Pharmawerbung wird von den Versicherten bezahlt

In den Vereinigten Staaten dürfen verschreibungspflichtige Medikamente gegenüber dem Verbraucher beworben werden. Diese DTC-Werbung (direct-to-consumer) steht von vielen Seiten unter Kritik, selbst in der Pharmaindustrie wird DTC-Werbung als ein Grund für das schwindende Vertrauen der Öffentlichkeit in die Branche angesehen. Eine im letzten Jahr verkündete Werbepause von sechs Monaten für neue Produkte war ein verzweifelter Versuch gegenzusteuern, Bristol-Myers Squibb setzte sich sogar ein Moratorium von einem Jahr.

Eine Studie, die in der der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift “Archives of Internal Medicine” veröffentlicht worden ist, gibt den Gegnern der DTC-Werbung für Arzneimittel weiter Auftrieb. Danach zeigen Werbekampagnen keine Wirkung auf die Verkaufszahlen, verteuern aber das Medikament und damit die Kosten für die Krankenkassen und Gesundheitssysteme.

Der Autor der Studie, Michael R Law, hatte schon 2008 die Wirkungslosigkeit der TV-Spots auf die Verkaufszahlen gezeigt. Eine weitere Studie wies 2006 darauf hin, dass die massive Kampagne für Vioxx in den USA zwar die Arztebesuche beeinflusste aber die Anzahl der Verschreibungen in weitaus geringerem Masse. In der aktuellen Untersuchung wurden zum ersten Mal die finanziellen Folgen analysiert.

Die Wissenschaftler trugen die Verschreibungsdaten für den Blutverdünner Plavix® (Wirkstoff Clopidogrel) der Hersteller Bristol-Myers Squibb (BMS) und Sanofi-Aventis von 27 staatlichen Medicaid-Programmen von 1999 bis 2005 zusammen. Die Verschreibungszahlen stiegen nach dem Start der DTC-Kampagne im Jahr 2001 nicht gegenüber dem Trend an, jedoch erhöhte sich der Preis plötzlich und dauerhaft. Die Autoren führen das darauf zurück, dass Sanofi-Aventis and Bristol-Myers Squibb ihre Ausgaben für die Werbung auf das Produkt aufgeschlagen haben. Das führte zu zusätzlichen Verschreibungskosten von 207 Millionen Dollar. Die beiden Hersteller gaben nach den Angaben im Artikel 350 Millionen Dollar zwischen 2001 und 2005 für die DTC- Werbung aus.

Angesichts der Resultate klingt das Statement der BMS-Sprecherin gegenüber Bloomberg hilflos:

The Bristol-Myers Squibb/Sanofi partnership supports direct-to-consumer advertising as a way to encourage consumers to play a more active role in their health care.

Klar geht es um Umsatz beim Marketing. Die Verschreibungszahlen legen nahe, dass die aktive Rolle der Patienten ziemlich überschätzt wird und damit auch der erwartete Nutzen für die Pharmaindustrie. Es bleiben einzig die negativen Konsequenzen für die Krankenkassen und Versicherten: Neben den direkten zusätzlichen Ausgaben durch die Verteuerung des Produktes, kommen noch Kosten für die Folgen der zum Teil irreführenden Werbung hinzu, beispielsweise unnötige Arztbesuche oder die Behandlung von Nebenwirkungen bei nicht-indizierter Einnahme.

Bleibt die Frage, wie das uns in Europa betrifft. Es gibt in der EU Bestrebungen, das Werbeverbot zu lockern und den Pharmaunternehmen in Print und Internet zumindest die Information des Verbrauchers zu erlauben. Von Abgrenzungsproblemen zwischen Werbung und Information mal abgesehen, die derzeit diskutiert werden – wenn man die Ergebnisse der Untersuchung überträgt, werden die Pharmaindustrie-Informationen die Krankenkassen, Gesundheitssysteme und Patienten zahlen. Niemand bestreitet, dass es Informationsbedarf gibt und die Patienten zunehmend sich im Internet selber schlau machen wollen. Die Verbraucher geben am Ende das Geld aus, dann können sie auch beste objektive Informationen verlangen. Ob diese gerade von den Arzneimittelherstellern kommen werden?

Ratiopharm-Ermittlungsakte bei wikileaks aufgetaucht

Vor vier Jahren hatte der Ratiopharm-Skandal Aufsehen erregt. Zwischen 1996 und 2005 soll Ratiopharm Ärzte mit Geld, Gutscheinen und Geschenken dazu gebracht haben, bevorzugt die Produkte des Unternehmens zu verschreiben. Die Aufdeckung durch den Journalisten Markus Grill im Stern löste umfangreiche staatsanwaltliche Ermittlungen aus, deren Ergebnis nun im Internet bei Wikileaks aufgetaucht ist. Die 96-seitige Ermittlungsakte wurde von Unbekannten auf die Internet-Sammelstelle für geheime Dokumente hochgeladen und gibt einen Einblick in die Dimensionen des korrupten damaligen Vertriebsgeschäft von Ratiopharm.

Die Wirtschaftwoche erhielt das Dokument vorab und berichtet in einem Artikel über Details aus der Akte.

Ein paar Splitter: Im Jahr 2005 erreichten die Beteiligungen der Ärzte an ihren Verschreibungsumsatz mit Ratiopharm-Medikamenten alleine bis August eine Höhe von mehr als 450.000 Euro. Es ist ein Beispiel aufgeführt, in der eine Praxis 2004 von Ratiopharm über 7000 Euro erhalten hatte.

Zwischen den Zeilen wird jedoch auch deutlich, dass die Ärzte nicht unschuldig sich den Verlockungen des Ratiopharm-Aussendienstes hingegeben haben. Zur Korruption gehören immer zwei Parteien So heisst es in einer E-Mail einer Regionalleiterin vom Februar 1999 an ihre Pharmareferenten:

“wie Ihr auf der letzten Tagung berichtet habt, bietet Azu [ein Mitbewerber] Beteiligungen für Verordnungen. Falls Ihr diesbezüglich angesprochen werdet, bzw. Ihr erfahrt, daß Azu in diese Richtung etwas anbietet, fragt knallhart Eure Ärzte, was sie wollen und was Ihr für sie tun könnt. Wenn ein Arzt Geld möchte, ruft mich an, wir finden einen Weg.

Verordnungen brachten nicht nur Geld: Nach den Aussagen eines ehemaligen Ratiopharm-Aussendienstmitarbeiters sind ganze Arztpraxen samt Mitarbeiter zum Essen eingeladen worden – alles unter dem Deckmantel “Fortbildungsmassnahmen”.


Update:
Ratiopharm hat die Echheit der Akte bestätigt und wikileaks Strafverfolung angedroht.

Roche schreibt US-Abgeordneten die Rede

Der US-Kongress debattiert über die Gesundheitsreform. Die Argumente sponsert der Pharmakonzern Roche. Die Statements von mehr als ein Dutzend Abgeordneten waren ganz oder in Teilen von Lobbyisten im Dienste des Biotechunternehmens Genentech, einer Roche-Tochter, ausgearbeitet worden, berichtet die NY Times. Die Lobbyisten, die für Genentech und zwei Anwaltskanzleien tätig sind, lieferten zwei Versionen – jeweils eine für demokratische Abgeordnete und für ihre Kollegen bei den Republikanern. Genentech schätzt, dass 42 Kongressabgeordnete wenigstens einige Punkte aus der Vorlage aufgenommen haben.

Asked about the Congressional statements, a lobbyist close to Genentech said: “This happens all the time. There was nothing nefarious about it.”

Engel im Pharmamarketing

Gibt mal wieder eine neue Pharmamarketing-Agentur mit dem poetischen Namen HealthAngels. Dementsprechen werben sie für ihre Dienstleistungen mit dem Claim “Wir sind die Guten.” Hätte man von Engel auch nicht anders erwartet. Wie passt dann das Angebot unter “Below the line” zu dem moralischen Anspruch? “Direct-to-Consumer-Konzepte für RX-Medikamente” – übersetzt aus dem Werberdenglisch: Bewerbung von verschreibungspflichtigen Arzneimittel an Endverbraucher.

Dem schiebt das Heilmittelwerbegesetz eigentlich einen Riegel vor. Das offene Angebot der Dienstleistungen in der Grauzone des Pharmamarketings zeigt, wie ernst Agenturen und ihre Kunden den ethischen Anspruch nehmen. Die “Engel” werden kaum sich in diesen Sumpf begeben, um irregeleitete Schäfchen auf die saubere Seite des Pharmamarketings zu führen.

Restless Pharma-Legs

Gestern und heute in der Ärzte Zeitung und im Ärzteblatt: Selbsthilfe plädiert für mehr Forschung bei Restless Legs.

In der Meldung werden zwei Personen genannt. Der eine, ein Arzt aus Spanien, hat vielfältige Beziehungen zu den Pharmaunternehmen, die Therapien gegen RLS verkaufen, beispielsweise Boehringer Ingelheim, GlaxoSmithKline oder Lundbeck.

Dr. Garcia-Borreguero reports he has served as a consultant and speaker for Pfizer, GlaxoSmithKline, Boehringer-Ingelheim, UCB, Jazz Pharma, Sanofi-Aventis, Lundbeck, and OrionPharma.

Der andere ist der stellvertretende Vorsitzende der niederländischen Restless-Legs-Patientenvereinigung. Dort ist das Boehringer-Logo nicht zu übersehen. Die Patientenselbsthilfegruppen bei RLS sind traditionell sehr pharmanah. Die Erkrankung gilt als Paradebeispiel, wie Pharmaunternehmen Symptome erfinden bzw. neue Patientengruppen erschliessen.

Überdies: Die “Europäische Patientenvereinigung für Restless Legs Syndrome” (EARLS) ist im Internet nicht zu finden. Astroturfing & unkritischer Journalismus galore.

Dennis allein im Bett

Ein Teaser für eine Kampagne von Bayer für die Potenzpille Levitra®. Da steckt viel Geld drin. Als Produzent hat die Agentur Aardman Digital engagiert, eine Abteilung des Studios, die hinter Wallace and Gromit stehen. Ausser der globalen Social Media Kampagne soll es noch nationale Kampagnen geben. Die Website ist in-bed.info.

Ist das extra so kindergartenmässig angelegt, damit Dennis mal erwachsen werden kann – dank Bayers Potenzpille?

Die “letzte große klassische Seuche”

Der Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten, Peter Wutzler, hat zur Impfung gegen die saisonale Grippe aufgerufen. Vor dem Hintergrund der Schweinegrippe dürfe diese nicht vergessen werden, sagte Wutzler am Samstag der Nachrichtenagentur ddp nach Abschluss des dritten Deutschen Influenzakongresses in Erfurt. […]
Auch gegen die Schweinegrippe empfahl Wutzler Risikogruppen eine Impfung. Er warnte zugleich davor, dass bei ausbleibenden Impfungen die Wahrscheinlichkeit größer werde, dass die Viren zusammen ein «ganz schweres Pandemievirus» bildeten.

(ddp)

Die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) empfiehlt, sich jetzt gegen Grippe impfen zu lassen. Dafür sei die Zeit von September bis November ideal, sagte DVV-Präsident Peter Wutzler am Freitag in Jena.

(ddp-lth)

Vor einer Vernachlässigung der Impfung gegen die normale Grippe haben Mediziner gewarnt. Gerade in Zeiten einer Pandemie – wie der Schweinegrippe – sei eine Schutzimpfung gegen die «letzte große klassische Seuche» wichtig, sagte der Virologe Peter Wutzler von der Universität Jena auf einer Veranstaltung des Schweizer Pharmakonzerns Novartis am Mittwoch in Frankfurt.

(Berliner Morgenpost)

(Was auch noch für eine frühzeitige Impfung spricht, hatten wir bereits hier.)

Sehnsucht nach der Pandemie

Spiegel Online hat eine Zusammenfassung eines lesenswerten Interviews aus der aktuellen Ausgabe des “Spiegel”. Darin äußert sich Tom Jefferson, Grippe-Experte der Cochrane Collaboration, über die alljährlich wiederkehrende Pandemie-Panik, die generelle Überbewertung des Influenza-Virus und der Wirkung der Influenza-Impfung sowie über den geringen Nutzen von Tamiflu®. Er rät statt zu dessen zum regelmäßigen Händewaschen.

Oft klaffen zwischen seinen Erkenntnissen und den Entscheidungen der anderen Welten. Mitunter, gesteht er, habe er das Gefühl, die ganze Welt sei verrückt geworden.

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Update: In englischer Sprache gibt es das ganze Interview online.

iPods für den Doktor

Für fünf Patienten gibt es einen 17-Zoll-Flachbildschirm oder einen iPod mini, für 18 Patienten einen Laptop, einen Beamer oder einen PC mit Flachbildschirm. Wer schon genügend Elektrogeräte besitzt, der kann auch Bargeld nehmen, 40 Euro gibt es pro Patient. Als Gegenleistung muss nur das Blutdrucksenkungsmittel Emestar verordnet werden – und ein AWB-Bogen ausgefüllt werden, der SPIEGEL ONLINE vorliegt.

Markus Grill zeigt uns auf Spiegel Online das vollständige Dokument zum Trommsdorff-Skandal, über das er vor einem Jahr in seinem damaligen Blog und im “Stern” berichtet hat.

Deutsches Grünes Kreuz: Gekaufte PR statt Aufklärung?

Nach der Financial Times Deutschland und dem arznei-telegramm hat sich nun auch das ARD-Magazin Report Mainz mit den undurchsichtigen Aktivitäten des “gemeinnützigen” Deutschen Grünen Kreuzes (DGK) befasst. Abgeliefert hat Report Mainz einen solide recherchierten Beitrag mit guten Quellen und bislang unbekannten Informationen aus internen Dokumenten.

Ein ehemaliger Mitarbeiter des DGK gegenüber Report Mainz:

Es gibt überhaupt keine Trennung zwischen den Tochterfirmen und dem Verein. Alle arbeiten zusammen, und zwar nicht als gemeinnützige Organisation, sondern als PR-Agentur für die Pharmaindustrie.

Eine weitere ehemalige Mitarbeiterin:

Als ich dort anfing, dachte ich, ich arbeite für einen gemeinnützigen Verein. Doch schnell wurde mir klar: Das ist ja eine Werbeagentur. Wir sind zum Kunden gefahren. Der Kunde hat auf alles direkt Einfluss genommen. Jedes Bild, jeder Text musste vom Kunden freigegeben werden. Unabhängige Informationen gab es nicht.

Bisher nicht öffentlich bekannt war die Verbindung der Aktivitäten des DGK mit dem ARD-Schleichwerbeskandal. Im Beitrag gezeigten Unterlagen zufolge hat das DGK Themenplatzierungen in der ARD-Serie “In aller Freundschaft” an seine Kunden aus der Pharmaindustrie vermittelt. Angesichts ähnlicher Aktivitäten des DGK im Zusammenhang mit der ZDF-Ratgebersendung “Gesundheit” überrascht diese Entwicklung allerdings nicht.

Den Beitrag aus der Sendung gibt es online: Gekaufte PR statt Aufklärung? Die fragwürdigen Geschäfte des Deutschen Grünen Kreuzes

Den üblichen seriösen Standards entsprechend

Das Ärzteblatt Baden-Württemberg (ÄBW) ist das offizielle Amts- und Mitteilungsblatt der Landesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württembergs. Damit auch die Ärzte im Südwesten fachlich auf dem Laufenden bleiben, beglückt das Blatt seine Leserschaft regelmäßig mit Artikeln in der Rubrik “Fortbildung”. So, wie es branchenüblich ist, streift das Blatt gar nicht selten Themen, die der Pharmaindustrie besonders am Herzen liegen. Gerne hübsch aufbereitet mit bunten Grafiken:

Das Bild zeigt eine Seite des Ärzteblatts Baden-Württemberg aus der Ausgabe September 2007 (unten rechts) und eine aus der Ausgabe Juni 2009 (oben links).

Die Artikel unterscheiden sich besonders in einem kleinen Detail. Unten rechts ist die erste Seite eines Fachartikels zu sehen. Oben links ist die erste Seite einer doppelseitigen bezahlten Anzeige des Impfstoffherstellers Baxter zu sehen. Sie ist gekennzeichnet durch das klein gesetzte Wörtchen “Anzeige” direkt unter der Rubrikenüberschrift “Fortbildung”.

Das Arzneitelegramm (a-t) hat auf Hinweis eines Lesers nachgefragt:

Die Redaktion des Ärzteblattes erachtet die Anzeige auf Anfrage als “formal korrekt” und “den üblichen seriösen Standards aller Zeitschriften des Verlags” entsprechend. Der Kolumnentitel “Fortbildung” sei bei Umbrucharbeiten im Verlag “leider nicht korrigiert worden”.

Risiken und Nebenwirkungen des Pillenmarketings

In der Schweiz untersucht die Arzneimittelaufsichtsbehörde (Swissmedic) Daten und Studien sowie zu Risiken und Nebenwirkungen verschiedener Antibabypillen. Auslöser war der Fall einer 16-jährigen Schweizerin aus Schaffhausen, die seit der Einnahme des Verhütungsmittels Yasmin® des Hersteller Bayer schwer behindert ist, nicht mehr sprechen kann und künstlich ernährt werden muss. In der Schweiz sind seit 1990 mindestens fünf Frauen verstorben, nachdem sie mit fünf gängigen Präparaten hormonell verhütet hatten.

Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärte, dass für Yasmin® Meldungen eingangen seien zu “sieben Todesfällen im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels Yasmin oder Wirkstoffkombination von Yasmin”. Einer dieser Fälle beziehe sich auf den Tod eines Embryos in der sechsten Schwangerschaftswoche bei einer Frau, die unter Yasmin schwanger wurde. Das BfArM sieht jedoch keinen Anlasse für neue Untersuchungen.

Yasmin® ist eine echter Blockbuster und Umsatzgarant für das Unternehmen. Die Produktfamilie um die Antibabypille war 2008 die stärkste Medikamentengruppe des Pharmageschäfts von Bayer. Im ersten Quartal erzielte der Konzern damit einen Umsatz von 319 Millionen Euro, ein Plus von 7,4 Prozent binnen Jahresfrist. Umso härter trifft das absehbare Ende des Booms. Den Informationen des Tagesspiegels zufolge will der Konzern in diesem Jahr jetzt nicht mehr wie noch zu Beginn des Jahres vorgesehen 240 Millionen Verpackungseinheiten in Berlin produzieren, sondern nur noch 180 Millionen, also ein Viertel weniger.

In den Fokus gerät dabei auch die Marketing-Strategie, die auf den “Zusatznutzen” der oralen Kontrazeptiva zielt. Schönere Haut, keine Gewichtszunahme durch das Gestagen Drospirenon, Linderung von PMS-Beschwerden, bis hin zum “Verlegen” der Periode. Die Verhütung gerät zur Nebensache.

Auch bei der neuen Pille Qlaira® zielt Bayer auf den Lebensstil und nicht auf die einzig zugelassene Indikation, der oralen Kontrazeption.

In den USA ist die FDA aufmerksam, wenn Pharmaunternehmen ihre Produkte mit irreführenden und überzogenen Aussagen bewerben, die nicht mit der Zulassung gedeckt sind. Das musste im Oktober 2008 Bayer für die Pille Yaz® erfahren. Das Unternehmen erhielt von der FDA einen pdf-DateiWarnbrief, in dem zwei TV-Spots angemahnt wurden, in denen die Indikation der Pille erweitert, die Effektivität übertrieben und ernsthafte Risiken für Nebenwirkungen bagatellisiert worden waren.

In Europa dagegen verschliessen die Behörden die Augen, weil nicht sein kann, was nicht darf. Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente ist auf Fachkreise beschränkt. Obwohl gerade im Internet die Pharmaunternehmen immer dreister die Grenze zwischen erlaubter Information über Erkrankungen und verbotener Werbung für Arzneimittel zur Therapie dieser zu ihren Gunsten verschieben.

Nicht unerwartet daher das Statement des Leiters der Abteilung Pharmakovigilanz beim BfArM zu dem Lifestyle-Marketing für Antibabypillen, das die unbefriedigende rechtliche Situation bei der Medikamentenwerbung auf den Punkt bringt:

Wir entscheiden über die Zulassung eines Arzneimittels, nicht über deren Werbeaussagen.


Update
Hier ist einer der abgemahnten Spots:

Die Musik, ein Scandal Cover, liefert “The Veronicas”, ein angesagtes australisches Sänger- und Songwriter-Duo. Bayer hat sich schon 2005 die Zusamenarbeit mit der damals nur Australien bekannten Band gesichert.

In 2005, “Bayer came to us and said we’re looking for a way to connect with women a little bit better,” says Yaffa. “They really wanted to improve their brand messaging, really have people go and speak to their doctors—and those were the campaign elements that we really needed to deliver on.” To meet those criteria and build brand equity, he says, the company was looking for an artist that would bring the right personality and partnership potential.

Die Pharmaindustrie als Musikmanager. Auch mit Hilfe der Commercials haben die Veronicas den Durchbruch in den USA geschafft.

But that is also where a strong partnership can pay off. Now that Yaz is the number-one-selling birth control pill in the U.S., Bayer is moving into the third phase of its campaign with the Veronicas, where it will use one of the band’s own songs, “Change,” in an upcoming commercial.

Der Lifestyle-Charakter der Medikamentenwerbung wird im Vergleich mit dem Spot aus dem Jahr zuvor deutlich.

Deutsches Grünes Kreuz – grünes Feigenblatt…

Das Arzneitelegramm seziert in seiner aktuellen Ausgabe die Pharma-PR-Maschinerie “Deutsches Grünes Kreuz” (DGK) und zieht folgendes Fazit:

– Das Deutsche Grüne Kreuz (DGK) ist ein Verein, der als gemeinnützig firmiert und sich wesentlich durch kommerzielle GmbHs finanziert.
– Unter dem Deckmantel der “Prävention” propagiert der DGK-Verbund Nahrungsergänzungsmittel wie Mikronährstoffe, Anti-Aging-Mittel und andere Produkte, deren Nutzen nicht durch aussagekräftige Studien belegt ist.
– Sponsoren werden nicht deklariert, beispielsweise bei Aktionen, die den Gebrauch des HPV-Impfstoffes GARDASIL und des Pilzmittels Itraconazol (SEMPERA 7) ankurbeln sollten. Dadurch wird das DGK zum verlängerten Arm des Pharmamarketings.
– Wir vermissen eine eindeutige Trennung von Mitteilungen des Vereins und Angeboten der angeschlossenen (nicht gemeinnützigen) GmbHs, die durch das Markensymbol des Deutschen Grünen Kreuzes e.V. eine Art vermeintliches Qualitätssiegel erhalten.
– Die wirtschaftlichen Ziele des DGK Firmenverbandes sind derart dominant, dass die Gemeinnützigkeit des Deutschen Grünen Kreuz fraglich erscheint und der Überprüfung bedarf.

Der vollständige Artikel [Update 21.7.] ist war auch für Nichtabonnenten frei zugänglich.