine Zeitschrift auf der gleichen Hierarchiestufe oder einer Hierarchiestufe tiefer wählen. Eigentlich müssen durchgeführten Studien veröffentlicht werden um zu verhindern, dass nur „positive“ Funde publiziert werden (publication bias).

Journal Citation Reports® {#jcr}

Zur Übersicht über die verschiedenen Fachzeitschriften gibt es eine Datenbank, den Journal Citation Reports® Science von Thomson Reuters.

Diese Datenbank enthält die verschiedenen Fachzeitschriften mit verschiedenen Angaben:

* Namen
* Erscheinungshäufigkeit
* Wie viele Artikel veröffentlicht werden.
* Welche Fachgebiete abgedeckt werden.
* Wie viele Male, die Artikel aus dieser Fachzeitschrift von anderen Artikel zitiert wurden (Impact Factor). Ein Impact Factor von 1 bedeutet, dass jeder Artikel einer Fachzeitschrift im Durchschnitt einmal in einer anderen Zeitschrift zitiert wurde. Wichtig zu beachten ist, dass diese Angabe eine Durchschnittswert ist. Wenige häufig zitierte Artikel können deshalb den Impact Factor „hochziehen“.
* Und ähnliche Kennwerte wie der EigenFactor®.

Welche Fachzeitschriften gibt es für eine Multiple Sklerose Publikation? {#fachzeitschriften}

Ich habe einmal die gebräuchlichen Fachzeitschriften bei Multiple Sklerose herausgesucht und diese hierarchisch geordnet. Die wichtigsten zuerst. Je höher Impact Factor oder Eigenfactor. Dabei enthalten sind auch generelle naturwissenschaftliche oder medizinische Zeitschriften. Diese haben ein sehr breites Themenfeld, werden von sehr vielen Leuten gelesen und haben deshalb ein sehr hohes Ansehen.

Generelle naturwissenschaftliche Zeitschriften {#nature-science}

Es gibt zwei hochangesehene naturwissenschaftliche Zeitschriften: Nature und Science. Sie stellen den Olymp der wissenschaftlichen Fachzeitschriften dar. Diese veröffentlichen alles – von Astronomie über Medizin bis zur Zoologie. Die Messlatte für Veröffentlichungen in diesen Zeitschriften ist sehr hoch. Fundamentale, gar bahnbrechende Arbeiten werden gefordert. Meist stecken jahrelange Arbeit und zahlreiche Veröffentlichungen in kleineren Fachzeitschriften dahinter.

Nature und Science haben eine eigene Redaktion und einen redaktionellen Teil, sie veröffentlichen also auch wissenschaftliche Nachrichten und nicht nur wissenschaftliche Forschungsartikel.

Medizinische Top 4 Journals {#top-med}

Im Bereiche der Medizin gibt es 4 hoch angesehene generelle Fachzeitschriften. Diese liegen mit grossem Abstand vor anderen Fachzeitschriften.

* New England Journal of Medicine (NEJM)
* The Lancet
* JAMA (The Journal of the American Medical Association)
* BMJ (Britisch Medical Journal)

BMJ hat eine eigene Redaktion und einen redaktionellen Teil, sie veröffentlichen also auch wissenschaftliche Nachrichten und nicht nur wissenschaftliche Artikel. (Bei den anderen weiss ich es nicht.)

PLoS ONE {#plos-one}

Die Zeitschrift PLoS ONE ist ein Sonderfall. Diese generelle medizinische Open Access Fachzeit ist Peer-Reviewed (begutachtet). Sie akzeptiert aber alle Artikel, die die wissenschaftlichen Qualitätsstandards (z.B. methodisch korrekt) einhalten. Es werden 7 von 10 eingereichten Artikel publiziert. Viele andere Fachzeitschriften erscheinen auch in gedruckter Ausgabe, PLoS ONE hingegen erscheint nur im Internet und hat somit keine Platzproblem und muss und will nicht auswählen. Alle können hier veröffentlichen, solange es den wissenschaftlichen Standards entspricht. Diese Fachzeitschrift ist somit so etwas wie ein Sammelbecken für Publikationen.

Warum ist diese Fachzeitschrift PLoS ONE dennoch einflussreich?

Grossen Forschungsförderen kann das Prestige einer Zeitschrift egal sein. Sie wollen, dass ihre Resultate schnell veröffentlicht und ohne Einschränkung lesbar (Open Access) sind. Der Begutachtungsprozess ist in der Regel zeitaufwändig und kann Monate, wenn nicht Jahre dauern. Wenn ein Artikel in einer Fachzeitschrift abgelehnt wird, startet der Begutachtungsprozess von neuem. Diese Zeitschrift wird auch von allen gewählt, denen eine rasche und einfache Veröffentlichung wichtiger als das Prestige der Zeitschrift ist. Der oft mühselige Weg von Einreichen, Ablehnung, Wiedereinreichung, … entfällt bei PLoS ONE.

Forschung von grossen Forschungsföderern wie z.B. Wellcome Trust wurde durch die Fördergremiem bereits ausgewählt (selektiert) und können auch grössere Projekte umfassen. Solche Forschungsarbeiten liefern häufig wichtige wissenschaftliche Forschungsergebnisse.

Fachspezifische Zeitschriften

In den Fachgebieten gibt es in der Regel ein oder mehrere führende Fachzeitschriften. In der Neurologie ist dies z.B. die Fachzeitschrift Neurology®.

Multiple Sclerosis Journal (MSJ) {#msj}

Das Multiple Sclerosis Journal (MSJ) ist die einzige Zeitschrift, die sich nur auf Multiple Sklerose spezialisiert hat.

Wissenschaftliche Fachzeitschriften aus dem deutschsprachigen Raum {#de-journals}

* Swiss Medical Weekly (SMW): Wissenschaftliche Fachzeit der Schweizer Ärztegesellschaft FMH zu allgemeinen Themen der Medizin. Häufig mit einem Bezug zur Schweiz.
* Wiener Klinische Wochenschrift: Österreichische Fachzeitschrift mit generellem Themenspektrum. Deutschsprachig.
* Nervenarzt: Die Zeitschrift richtet sich an niedergelassene und in der Klinik tätige Ärzte für Neurologie, Psychiatrie und Nervenheilkunde. Eine der wenigen deutschsprachigen Fachzeitschriften. Organgesellschaften: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN), Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)

Die Schweizerische Ärztezeitung druckt keine wissenschaftlichen Publikationen ab. Die Beiträge sind nicht Peer-Reviewed, was auch nicht nötig ist. Denn es geht um Informationsbeiträge und Meinungen.

Übersicht der Fachzeitschriften am Beispiel von MS {#journal-liste}

Name | Gebiet | IF | EF | Art. 2011 | L | GJ | OA
– | – | – | – | – | – | – | –
Nature | Nat | 36 | 1.66 | 841 | UK | 1869 | N
Science | Nat | 31 | 1.41 | 871 | US | 1880 | N
New England Journal of Medicine (NEJM) | Med | 53 | 0.66 | 349 | US | 1811 | 6M
PLoS ONE | Nat | 4 | 0.5 | 13781 | US | 2006 | J
Journal of Neuroscience | N | 7 | 0.45 | 1790 | US | 1981 | H
The Lancet | Med | 38 | 0.36 | 276 | UK | 1823 | N
JAMA | Med | 30 | 0.29 | 220 | US | 1883 | 6M
Neuron | N | 15 | 0.23 | 327 | US | 1988 | N
Nature Medicine | Med | 22 | 0.17 | 187 | UK | 1995 | N
Nature Neuroscience | N | 16 | 0.16 | 226 | US | 1998 | N
Neuroimage | N | 6 | 0.15 | 1024 | US | 1993 | N
BMJ | Med | 14 | 0.14 | 261 | UK | 1840 | 6M
Neurology® | N | 8 | 0.14 | 497 | US | | N
Cochrane Database of Systematic Reviews | Med | 6 | 0.12 | 620 | UK | 1993 | G
Nature Reviews Neuroscience | N | 30 | 0.11 | 47 | UK | 2000 | N
Brain | N | 9 | 0.1 | 269 | UK | 1878 | H
Brain Research | N | 3 | 0.09 | 937 | NL | 1966 | N
Neuroscience | N | 3 | 0.09 | 852 | UK | 1976 | N
PLoS Medicine | Med | 16 | 0.08 | 126 | US | 2004 | J
European Journal of Neuroscience | N | 4 | 0.07 | 402 | UK | 1989 | N
The Lancet Neurology | N | 23 | 0.07 | 86 | UK | 2002 | N
Annals of Neurology | N | 11 | 0.07 | 192 | UK | 1977 | H
Neuropsycho­phar­ma­co­logy | N | 8 | 0.05 | 232 | UK | 1994 | H
Trends in Neuro­sciences (TINS) | N | 14 | 0.05 | 60 | NL | 1978 | N
Journal of Neurology, Neuro­surgery & Psychiatry (JNNP) | N | 5 | 0.04 | 244 | UK | 1920 | H
Annual Review of Neuroscience | N | 26 | 0.03 | 24 | US | 1978 | N
Canadian Medical Association Journal | Med | 8 | 0.03 | 133 | CA | 1911 | 1J
Journal of Neurology | N | 3 | 0.02 | 248 | DE | 1891 | H
Brain Research Reviews | N | 10 | 0.02 | 43 | NL | 1966 | H
Journal of Neuro­immuno­logy | N | 3 | 0.02 | 219 | | | N
Multiple Sclerosis Journal | MS | 4 | 0.02 | 182 | UK | 1995 | H
BMC Neuroscience | N | 3 | 0.01 | 128 | UK | | J
Current Opinion in Neurology | N | 5 | 0.01 | 84 | UK | | N
Nature Reviews Neurology | N | 12 | 0.01 | 55 | US | 2005 | N
Neurothera­peu­tics | N | 6 | 0.01 | 65 | US | | H
BMC Neurology | N | 2 | 0.01 | 154 | US | | J
Swiss Medical Weekly | Med | 2 | 0.01 | 169 | CH | 1871 | J
Wiener Klinische Wochenschrift | Med | 1 | 0 | 121 | AT | 1888 | H
Deutsches Arzte­blatt Inter­na­tio­nal | Med | 3 | 0 | 102 | DE | 1949 | J
Reviews in the Neurosciences | N | 2 | 0 | 49 | UK | | H
Neuro­immuno­mo­du­la­tion | N | 2 | 0 | 42 | CH | 1994 | N
Nervenarzt | N | 1 | 0 | 143 | DE | 1928 | N

Auswahl von Fachzeitschriften geordnet nach Eigenfactor® („Prestige“) für Neurologiepublikationen.
Erklärung:
Fett = Medizinzeitschrift mit hohen Prestige; Fettkursiv = Zeitschrift mit dem höchsten Prestige in den Naturwissenschaften
Legende:
Gebiet = Fachgebiet der Zeitschrift; Nat = Für alle Naturwissenschaften; Med = Für alle medizinischen Themen; N = Aus dem Fachgebiet Neurologie
IF = ImpactFactor, je höher desto angesehener
EF = Eifenfactor®, je höher desto angesehener
Art. 2011 = Anzahl veröffentlichte Artikel im Jahre 2011
L = Herkunftsland der Zeitschrift
GJ = Gründungsjahr der Zeitschrift oder deren Vorgängerin
OA = Open Access; J = Ja; N = Nein; H = Hybrides Modell, Autoren können Artikel durch eine Gebühr freischalten; G = Geographisch, für gewisse Länder besteht freier Zugang; 6M = automatisch nach 6 Monaten Open Access; 1J = automatisch nach 1 Jahr Open Access
Datenquelle: 2011 Journal Citation Reports® Science Edition (Thomson Reuters, 2012)

Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Fachzeitschriften, die für eine Veröffentlichung zu Multiple Sklerose in Frage kämen.

Herausgeber und Editoren {#editoren}

Herausgeber und Editoren sind verantwortlich für den Inhalt der Fachzeitschriften. Diese sind meist etablierte und renommierte Professoren. Herausgeber und Editoren von Fachzeitschriften können durch das Akzeptieren oder Zurückweisen von Forschungsartikel Einfluss auf den wissenschftlichen Fortgang nehmen. Publikationen in angesehenen Fachzeitschriften können verhindert werden. Alternative, konkurrierende Ideen und Hypothesen können unterdrückt, oder zumindest verzögert werden. Durch ihren Einfluss sind Editoren respektierte bzw. geführchtete Personen. (Interessant ist dazu der Blogartikel des Ex-BMJ Editors An ex-editor on the receiving end, BMJ, 31. Juli 2012.)

Prestige und Open Access {#oa}

Das hohe Prestige der Top-Fachzeitschriften führt zu einer monopolartigen Situation. Es gibt ihnen sehr viel Macht. Diese kann auch und wird auch wirtschaftlich ausgenutzt und kann den eigentlichen wissenschaftlichen Prozess sogar behindern. Die Open Access Bewegung versucht diesen Prozess wieder in eine für die Allgemeinheit gute Bahn zu lenken.

Zurückgezogene oder fehlerhafte Artikel (retractions) in der wissenschaftlichen Literatur {#retraction}

Wissenschaftliche Artikel, deren Resultate nicht mehr als vertrauenswürdig angeschaut werden aufgrund von wissenschtlichem Fehlverhalten oder Fehlern, von Plagiaten oder Missachtung von ethischen Regeln werden aus der wissenschaftlichen Literatur zurückgezogen (retracted). Interessanter weise scheint die Anzahl der Retractions mit dem Ansehen (Impact Factor) der Fachzeitschrift zusammen zu hängen (zu korrelieren).2 Je höher das Ansehen, desto mehr zurückgezogene Artikel. Das könnte damit zusammenhängen, dass spektakuläre Resultate interessanter sind – aber auch häufiger falsch oder erschwindelt. Ein Grund könnte sein, dass an Schein interessierte Persönlichkeiten das Rampenlicht von angesehenen Fachzeitschriften mit allen (erlaubten und unerlaubten) Mitteln suchen. Zurückgezogene Artikel sind ein eigenes interessantes Thema. Der Blog Retraction Watch thematisiert ausschliesslich zurückgezogene Artikel. Er informiert über Retractions und analysiert die Rückzugsgründe der Artikel. Einfache Ausfühungsfehler oder ausgewachsener wissenschaftlicher Betrug.


  1. Gemäss 2011 Journal Citation Reports® Science Edition (Thomson Reuters, 2012) 

  2. Fang FC, Casadevall A. Retracted Science and the Retraction Index, Infection and Immunity, Aug. 2011

    Welche Fachzeitschriften lesen die Schweizer Ärzte regelmässig? {#ch-medics-journal}

    Die Schweizerische Ärztezeitung hat Umfrageresultate dazu veröffentlicht3.

    1. Schweizerische Ärztezeitung
    1. Swiss Medical Forum
    1. Medical Tribune
    1. The New England Journal of Medicine
    1. VSAO / ASMAC Journal
    1. PrimaryCare
    1. Swiss Medical Weekly
    1. Ars Medici
    1. Cardiovascular Medicine
    1. Revue Médicale Suisse
    1. und weitere

     

  3. Übersicht ist am Schluss des Artikels Maya Grünig, Claudia Weiss, Peter Meier-Abt. Swissmedic durchleuchtet Clinical Trial Units, Schweizerische Ärztezeitung, Jan. 2012, 93(3):54–5 zu sehen.

    Kommentar {#kommentar}

    Die Zeitschriftenhierarchie basierend auf dem Impact Factor ist ein einfaches und schnelles Mittel um eine wissenschafltiche Erkenntnis in ihrer Bedeutung einzuordnen. Eine zu unkritische und zu rasche Verwendung führt aber zu Problemen und Verzerrungen.

    Wie bei allen Messgrössen, können die Leute bestrebt sein, die Messgrösse gezielt zu „optimieren“. Die Messgrössen verlieren dabei jedoch ihre Aussagekraft. Der Impact Factor wurde bereits mehrfach manipuliert um eine Fachzeitschrift einflussreicher darzustellen als sie wirklich ist. So werden eigentlich leere Artikel veröffentlicht, die nichts anderes als Zitationen auf eigene Artikel enthielten.

    Wie wichtig der Impact Factor ist, zeigt, dass die meisten wissenschaftlichen Fachzeitschriften den Impact Factor gut sichtbar auf ihrer Homepage anzeigen.

    Mit diesem Blogartikel versuchte ich das aktuelle wissenschaftliche Publikationssystem für „Nicht-Forscher“ zu beschreiben. Ich hoffe dieser Artikel hilft den Forschungsprozess besser zu verstehen.

     

Freier Zugang (Open Access) zu geförderter Forschung bei der MS-Gesellschaft?

Ist geförderte Forschung durch gemeinnützige Institutionen frei zugänglich (Open Access)? Können Spender die Ergebnisse ihrer geförderten Forschung lesen?

Nehmen wir beispielsweise die Schweizerische MS-Gesellschaft, ein gemeinnütziger Verein von und für MS-Betroffene. Die Forschungsförderung ist ein wichtiges Ziel der MS-Gesellschaft. Sie fördert Forschungsprojekte mit mehr als 1 Mio. Franken pro Jahr. Zurzeit ist es für Mitglieder und Spender nicht möglich zu sehen, welche Projekte gefördert werden, welche Forscher daran arbeiten und welche Ergebnisse gefunden und publiziert wurden. Mitglieder, Spender und interessierte Dritte können diese Angaben nicht im Internet abrufen.

Es wäre gerade im Sinne von gemeinnützigen Institutionen wie der MS-Gesellschaft die Forschungsresultate in Form von Publikationen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Forschungsresultate würden so einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, z.B. Studenten, Forschern aus Drittweltländern oder interessierten Laien und Betroffenen. Die Spender und Mitglieder würden sehen, dass sie etwas bewirken.

Letzten Herbst habe ich einmal die MS-Gesellschaft auf einen freien Zugang ihrer geförderter Forschung angesprochen. Die MS-Gesellschaft fand die freie Zurverfügungstellung der unterstützten Publikationen (Open Access) und die Auflistung der unterstützten Forschungsprojekte eine gute Idee. Sie haben versprochen ihre Homepage bis im Herbst zu erweitern. Ich werde berichten, wenn die Publikationen und die unterstützten Forschungsprojekte auf der Homepage der MS-Gesellschaft zu finden sind.

Kennt jemand andere Beispiele von gemeinnütziger Forschungsförderung? Sind die konkreten Forschungsprojekte aufgelistet? Sind die wissenschaftlichen Publikationen frei zugänglich (Open Access)? Falls nein, fragt einmal nach! Falls ihr etwas erfährt oder wisst, lasst es mich wissen!

Nachtrag

[Aktualisierung 05.11.2013: Im Januar 2013 hat der Wissenschaftliche Beirat Open Access bei der MS-Gesellschaft beschlossen. Richtlinien sind noch keine erlassen worden, sollen aber auf Januar 2014 erstellt werden. Eine Anleitung für eine Konkrete Umsetzung von Open Access für gemeinnützige Organisationen.]