Religionsforschung und Schlagzeilen – Soziale Kognition zwischen geizigen Religiösen, psychopathischen Atheisten und religiös geborenen Frauen

In den letzten Jahren hat die Evolutions- und Kognitionsforschung zur Religiosität einen enormen Aufschwung erlebt – entsprechend erscheinen inzwischen nahezu wöchentlich neue, auch bemerkenswerte Studien. Im Kampf um das knappe Gut der Aufmerksamkeit greifen Medien – und manchmal auch die Forschenden selbst – gerne auf “Zuspitzungen” zurück. Binnen Stunden erreichen mich diese dann immer wieder via Twitter und Facebook, verbunden mit der Frage, was “davon zu halten” wäre. Macht “Religion Kinder geizig” wie Telepolis im November – unter dem Jubel von Religionskritikern – titelte? Oder ist nun bewiesen, “Was Atheisten und Psychopathen gemeinsam haben”, wie FOCUS Online am 25.03. textete, gefolgt von einer Beschwerde beim Deutschen Presserat durch die Humanistische Alternative Bodensee (HABO)? Dank Facebook immer auf dem Laufenden über die neuesten “Zuspitzungen”. Screenshot von meinem Facebook-Profil… Sobald es die Zeit erlaubt, schaue ich mir die verlinkten Presseartikel und Studien dann natürlich auch gerne an – wobei sich regelmäßig herausstellt, dass die eigentlichen Ergebnisse sehr viel feiner, vorläufiger und auch interessanter sind als die um Aufmerksamkeit heischenden Schlagzeilen. Aber so ist nun mal das mediale Leben – und immerhin können wir mittels Wissenschaftsblogs ja auch diejenigen informieren, die gerne “etwas tiefer” schauen und sich nicht nur je nach Vorurteil freuen oder aufregen wollen. Also – was ist hier los? Sind Religiöse nun geiziger, Atheisten nun psychopathologischer und Frauen religiöser?

Das Yezidentum und die Neuen Medien: Ein Phänomen, an dem wir lernen können

Hach, Erinnerungen: Vor recht genau 13 Jahren reichte ich meine Magisterarbeit über die Identitätsbildung neuer Muslime bei der Universität Tübingen ein. Schon damals faszinierte mich die Wirkung des Internets auf das auch religionsbezogene Selbstverständnis von Menschen und so hatte ich für die Arbeit per eMail “30 Online-Interviews” erhoben – was damals noch ziemlich “innovativ” war. Hätte ich heute noch einmal die Chance, zu Religion & (neuen) Medien zu forschen, so würde ich auf das Phänomen des Yezidentums hinweisen, denn hier vollzieht sich derzeit etwas religionsgeschichtlich Einzigartiges! 1. Das Yezidentum verstand sich traditionell als mündlich tradierte Religion, dessen Lehren über religiöse Kasten (Scheichs und Pirs) an die Basis (Muriden) weitergegeben wurde. Doch binnen weniger Jahrzehnte gewinnt die Schriftlichkeit enorm an Bedeutung: Dabei lernen Yezidinnen und Yeziden als Schriftsprachen meist gar nicht ihre Muttersprache Kurmandschi, sondern Arabisch (Irak & Syrien), Türkisch (Türkei) und in den Einwanderungsländern schließlich Englisch, Französisch, Georgisch oder – besonders häufig – Deutsch. Das erste akademisch-theologische Institut für das Yezidentum wurde gerade in Georgien eröffnet.

Verschwörungstheorien – Verschwörungsglauben als religiöse Herausforderung

Das Thema “Verschwörungstheorien” beschäftigt mich ja nun schon seit Jahren und unter anderem habe ich dazu Bücher des Mediziners Thomas Grüter und die Dissertation des Psychologen Sebastian Bartoschek rezensiert. Seit einigen Monaten bereiten letzterer, die Sozialpsychologin Pia Lamberty und ich nun auch eine Tagung zum Thema “Verschwörungstheorien” vor, die am 11. September 2016 mit Dr. Heinz-Hermann Peitz im Tagungshaus Weingarten der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart stattfinden soll. Der “Call for Papers” war sehr ertragreich und hat uns vor einige schwere Entscheidungen gestellt. Selbstverständlich wird es zur Tagung hier auch noch ausführlichere Informationen und dann auch einen Tagungsbericht geben! Dies und die teilweise heftigen Erfahrungen im Irak haben mich nun dazu bewogen, das Thema endlich auch aus religions- (und politik-)wissenschaftlicher Sicht über Vorträge hinaus zu erschließen. So halte ich…

Wissenschaft vs. Lückenfüller-Gott. Zum God of the Gaps-Rapvideo von Baba Brinkman

Immer wieder werde ich – sowohl von Religiösen wie Nichtreligiösen – gefragt, ob “Gläubige” eigentlich “Angst vor der Wissenschaft” haben müssten. Darauf antworte ich dann stets: Es kommt darauf an. Wer nicht zwischen den Formen und Funktionen von religiösen Mythen einerseits und wissenschaftlichen Theorien andererseits unterscheidet, für den sieht es nach einem Nullsummenspiel aus: Was eine Seite gewinnt, verliert die Andere. Gott schrumpft dann zu einem “Lückenfüller”, der sich nur noch in immer kleineren Nischen “verstecken” kann (ein Fehler des sog. “erkenntnistheoretischen Monismus”). Wer jedoch einsieht, dass wissenschaftliche Theorien haltbare Erklärungen und neue Technologien eröffnen, religiöse Mythen aber Sinn und Gemeinschaften – der kann beides als Win-Win-Spiel begrüßen, vertiefen, sogar als notwendig erkennen.

Die Gefahr durch Religion(en) – Not in God’s Name von Rabbiner Baron Jonathan Sacks

Rabbiner Jonathan Sacks – bis 2013 Oberrabbiner in Großbritannien, von der Queen 2005 in den Ritter- und 2009 in den Baronstand erhoben – gilt als einer der bedeutendsten, lebenden Gelehrten des Vereinigten Königreichs. 2009 hatte ich einen seiner Vorträge bei “Theos” einmal ins Deutsche übersetzt (abrufbar hier). Umso überraschter war ich, bei einer Rezension seines neuen Buches “Not in God’s Name” in der New York Times durch David Brooks plötzlich auf meinen Namen und Arbeiten zur Religionsdemografie zu treffen. Also erstand ich mir dieses Werk, sobald wieder Zeit zum Lesen war: “Not in God’s Name. Confronting Religious Violence” von Jonathan Sacks.

Virales Video: Wie ein Amish-Pferdegespann einen Milchlaster aus dem Schnee zog

Als Teil des beschleunigten Klimawandels im Anthropozän werden auch die USA von zunehmend extremeren Wetterereignissen heimgesucht: Beispielsweise von verheerenden Dürre in Kalifornien und massivem Schneefall in nördlicheren Bundesstaaten. Angesichts des letzten Blizzards “Jonas”, der sogar Todesopfer forderte, erlebt derzeit ein Facebook-Video von Joel Appleman (Pennsylvania) aus dem Jahr 2011 neue Aufmerksamkeit: Die 41sekündige Aufnahme zeigt, wie ein Amish-Pferdegespann einen riesigen Milchtruck aus dem Schnee zurück auf die Straße wuchtet. (Liebhaber-Detail: In Sekunde 23 zeigt sich auch noch ein flüchtendes Nagetier.)weiter

Apotheken aus aller Welt, 657: San Francisco, USA

Danke an Xavier von creapharma für diese Apotheke: Zwar ein Walgreens (in den USA scheint es fast nur noch Kettenapotheken zu geben, hauptsächlich in grossen Kaufhäusern) dafür aber an guter Lage: San Francisco und mit hübscher Fassade here a pic of Walgreens, downtown San Francisco, on the main Avenue, named Market Street Tagged: Apotheke, ApothekenausallerWelt, […]

Religion und Ritual – Das Jahrbuch für Interdisziplinäre Anthropologie 03-2015 von Gerald Hartung und Matthias Herrgen (Hrsg)

Mit den jährlich erscheindenen Bänden zur “Interdisziplinären Anthropologie” haben Prof. Dr. Gerald Hartung und Matthias Herrgen inzwischen eine neue Forschungsmarke im deutschsprachigen Raum etabliert, die auch bereits ins Internationale auszustrahlen beginnt. So erinnere ich mich sehr gerne an die gelungene Tagung über die “Philosopical Anthropology of Religion” in Wuppertal 2014, bei der u.a. Prof. Matt Rosano von der Southeastern Louisiana University zur interdisziplinären Evolutionsforschung sprach. Hartung und Herrgen entschieden dann, diesen englischsprachigen Vortrag zum “Target Article” des Jahrbuches 03/2015 zuweiter

Das Gift des Terrors – Mein letzter Artikel bei eigentümlich frei

Fragt mich jemand nach meiner Weltanschauung, so antworte ich: “Christlich-liberal”. Die Ideen der Menschen- und Freiheitsrechte – auch historisch beginnend mit der Religionsfreiheit -, die Abschaffung der Sklaverei und die Zurückweisung von Rassismus, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Parlamentarismus und Gewaltenteilung (in Legislative, Judikative und Exekutive) halte ich für überaus kostbare Entdeckungen menschlicher Kultur(en), die wir weiterentwickeln, aber nicht mehr aufgeben sollten. Gewachsene Traditionen (der Familien, Religionen u.v.m.) achte ich sehr, lehne es jedoch ab, sie mittels staatlicher Gesetzeweiter