Dossier HIV & Depression Teil 5: Pillen oder Psychologen: Was hilft besser gegen Depression?

Gesprächstherapien sind ein klassisches Mittel, um Depressionen zu behandeln. Manchmal aber ist die Krankheit so stark, dass nur Medikamente den Patienten für Gespräche empfänglich machen. Die Neurologin Gabriele Arendt berichtet über die vielfältigen Therapiemöglichkeiten bei Depression und die besonderen Herausforderungen für Menschen, die gleichzeitig mit HIV und mit einer Depression fertig werden müssen. Frau Professorin […]

Dem Virus auf der Spur

Vor 30 Jahren entdeckten zeitgleich zwei Forschergruppen jenes Virus, das Aids verursacht – ein wissenschaftlicher Coup, dem ein jahrelanger Rechtstreit folgte. Ein Kalenderblatt von Axel Schock Welche Symptome die rätselhafte Immundschwächekrankheit aufweist, hatten Forscher der US-Gesundheitsbehörde CDC bereits 1981 detailliert zusammengetragen. 1983 war aus der „Gay-related Immune Deficiency“ (GRID), dem vermeintlich nur bei Homosexuelle auftretenden Immundefekt, […]

Die Forschungssponsoren von Prof. Dr. Ludwig Kappos gemäss Web of Science

Wer sind die Sponsoren der Forschung von Prof. Dr. Kappos?

Bei Forschungspublikationen wird häufig der Sponsor genannt. Gewisse Sponsoren wie der Schweizerische National Fonds (SNF) verpflichten die Forscher bei Publikationen die Förderung durch den SNF anzugeben.

Die folgende Tabelle zeigt die Forschungssponsoren der Publikationen bei den Prof. Dr. Kappos mitgearbeitet hat gemäss Web of Science.

Nr. Forschungssponsor Anzahl Publikationen % von 275 Publikationen
1. BAYER SCHERING PHARMA 40 15%
2. BIOGEN IDEC 33 12%
3. NOVARTIS 31 11%
4. MERCK SERONO 28 10%
5. PFIZER+WYETH 27 10%
6. SWISS MS SOCIETY 25 9%
7. TEVA 25 9%
8. ROCHE+GENENTECH 24 9%
9. SANOFI AVENTIS 18 7%
10. GLAXOSMITHKLINE 17 6%
11. SWISS NATIONAL FOUNDATION 17 6%
12. ACTELION 16 6%
13. UCB 15 5%
14. GENZYME 14 5%
15. BAYHILL 13 5%
16. BOEHRINGER INGELHEIM 12 4%
17. GENMAB 11 4%
18. ALLOZYNE 10 4%
19. MEDICINOVA 10 4%
20. SANTHERA 8 3%
21. BAROFOLD 7 3%
22. EISAI INC 7 3%
23. EUROPEAN UNION 9 3%
24. GIANNI RUBATTO FOUNDATION ZURICH 7 3%
25. ABBOTT 6 2%
26. ACORDA THERAPEUTICS INC 6 2%
27. ASTRAZENECA 6 2%
28. CENTOCOR ORTHO BIOTECH INC 6 2%
29. ELAN 6 2%
30. MEDICINOVA INC 6 2%
31. NEUROCRINE BIOSCIENCES 6 2%
32. NIH 6 2%
33. ADVANCELL 5 2%
34. BIOMARIN 5 2%
35. CSL BEHRING 5 2%
36. ACCORDA 4 1%
37. ALLERGAN 4 1%
38. CLC BEHRING 4 1%
39. GENEURO SA 4 1%
40. GENMAB A S 4 1%
41. GENMARK 4 1%
42. IMMUNE RESPONSE CORPORATION 4 1%
43. LILLY 4 1%
44. PEPTIMMUNE 4 1%
45. UNIVERSITY OF BASEL 4 1%
46. CANADIAN INSTITUTES OF HEALTH RESEARCH 3 1%
47. FONDAZIONE MARIANI 3 1%
48. HELVEA 3 1%
49. MEDISERVICE 3 1%
50. MULTIPLE SCLEROSIS SOCIETY OF CANADA 3 1%
51. SANTHERA PHARMACEUTICALS 3 1%
52. UCB PHARMA 3 1%
53. ANTISENSE THERAPEUTICS 2 1%
54. AVANIR PHARMACEUTICALS 2 1%
55. BIOMS 2 1%
56. BIOMS MEDICAL 2 1%
57. CLAYTON FOUNDATION FOR RESEARCH 2 1%
58. DAIICHI SANKYO 2 1%
59. DEPARTMENTS OF ENDOCRINOLOGY DIABETOLOGY AND CLINICAL NUTRITION AND NEUROLOGY OF THE UNIVERSITY HOSPITAL OF BASEL SWITZERLAND 2 1%
60. DUTCH MS RESEARCH FOUNDATION 2 1%
61. EISAI 2 1%
62. FONDAZIONE ITALIANA SCLEROSI MULTIPLA 2 1%
63. FREIE AKADEMISCHE GESELISCHAFT FAG 2 1%
64. GIANNI RUBATTO 2 1%
65. LUNDBECK 2 1%
66. MS SOCIETY OF GREAT BRITAIN AND NORTHERN IRELAND 2 1%
67. NATIONAL MS SOCIETY 2 1%
68. NIHR UCLH COMPREHENSIVE BIOMEDICAL RESEARCH CENTRE 2 1%
69. NOVONORDISK 2 1%
70. QUESTCOR PHARMACEUTICALS INC 2 1%
71. RUBATO FOUNDATION 2 1%
72. SHIRE 2 1%
73. THE IMMUNE RESPONSE CORPORATION 2 1%
74. VELUX STIFTUNG 2 1%
75. Keine Angaben in der Publikation 224 81%

Die Sponsoren der Publikationen von Prof. Dr. Ludwig Kappos. Total 275 Publikationen. Datenquelle: Thomson Reuters Web of Science, Stand: 02.09.2011

Methode

Suchanfrage an Web of Science:

  • Author=(kappos l)
  • Analysis:Document Type=(LETTER OR EDITORIAL MATERIAL OR ARTICLE OR REVIEW OR PROCEEDINGS PAPER) AND [excluding] Web of Science Categories=(ENERGY FUELS)

Falls Sponsoren unter mehreren Namen, z.B. TEVA und TEVA PHARMACEUTICAL INDUSTRIES LTD erschienen oder Gesellschaften seit der Publikation fusionierten, wurden die Namen bereinigt und die Werte zusammengezählt.

Der Rohdaten sind im Anhang verfügbar.

Diskussion

Bei 224 Publikationen (81%) sind keine Angaben über die Sponsoren in der Publikationsdatenbank enthalten (Originaltext: 224 records (81.455%) do not contain data in the field being analyzed.). Dies deutet nicht auf einen Missstand hin. Industriesponsoren müssen angegeben werden, Universitäten hingegen werden nicht als Sponsoren angesehen.

Die Sponsoren der Publikationen mit Beteiligung von Prof. Dr. Ludwig Kappos sind in den obigen Tabellen aufgelistet. Es kann jedoch nicht direkt geschlossen werden, dass er gesponsert wurde, es könnte auch ein anderer Autor sein. Aber insgesamt wurde die Publikation gesponsert und so ist der Nutzen indirekt.

25 Publikationen wurden von der MS-Gesellschaft unterstützt und 17 vom Schweizer National Fonds (SNF). Publikationen wurden auch von den MS-Gesellschaften der USA, Grossbritannien, Holland, Kanada und Italien unterstützt.

Alles in allem kann man sagen, dass die Forschung von Prof. Dr. Ludwig Kappos massgeblich durch die Pharmaindustrie unterstützt wurde.

Infoveranstaltung "Fokus Forschung" in Zürich 2013

Am 20. April 2013 führte die Schweizerische MS-Gesellschaft eine Informationsveranstaltung für MS-Betroffene und Interessierte in Zürich durch.

Die Veranstaltung wurde in den Räumlichkeiten der Pädagogischen Hochschule, die direkt neben dem Hauptbahnhof liegen, durchgeführt.

Themen:

Vorstellen der MS-Gesellschaft

Der Verantwortliche für die Dienstleistungen der MS-Gesellschaft, Christoph Lotter, stellte kurz die verschiedenen Angebote der MS-Gesellschaft und die erbrachten Dienstleistungen der MS-Gesellschaft vor. Die verschiedenen Angebote lassen sich auf der Webseite der MS-Gesellschaft finden.

Am 29. Mai ist Welt MS-Tag. Weltweit führen die MS-Gesellschaften eine koordinierte Kampagne mit dem Namen «Was ist ihr Lebensmotto?» durch. Zu diesem Zweck wird die Webseite kraftspende.ch in der Schweiz aufgeschaltet werden. Die Kampagne wird vom internationalen MS-Zusammenschluss MSIF koordiniert und vom Pharmaunternehmen Genzyme unterstützt. Die MS-Gesellschaft wird zu diesem Anlass ihren neuen Facebook-Auftritt aufschalten.

Die MS-Gesellschaft ist neben der amerikanischen MS-Gesellschaft, eine der Gesellschaften, die die Forschung prozentual am stärksten fördern. In den letzten 15 Jahren wurden 350 Forschungsprojekte finanziert, mit einer Gesamtsumme von 14.7 Mio. Franken.

MS-Forschung: Neue Medikamente

Michael Linnebank gab eine Übersicht die aktuellen und die kommenden MS-Medikamente. Die Auswahlmöglichkeit macht die Entscheidung für Arzt und Patienten schwieriger. Jeder Betroffene wird mit diesen Medikamenten konfrontiert werden.

Über die Medikamente habe ich bereits in den früheren Artikeln MS Informationstag «Aus der Forschung für die Praxis» 2013 und Bericht zur Informationsveranstaltung «Medikamentenentwicklung und MS» der MS-Gesellschaft geschrieben.

Neu:

  • BG-12 hat in der EU einen positiven Entscheid zur Zulassung erhalten. Markenname des Medikamentes: Tecfidera™.
  • Novartis arbeitet an einer Weiterentwicklung von Gilenya mit Namen BAF312. Das Medikament soll spezifischer werden. Studien für sekundär progrediente Patienten sind geplant (oder werden bereits durchgeführt?).
  • Der Nutzen der frühen Therapie sei weiter bestätigt worden. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
  • Der Langzeitnutzen sei weiter bestätigt worden. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
  • Interferone während der Schwangerschaft haben keinen negativen Einfluss auf das Neugeborene. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
  • Es sind immer mehr MS-Register (Datenbanken zu Verläufen mit Rohdaten) verfügbar.

Wie Verkehrsschilder aus Zucker und Eiweiss den Immunzellen im Körper den Weg weisen

Britta Engelhardt führte in einen Teilaspekt des Immunsystems ein. Das Immunsystem ist am Ablauf der MS beteiligt. Wenn das Immunsystem besser verstanden wird, könnte die MS vielleicht besser verstanden werden. Das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) liegt normalerweise ausserhalb des Immunsystems. Trotzdem wird das Immunsystem bei Läsionen aktiv. Warum wandern Immunzellen ins Gehirn? Warum ist die Blut-Hirn-Schranke bei MS durchlässig?

Das Immunsystem ist im Körper verteilt. Verschiedene Organe sind beteiligt. Das Rückenmark zur Herstellung der Immunzellen, dann die Lymphknoten, die Blutbahnen, die Lymphgefässe, die Milz, …

Die Immunzellen (Lymphozyten) bewegen sich mit 1mm/s durch unsere Blutbahnen und durch die Lymphgefässe. Die Immunzellen müssen am richtigen Ort die Blutbahnen verlassen um ihre Funktion wahrnehmen zu können. Doch wie finden die Immunzellen den Ausgang aus den Blutbahnen?

Britta Engelhardt stellte den Mechanismus der «Verkehrsschilder» vor und zeigte verschiedene Experimente an Versuchstieren. Die Immunzellen wurden in den Experimenten sichtbar gemacht. Teilmechanismen des Immunsystems wurden zum Studium ausgeschaltet.

Stichworte: Selektine, Chemokine, Integrine, Glykoproteine, Adhäsionsmoleküle, Endothelzellen

Sie zeigte verschiedene kurze Videos.

Stellvertretend ein ähnliches Video von Youtube:

Gene und Umweltfaktoren als Ursachen der MS

Roland Martin besprach in seinem Vortrag den aktuellen Stand der Ursachenforschung von Multiple Sklerose.

MS ist keine vererbbare Krankheit. Gewisse Gene scheinen aber das Risiko für den Ausbruch von MS zu begünstigen. Die MS wird als komplex genetische Krankheit bezeichnet. Der Einfluss der Gene wird mit drei Methoden erforscht:

  • Epidemiologisch (statistisch),
  • Mit Untersuchungen bei Geschwistern, Eltern und Zwillingen, und
  • Mit Migrationsstudien.

Migrationsstudien untersuchen, wie sich das Risiko von MS von Leuten aus Gebieten mit grosser MS Verbreitung in Tiefrisikogebiete, und umgekehrt, verhält.

Weiter scheint die Umwelt einen Einfluss auf den Ausbruch von MS zu haben. Ein solcher Umweltfaktor könnte zum Beispiel ein Virus sein oder eine Verhaltensweise.

Aktuell steht der Ebstein-Barr Virus (EBV) im Verdacht am Ausbruch von MS mitverantwortlich zu sein. Etwa 90% der Bevölkerung tragen den Virus in sich.

Ein zu tiefer Vitamin D3-Spiegel scheint ebenfalls das Risiko von MS zu erhöhen und den Verlauf negativ zu beeinflussen. Vitamin D3 kann über die Nahrung aufgenommen, wie auch über die Haut mit Sonnenlicht durch den Körper selbst erzeugt werden. Regelmässige Aufenthalte in der Sonne, gerade im Winter, scheinen empfehlenswert zu sein. Sonnenbrände sollten jedoch vermieden werden. Bei zusätzlicher Einnahme von Vitamin D sollte ebenfalls nicht übertrieben werden. Die zu tiefen Vitamin D3-Spiegel der Kindheits- und Jugendjahre, wie sogar während der Schwangerschaft könnten einen Einfluss auf den Ausbruch von MS haben.

Rauchen ist ein weiterer Umweltfaktor mit negativem Einfluss. Er kann den Ausbruch begünstigen und den Verlauf verschlechtern.

Die Verschiedenheit der MS Verläufe ist riesig. Es gibt Leute mit einem Schub, die im ganzen weiteren Leben nie ernsthaft behindert werden und schwere Verläufe, die schnell schwerst behindert werden.

Er berichtete von einer Studie, bei der bei einem Patienten über einen längeren Zeitraum alle vier Monate MRIs erstellt und die neurologischen Funktionen überprüft wurden. Im MRI waren häufig Entzündungsaktivitäten zu sehen, klinisch wurden aber nur drei Schübe festgestellt. (Die Angaben zur konkreten Studie fehlen mir.)

Deklarierte Interessenkonflikte: Merck Serono, Biogen, Teva, Genzyme, Sanofi, Bionomics

Fragen aus dem Publikum

  • Werden die neu zugelassenen Medikamente in der Schweiz von der Krankenkasse bezahlt?
    Ziemlich sicher ja.

  • Wurden am Universitätsspital Zürich bereits Leute von Tysabri® (Natalizumab) auf Gilenya® (Fingolimod) umgestellt?
    Ja. Es gibt eine Studie mit 50 Teilnehmern, die die Umstellung untersucht.

  • Kann ein Virus die Ursache der MS sein?
    Ja, dies könnte es. In der Forschung wird nach Viren gesucht.

  • Kann ich die Tochter durch Abgabe von Vitamin D3 vor MS schützen?
    Der Vitamin D3-Spiegel während der Schwangerschaft scheint sehr wichtig zu sein. Vitamin D3 kann eingenommen werden. Zu hohe Dosen sollten vermieden werden.

  • Warum ist Rauchen schädlich für die MS?
    Es scheint, dass der Rauch die Immunzellen während dem Aufenthalt in der Lunge verändert.

Bemerkungen

Therese Lüscher aus dem Vorstand der MS-Gesellschaft, welche ebenfalls von MS betroffen ist, war anwesend.

Leider versäumte es PD. Dr. Michael Linnebank auf seine vorhandenen Interessenkonflikte, wie es von in der Schweiz tätigen Ärzten verlangt wird, hinzuweisen. Gerade bei einem Vortrag, der von teuren bis sehr teuren Medikamenten handelt, wäre es für das Publikum von grosser Bedeutung vorhandene Interessenkonflikte zu kennen. Ein solcher Vortrag könnte die Umstellung auf neue teurere Medikamente begünstigen oder fördern. Von der Humanbiologin Prof. Dr. Britta Engelhardt, wäre es ebenfalls schön gewesen über allfällige Interessenkonflikte informiert zu werden.

Auffallend war, dass bei den Medikamenten fast ausnahmslos der Handelsname verwendet wurde, auch bei Medikamenten, die erst seit kurzem einen Handelsnahmen haben. Gemäss der guten medizinische Praxis, sollte hauptsächlich die wissenschaftliche bzw. generische Bezeichnung verwendet werden, beispielsweise BG-12 anstatt Tecfidera™.

Die Veranstaltung wurde im neuen Gebäude der Pädagogischen Hochschule Zürich durchgeführt. Das Gebäude liegt direkt neben dem Hauptbahnhof (HB) Zürich. Die Nähe zum HB Zürich war sehr praktisch.

Die immer wiederkehrenden Themen an diesen Veranstaltungen sind Informationen zu Medikamenten, insbesondere neue Entwicklungen und die multifaktoriellen Ursachen der MS-Erkankung. Persönlich sehr interessant finde ich, wenn auf anschauliche Weise Hintergrundwissen vermittelt wird, so wie dies Britta Engelhardt bei den Immunzellen gemacht hat.


  1. Ich habe in der Fragerunde nicht nach Referenzen gefragt. Das nächste Mal sollte ich nach den systematischen Übersichtsarbeiten fragen. 

Wow WHAW

Die Globuli-Szene feiert gerade die World Homeopathy Awareness Week, nicht zuletzt wegen der 258. Wiederkehr des Geburtstags Samuel Hahnemanns. Ich möchte mich dieser Besinnung nicht verschließen und empfehle die Lektüre und Sichtung folgender Links und Videos, quasi ein best-of zur WHAW: >> Die Originalseite, verschweigen wir sie hier mal nicht, als Realsatire: Globuli gegen Tsunami […]

All Trials Initiative – Alle Studien registriert | Alle Resultate veröffentlicht (akt. 2)

Was ist AllTrials.net? Was will die Petition bezwecken? Wer steht hinter dieser Initiative? Warum ist diese Initiative wichtig?

Hilft Tamiflu? Wir wissen es nicht. Zahlten aber trotzdem Milliarden und gehen vielleicht sogar gesundheitliche Risiken ein. Wie die Tamiflu Saga zeigt, werden medizinische Studien verzerrt veröffentlicht (publication bias). „Unerwünschte“ Resultate werden unter den Teppich gekehrt.

Das verunmöglicht allen Medizinern, auch den besten und unabhängigsten, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die richtigen Medikamente auszuwählen. Auch die besten und unabhängigsten Mediziner können keine „besseren“ Daten „hervorzaubern“. Evidenzbasierte Medizin ist nicht möglich.

Ben Goldacre hat in seinem Buch Bad Pharma die aktuelle Situation detailliert analysiert und zusammengefasst.

Das Problem ist schon lange bekannt. Beispielsweise haben 2004 die Vereinigung der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften (International Committee of Medical Journal Editors; ICMJE) beschlossen, nur noch vorregistrierte Studien zu veröffentlichen. Denn bei der Registrierung ist noch unklar, ob ein „positives“ oder ein „negatives“ Resultat herauskommt. Die Zulassungsbehörde EMA der EU, führte das zentrale Studienregister EudraCT ein. Seit 2007 müssen für alle von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zugelassenen Medikamenten alle Studiendaten innerhalb eines Jahres in zusammengefasster Form auf clinicaltrials.gov veröffentlicht werden.

Alles bestens? Mitnichten! Das sind nur halbe Lösungen – Scheinlösungen:

  • Die angesehenen Fachzeitschriften der ICMJE hielten sich nicht an den eigenen Beschluss. Eine Studie zeigte 2008, dass die Hälfte der veröffentlichten Studien nicht richtig registriert wurden.1
  • Und das EU Register ist wohl zentral, aber geheim. Das EudraCT ist schlicht weg nicht öffentlich zugänglich. Salopp gesagt, ein Witz. Man stelle sich das vor. Das Transparenzwerkzeug ist geheim.2
  • Und bei den Amerikanern? Auch ein Fehlschlag. Eine Studie Anfang 2012 hat festgestellt, dass nur eine von fünf Studien ordnungsgemäss innerhalb eines Jahres auf ClinicalTrials.gov veröffentlicht wurde.3

Das Traurige ist: Die Situation ist durch diese Scheinmassnahmen noch schlimmer geworden als vorher. Alle sagen, wir haben die Register, das Problem ist gelöst. Was aber gar nicht stimmt.

Der Mediziner und Autor Ben Goldacre ist nicht jemand der einfach jammert, sondern er handelt. Er hat deshalb mit dem angesehenen Fachmagazin BMJ, der Cochrane Collaboration und der James Lind Alliance, die AllTrials.net Initiative ins Leben gerufen.

All Trials Registered | All Results Reported

Es ist an der Zeit, dass alle Resultate klinischer Studien veröffentlicht werden. Davon werden Patientinnen und Patienten, Forschende, Apothekerinnen und Apotheker, die Ärzteschaft und die Behörden profitieren. Bitte unterzeichnen Sie die untenstehende Petition, wo auch immer in der Welt Sie sind:

In der Vergangenheit wurden die Resultate von tausenden von klinischen Studien nicht veröffentlicht. Manche Studien wurden nicht einmal registriert.

Informationen darüber, was in diesen Studien untersucht und gefunden wurde, könnten damit für Ärzte und Forschende für immer verloren sein, was zu schlechten Therapieentscheiden und verpassten Chancen für eine bessere Medizin führt; aber auch zu Studien, die wegen fehlender Information wiederholt werden.

Alle klinischen Studien sollten daher registriert werden, seien dies vergangene oder aktuelle. Die vollständigen Methoden und die Resultate sollten veröffentlicht werden.

Wir rufen Regierungen, Behörden und Forschungsinstitutionen dazu auf, Massnahmen umzusetzen, um diese zu erreichen.

All Trials LogoCC BY-NC-ND AllTrials.net

Das Problem ist schon zu lange ungelöst. Zu viele Scheinlösungen hat es gegeben.

Alle – Einzelpersonen, Gesellschaften und Institutionen, auch Schweizerische – sind jetzt aufgerufen die Petition zu unterschreiben und selbst aktiv zu werden.

Stand

Seit dem Start am 8. Jan. 2013 wird die Petition schon von vielen unterstützt. Eine Auswahl:

Die Initiative hat noch kaum Unterstützung aus der Schweiz. Die nichtveröffentlichten Studien sind eines der grössten Probleme der Medizin und der Wissenschaft. Jetzt unterschreiben.

Referenzen

[Aktualisierung 09.03.2013: 18th January 2013 Sir Iain Chalmers interviewed on the Today programme]

[Aktualisierung 25.03.2013: Artikel von GlaxoSmithKline-Direktor in Schweizer Ärztezeitung: Peter Kleist, Vier Schritte zu mehr Transparenz in der klinischen Forschung, Schweizerische Ärztezeitung, März 2013, 94(12):483–5]

[Aktualisierung 11.05.2013: Die AllTrials-Initiative findet nun auch in der Schweiz Unterstützung. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)5 und die Schweizerische MS-Gesellschaft unterstützen die Initiative. Bravo für die Vorreiterrolle. Hoffentlich folgen noch weitere Institutionen.]

[Aktualisierung 11.05.2013: Unterschriften bis zum 20. Mai sind besonders wichtig. Ende Mai findet eine wichtige Abstimmung in der EU statt. Jede Unterschrift zählt. Jetzt unterschreiben.]

[Aktualisierung 03.06.2013: Am 3. Juni ist im Tagesanzeiger ein ganzseitiger Artikel zum Buch Bad Pharma und zur All Trials Initiative erschienen. Online ist der Artikel nicht verfügbar. Der Artikel ist im Wirtschaftsteil. Ich habe den Artikel selbst noch nicht gelesen. Wenn der Tagesanzeiger in Griffnähe ist, lohnt sich wahrscheinlich die Lektüre.]

Die britische MS Society unterstützt die AllTrials Initiative ebenfalls.
Die Liste der der Unterstützer ist mittlerweile lang geworden. So muss es sein!
„Negative Studien“ dürfen nicht mehr verschwinden. Was leider heute noch bei etwa bei der Hälfte der Studien der Fall. Die guten ins Körbchen, die anderen sonst wohin. Und leiden müssen dann die Patienten unter vermeintlich wirksamen Medikamenten. Ausser Nebenwirkungen nichts gewesen.
Die Petition kann immer noch unterschrieben werden. Wer Forschung nicht zu Marketingzwecken, sondern zur wahrheitsgemässen Wirksamkeitsforschung will, der muss unterschreiben.

[Aktualisierung 12.04.2014: Wichtiger Teilschritt: Das EU-Parlament hat mit 547 gegen 17 Stimmen für die Offenlegung von neuen klinischen Studien gestimmt. AllTrials, 02.04.2014]

[Aktualisierung 12.04.2014: Der Pharma-Multi AbbVie hat seine Klage gegen die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) nach dem EU-Parlamentsbeschluss zurückgezogen. AllTrials, 03.04.2014]


  1. Ben Goldacre Bad Pharma, p47ff / Mathieu S, Boutron I, Moher D, Altman DG, Ravaud P. Comparison of Registred and Published Primary Outcomes in Randomized Controlled Trials. JAMA. 2009 Sep 2;302(9):977–84. 

  2. Wieseler B, McGauran N, Kaiser T. Still waiting for functional EU Clinical Trials Register. BMJ. 2011 Jun 20;342:d3834-d3834. (via Bad Pharma, p47ff)
    Nach dem Erscheinen des Buches Bad Pharma von Ben Goldacre und politischem Druck sind bei der EU Bestrebungen im Gange, das Register nicht mehr geheim zu halten und den Forschern zur Verfügung zu stellen. 

  3. Prayle AP, Hurley MN, Smyth AR. Compliance with mandatory reporting of clinical trial results on ClinicalTrials.gov: cross sectional study. BMJ. 2012;344:d7373. (via Bad Pharma, p47ff) 

  4. Mit der 3 Mrd. USD Busse 2012 ist GSK ein gebranntes Kind auf dem Weg der Besserung. 

  5. Persönliche Auskunft vom Generalsekretär Dr. Hermann Amstad. 

All Trials Initiative – Alle Studien registriert | Alle Resultate veröffentlicht (akt. 1)

Was ist AllTrials.net? Was will die Petition bezwecken? Wer steht hinter dieser Initiative? Warum ist diese Initiative wichtig?

Hilft Tamiflu? Wir wissen es nicht. Zahlten aber trotzdem Milliarden und gehen vielleicht sogar gesundheitliche Risiken ein. Wie die Tamiflu Saga zeigt, werden medizinische Studien verzerrt veröffentlicht (publication bias). «Unerwünschte» Resultate werden unter den Teppich gekehrt.

Das verunmöglicht allen Medizinern, auch den besten und unabhängigsten, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die richtigen Medikamente auszuwählen. Auch die besten und unabhängigsten Mediziner können keine «besseren» Daten «hervorzaubern». Evidenzbasierte Medizin ist nicht möglich.

Ben Goldacre hat in seinem Buch Bad Pharma die aktuelle Situation detailliert analysiert und zusammengefasst.

Das Problem ist schon lange bekannt. Beispielsweise haben 2004 die Vereinigung der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften (International Committee of Medical Journal Editors; ICMJE) beschlossen, nur noch vorregistrierte Studien zu veröffentlichen. Denn bei der Registrierung ist noch unklar, ob ein «positives» oder ein «negatives» Resultat herauskommt. Die Zulassungsbehörde EMA der EU, führte das zentrale Studienregister EudraCT ein. Seit 2007 müssen für alle von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zugelassenen Medikamenten alle Studiendaten innerhalb eines Jahres in zusammengefasster Form auf clinicaltrials.gov veröffentlicht werden.

Alles bestens? Mitnichten! Das sind nur halbe Lösungen – Scheinlösungen:

  • Die angesehenen Fachzeitschriften der ICMJE hielten sich nicht an den eigenen Beschluss. Eine Studie zeigte 2008, dass die Hälfte der veröffentlichten Studien nicht richtig registriert wurden.1
  • Und das EU Register ist wohl zentral, aber geheim. Das EudraCT ist schlicht weg nicht öffentlich zugänglich. Salopp gesagt, ein Witz. Man stelle sich das vor. Das Transparenzwerkzeug ist geheim.2
  • Und bei den Amerikanern? Auch ein Fehlschlag. Eine Studie Anfang 2012 hat festgestellt, dass nur eine von fünf Studien ordnungsgemäss innerhalb eines Jahres auf ClinicalTrials.gov veröffentlicht wurde.3

Das Traurige ist: Die Situation ist durch diese Scheinmassnahmen noch schlimmer geworden als vorher. Alle sagen, wir haben die Register, das Problem ist gelöst. Was aber gar nicht stimmt.

Der Mediziner und Autor Ben Goldacre ist nicht jemand der einfach jammert, sondern er handelt. Er hat deshalb mit dem angesehenen Fachmagazin BMJ, der Cochrane Collaboration und der James Lind Alliance, die AllTrials.net Initiative ins Leben gerufen.

All Trials Registered | All Results Reported

Es ist an der Zeit, dass alle Resultate klinischer Studien veröffentlicht werden. Davon werden Patientinnen und Patienten, Forschende, Apothekerinnen und Apotheker, die Ärzteschaft und die Behörden profitieren. Bitte unterzeichnen Sie die untenstehende Petition, wo auch immer in der Welt Sie sind:

In der Vergangenheit wurden die Resultate von tausenden von klinischen Studien nicht veröffentlicht. Manche Studien wurden nicht einmal registriert.

Informationen darüber, was in diesen Studien untersucht und gefunden wurde, könnten damit für Ärzte und Forschende für immer verloren sein, was zu schlechten Therapieentscheiden und verpassten Chancen für eine bessere Medizin führt; aber auch zu Studien, die wegen fehlender Information wiederholt werden.

Alle klinischen Studien sollten daher registriert werden, seien dies vergangene oder aktuelle. Die vollständigen Methoden und die Resultate sollten veröffentlicht werden.

Wir rufen Regierungen, Behörden und Forschungsinstitutionen dazu auf, Massnahmen umzusetzen, um diese zu erreichen.

All Trials LogoCC BY-NC-ND AllTrials.net

Das Problem ist schon zu lange ungelöst. Zu viele Scheinlösungen hat es gegeben.

Alle – Einzelpersonen, Gesellschaften und Institutionen, auch Schweizerische – sind jetzt aufgerufen die Petition zu unterschreiben und selbst aktiv zu werden.

Stand

Seit dem Start am 8. Jan. 2013 wird die Petition schon von vielen unterstützt. Eine Auswahl:

Die Initiative hat noch kaum Unterstützung aus der Schweiz. Die nichtveröffentlichten Studien sind eines der grössten Probleme der Medizin und der Wissenschaft. Jetzt unterschreiben.

Referenzen

[Aktualisierung 09.03.2013: 18th January 2013 Sir Iain Chalmers interviewed on the Today programme]

[Aktualisierung 25.03.2013: Artikel von GlaxoSmithKline-Direktor in Schweizer Ärztezeitung: Peter Kleist, Vier Schritte zu mehr Transparenz in der klinischen Forschung, Schweizerische Ärztezeitung, März 2013, 94(12):483–5]

[Aktualisierung 11.05.2013: Die AllTrials-Initiative findet nun auch in der Schweiz Unterstützung. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)5 und die Schweizerische MS-Gesellschaft unterstützen die Initiative. Bravo für die Vorreiterrolle. Hoffentlich folgen noch weitere Institutionen.]

[Aktualisierung 11.05.2013: Unterschriften bis zum 20. Mai sind besonders wichtig. Ende Mai findet eine wichtige Abstimmung in der EU statt. Jede Unterschrift zählt. Jetzt unterschreiben.]

[Aktualisierung 03.06.2013: Am 3. Juni ist im Tagesanzeiger ein ganzseitiger Artikel zum Buch Bad Pharma und zur All Trials Initiative erschienen. Online ist der Artikel nicht verfügbar. Der Artikel ist im Wirtschaftsteil. Ich habe den Artikel selbst noch nicht gelesen. Wenn der Tagesanzeiger in Griffnähe ist, lohnt sich wahrscheinlich die Lektüre.]

Die britische MS Society unterstützt die AllTrials Initiative ebenfalls.
Die Liste der der Unterstützer ist mittlerweile lang geworden. So muss es sein!
«Negative Studien» dürfen nicht mehr verschwinden. Was leider heute noch bei etwa bei der Hälfte der Studien der Fall. Die guten ins Körbchen, die anderen sonst wohin. Und leiden müssen dann die Patienten unter vermeintlich wirksamen Medikamenten. Ausser Nebenwirkungen nichts gewesen.
Die Petition kann immer noch unterschrieben werden. Wer Forschung nicht zu Marketingzwecken, sondern zur wahrheitsgemässen Wirksamkeitsforschung will, der muss unterschreiben.


  1. Ben Goldacre Bad Pharma, p47ff / Mathieu S, Boutron I, Moher D, Altman DG, Ravaud P. Comparison of Registred and Published Primary Outcomes in Randomized Controlled Trials. JAMA. 2009 Sep 2;302(9):977–84. 

  2. Wieseler B, McGauran N, Kaiser T. Still waiting for functional EU Clinical Trials Register. BMJ. 2011 Jun 20;342:d3834-d3834. (via Bad Pharma, p47ff)
    Nach dem Erscheinen des Buches Bad Pharma von Ben Goldacre und politischem Druck sind bei der EU Bestrebungen im Gange, das Register nicht mehr geheim zu halten und den Forschern zur Verfügung zu stellen. 

  3. Prayle AP, Hurley MN, Smyth AR. Compliance with mandatory reporting of clinical trial results on ClinicalTrials.gov: cross sectional study. BMJ. 2012;344:d7373. (via Bad Pharma, p47ff) 

  4. Mit der 3 Mrd. USD Busse 2012 ist GSK ein gebranntes Kind auf dem Weg der Besserung. 

  5. Persönliche Auskunft vom Generalsekretär Dr. Hermann Amstad. 

TED Talk von Ben Goldacre: Datenverheimlichung

Was ist ein TED Talk? Was ist das Thema des Vortrages?

In den USA gibt es die Vortragsreihe TED Talk. Eingeladen werden Forscher und Leute mit Ideen. Die Liste der Redner reicht von Bill Clinton über Bill Gates bis zu Nobelpreisträgern. Die Vorträge dürfen maximal 18 Minuten lang sein. Die Vorträge werden dann ins Internet gestellt, nach dem Motto: „Ideas worth spreading“ (dt.: „Ideen, die es Wert sind, verbreitet zu werden“).

Ben Goldacre konnte eine Vortrag über das Verheimlichen von Studiendaten machen. Das ist der zentrale Kritikpunkt seines neuen Buches Bad Pharma: How Drug Companies Mislead Doctors and Harm Patients.

Mit deutschen Untertiteln

Ben Goldacre erläutert in seinem Vortrag von Mitte 2012 das Problem von fehlenden «negativen» Resultaten. In der 14-minütigen TED-Talk Aufzeichnung What doctors don’t know about the drugs they prescribe erläutert Ben Goldacre die Verzerrung der Forschungsliteratur (Publication Bias). Wenn von 10 Studien über ein Medikament nur die 5 «positiven» publiziert werden und die 5 anderen nicht, so meinen alle das Medikament sei wirksam, was es aber bei ganzer Datenlage nicht ist.

Weitere interessante Videos sind auf der Seite Hörens- und sehenswerte Sendungen aufgelistet.

Ein 60 minütiger (lustiger) Vortrag Book Discussion on Bad Pharma (engl.) von Ben Goldacre aus Seattle vom 18.02.2013. Ebenfalls sehenswert.

Multiple Sklerose (MS): Die zehn wichtigsten ungelösten Fragen

Was sind die relevanten, offenen Forschungsfragen der MS-Betroffenen? Von den Pflegenden? Welche MS-Forschung ist prioritär? Welche Antworten erwarten die MS-Betroffenen von der Forschung? Welche Forschungsprojekte sind aus Patientensicht förderungswürdig? Welche aus Sicht der Ärzte?

Die britische Multiple Sclerosis Society hat sich letzten Sommer genau diesen Fragen angenommen. Sie hat die Initiative Setting MS research priorities gestartet.

In der Initiative geht es darum, die Forschungsfragen von MS-Betroffenen, Pflegenden und Ärzten zu sammeln und zu gewichten. Die Prioritäten werden in einem mehrstufigen Prozess ermittelt:

  1. Forschungsfragen sammeln
  2. Prüfen, welche Forschungsfragen schon mit dem vorhanden Wissen beantwortet werden können
  3. Fragen sortieren und gruppieren
  4. Priorisieren
  5. Die zehn wichtigsten ungelösten Fragen auswählen

Jeder kann Forschungsfragen über die MS Society Umfrage bis Ende Januar einreichen.

Top 10 Prioritäten© unbekannt

Die gefundenen Forschungsprioritäten werden danach bekanntgegeben. Die MS Society wird ihre Forschungsförderung nach diesen Prioritäten ausrichten. Die MS Society erarbeitet die zehn wichtigsten, offenen Forschungsfragen nicht nur für sich, sondern führt diesen Prozess, als ihr Beitrag, für die weiteren Forschungsförderer durch.

Ich finde diese Initiative der MS Society sehr wichtig. Das Feld der MS-Forschung ist riesig. Es gibt sehr viele Forschungsförderungsgesuche. Nicht alle Forschungsfragen sind auch relevant für die Betroffenen oder die Pflegenden. Diese Initiative hilft die Stimme der Betroffenen einzubringen.

Falls Fragen eingereicht wurden, die durch die Wissenschaft bereits ausreichend beantwortet wurden, heisst dies, dass die gefundenen Forschungsergebnisse zu wenig bekannt sind. Bei einer Häufung solcher bereits beantworteter Fragen, muss die Informationsverbreitung verbessert werden, z.B. durch eine Informationskampagne.

James Lind Alliance (JLA)

Die MS Society erarbeitet die Prioritätenliste mit der James Lind Alliance (JLA). Das ist eine Non-Profit-Organisation, die sich auf das Finden und Gewichten von unbeantworteten, medizinischen Fragen spezialisiert hat. Die JLA wurde von Iain Chalmers 2004 mitbegründet. Iain Chalmers war ebenfalls an der Gründung der Cochrane Collaboration beteiligt. Eine Medizin ohne Cochrane Collaboration ist heute nicht mehr vorstellbar.

James Lind war ein schottischer Schiffsarzt. Er hat vor 250 Jahren für die oft tödliche Krankheit Skorbut, mittels eines simplen Versuchs, herausgefunden, wie Skorbut geheilt und verhindert werden kann. Skorbut kann durch Zitronen oder Chabis geheilt werden. Die Krankheit entsteht durch Vitamin C Mangel. Das wussten sie damals allerdings noch nicht.

Schweizerische MS-Gesellschaft

Die MS-Gesellschaft fördert die MS-Forschung mit jährlich 1.3 Mio Franken. Der MS-Gesellschaft habe ich letzten Sommer das Anliegen vorgebracht, dass die praktisch relevanten Forschungsfragen von Betroffenen stärker in der Forschungsförderung einbezogen werden sollten. Aktuell werden die Fördergesuche von einem kleinen Kreis von Forschern beurteilt.1 Von der Initiative der MS Society habe ich erst kürzlich erfahren. Die Initiative der MS Society ist ein hervorragender Ansatz. Ich hoffe die Schweizerische MS-Gesellschaft wird ebenfalls in dieser Richtung aktiv.2

Schlussbemerkung

Die Forschung ist kein Sandkasten nur zum Vergnügen der Forscher. Relevante Fragen sollen mittels wissenschaftlicher Methoden beantwortet werden. Die Initiative der britischen MS Society ist ein sehr wichtiger Beitrag.

Ich hoffe andere Forschungsförderungsgesellschaften, wie die Schweizerische MS-Gesellschaft oder die DMSG orientieren sich ebenfalls an diesen wichtigsten Forschungsprioritäten. Wenn diese Prioritäten nicht direkt übernommen werden können, sollten die eigenen Forschungsprioritäten ebenfalls nach dem Vorbild der MS Society, unter Einbezug der Betroffenen und Pflegenden, ermittelt werden.


  1. Nach meinem Wissenstand entscheidet das Gremium des Wissenschaftlichen Beirates nach eigenem Gutdünken. 

  2. Vielleicht sollte man eine Petition starten. 


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Tamiflu Saga

Oder: Wo sind die Daten?

Warum geht es bei der Tamiflu® Saga? Wofür steht dieser Konflikt? Was lehrt uns dieses Beispiel über die Medizin und die Wissenschaft?

Tamiflu®Tamiflu® | via Wikimedia

Hinter der Tamiflu® Saga steht die Geschichte über Tamiflu® und dessen kometenhafter Aufstieg während der Schweinegrippe und den Fragen danach.

Das Grippemittel Tamiflu® (Oseltamivir) wird vom Schweizer Pharmaunternehmen Roche hergestellt. Es soll die Grippe verkürzen und Komplikationen wie schwere Lungenentzündungen vermeiden. Während der bedrohlichen Schweinegrippe kauften die Staaten Tamiflu® für Milliarden von Franken zum Schutze der Bevölkerung. Tamiflu® wurde zum Vermeiden grippebedingter Komplikationen und Grippetoten gekauft. Tamiflu® Reserven wurden von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlen.1

Roche hat zur Wirksamkeit des Medikaments, wie von den Zulassungsbehörden gefordert, Studien erstellen lassen.

Jedoch wurde nur ein kleiner Teil wissenschaftlich veröffentlicht.2 Und Rohdaten sind gar keine zugänglich.3

Im Jahre 2009 wollte eine unabhängige Forschungsgruppe von Cochrane die Studien von Roche nachrechnen. Die Rohdaten sind die Voraussetzung, um die Studien unabhängig nachrechnen zu können. Die Forscher fragten Roche um die fehlenden Daten an. Roche versprach (2009) die vollständigen Daten zur Verfügung zu stellen.

Doch Roche hat die Daten bis heute nicht geliefert!

Seit dem Jahr 2009 gehen Mails hin und her. Ohne Ergebnis.

Resultat: Die Welt weiss bis heute nicht, wie nützlich Tamiflu® eigentlich gegen Grippe ist. Die Rohdaten fehlen. Unabhängige Studien fehlen. Den Ärzten und der Bevölkerung werden die Daten verheimlicht.

Forscher schalten sich ein. Der Fall zieht immer weitere Kreise.

Die angesehene medizinische Fachzeitschrift BMJ begann sich für diesen Fall zu interessieren. Sie haben Roche kontaktiert. Ohne Ergebnis. Um die Absurdität dieses Falles zu veranschaulichen haben sie den ganzen Mailverkehr auf ihrer Webseite www.bmj.com/tamiflu veröffentlicht.

Ist Roche ein Einzelfall mit seinem Verhalten?

Leider nein. Das ist unverständlicherweise gängige Praxis in der Medikamentenforschung. Rohdaten stehen unabhängigen Forschern praktisch nie zur Verfügung. Als Argument werden Geschäftsgeheimnisse angegeben. Doch was ist an einer standardisierten Studie geheim? Der Datenschutz ist es jedenfalls nicht. Es geht um anonyme Daten.

Warum steht gerade Tamiflu® von Roche im Scheinwerferlicht?

Jeder kennt es. Die Grippe geht alle an. Tamiflu® ist deshalb ein gutes Beispiel. Doch Roche ist nicht schlechter als andere Pharmaunternehmen. Das Problem betrifft die ganze Industrie. Die Rohdaten der Tamiflu®-Studien sind einfach zum sichtbaren Testfall geworden.

Die Europäische Zulassungsbehörde EMA würde ebenfalls über die Rohdaten verfügen. Die EMA gibt die Daten den unabhängigen Forschern nicht heraus.

Dass Rohdaten anderen Forschern nicht zur Verfügung stehen ist ein unhaltbarer Zustand. Das hat nichts mit Forschung und Wissenschaft zu tun. Wissenschaft ist unter solchen Bedingungen nicht möglich. Der Öffentlichkeit ist mit solchem Verhalten in keiner Art und Weise gedient.

Warum versteckt Roche seine Daten so sehr? Bei einem wirksamen Medikament kann Roche nur gewinnen. Die Ergebnisse werden von unabhängiger Seite bestätigt.

Der Tamiflu® Fall ist zusätzlich brisant, denn das staatlich gelagerte Tamiflu® hat das Verfalldatum erreicht. Sollen die Staaten ihre Tamiflu® Lager wieder auffüllen4?

Hintergrundinformationen

Wichtige

Weitere

Nebenbemerkung: Gegen Roche läuft eine Untersuchung in der EU. Roche steht im Verdacht, Nebenwirkungen von zahlreichen Medikamenten verheimlicht zu haben. (Radio DRS1)

[Aktualisierung 20.01.2013: Die Initiative alltrials (All Trials Registered | All Results Reported) wurde von Ben Goldacre, BMJ Group, James Lind Initiative und weiteren zur Veröffentlichung aller klinischen Studiendaten gegründet.]

[Aktualisierung 26.01.2013: Die Tamiflu Saga hat es jetzt auch in die etablierten Medien geschafft. Der Tagesanzeiger hat einen lesenwerten Artikel geschrieben: Zweifel an Tamiflu – Der Druck auf Roche nimmt zu, Tages-Anzeiger, 26. Jan. 2013. Hoffentlich passiert jetzt etwas.]

[Aktualisierung 26.01.2013: Lesenswerter Blogartikel über Tamiflu von Alexander Riegler aus Österreich: Tamiflu, ein Medikament das wir kauften – aber nie brauchten …, 8.11.2012]

[Aktualisierung 27.04.2013: Bericht Süddeutsche Zeitung: Das Fieber der Gutgläubigkeit ]

[Aktualisierung 27.04.2013: Roche will Studienrohdaten für Analysen zugänglich machen. BBC, 04.04.2013. Taten zählen, Versprechen gab es schon viele.]

[Aktualisierung 22.06.2013: Forum Gesundheitspolitik schrieb einen Artikel über Tamiflu]

[Aktualisierung 13.04.2014: Die Cochrane Collaboration hat ihren Bericht zu Tamiflu® veröffentlicht. Der einst erhoffte grosse Nutzen von Tamiflu® scheint sich nicht zu bestätigen. Mehr Versprechen als Fakten zu Tamiflu: Forscher werten Studiendaten zu Grippemittel aus, Neue Zürcher Zeitung. 10. Apr. 2014
Tamiflu gerät zum Spielball der Wissenschaft, Bernerzeitung
Jefferson T, Jones M, Doshi P, Spencer EA, Onakpoya I, Heneghan CJ. Oseltamivir for influenza in adults and children: systematic review of clinical study reports and summary of regulatory comments BMJ. 9. Apr. 2014;348(apr09 2):g2545–g2545.
]

[Aktualisierung 13.04.2014: Beitrag im Schweizer Radio: Medikamente halten nicht immer, was sie versprechen. Wie kann man das verhindern? SRF, 11.04.2014; [Harsche Kritik am Grippemittel «Tamiflu»](http://www.srf.ch/gesundheit/gesundheitswesen/harsche-kritik…, SRF, 10.04.2014; Kritiker sehen sich bestätigt, SRF, 10.04.2014]

[Aktualisierung 14.04.2014: Was kann man lernen aus der Causa Tamiflu?, SRF, Wissenschaftsmagazin, 12.04.2014]


  1. Der WHO Pandemiekommission wurden Interessenskonflikte mit den Herstellern vorgeworfen. Das ist ein eigenes Kapitel für sich, siehe Neue Kritik an der WHO, Neue Zürcher Zeitung, 5. Juni 2010. 

  2. Das wird als Publikationsverzerrung (publication bias) bezeichnet. In der wissenschaftlichen Literatur werden nur die „positiven“ Fälle veröffentlicht. Die wissenschaftliche Literatur zeigt deshalb ein verzerrtes Bild der Realität. Medikamente erscheinen als wirksam, obwohl sie es insgesamt sind nicht, Beispiel Reboxetin (Edronax®) von Pfizer. 

  3. Ein wesentlicher Pfeiler der Wissenschaft ist die Wiederholbarkeit. Rohdaten sind ein wichtiges Element. Keine Rohdaten zur Verfügung zu stellen ist unwissenschaftliches Verhalten. 

  4. Mit Steuergeldern versteht sich.