Krebserkrankungen gehören zu den Erkrankungen, die häufig auftreten, oft tödlich enden, meist mit intensiven Schmerzen einhergehen und deren Therapie mit Zytostatika nebenwirkungsreich und oft auch unwirksam ist. So sterben immer noch ca. 50 Prozent aller Krebskranken, und das, obwohl die medizinische Wissenschaft nicht aufhört, sieben-Meilen-Sprünge-Erfolge in ihrem Fortschritt im „Kampf gegen den Krebs“ zu feiern.
Dieses Szenario ist natürlich ein permanentes Thema in den einschlägigen Massenmedien. Damit ist es interessant, der Frage nachzugehen, was diese Massenmedien zu sagen haben zu einem Thema, bei dem es soviel medizinischen Fortschritt zu geben scheint, der sich aber irgendwie in der Praxis noch nicht so recht durchsetzen kann.
In den USA ist man genau dieser Frage einmal nachgegangen.
Eine Forschergruppe von der Universität von Pennsylvania führte eine große Analyse von Krebsberichterstattungen durch, die in acht großen und renommierten Tageszeitungen (z.B. New York Times, Chicago Tribune oder Philadelphia Inquirer) und fünf bundesweiten Magazinen (z.B. Newsweek, Time und People) in dem Zeitraum von 2005 bis 2007 publiziert worden sind. Es fanden sich 2.228 Artikel, von denen 436 Artikel zufällig ausgewählt und dann inhaltlich analysiert wurden.
Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich kurz zusammenfassen:
1. Mehr als 32 Prozent der Artikel schrieben über eine erfolgreiche Behandlung von mindestens einem Patienten. Nur 7,6 Prozent schrieben über Patienten, die krankheitsbedingt kurz vor dem Tod standen. Eine ausgewogene Berichterstattung über positive und negative Behandlungsergebnisse fand nur in 2,2 Prozent der Fälle statt. Fokus der Berichterstattung waren meist positive Behandlungsergebnisse in Verbindung mit aggressiven Behandlungsmethoden. Palliativmedizinische (das Leiden lindernde) Behandlung und Sterberisiko waren deutlich unterrepräsentiert.
2. Schaut man sich die Mortalität der Krebspatienten an, die in den veröffentlichten Massenmedienartikeln angegeben wird, dann sterben diesen zufolge nur 21,3 Prozent, während 78,7 Prozent die Krankheit erfolgreich überleben. Die Realität diktiert indes ganz andere Zahlen: Die Rate der Überlebenden liegt bei gerade mal 50 Prozent.
3. Die aggressiven Formen der Krebstherapie stehen im Vordergrund der Berichterstattung (75 Prozent). Dabei gaben nur 13,1 Prozent der Artikel zu, dass diese Formen der Behandlung tödlich enden können. Noch weniger Artikel behandelten das Thema Behandlung und Versorgung am Lebensende (zwei Artikel), und 2,5 Prozent berichteten auch über palliative Maßnahmen.
4. Nur 30 Prozent der Artikel erwähnt, dass die aggressiven Therapieformen auch Nebenwirkungen haben können bzw. meist haben.
Bei einer solch optimistischen „Kriegsberichterstattung im Kampf gegen den Krebs“ muss der uninformierte Leser den Eindruck gewinnen, dass die medizinische Armee in ihren Kämpfen einen Sieg nach dem anderen erringt, und dass Krebs bald so leicht zu heilen sein wird wie “Husten, Schnupfen und Heiserkeit”.
Eine solche Einstellung bzw. Fehleinschätzung verhindert auch, dass man sich über prophylaktische Maßnahmen kundig macht, weil ja die Behandlung ein Kinderspiel zu sein scheint. Auch die Menschen, die eine hochwertige Palliativversorgung benötigen, werden durch diese Medien nur unzureichend informiert, weil diese sich anscheinend scheut, in Sachen Krebs Ross und Reiter zu nennen.
Eine positive Einstellung, auch im Krankheitsfall, ist nur dann eine gute Angelegenheit, wenn der Bezug mit der Realität bewahrt bleibt. Positives Scheuklappen-Denken führt zu gefährlichen Fehleinschätzungen, die in der Realität negativ enden. Wer Krebs den Status einer leicht behandelbaren Verstimmung gibt, der denkt vielleicht positiv, wird aber bald mit den negativen Gegebenheiten der Realität kollidieren.
Eine ähnliche Untersuchung wie die aus Pennsylvania wäre auch für die bundesdeutschen Massenmedien wünschenswert. Krebs, Demenz, Diabetes, Bluthochdruck und andere Erkrankungen, die die Schulmedizin nicht in den Griff bekommt, tauchen in den Medien auch in unserem Land immer und immer wieder auf. Beim ersten Hinsehen scheint es kaum Unterschiede zur amerikanischen Studie zu geben. Auch hier gewinnt der Leser oder Zuschauer den Eindruck, dass diese Krankheiten aufgrund der modernen Medizin keinerlei Probleme darstellen.
Anstelle dessen werden dem Leser andere Probleme präsentiert, die man getrost in den Bereich der Märchenwelt verbannen kann: Mythen über Kostenexplosionen im Gesundheitswesen etc. vernebeln die wahre Sicht der Dinge. Denn wenn es wirklich eine Kostenexplosion gibt, dann rührt das vielleicht daher, dass die moderne Medizin so viele behandlungsbedürftige Diabetiker, Hypertoniker, Krebskranke usw. zulässt, deren Therapie und Medikation über lange Zeiträume die Krankenkassen belasten.