Publication Bias

Fast ein Viertel aller klinischen Studien, die Arzneimittelhersteller zur Zulassung neuer Medikamente bei der US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) einreichen, sind auch fünf Jahre später nicht in medizinischen Fachzeitschriften publiziert. Und in den publizierten Studien stimmen die Angaben nicht immer mit den FDA-Unterlagen überein.

Drei Wissenschaftler der Universität von Kalifornien hatten nach Veröffentlichungen der 164 Wirksamkeitsstudien gesucht, die der FDA 2001 und 2002 für die Zulassungen von neuen Medikamenten vorgelegt worden sind. Bisher wurden jedoch nur 128 dieser klinischen Studien in wissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert. Ein Vergleich der Daten, die der FDA vorgelegt worden sind, mit den veröffentlichten Ergebnissen, offenbarte eine Tendenz eher günstige Resultate zu publizieren. Darüber hinaus wurden von den 43 primären Endpunkten, die keinen Vorteil der untersuchten Wirkstoffe zeigten, 20 in den späteren Publikationen unterschlagen. Und von den restlichen 23 primären Endpunkten entsprachen fünf nicht den Angaben in den FDA-Unterlagen: In vier der fünf Endpunkte hatten sich die Ergebnisse zugunsten des Wirkstoffs verbessert. Neun der 99 Schlussfolgerungen in den Studien waren zugunsten des Wirksstoffs verändert.

Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Pharmaindustrie und ihren gut bezahlten Honorarkräften aus der Wissenschaft scheinen sich wieder einmal zu bestätigen. Die Studie zeigt aber auch, auf welchem dünnen Eis sich die Evidenz-basierte Medizin (EbM) bewegt.

Rising K, Bacchetti P, Bero L (2008) Reporting Bias in Drug Trials Submitted to the Food and Drug Administration: Review of Publication and Presentation. PLoS Med 5(11): e217 doi:10.1371/journal.pmed.0050217

Tatort und der Wert der Pflege

Die Pflege eines vermeintlich schwer kranken Kindes wurde gestern im Tatort: Häschen in der Grube zum Thema. Vermeintlich, dieses Wort muss man schon hervor heben, denn so wurden für eine medizinische Studie gesunde Kinder im Osten gekauft und durch die „Impfung“ eines Gen krank gemacht. Sie haben dadurch eine Leukämie bekommen, an der zwei forschende […]

Links zum Wochenende (10.10.08)

Forschung & Wissenschaft

Kurios: Skorpiongift gegen Hirntumor
Folsäure gegen Krebs – Studie deutet auf effektive Prävention hin.
Krebs durch Atomkraft: Wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt?
Kann Sodbrennen zu Krebs führen?

Ernährung & Gesundheit

Antioxidantien: Rotwein schützt vor Lungenkrebs

Konventionelle Therapie

Prostatakrebs: Bluttest sagt Wirksamkeit von Chemotherapie voraus.

Sonstiges

Diagnose Krebs: Wie sage ich es meinem Kind? Artikel über eine Broschüre der  Fondation Luxembourgeoise Contre […]

Milchmädchenrechnung bei Grippeimpfung

Der Nutzen der Grippe-Impfung ist in die Diskussion gekommen. Der unabhängige Informationsdienst “arznei-telegramm” (a-t) bewertet in der aktuellen Ausgabe die Wirksamkeit der Influenzaimpfung (Wird die Wirksamkeit der Influenzaimpfung überschätzt? arznei-telegramm 2008;39:101-104) und kommt zum Schluss, die häufig geäusserte Annahme, dass die Influenzaimpfung die Gesamtmortalität während einer Virusgrippesaison um bis zu 50% senke, sei unrealistisch. Zwar werde die Unwirksamkeit durch die vorliegenden wissenschaftlichen Studien nicht belegt, diese würden aber das Fehlen valider Wirksamkeitsdaten verdeutlichen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie hatte einen “healthy user effect” bestätigt, der die Ergebnisse verzerrt. Für die Zeiträume ausserhalb der Influenzasaison konnte eine “Reduktion” der Sterblichkeit bei Geimpften um die Hälfte errechnen werden – die logischerweise nicht durch die Impfung entstanden sein kann.

Die Autoren der Studie halten den Nutzen der Grippeimpfungen gerade für Senioren für überschätzt.

Das Team zieht indes aus der Studie nicht die Konsequenz, dass Senioren auf die Grippeimpfung verzichten sollten. Vor allem gebrechliche Menschen sollten sie in Anspruch nehmen, sie sollten sie aber nicht als Lebensversicherung betrachten, sondern weitere Vorsichtsmaßnahmen beachten. Dazu gehöre etwa das regelmäßige Händewaschen, die Vermeidung von Kontakten mit erkrankten Kindern und die Vermeidung von Krankenhausbesuchen während der Grippewelle.

Auch die Autoren einer anderen Studie kommen zu der Empfehlung: “Ein kaum wirksamer Impfstoff ist auf jeden Fall besser als gar keiner.”

Zu kritisieren ist jedoch das massive Marketing der Pharmaindustrie für die Impfung, gemeinsam mit Gesundheitsbehörden und Fachverbänden. Mit welchen zweifelhaften Kalkulationen argumentiert wird, dokumentiert das a-t:

GRIPPEIMPFUNG: ERFOLGSRATEN GEBASTELT NACH RKI-METHODE
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts hat die Grippeimpfung in den Grippesaisons 2001/02 bis 2006/07 5.300 grippebedingte Todesfälle verhindert. Weitere 2.800 Grippe-Tote hätten verhindert werden können, wenn das WHO-Ziel, eine 75%ige Impfrate bei Älteren, erreicht worden wäre. Die Berechnung beruht auf der Annahme, dass der “Impfstoff zu 30% wirksam in der Verhinderung einer tödlichen Grippeinfektion bei über 60-Jährigen” ist. Grundlage dieser Annahme sind wiederum zwei Observationsstudien aus den Jahren 2004 und 2007. Liest man in diesen Arbeiten nach, ist man verwundert, da in beiden die Zahl der tödlichen Grippeinfektionen gar nicht geprüft wird. Es werden zwar Sterberaten ermittelt. In der ersten Arbeit wird jedoch die Todesrate an allen respiratorischen Erkrankungen gemessen (12%ige Reduktion), in der zweiten die Gesamtmortalität, mit völlig unrealistischem Ergebnis (48%ige Reduktion). Das RKI scheut sich nicht, den Mittelwert aus Äpfeln und Birnen zu bilden und diesen als Rhabarber zu verkaufen: (12% + 48%) : 2 = 30%ige Reduktion tödlicher Grippeinfektionen. Diese in absurder Weise hergeleiteten und daher vermutlich falschen Zahlen werden öffentlich kommuniziert und dienen offenbar als Entscheidungsbegründung für Impfempfehlungen.

Bildung macht glücklich

Ein Jahr nach Start des Heidelberger Pilotversuch Glück als Schulfach zu lehren, berichtet Ernst Fritz-Schubert, Direktor der Willy-Hellpach-Schule, im Interview mit der Gehirn & Geist über die ersten Erfolge.
Glücksschüler berichteten über ein besseres Gemeinschaftsgefühl und steigende Selbstwirksamkeit. Sie „haben gelernt, sich zu hinterfragen" resümmiert auch Wolfgang Knörzer. Der Heidelberger Professor begleitet das Experiment mit seinem Kollegen Robert Rupp und untersucht auf Grundlage der…

Fragen zur zahnärztlichen Qualität und Evidenz

Glaubt man den Funktionären sind die Zahnärzte die Verlierer des Gesundheitsreformen der letzten Jahre. Die Qualität der Leistungen der deutschen Dentisten steht ausser Frage und wird nicht angemessen bezahlt.

In der “richtigen” Medizin wird immer öfter die Frage nach dem Nutzen von Behandlungen gestellt, nach Qualität und Angemessenheit. Die Zahnärzte konnten sich bisher erfolgreich aus dieser Diskussion heraushalten, obwohl sich gerade dieses Jahr gezeigt hat, dass es auf vielen zahnmedizinischen Feldern mit Evidenz und Qualität nicht weit her ist.

Eingeschlagen hat im April ein HTA-Bericht des DIMDI zur wissenschaftlich belegten Wirksamkeit kieferorthopädischer Massnahmen. Milde ausgedrückt sahen die Autoren zwischen der praktischen Anwendung der Kieferorthopädie und der Erforschung ihrer Wirksamkeit eine Kluft. Ob Indikation, Behandlungsmethode, Langzeitnutzen – alles mehr Erfahrungswissen als wissenschaftlich belegte Erkenntnisse.

Im Juli hatte der STERN über die schlechte Qualität bei der Wurzelkanalbehandlung berichtet. Was innerhalb der Zahnärzteschaft zu einem heftigen Streit geführt hat. Sind doch Wurzelbehandlung (Endodontologie) und die lukrative Implantatologie in Teilen direkte Konkurrenz. Im Hintergrund stehen Implantehersteller auf der einen Seite und die Anbieter neuer optischer Geräte für die Wurzelkanalbehandlung auf der anderen Seite. Begünstigt hat die Auseinandersetzung, dass sowohl die Wurzelbehandlung als auch die Implantatbehandlung auf unsicherer wissenschaftlicher Evidenz stehen.

Ende August hat die Bundeszahnärztekammer Alarm geschlagen. In der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands pdf-Dateileiden gegenwärtig rund 12% an einer eine schweren und rund 40% an einer moderate Form der Parodontitis. Mal abgesehen davon, dass dies mit Unterstützung eines Herstellers für Zahnpflegemittel veröffenlicht worden ist – wenn es den Tatsachen entsprechen würde, wäre es ein weiteres Armutszeugnis für die Zahnärzte. Immerhin gehen dreiviertel aller Deutschen regelmässig zur zahnärztlichen Kontrolluntersuchung.