Sozialversicherungs-Chefin bittet zu Tisch

Die Einladungen waren originell gestaltet – ein Gewürzpackerl von Kotanyi, versehen mit einem Kärtchen, auf dem Hauptverbands-Vizedirektorin Beate Hartinger am 21. September zum Brunch in ihre Privatwohnung in Wien bat. Bei den Adressaten handelte es sich um fünfzehn honorige Persönlichkeiten aus der Gesundheits­branche, darunter Ärzte und Vertreter der Pharmaindustrie. Das Besondere an diesem Event, der nun bereits zum fünften Mal stattfand: Beate Hartinger ist im Hauptverband der Sozialversicherungsträger für „Ärzte- und Medikamentenangelegenheiten“ zuständig. Verschickt wurden die Einladungen zu diesem Tête-à-Tête pikanterweise von der Firma Peri Consulting, einem Unternehmen der Welldone-Gruppe. Und zwar gratis.
Die Medien in Österreich entdecken das Pharmamarketing in ihrem Lande. Das Wirtschaftmagazin […]

FDA rügt irreführende ADHD-Werbung in den…

Wie würden Eltern auf eine Erkrankung reagieren, die dafür verantwortlich ist, dass

  • bis zu 58% der Kinder eine Schulklasse wiederholen müssen,
  • 30% der Teenager ohne Schulabschluss bleiben (im Gegensatz zu 10% ohne Erkrankung),
  • 40% der erkrankten Heranwachsenden gewaltätiges Verhalten zeigen,
  • wahrscheinlich 17% der jungen Erwachsenen sexuell übertragbare Erkrankungen bekommen (gegenüber 4% ohne Erkrankung),
  • 38% der jungen Erwachsenen schwanger werden oder eine Schwangerschaft verursachen,
  • das dass Risiko für schwere Unfälle vierfach erhöht ist, und
  • es zu drei Mal mehr Autounfällen kommt.

Horror. Aber es gibt ja ein Medikament, um aus der Spirale ins Gefängnis und Armut herauszukommen. Nämlich Adderall®, ein Amphetamin-Cocktail, vom Pharmakonzern Shire, das die Symptome des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADHD) bekämpft.

Diese fragwürdigen Studien und die suggestive Verbindung zum Nutzen des Medikaments auf der Adderall-Webseite war selbst der amerikanischen Aufsichtsbehörde FDA zuviel. Die FDA hat Shire und vier weitere Pharmaunternehmen, die durch aggressives und irreführendes Marketing ihrer Psychopharmaka gegen ADHD aufgefallen sind (Johnson & Johnson, Novartis, Lilly, Mallinckrodt), böse Briefe geschickt.

None of the references cited in support of the claims presents data on the effect of treatment with Adderall XR on the outcomes presented on the webpage.

Auffallend ist, dass in den Statements die Pharmakonzerne ihre Zusammenarbeit mit der FDA ankündigen und beispielsweise Shire Fehler eingesteht. Die Druck in den USA auf die Pharmaindustrie wirkt.

Ärzte weiterhin abhängig von Pharmareferenten

Initiativen, die den Einfluss der Pharmaindustrie auf Informationen und Verschreibung kritisch hinterfragen, haben es schwer in Deutschland. Das könnte man aus einer Studie des Ärzteverbands “Virchowbund” folgern, in der Ärzte zum Nutzen und zur Akzeptanz von Pharmareferenten befragt worden sind. Danach bezeichnen nur 11,1% der Ärzte sich als “zurückhaltend” im Umgang mit Pharmaberatern – gegenüber 2006 ein Rückgang um 3%. Am beliebtesten sind die “Fortbildungsangebote” (2008: 77,8% – 2006: 82,8%). Fast 70% bewerten die Übergabe von Medikamentenmustern als sehr positiv. Der Trend zur Vereinsamung hält in den Arztpraxen an: Für 64,6% ist schon der Kontakt zum Pharmareferenten ein positiver Aspekt, 2006 waren es erst 51% der Ärzte, die sich freuten, mal ein anderers Gesicht zu sehen. Möglicherweise sind die Pharmareferenten/-referentinnen auch attraktiver geworden – das wurde leider nicht erfragt.

Für die Sponsoren der Studie, die Pharmakonzerne Bristol-Myers Squibb (BMS), Grünenthal, Merck/Serono, Pfizer und Takeda ein erfreuliches Ergebnis. Trotz Einsparungen im Pharmaaussendienst, der verstärkten Rekrutierung über Leiharbeitsfirmen (“Dienstleister”) und Einschränkungen bei den Motivationsgaben hängen die Ärzte ungebrochen an den Lippen der Pharmaindustrie-Repräsentanten.

Österreich vor den Nationalratswahlen

Österreich wählt am Sonntag einen neuen Nationalrat. Gesundheitspolitisch ist von der neuen Regierung, wie immer sie sich zusammensetzen wird, nicht viel zu erwarten.

Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky hat erklärt, nicht wieder für ein Amt zur Verfügung zu stehen. Kein Verlust, war sie doch in Sachen Gesundheitsreform ein Totalausfall. Meine Prognose: Ihr Nachfolger wird es angesichts des Filzes im Gesundheitswesen nicht besser machen.

Die Parteien haben den Wählern allerlei finanzielle Bonbons versprochen. Bis hin zum Wegfall der Mehrwertsteuer für Arzneimittel. Einen Vorgeschmack gaben SPÖ und ÖVP am Mittwoch im Nationalrat mit dem Beschluss, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel zu halbieren. Auch in Deutschland eine alte Forderung der Pharmaindustrie. Dies kostet zwichen 300 und 350 Millionen Euro und besonders die maroden durch Vetternwirtschaft durchsetzten Krankenkassen profitieren davon. So wird der Reformdruck verringert, statt erhöht. Selbstredend erhalten sie weiterhin eine seit 1997 geltende Beihilfe aus dem Bundesbudget, die eigens dazu geschaffen wurde, um ihnen die Belastung durch die hohe Mehrwertsteuer zumindest teilweise auszugleichen. Beim österreichischen Patienten wird am wenigsten ankommen, da die Pharmaindustrie die Senkung sicher nur zum Teil an die Kunden weitergeben wird.

In Österreich widmet sich die Verbraucherorganisation Verein für Konsumenteninformation (VKI), vergleichbar mit der deutschen Stiftung Warentest, verstärkt der Gesundheitsversorgung. Ärzte, Arzneimittel, Apotheken – die Tester des VKI fanden nicht selten mangelhafte Transparenz und Qualität der Leistungen und Produkte. Dies hat in dem, vorsichtig ausgedrückt, freundschaftlichen Klima zwischen Pharmaindustrie, Regierung, Sozialversicherunge und Ärzteverbänden, nach einem Bericht von medianet.at zu harschen Reaktionen geführt.

Besonders bemerkenswert:

“Von der Pharmig gab es eine Klagsandrohung, wir würden mit den Tests Laienwerbung betreiben.”

Absurd, wenn man hier im Blog immer wieder mit Staunen verfolgt, wie in Österreich die Mitglieder des Verbands der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) keine Gelegenheit auslassen im trickreich das Verbot der Laienwerbung zu umgehen. Kommunikation ist halt nur dann gut, wenn man das Ergebnis bestimmen kann.

Aktuelles Thema des VKI sind die Medikamentenpreise. Der VKI fand bei rezeptfreien Arzneimitteln zum Teil drastische Preissteigerungen in diesem Jahr.

In Deutschland sind die Preise für verschreibungsfreie Medikamente frei gegeben. Ausserdem sind Versandapotheken seit einiger Zeit zugelassen worden. Zwar wird immer wieder bemängelt, dass dies nicht zu einem verstärkten Wettbewerb geführt hätte, aber im Vergleich zu unserem Nachbarland erscheinen die Preise geradezu günstig.

Spitzenreiter in Sachen Teuerung bei den rezeptfreien Präparaten war in Österreich das Pharmaunternehmen Solvay, das für Pankreoflat® Dragees den Preis für eine 25-Stück-Packung um 198,8% von 4,15 auf 12,40 Euro erhöhte. Hierzulande beträgt der Apothekenverkaufspreis für 100 Tabletten 30,15 Euro. Wem der Magen allzusehr drückt kann auch eine N3-Packung mit 200 Tabletten für regulär 52,43 Euro erwerben. In Versandapotheken sind 100 Stück Pankreoflat® schon für unter 20 Euro zu bekommen – umgrechnet 60% preiswerter als in Österreich.

Die Mehrwertsteuer erscheint da als das kleinste Problem.

Mehr Geld für die Pharmaindustrie

Die Preise für Medikamente steigen im kommenden Jahr um 6,6 %. Das entspricht 2,04 Milliarden Euro. Zu dieser Entscheidung kamen die Spitzenverbände der Krankenkassen KBV und GKV. Das Übereinkommen bildet eine wichtige Basis für die Kalkulation des einheitlichen Beitragssatzes der Krankenkassen. Man hat ursprünglich sogar einen Arzeiausgabeanstieg von 8,1 % erwartet.
Quelle: ShortNews

EuGH billigt Parallelhandel – zum Teil

Pharmaunternehmen dürfen nur in bestimmten Fällen durch Lieferboykott oder Mengeneinschränkungen Grosshändler benachteiligen. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem gestern veröffentlichten Urteil pdf-Dateifestgestellt. In dem Verfahren ging es um die Bestellungen der griechischen Grosshändler, die von GlaxoSmithKline (GSK) nicht mehr beliefert worden sind, da sie die Medikamente auch in andere Mitgliedstaaten exportieren.

Griechenland gehört zu den Ländern der EU mit den niedrigsten Arzneimittelpreisen. Mit dem Verweis auf die Knappheit der GSK-Medikamente und einer Änderung des Vertriebssystem sollten Exporte in Ländern mit höheren Preisen, wie Deutschland unterbunden werden. GSK begann, im Jahr 2000 diese Arzneimittel den griechischen Krankenhäusern und Apotheken selbst zu liefern.

Das Gericht verwies auf die Beurteilung der Angemessenheit und der Verhältnismässigkeit der Massnahmen. Nach Auffassung des EuGHs sollte das Kriterium sein, ob die von den Grosshändlern aufgegebenen Bestellungen normal sind – was die nationalen Gerichte entscheiden sollen.

Die Ärzte Zeitung spricht von einem vagem Urteil. Vom europäischen Verband der Parallelimporteure (EAEPC) wird der Beschluss als Sieg für den Wettbewerb wie erwartet gefeiert. Der von der Financiel Times zitierte Lobby-Anwalt der internationalen Kanzlei Covington & Burling sieht einen Vorteil für die Pharmakonzerne, da das Gericht erstmalig den Pharmaunternehmen Einschränkungen des Vertriebs und die Kontrolle der Vertriebswege zubilligte.

Es brauchte 8 Jahre, bis der Streit vom Europäischen Gerichtshof entschieden worden ist. Das Urteil könnte bald schon Makulatur sein, da die Pharmaindustrie auf das Verbot des Parallelhandels dängt. Begründet wird dies mit den Gefahren für die Arzneimittelsicherheit. EU-Kommissar Verheugen will nach einem internen Richtlinien-Entwurf das Umpacken von Arzneimitteln verbieten und ein ArzneimittelIdentifikationssystem einführen. Ungeachtet der Tatsache, dass, wie Dr. Michael Nell vom AOK-Bundesverband in der Ärzte Zeitung sagte, in Deutschland seit der Einführung des Parallelhandels im Jahr 1975 kein Fall bekannt geworden sei, der zu einer Beeinträchtigung der Arzneimittelsicherheit geführt habe.

Alleine in Deutschland beträgt das Einsparvolumen durch den Import preiswerterer Medikamente aus anderen EU-Ländern nach Angaben des AOK-Bundesverbandes 190 Millionen Euro.

Selbsthilfe und Pharmaindustrie "ballen together"

Was ist, wenn die “Restless Legs” gegen die “Frauenselbsthilfe nach Brustkrebs Mödling” spielen? Balltogether – und ein eindruckvolles Beispiel für die Zusammenarbeit von Selbsthilfegruppen mit der Pharmaindustrie.

Mittlerweile zum 4. Mal hatte Anfang September die Pharmig, der österreichische Verband der Pharmaunternehmen, Selbsthilfegruppen zum Beachvolleyball-Tunier eingeladen. Zu den Sponsoren gehörten Baxter, Novartis, Sanofi-Aventis, Pfizer, Grünenthal, Roche und Merz.

Pharmaindustrie sucht den Kontakt zu den Selbsthilfeverbänden, für das Marketing und um Verbündete gegen die Gesundheitspolitiker zu gewinnen. Das ist offen auch Programm des “Balltogether:

Mit BALLTOGETHER bekommen die Selbsthilfegruppen ein Forum, um mit Persönlichkeiten aus Politik, Medien und Wirtschaft zusammenzutreffen …

In ungezwungener Atmosphäre bleibt die Neutralität und Unabhängigkeit auf der Strecke.

Pharmawerbung reines Plazebo

Ein Spot für Nasonex®, einem Nasenspray gegen allergischen Schnupfen vom Hersteller Schering-Plough. Schön bunt, nett anzusehen, aber möglicherweise wertlos. Das legt eine Studie nahe, die die Wirkung von Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente (DTC-Werbung) in Kanada untersucht hat.

Die Wissenschaftler gingen nach Kanada, da US-Pharmawerbung auch jenseits der Grenze zu empfangen ist und mit dem französisch-sprachigen Landesteil eine ideale Kontrollgruppe existiert. Ausser dem Produkt von Schering-Plough (in Deutschland essex pharma) schauten die Forscher sich die Verkaufszahlen über 5 Jahre von Enbrel® (Amgen, in Deutschland von Wyeth) und Zelnorm® von Novartis an, das letztes Jahr wegen Sicherheitsbedenken vom Markt genommen worden war und die EU nie erreichte.

Bei zwei der untersuchten Medikamente fanden die Autoren der im BMJ veröffentlichten Studie keine Wirkung der Werbekampagne auf die kanadischen Verschreibungsraten. Lediglich bei Zelnorm®, gab es einen kurzzeitigen Effekt. Wobei Zelnorm® das einzige Medikament für die Indikation “Reizdarmsyndrom” auf dem Markt war. Enbrel® und Nasonex® müssen sich gegen Konkurrenten aus der gleichen Wirkstoffklasse behaupten.

Der durchschnittliche US-Konsument sieht täglich neun Werbespots für Medikamente. Information overload?

Der Leiter der Studie weist auf einen Aspekt hin, der die Pharmawerbung nicht nur für die Unternehmen kostspielig macht.

The good news is that doctors aren’t caving into patient demand,” says Stephen Soumerai, principal investigator on the study. “The bad news is that the opportunity costs are huge. When you think about the 15 minutes doctors have to spend with their patients, they now have to spend more time talking people out of these drugs.”

Diese indirekten Kosten sollten nach der geplanten Lockerung des Werbeverbots in der EU im Auge behalten werden.

Soumerai bringt es auf den Punkt:

Direct consumer advertising is really a lousy way to influence prescribing.”

Möglicherweise ahnen dies die Pharmaunternehmen auch in Europa und haben bei der anstehenden Liberalisierung des Werbeverbots auf die Freigabe der Werbung verzichtet. Stattdessen setzt die EU-Kommission mit Unterstützung der Pharmaindustrie auf die subtilere Information des Patienten.